Die Entstehung des sozialen Liberalismus in Deutschland

Vom 19. Jahrhundert bis zu den Freiburger Thesen 1971


Hausarbeit, 2003

29 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Anmerkungen zum Liberalismusbegriff

III. Entwicklungen des sozialen Liberalismus während des Kaiserreichs und Gründe für seine fehlende Durchsetzungskraft
1. Gründe der programmatischen Isolation sozialer Problemfelder
1.1 Die Entstehung des Klassencharakters des Liberalismus
1.2 Partei – und Interessenspolitik
1.2.1 Modellannahmen des Liberalismus
1.2.2 Industriegesellschaftliche Entwicklungen
1.3 Verbandsliberalismus
2. Elemente des sozialen Liberalismus von Friedrich Naumann
3. Sozialer Liberalismus in den Parteien des Kaiserreichs
4. Zwischenfazit: Ansätze des sozialen Liberalismus blieben ohne Einfluss

IV. Der Weg zu den Freiburger Thesen
1. Die sozialpolitische Orientierung der FDP
1.1 Die traditionelle Spaltung
1.2 Die sozialkonservative Orientierung der FDP
1.3 Die programmatische Ausrichtung sozialliberaler Prägung als Minderheitsposition
2. Der Modernisierungsprozess der FDP
2.1 Der Zwang der Liberalen zu einem Kurswechsel
2.2 Probleme und Folgen der Modernisierung
2.3 Konsolidierung der FDP und die Verabschiedung der Freiburger Thesen

V. Schlussbemerkung: Späte Durchsetzung des sozialen Liberalismus?

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Mit den Freiburger Thesen vollendete die Freie Demokratische Partei (FDP) 1971 einen programmatischen Wandel, der zugleich eine Wiederbelebung älterer sozialliberaler Traditionen darstellt.[i] Die FDP entwickelte mit den Thesen eine theoretische Grundlage des sozialen Liberalismus, der den freiheitlichen Rechtsstaat durch einen freiheitlichen Sozialstaat ergänzen und vollenden sollte, indem Freiheiten nicht nur gesetzlich garantiert, sondern auch gesellschaftlich erfüllt werden.

Der Weg des deutschen Liberalismus bis zu den Freiburger Thesen und damit bis zur organisierten Manifestierung des sozialen Liberalismus als Handlungsmaxime einer Partei, der gleichzeitig durch Regierungsmitverantwortung die Chance zukam, ihrem Bekenntnis durch Regierungshandeln Ausdruck zu verleihen, war lang und beschwerlich. Bereits im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhundert wird der Bergriff Sozialliberalismus „methodisch handhabbar“[ii] und erhält durch Friedrich Naumann und seiner Gefolgschaft im Nationalsozialen Verein ein deutliches Profil. Dadurch sollte die klassische liberale Lehre Antworten auf die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse und Probleme der Industrialisierung, insbesondere im Bezug auf die ‚soziale Frage’, formulieren. Dennoch blieb die Durchsetzung der sozialliberalen Idee als Hauptströmung des Liberalismus sowohl im Wilhelminischen Deutschland, als auch in der Weimarer Republik versagt. Im folgenden sollen Faktoren und Ereignisse erörtert werden, die dem sozialen Liberalismus eine dominierende Stellung in den verschiedenen Spielarten des Liberalismus in Deutschland verwehrten. Dazu werden in einem ersten Schritt einige Merkmale und Postulate des Liberalismus und des sozialen Liberalismus dargestellt, um anschließende Entwicklungszusammenhänge besser einordnen zu können. In einem zweiten Schritt sollen Motive und Ursachen aufbereitet werden, die zu einer programmatischen Isolation sozialer Probleme führten und die mangelnde Durchsetzungskraft der Idee des sozialen Liberalismus aufzeigen. Daran anknüpfend erfolgt die Entstehung der FDP zur Partei des demokratischen und sozialen Liberalismus.

II. Anmerkungen zum Liberalismusbegriff

Um bewerten zu können, ob ein Zustand, ein Ereignis oder eine Entwicklung als liberal gilt und mit der Idee des Liberalismus kompatibel ist, sollte der Maßstab einer einheitlichen Liberalismusdefinition herangezogen werden. Aufgrund der Vielfältigkeit der Programme für eine rationale Änderung der Gesellschaft in den beiden vergangenen Jahrhunderten, die man deswegen „liberal“ nennen darf, lässt sich Liberalismus jedoch nicht definieren.[iii] Der Liberalismus ist vielmehr eine Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie, die in sich nicht geschlossen ist und Widersprüche und Spannungen aufweist.[iv] Daher wird der Begriff Liberalismus im Folgenden nicht als eine statische Erscheinung verwendet, die von Beginn an ein finales Ziel vor Augen trug, sondern als eine dynamische gesellschafts-politische Bewegung. Unter dem Einfluss historischer Perioden, sowie sozialstruktureller und ökonomischer Veränderungen erfährt der Liberalismus einen kontinuierlichen Begriffswandel, der von mehreren Ausprägungen, Interpretationen und Konklusionen bestimmt wird. Liberale Strömungen, Theorien oder Programme müssen stets Gegensätze wie Freiheit und Gleichheit, Kontinuität und Wandel ausbalancieren, wobei ihnen ein breiter Interpretationsrahmen zur Verfügung steht. So kann die Forderung nach einer Minimierung staatlicher Herrschaft zugunsten der Freisetzung der Eigendynamik der Gesellschaft genauso liberal aufgefasst werden, wie der Ruf nach einer Stärkung des – demokratisch kontrollierten – Staates, zwecks Durchsetzung von Chancengleichheit und sozialer Sicherungen gegenüber dem freien Spiel der Kräfte im Markt.[v] Daher ist es wenig verwunderlich, dass der Liberalismus Spannungen in sich trägt, viele verschiedene Spielarten entwickelte und folglich keine geschlossene Bewegung war. Der deutsche Liberalismus hat weit mehr als die liberalen Bewegungen in vergleichbaren Ländern unter Uneinigkeit und Zersplitterung gelitten.[vi] Diese Ausführungen unterstreichen, dass eine einheitliche und kompakte Liberalismusdefinition unmöglich ist.

Wenn eine Definition nicht möglich ist, soll zumindest durch Kennzeichen und Merkmale eine Annäherung an den Liberalismusbegriff gewonnen und der geistige Standort ermittelt werden. Die nachstehenden Grundauffassung und Postulate liberalen Denkens in Form von idealtypischen Maximen, werden ohne Vollständigkeitsanspruch formuliert und sollen zu einer Annäherung an den Liberalismusbegriff beitragen:[vii]

1. Freiheitliche Gesellschaftsordnung. Nur eine gesellschaftliche und politische Ordnung, die allen Bürgern eine von freier Spontanität und Eigeninitiative geprägte Lebensführung ermöglicht, hat auf Dauer Bestand und ist zugleich menschenwürdig.
2. Staatstätigkeit muss sich in letzter Instanz auf den freien Willen und die aktive Mitwirkung aller Bürger gründen.
3. Rechtsstaat. Die Ausübung politischer Macht muss sich innerhalb des geltenden Rechts vollziehen und durchgängiger Kontrolle durch die öffentliche Meinung unterworfen sein. Der Bürger hat einen Anspruch auf Rechtssicherheit, Schutz vor Willkür und Anerkennung und Schutz der individuellen Grundrechte- und freiheiten. Es gilt Gleichheit vor dem Gesetz auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Die Ausübung von Macht kann nur aufgrund rechtlicher Legitimierung und im Rahmen rechtlicher Normen möglich sein.
4. Chancen und Chancengleichheit. Die Chancen für den einzelnen, seine individuellen Fähigkeiten und Neigungen optimal zu entfalten, müssen möglichst geringen Beschränkungen unterliegen. Gleichzeitig muss für alle Bürger ein höchstmögliches Maß der Chancengleichheit gewährleistet sein. Aufgrund des Glaubens an den Lernfortschritt des Menschen, muss Wissen für jeden zugänglich sein und die Idee der klassenlosen Bürgergesellschaft verwirklichen helfen.
5. Freier Leistungswettbewerb. Die Chancen des einzelnen in der wirtschaftlichen Sphäre dürfen ebenfalls nur geringen Beschränkungen unterliegen. Denn die Freisetzung der wirtschaftlichen Aktivität der Bürger von staatlicher Bevormundung und die möglichst uneingeschränkte Konkurrenz aller Wirtschaftssubjekte im Markt lassen ein Höchstmaß ökonomischer Leistung erwarten und trägt damit zur Steigerung des allgemeinen Wohlstands bei.

Die vorgenannten Grundauffassungen ließen sich noch detaillierter entfalten und ergänzen. Da viele klassische Forderungen des Liberalismus sich aus ihnen ableiten lassen, z.B. Meinungsfreiheit, Vertrags- und Versammlungsfreiheit, Recht auf Privateigentum oder die Forderung nach sozialer Sicherheit, sei an dieser Stelle darauf verzichtet.

Der soziale Liberalismus als eine Strömung des Liberalismus kennzeichnet sich insbesondere durch zwei Merkmale aus, die ihn von den anderen Liberalismen unterscheidet. Zum einen hält er sozialpolitisches Handeln des Staates und damit eine Beschränkung des freien Marktes – allerdings sorgfältig dosiert - für erforderlich und findet sich insofern mit dem modernen Interventionsstaat als Wohlfahrtsstaat ab. Zum anderen ist der Sozialliberalismus davon überzeugt, ihr Reformprogramm primär gemeinsam mit der Sozialdemokratie realisieren zu können, unter der Voraussetzung, dass diese sich revisionistisch gegenüber dem Marxismus entwickelt. Der Gedanke ging so weit, dass das liberale Bürgertum mit der sozialdemokratisch organisierten Arbeiterschaft langfristig eine „liberal-sozialistische Fortschrittspartei“ gründet.[viii] Dies geschah bekanntlich nicht. Aber welche Entwicklungen und Gesellschaftszustände führten zu jener Idee des deutschen Sozialliberalismus? Lassen sich aus dem historischen Verlauf der Industrialisierung Gründe herauskristallisieren, die nicht nur eine Realisierung des sozialliberalen Programms verwehrten, sondern auch erklären, weshalb einfache Kooperationen mit den Sozialdemokraten bei vielen Liberalen bis in das zweite Jahrzehnt des Bestehens der Bundesrepublik auf kategorische Ablehnung stieß?

III. Entwicklungen des sozialen Liberalismus während des Kaiserreichs und Gründe seine die fehlende Durchsetzungskraft

1. Gründe der programmatischen Isolation sozialer Problemfelder

Durch das Versäumnis des deutschen Liberalismus, rechtzeitig liberale Antworten auf die sozialen Probleme der sich entwickelnden großindustriellen Wirtschaftsordnung im 19. Jahrhundert zu finden, konnte sich keine starke oder gar mehrheitsbildende sozialliberale Strömung entwickeln – das ist die zentrale These folgender Ausführungen. Die Gründe dafür sind mannigfaltiger Art. Dazu gehört (1) der Klassencharakter des Liberalismus und eine zögernde und nicht mit letzter Entschlossenheit geführte Agitation der Liberalen für eine durchgreifende Liberalisierung des bestehenden politischen Systems, nicht zuletzt deshalb, um die Schutzmacht des Staates vor dem Proletariat zu erhalten, (2) die starke Interessenspolitik der Liberalen Parteien zugunsten einzelner Industriebranchen, (3) die mangelnde politische Geschlossenheit und die Parteienzersplitterung, sowie (4) das Gefälle von wirtschaftsliberaler Modellwelt und industriegesellschaftlicher Realität.

1.1 Die Entstehung des Klassencharakters des Liberalismus

Ein zögerliches und unentschlossenes Handeln des Liberalismus zeigt die Revolution von 1848/49. Bei entschlossenerem Handeln hätte der Liberalismus Deutschland mit einem Schlag an die Spitze der europäischen Entwicklung stellen können und „die relative politische Rückständigkeit der politischen Institutionen Deutschlands effektiv überwinden können.“[ix] Doch das Bürgertum versagte und verriet die plebejischen Massen.[x] Der Liberalismus offenbarte seinen Klassencharakter, indem er ideologisch auf die Bourgeoisie eingeschränkt wurde und die liberale Bewegung 1848 sich im wesentlichen als Ausdruck der Interessen der Bourgeoisie erwies[xi] und handelte daher nicht im Namen des ganzen Volkes. Die große Mehrheit der Liberalen wollte nicht über das verfassungspolitische Programm eines gemäßigten Konstitutionalismus und der nationalen Einheit,[xii] hinausgehen. Vielen liberalen Vertretern ging es nicht um allgemeine Freiheit und Gleichheit, sondern um die Verwirklichung einer klassenmäßig beschränkten Freiheit und Gleichheit und stand damit im Gegensatz zur demokratischen Bewegung.[xiii] Die Massenproteste der Unterschichten gegen die bestehenden Verhältnisse schürten daher die Furcht vor dem Proletariat und der Versuch der Paulskirche[xiv] blieb folglich auf halbem Weg stecken. Die Resituierung der traditionellen Gewalten sollte die Volksbewegung stoppen. Diese Ereignisse –zögerndes Handeln, Verrat an der Arbeiterbewegung, klassenbezogene Interessenformulierung- offenbarte den Klassencharakter des Liberalismus, der eine Trennlinie zu den Volksmassen zog und zu dem Abwenden der Arbeiterbewegung vom Liberalismus beitrug.[xv]

Der die Arbeiterbewegung ausgrenzende Klassencharakter des Liberalismus verschärfte sich nach der Revolution fortlaufend. Die Ideale des Frühliberalismus wurden zunehmend ignoriert und der Kampf um demokratische und freiheitliche Grundrechte nicht mehr für die Volksmassen geführt.[xvi] So verlagerte das liberale Bürgertum seine gesellschaftlichen Energien von der politischen Betätigung auf den wirtschaftlichen Bereich und die Durchsetzung ihrer ökonomischen Interessen. Zu diesem Zweck suchten die Liberalen die Verständigung mit der antiliberalen Monarchie, was mit dem Aufgeben von Freiheitsidealen verbunden war. Denn durch eine von der Reaktion betriebene Politik der Zugeständnisse an die Bourgeoisie zu Beginn der 50er Jahre -insbesondere Reformen bei der Gewerbeordnung und der Freizügigkeit- wurde deren Bereitschaft gestärkt, die Monarchie weiter zu stützen, indem sie die Führungsrolle der traditionellen Eliten wieder in höherem Maße hinnahmen.[xvii] Die ökonomische Emanzipation auf Kosten der Politischen deutet aufgrund der einseitigen Interessensvertretung erneut auf den Klassencharakter des Liberalismus hin.

Die Reformen lösten in Preußen einen wirtschaftlichen Aufschwung aus, der das Land gegenüber seinen Konkurrenten im Deutschen Bund überlegen sein ließ.[xviii] Die ökonomische Entwicklung steigerte das Interesse an einem Binnenmarkt, der nur in einem Nationalstaat verwirklicht werden konnte, wodurch das deutsche Nationalbewusstsein in allen Klassen der Bevölkerung zunahm. Aus dieser Motivation heraus gründeten bürgerliche Liberale 1859 den Nationalverein, dessen Ziel es war, „alle Kräfte zu sammeln und alles der großen nationalen Aufgabe der Einigung unterzuordnen.“[xix] Auch hier kommt der Klassencharakter des organisierten Liberalismus zum Ausdruck. Denn zu den Vereinsmitgliedern gehörte das obere deutsche Bürgertum, vornehmlich Industrielle, Bankiers, Professoren und höhere Beamte. Den Unterschichten wurde eine Mitgliedschaft schon aufgrund des hohen Mitgliedschaftsbeitrags versagt. Der Verein zeigte sich an der Mitwirkung der Arbeiterschaft ausdrücklich nicht interessiert und verwies die interessierten Gruppen, sich auf dem Wege der Selbsthilfe emporzuarbeiten oder wurden mit rhetorischen Floskeln hingehalten.[xx] Folglich existierte schon in den Anfängen des organisierten Liberalismus weder der Anspruch, sich zur nationalen Klasse aufzuschwingen, die die gesamte Nation repräsentiert, noch die Einsicht, dass eine ideelle und institutionelle Einbindung der Arbeiterschaft in die liberale Bewegung vonnöten sei.[xxi]

Die Politik der entstehenden liberalen Parteien vermochte es in den folgenden Jahrzehnten nicht, die Interessen des wachsenden Industrieproletariats programmatisch und ideell zu vertreten. Das Bewusstsein des Proletariats als eigenständige und von der Kleinbürgerklasse abgrenzende Kraft wuchs nach der 48 er – Revolution und somit stieg auch deren Organisationsfähigkeit, wie die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins im Jahre 1863 zeigt.[xxii] Da der Liberalismus und sein politisches Wirken der erstarkenden Arbeiterbewegung nur unzureichende Orientierung bot und programmatisch die Problemlagen der Arbeiter häufig nicht erfasste, suchten sie ihre ideologische Klammer bei den Ideen des wissenschaftlichen Sozialismus und der Verwirklichung der konsequenten Demokratie über den Klassenkampf. Ein Großteil der Liberalen sah in einer selbständigen und umfassenden Arbeiterbewegung mit revolutionären Tendenzen eine „rote Gefahr“ heranwachsen, die ihren wirtschaftlichen und sozialen Status quo schmälern und ihre Klassenprivilegien zu Fall bringen würde. Dies trug aber dazu bei, den Liberalismus von den Volksmassen zu isolieren und damit sowohl den Klassencharakter zu vertiefen, als auch den progressiven Gestaltungs- und Modernisierungsbestrebungen der liberalen Bewegung durch eine Politik der Kompromisse mit den monarchischen Führungseliten auf ein Minimalmaß zurück zu schrauben. Eine Folge der fehlenden Integrationskraft war ein deutlicher Wählerschwund der liberalen Parteien und seit 1878 der Verlust des Prädikats, stärkste politische Kraft im Deutschen Reich zu sein.[xxiii]

1.2 Partei – und Interessenspolitik

Die liberalen Parteien vertraten programmatisch vor allem die Interessen der Bourgeoisie, womit insbesondere wirtschaftliche Interessen verbunden waren. Der Großteil der Liberalen konzentrierte sich auf die wirtschaftliche Erneuerung Deutschlands, versäumten es jedoch, sich rechtzeitig den sozialen Problemen mit voller Aufmerksamkeit zuzuwenden.[xxiv] Die 1861 gegründete „eigentliche erste liberale Partei“, die Deutsche Fortschrittspartei,[xxv] weigerte sich sogar, soziale Fragen in das liberale Programm aufzunehmen. Die programmatische Negierung sozialer Probleme führte mit der fortschreitenden Entfaltung des kapitalistischen Systems und seinen unterschiedlichen sozio-ökonomischen Auswirkungen auf die Gesellschaft zu einem Ende der liberalen Vorherrschaft im Deutschen Reich. An dieser Stelle ist zu fragen, weshalb die liberale Hauptströmung auf die -von marktwirtschaftlichen Modellannahmen abweichenden- Fehlentwicklungen im Wirtschaftsystem und auch auf die damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen, sowohl programmatisch, als auch politisch nur zögerlich reagierte. Ein Blick auf die wirtschafts- und gesellschaftstheoretischen Grundannahmen der liberalen Parteien einerseits und die Entwicklungen der industriegesellschaftlichen Realität andererseits, sowie parteipolitische Intentionen sollen hierfür Erklärungsansätze bieten.

[...]


[i] Vgl. Trautmann, Günter 1986a: Einleitung: Der soziale Liberalismus – Eine parteibildende Kraft?, in: Holl, Karl/Trautmann, Günter/Vorländer, Hans (Hg.), Sozialer Liberalismus, Göttingen, S. 13

[ii] Holl, Karl 1986: Überlegungen zum deutschen Sozialliberalismus, in: Holl, Karl/Trautmann, Günter/Vorländer, Hans (Hg.), Sozialer Liberalismus, Göttingen, S. 227

[iii] Vgl. Janik, Allan 1996: Liberalismus und Aufklärungswelt: Definition und Entwicklungszusammenhänge, in: Brix, Emil/Mantl, Wolfgang (Hg.), Liberalismus, Interpretation und Perspektiven, Wien, S. 65

[iv] Vgl. Janik, 1996, S. 66

[v] Vgl. Mommsen, Wolfgang J. 1989: Zwei Jahrhunderte Liberalismus in Deutschland, in: Mischnick, Wolfgang (Hg.), Verantwortung für die Freiheit, 40 Jahre FDP, Stuttgart, S. 379

[vi] Vgl. Mommsen, Wolfgang J. 1989: Zwei Jahrhunderte Liberalismus in Deutschland, in: Mischnick, Wolfgang (Hg.), Verantwortung für die Freiheit, 40 Jahre FDP, Stuttgart, S. 381

[vii] Vgl. Mommsen, Wolfgang J. 1989: Zwei Jahrhunderte Liberalismus in Deutschland, in: Mischnick, Wolfgang (Hg.), Verantwortung für die Freiheit, 40 Jahre FDP, Stuttgart, S. 378 f; Vgl. Salamun, Kurt 1996: Grundkomponenten liberalen Denkens, in: Brix, Emil/Mantl, Wolfgang (Hg.), Liberalismus, Interpretation und Perspektiven, Wien, S. 81 ff und Vgl. Falter, Jürgen 1980: Wählerwanderungen vom Liberalismus zu (rechts-) extremen Parteien., in: Albertin, Lothar (Hg.), Politischer Liberalismus in der Bundesrepublik, Göttingen, S. 102 ff

[viii] Vgl. Trautmann, Günter 1986a: Einleitung: Der soziale Liberalismus – Eine parteibildende Kraft?, in: Holl, Karl/Trautmann, Günter/Vorländer, Hans (Hg.), Sozialer Liberalismus, Göttingen, S. 10 und Vgl. Holl, Karl 1986: Überlegungen zum deutschen Sozialliberalismus, in: Holl, Karl/Trautmann, Günter/Vorländer, Hans (Hg.), Sozialer Liberalismus, Göttingen, S. 228

[ix] Mommsen, Wolfgang J. 1989: Zwei Jahrhunderte Liberalismus in Deutschland, in: Mischnick, Wolfgang (Hg.), Verantwortung für die Freiheit, 40 Jahre FDP, Stuttgart, S. 387

[x] Bertsch, Herbert 1965: Die FDP und der deutsche Liberalismus (1789-1963), Berlin, S.56

[xi] Vgl. Bertsch, 1965, S. 55 f

[xii] Die Einheit wurde insbesondere aus ökonomischen Gründen gefordert.

[xiii] Vgl. Bertsch, 1965, S. 61

[xiv] Womit ein Deutscher Nationalstaat unter preußischer Führung, auf der Grundlage einer fortschrittlichen Verfassung gemeint ist.

[xv] Vgl. Mommsen, 1989, S. 388

[xvi] Vgl. Bertsch, 1965, S. 55

[xvii] Vgl. Bertsch, 1965, S. 65 ff, 74 und Vgl. Mommsen, 1989, S. 387

[xviii] Vgl. Bertsch, 1965, S. 63

[xix] Bertsch, 1965, S. 70

[xx] So erklärte Hermann Schulze-Delitzsch, Arbeiter wären geborene Ehrenmitglieder und brauchten deshalb dem Verein nicht beizutreten. Da der fleißige und sparsame Arbeiter außerdem gar keine Zeit habe, sich um Politik zu kümmern, sei die Mitgliedschaft unnötig. Vgl. Bertsch, 1965, S. 72

[xxi] Vgl. Bertsch, 1965, S. 72 Im Vergleich zu England: dort gelang es den Liberalen, die Arbeiterschaft bis über die Jahrhundertwende an sich zu binden. Vgl. Mommsen, 1989, S. 389

[xxii] Die Bewusstwerdung des Proletariats als spezifische soziale Gruppe wurde vor allem durch den Anstieg der Zahl der Industriearbeiter, die unter gleichen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen lebten, wie der in den Lebensmittelpunkt rückende Industriebetrieb, schlechte Arbeitsverhältnisse, Armut, Lohnabhängigkeit, monotone Arbeitsteilung, Zeitaufteilung in Arbeit und Freizeit und die Ghettoisierung in Wohnquartieren, gebildet.

[xxiii] Bei der Rechstagswahl 1871 konnten die liberalen Parteien noch 46 % der Wählerstimmen auf sich vereinen, 1912 nur noch 26 % Vgl. Trautmann, Günter 1986b: Die industriegesellschaftliche Herausforderung des Liberalismus. Staatsintervention und Sozialreform in der Politikökonomie des 18./19. Jahrhunderts, in: Holl, Karl/Trautmann, Günter/Vorländer, Hans (Hg.), Sozialer Liberalismus, Göttingen, S. 29

[xxiv] Vgl. Trautmann, Günter 1986b: Die industriegesellschaftliche Herausforderung des Liberalismus. Staatsintervention und Sozialreform in der Politikökonomie des 18./19. Jahrhunderts, in: Holl, Karl/Trautmann, Günter/Vorländer, Hans (Hg.), Sozialer Liberalismus, Göttingen, S. 36

[xxv] Zur Fortschrittspartei gehörten zahlreiche Mitglieder des Nationalvereins. Vgl. Bertsch, 1965, S. 74

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Die Entstehung des sozialen Liberalismus in Deutschland
Untertitel
Vom 19. Jahrhundert bis zu den Freiburger Thesen 1971
Hochschule
Universität Potsdam
Veranstaltung
Politische Biographien in der BRD
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
29
Katalognummer
V129537
ISBN (eBook)
9783640356645
ISBN (Buch)
9783640356980
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entstehung, Liberalismus, Deutschland, Jahrhundert, Freiburger, Thesen
Arbeit zitieren
Thorsten Blank (Autor:in), 2003, Die Entstehung des sozialen Liberalismus in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129537

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