Der Kampf um die (visuelle) Aufmerksamkeit

Wie Massenmedien um eine knappe Ressource wetteifern


Hausarbeit, 2008

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einführung

1. Verschiedene theoretische Ansätze
1.1 Funktionalistische, physiologische und phänomenalistische Aufmerksamkeit
1. Funktionalistische Definition
2. Physiologische Definition
3. Phänomenalistische Definition
1.2 Georg Franck: Attention and awareness
1.3 Florian Rötzer: Selektive Informationsverarbeitung

2. Das Auge als aufmerksamer Empfänger von Reizen
2.1 Wie entsteht visuelles Bewusstsein?
2.2 Information und Selektion

3. Aufmerksamkeit, Medien und Ökonomie
3.1 Kommunikation durch Massenmedien
3.2 Wie werben Massenmedien um unsere Aufmerksamkeit?
3.2.1. Sichtbarkeit als Kapital
3.2.2. Werbung
3.2.3. Selbstständige Komplexitätsreduktion

4. Gefangen im Netz- Virtualität als Aufmerksamkeitsfalle

Schluss

Literatur

Einführung

Seit die Moderne von der überwältigenden Flut der untereinander konkurrierenden (Multi-, Massen-) Medien immer mehr überrollt wird, zeigt sich eine Veränderung unserer Aufmerksamkeit. Das Bewusstsein kann faktisch nur einen Bruchteil der tatsächlichen Möglichkeiten der Wahrnehmung realisieren, und somit ist Aufmerksamkeit zur knappen Ressource geworden. Die Medienwissenschaften haben sich in den letzten Jahren deshalb in die Diskussion um Aufmerksamkeit, die innerhalb des Konzepts der Ökonomie der Aufmerksamkeit den Status eines umkämpften Guts, einer wichtigen Währung erhalten hat, vertieft. Zunächst versuche ich einige der gängigen Definitions- und Diskussionsansätze wiederzugeben, gehe auf die Selektion unseres Bewusstseins ein und auf die visuelle Aufmerksamkeit, die als die wichtigste unter den Sinneswahrnehmungen gilt, insbesondere im Hinblick auf Fernsehen, Computer, Virtuelle Welten, Cyberspace etc. Im letzten Abschnitt möchte ich herausarbeiten, wie Medien um unsere Aufmerksamkeit kämpfen und unsere Reaktion hierauf.

1. Verschiedene theoretische Ansätze

Um sich dem Hauptbegriff meiner Arbeit zu nähern, möchte ich zunächst drei Definitionsversuche von Aufmerksamkeit widergeben und dann zwei sehr bekannte theoretische Ansätze diskutieren. Georg Franck hat mit seiner Ökonomie der Aufmerksamkeit einen anspruchsvollen und weit verbreiteten Erklärungsversuch gegeben, dem ich anschliessend Florian Rötzers kontrastierende Ideen gegenüberstellen möchte. Diese Thesen werden im 3. Teil nochmals zur intensiven Auseinandersetzung mit den Medien zu Rate gezogen.

Bereits in den 60er Jahren wurde Aufmerksamkeit diskutiert, insbesondere von Nobelpreisträger Herbert Alexander Simon.[1] Der Diskurs wurde dann in den 90er Jahren, aufgrund des Übergangs zum Informationszeitalter und der überwältigenden Präsenz der Massenmedien, wieder aufgenommen.

1.1 Funktionalistische, physiologische und phänomenalistische Aufmerksamkeit

Laut Jens Eder, seit Juni 2002 Juniorprofessor für Medienwissenschaften in Hamburg[2], lässt sich der Aufmerksamkeitsbegriff dreiteilen[3].

1. Funktionalistische Definition

Hierbei wird Aufmerksamkeit über ihre kognitive Funktion bestimmt; dabei kann sie mehrere Formen annehmen, ist aber stets an der Informationsselektion beteiligt. Entweder wird Aufmerksamkeit als Fähigkeit zur Auswahl von Informationen gedacht, als Prozeß derselbigen oder als deren Ursache. Das Gehirn hat eine eingeschränkte Kapazität, es kann nicht unendlich viele Reize gleichzeitig bewusst wahrnehmen und bearbeiten. Daher muss es auswählen, welche Informationen für den Organismus von hoher oder geringer Bedeutung sind und daher weggelassen werden können. Wird einer Information nicht innerhalb von fünf Sekunden Aufmerksamkeit geschenkt, geht sie verloren. Dabei stellt sich nun die Frage, nach welchen Kriterien das Gehirn die Relevanz der Reize beurteilt. So werden einerseits neue Reize mit Aufmerksamkeit (Neugier)bedacht, andererseits richtet sich die Aufmerksamkeit auf emotional belegte Informationen, die ein Marker für Wichtigkeit sind. Je emotionsgeladener ein Reiz ist, desto leichter fällt es uns, unsere Aufmerksamkeit darauf zu richten. Bedürfnisse, Interessen, Einstellungen und Motive spielen daher bei der Entstehung und Verteilung der Aufmerksamkeit eine wichtige Rolle.[4]

2. Physiologische Definition

Diese ist mit der oben genannten Definition verbunden, sie sieht Aufmerksamkeit in Verbindung zu bestimmten neuronalen Prozessen. Laut dem Kognitionswissenschaftler David LaBerge sei Aufmerksamkeit ein Vorgang im Gehirn, der aus neuronalen Aktivitäten in drei verschiedenen Hirnbereichen entstünde. Noch ist Aufmerksamkeit jedoch kein gut erforschtes Rhänomeninnerhalb der Neurowissenschaften.

3. Phänomenalistische Definition

Jeder weiß, was Aufmerksamkeit ist. Der Geist nimmt einen Gegenstand klar und lebhaft in Besitz, obwohl zur gleichen Zeit verschiedene Gegenstände (oder Gedankensequenzen) präsent sind... Zur Aufmerksamkeit gehört es, sich von gewissen Dingen zurückzuziehen, um sich mit anderen wirkungsvoller auseinanderzusetzen. (William James)[5]

Das beste Beispiel für diese Definition ist die weit über 100 Jahre alte Beschreibung von William James in seinen Principles of Psychologie aus dem Jahre 1890. Der Prozess der Aufmerksamkeitszuwendung ist dabei gekennzeichnet durch Zuwendung (Orientierung) und Auswahl (Selektivität) der Gegenstände und der damit verbundenen Unaufmerksamkeit gegenüber anderen Gegenständen. Die Zuwendung ist durch eine gesteigerte Wachheit und Aktivierung charakterisiert, während die Selektivität die Funktion eines Filters hat, um wichtige und unwichtige Informationen voneinander zu trennen.[6]

1.2 Georg Franck: Attention and awareness

Georg Franck wurde 1946 geboren. Er studierte in München Philosophie, Architektur und Volkswirtschaftslehre mit Promotion. 1974 bis 1993 war er freier Architekt und Entwickler von Software für die räumliche Planung, ab 1991 Unternehmer im Bereich der Entwicklung räumlicher Informationssysteme. Seit 1994 ist er Ordinarius für digitale Methoden in Architektur und Raumplanung an der Technischen Universität Wien.[7] In seinem bekanntesten Werk Ökonomie der Aufmerksamkeit (1998) setzt er sich mit dieser auseinander und formuliert die Thesen, die den heutigen Diskurs am meisten beeinflussen.

Zuerst beschreibt er Aufmerksamkeit auf emotionaler und zwischenmenschlicher Ebene, um sogleich auf ihren gesellschaftlichen und ökonomischen Aspekt einzugehen: Die Aufmerksamkeit anderer Menschen ist die unwiderstehlichste Droge. Ihr Bezug sticht jedes Einkommen aus. Darum steht der Ruhm über der Macht, darum verblaßt der Reichtum neben der Prominenz.[8] Hierbei sind Francks zentrale Aussagen beinahe schon zusammengefasst. Im Bereich der Ökonomie zeige sich ein Wandel der Wirtschaftsgüter: Im Informationszeitalter, in dem der Mensch unter der Flut der Informationen untergehe, gelte Aufmerksamkeit als knappe Ressource und sei dadurch sei zu einer Art Währung geworden, da sie die Universalität des Geldes übertreffe.[9] Insbesondere zeige sich dies im öffentlichen Raum- zum Beispiel sei durch Werbung, die eng mit Marke und Produktdesign verbunden ist, ein Markt entstanden, auf dem Informationen gegen Aufmerksamkeit und diese gegen Geld eingetauscht werden würde.[10]

Auch wenn Franck weiss, dass es hoffnungslos ist, Aufmerksamkeit und Bewußtsein bündig zu definieren[11], versucht er es und nutzt zwei Begriffe aus dem Englischen, die zusammengesetzt die beste Definition darstellen. Attention, rein transitiv zu betrachten, beschreibe das gezielte und heraushebende, den Gegenstand fokussierende Acht geben und eine zielgerichtete Informationsverarbeitung. Awareness sei der Zustand von wacher Achtsam keit, das intransitive Da sein, welches bewusstes Merken, Spüren und Empfinden erlaube. Aufmerksamsein bedeute also stets zugewandte und zugleich wach da seiende Geistesgegenwart. Aus diesem Grund kann nur aufmerksam sein, wer auch ein Bewusstsein hat, somit sind Maschinen, insbesondere der Computer, davon ausgeschlossen. Franck verknüpft demnach funktionalistische mit phänomenologischen Aspekten.

1.3 Florian Rötzer: Selektive Informationsverarbeitung

Florian Rötzer, geboren 1953, ist Journalist und Chefredakteur beim Online-Magazin Telepolis, zu dessen Gründern er gehört[12]. Er veröffentlichte im selben Jahr wie Franck seine Digitalen Weltentwürfe, in denen er ebenfalls versucht, Aufmerksamkeit im Zeitalter der Massenmedien zu positionieren.

Für ihn sei nicht alles, was knapp sei, auch schon wertvoll und nicht alles, was bekannt sei, besitze großen Wert[13], und steht bereits hier schon Francks Thesen widersprüchlich gegenüber. Er geht dann grundsätzlich gegen Franck, indem er behauptet: Alle Medien sind eine kollektive und verwirklichte Form der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit, ein Filter, der Neuigkeiten selektiert und sie als Informationen inszeniert[14]. Dies würde nur dem Aspekt von attention bei Francks Argumentation entsprechen, da Rötzer weiterhin meint, Bewusstsein sei im Aufmerksamkeitsdiskurs nicht notwendig inbegriffen. Er stellt keine expliziten Begriffsdefinitionen an, er nimmt lediglich eine Dreiteilung vor: Die Aufmerksamkeit des einzelnen Menschen, die auch biologisch durch sein kognitives System gelenkt und begrenzt wird, die kollektive Aufmerksamkeit von gesellschaftlichen Gruppen oder ganzen Gesellschaften, die im weitesten Sinne durch Medien erzeugt und getragen wird.[15] Rötzer bedient sich laut Eder personifizierender Metaphern[16], insbesondere, wenn er vom virtuellen Agenten[17] spricht, der als vierte Form ein Computerprogramm mit technischer Aufmerksamkeit darstellen soll.

Rötzers Argumentation hat zwar den gleichen Gegenstand wie Francks, zielt jedoch in eine andere Richtung. Ihm ist es im Gegensatz zu Franck, dessen Definition sich mehr unserem Alltagsbegriff von Aufmerksamkeit nähert, wichtiger herauszufinden, wie man die Menschen in die Labyrinthe des Cyberspace hineinlocken und ihre Aufmerksamkeit halten kann, wenn sich das Netz als neue Lebenswelt ausbreiten wird[18].

[...]


[1] Nolte, Kristina: Der Kampf um Aufmerksamkeit. Wie Medien, Wirtschaft und Politik um eine knappe Ressource ringen, Frankfurt a/M 2005, S. 48f

[2] http://www1.uni-hamburg.de/zwo/test/2archiv/index.html?/zwo/test/2archiv/2aktuell/Personen/eder.html

[3] Joan Kristin Bleicher, Knut Hickethier (Hrsg.): Aufmerksamkeit, Medien und Ökonomie, Münster 2002, S. 17ff

[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Aufmerksamkeit

[5] Andrea Schankin: Wie entsteht visuelles Bewusstsein? Eine EKP-Studie über den Zusammenhang zwischen Aufmerksamkeit und Bewusstsein, Göttingen 2005, S. 22

[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Aufmerksamkeit

[7] http://wga.dmz.uni-wh.de/wiwi/html/default/mgac-6rpewn.en.html

[8] Franck, Georg: Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf, München Wien 1998, S. 10

[9] Franck, Georg: Ökonomie der Aufmerksamkeit, S. 49ff

[10] Franck, Georg: Ökonomie der Aufmerksamkeit, S. 70ff

[11] Franck, Georg: Ökonomie der Aufmerksamkeit, S. 28ff

[12] http://de.wikipedia.org/wiki/Florian_R%C3%B6tzer

[13] Rötzer, Florian: Digitale Weltentwürfe. Streifzüge durch die Netzkultur, München Wien 1998, S. 62

[14] Rötzer, Florian: Digitale Weltentwürfe, S. 63

[15] Rötzer, Florian: Digitale Weltentwürfe, S. 75

[16] Bleicher, Hickethier(Hrsg.): Aufmerksamkeit, Medien und Ökonomie, S.22

[17] Rötzer, Florian: Digitale Weltentwürfe, S. 75f

[18] Rötzer, Florian: Digitale Weltentwürfe, S. 75

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Der Kampf um die (visuelle) Aufmerksamkeit
Untertitel
Wie Massenmedien um eine knappe Ressource wetteifern
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V129617
ISBN (eBook)
9783640360987
ISBN (Buch)
9783640360680
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kampf, Aufmerksamkeit, Massenmedien, Ressource
Arbeit zitieren
Valentina L´Abbate (Autor:in), 2008, Der Kampf um die (visuelle) Aufmerksamkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129617

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