Die Studentenbewegung und die Medien


Hausarbeit, 2008

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Untersuchungsgegenstand und Problemstellung
1.2. Forschungsstand
1.3. Aufbau und Methode

2. Soziale Bewegungen und Massenmedien
2.1. Definition „Bewegung“
2.2. Soziale Bewegungen und massenmediale Berichterstattung
2.3. Ereignisinszenierung und die Schaffung von Öffentlichkeit
2.4. Medienberichterstattung

3. Die Beziehung der Studentenbewegung zu den Medien
3.1. Protestformen und ihre Funktionen
3.2. Revolte vor den Medien
3.3. Revolte mit den Medien: Das Kursbuch
3.4. Revolte gegen die Medien
3.5. Rückwirkungen der Studentenbewegung auf die Massenmedien

4. Schlussbetrachtung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1. Untersuchungsgegenstand und Problemstellung

Die Studentenbewegung war die erste soziale Bewegung, in der weit über den politischen Protest hinausgehend etablierte kulturelle Werte, Lebensformen und emotionale Verhaltensmuster völlig neu geordnet wurden. Außerdem war sie die erste soziale Bewegung, die ihren Protest nicht nur in alternativen Teilöffentlichkeiten und auf der Straße artikulierte, sondern die für ihre Proteste gezielt die Massenmedien nutzte. Die Inszenierung von Tabu-Brüchen, Grenzverletzungen und Schockaktionen traf Ende der 1960er Jahre auf eine medien-historische Schwellensituation, in der die Massenmedien durch den Siegeszug des Fernsehens einem grundlegenden Wandel unterzogen wurden. Neben dem Fernsehen stellten auch die Print-Medien ihre Berichterstattung umfassend auf visuelle und emotionale Kriterien um. Die expressiven Protestaktionen der Studentenbewegung wurden in diesem medien-historischen Kontext der Visualisierung und Emotionalisierung von den Massenmedien schon früh als Medienereignis erkannt. In ihrer wirksamen Re-Inszenierung der Proteste wurden die Massenmedien damit selbst zu Akteuren im Bereich der politischen und kulturellen Konflikte Ende der 1960er Jahre.[1]

„Es ist zweifelhaft, ob die Revolte jemals solche Ausmaße angenommen hätte, wenn es keine Fernsehkameras gäbe. Studentenproteste, die sich in geordneten Formen und nach den Spielregeln der freien Meinungsäußerung abspielen, haben nicht die mindeste Chance, [...] auf die Titelseiten der Presse zu kommen.[...]. Die Dirigenten der Rebellion spekulierten mit wachsendem Erfolg auf die Faszination der modernen Gesellschaft durch das Abnorme und auf ihr kränkliches Bedürfnis nach immer stärkeren Nervenkitzeln.“[2] Es besteht also kein Zweifel daran, dass ohne das Fernsehen die Austrahlungskraft eines Dutschke auf die junge Intelligenz der damaligen Bundesrepublik eine sehr viel geringere gewesen wäre. Zumal die Ereignisse in Berlin praktisch zeitgleich in die ganze Bundesrepublik übertragen wurden und damit den Eindruck der „Nähe“ vermittelten. Im Übrigen war auch der Vietnam-Krieg der erste „Fernsehkrieg“, der unter den kommunikativen Bedingungen dieses damals noch jungen Mediums geführt wurde.[3]

Insofern ist die Frage nahe liegend, inwiefern die Massenmedien mit dem sie kennzeichnenden Trachten nach Neuigkeit, Sensation und Spektakel an der Politisierung der Öffentlichkeit mitgewirkt haben. Außerdem ist zu klären, inwieweit sich Studentenbewegung und Massenmedien gegenseitig beeinflusst haben, also auch in welchem Ausmaß die Medien zur Radikalisierung der Proteste beigetragen haben.

1.2. Forschungsstand

Grundlegend für eine Beschäftigung mit der im deutschsprachigen Raum noch recht schwach erforschten Beziehung zwischen Studentenbewegung und Öffentlichkeit sind unter anderem die Beiträge „Protest-Inszenierung. Visuelle Kommunikation und kollektive Identität in Protestbewegungen“(2002) von Katrin Fahlenbrach, „1968 und die Massenmedien“(2001) von Wolfgang Kraushaar und Stefan Aust's „1968 und die Medien“ von 1993. Der US-Soziologe Todd Giltin hat mit „The Whole World is Watching: The Making and the Unmaking of the New Left“ bereits 1980 eine einsichtsreiche Studie über die Gestaltungsmacht der Berichterstattung von New York Times und CBS für die politische Konstituierung der amerikanischen New Left vorgelegt.[4]

Die sozial- und kulturhistorisch fundiertesten Beiträge zur Literatur der Studentenbewegung finden sich in „Gegenwartsliteratur seit 1968“ von Klaus Briegleb und Sigrid Weigel aus dem Jahr 1992. Sehr ausführlich setzt sich das 1993 erschienene „1968. Literatur der antiautoritären Bewegung“ ebenfalls von Klaus Briegleb mit dem Zusammenhang von Literatur und Studentenbewegung auseinander. Hier wird auch die Rolle des Kursbuchs als zentrales Medium der Studentenbewegung genau betrachtet.

1.3. Aufbau und Methode

Zunächst soll geklärt werden, was das Besondere an sozialen Bewegungen ist und in welcher Beziehung sie zu den Massenmedien stehen. Die Vielschichtigkeit dieser Beziehung soll anschließend dargestellt werden. Die Bewegung wird nicht nur als Medienereignis gezeigt, sondern auch der Kampf gegen die Medien wird betrachtet. Eine besondere Rolle spielt das Kursbuch, ein Medium welches untrennbar mit der Bewegung verknüpft war. Anschließend wird gezeigt welchen Einfluss die Studentenbewegung im Gegenzug auf die Massenmedien hatte.

2. Soziale Bewegungen und Massenmedien

2.1. Definition „Bewegung“

Eine Bewegung als Teil eines sozialen Systems, steht im Gegensatz zu einer etablierten Ordnung, deren erstarrte Formen mit Dynamik konfrontiert werden. In jeder Bewegung gibt es einen erheblichen Bestandteil politischer Überzeugungen, die allgemein anerkannt und nicht mehr in Frage gestellt werden. Es existieren jedoch auch immer Positionen, die heftig umstritten sind. Obwohl eine Bewegung eine allgemeine politische Orientierung und Richtung aufweist, ist ein detailliertes Programm als solches nicht vorhanden. Dies ist nicht zuletzt auch dadurch bedingt, dass eine Bewegung nur begrenzt unter Anleitung einer spezifischen Führung oder politischen Herrschaft steht. Innerhalb einer Bewegung können also verschiedene Organisationen eingebunden sein, die ihrerseits wiederum um den Führungsanpsruch kämpfen können. Während die etablierte Ordnung sich spezifischer Kommunikationsmittel bedient, nutzt eine Bewegung beispielsweise Studenten-Zeitungen mit einem eigenen Stil, der sie als außerhalb des sozialen Systems stehend deklariert. Allerdings kann eine Bewegung meist nur dann volle Wirksamkeit erlangen, wenn auch Informations-, Kommunikations- und Mobilisierungsmöglichkeiten durch die modernen Massenmedien wie Rundfunk und Fernsehen geliefert werden.[5]

2.2. Soziale Bewegungen und mediale Bericherstattung

Der Bewegungsforscher Dieter Rucht schlägt in seinem Beitrag in „1968 – Vom Ereignis zum Gegenstand der Geschichtswissenschaft“ vor, die Studentenbewegung „zumindest tentativ als eine soziale Bewegung zu behandeln“.[6] Soziale Bewegungen werden in der Forschung definiert als „ein auf Dauer gestelltes und durch kollektive Identität abgestütztes Handlungssystem mobilisierter Netzwerke von Gruppen und Organisationen, welche sozialen Wandel mittels öffentlicher Proteste herbeiführen, verhindern oder rückgängig machen wollen“. Dementsprechend beabsichtigen die Trägergruppen sozialer Bewegungen Veränderungen politischer, sozialer, ökonomischer, kultureller und mentaler Strukturen zu erreichen. Die für soziale Bewegungen essentielle Schaffung von Öffentlichkeit manifestiert sich in offenen Kommunikationsforen von begrenzter Reichweite, beispielsweise auf Protestveranstaltungen in direkten, unvermittelten Face-to-Face-Begegnungen oder in Sprecher-Publikums-Beziehungen (Versammlungsöffentlichkeit).[7]

Soziale Bewegungen weisen den Massenmedien gegenüber einen vielschichtigen Umgang auf. Trägergruppen beklagen häufig, dass ihren Anliegen und Aktionen keine oder zu wenig Beachtung geschenkt wird und Sachverhalte verzerrt wiedergegeben werden. Um massenmediale Selektionsfilter durchdringen zu können, müssen soziale Bewegungen bei der Planung ihrer Aktionen, erstens, die Bedingungen der medialen Produktionseinheiten wie Redaktionen, Druckereien und Sendebetriebe in Rechnung stellen. Zweitens können Zugänge zu einer wohlwollenden Berichterstattung nur über die Kontaktpflege zu Journalisten erreicht werden, welche mit der Bewegung sympathisieren und im medialen System als „Gatekeeper“ entscheiden, wer oder was das mediale Tor passieren darf. Damit einher geht auch, drittens, die Möglichkeit des Intermedia angenda settings, eine Art des 'Seiteneinstiegs' in die massenmediale Berichterstattung. Von besonders großer Bedeutung aber ist es, viertens, die zu vermittelnden Anliegen durch Nachrichtenfaktoren so zu gestalten, dass sie publizistisches Interesse erregen.[8]

2.3. Medienberichterstattung

Der Medienberichterstattung werden von der Bewegungsforschung vier Grundfunktionen für soziale Bewegungen zugewiesen. Erstens zwingt Medienpräsenz die etablierten politischen Akteure, die Bewegungsakteure mit ihren Forderungen zur Kenntnis zu nehmen und auf sie zu reagieren. Sind soziale Bewegungen mit ihren Forderungen von den Massenmedien erst einmal auf die politische Agenda gesetzt worden, dann müssen sich die politischen Eliten mit ihnen beschäftigen, um ihre Legitimität nicht zu verlieren. Eine weitere zentrale Funktion der Medienberichterstattung ist die Rekrutieren von Anhängern und Sympathisanten. Soziale Bewegungen müssen über geeignete Kommunikations- und Rekrutierungskanäle ihre Deutungsmuster bezüglich der von ihnen kritisierten Missstände vermitteln und sich selbst als Rahmen für kollektives Handeln anbieten zu können. Soziale Bewegungen verfügen in der Regel nicht über ausreichend Ressourcen, um die Menschen über bewegungseigene Medien auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen, deshalb müssen sie versuchen, ihre Anhängerschaft indirekt, über die Medienberichterstattung, zu mobilisieren. Drittens dient die Medienberichterstattung der Stabilisierung bereits mobilisierter Bewegungen. Die Herausbildung einer kollektiven Identität spielt dabei eine entscheidende Rolle, da sich soziale Bewegungen meist nur auf schwach ausgebildete formale Organisationsstrukturen stützen können. Schließlich bietet die Medienberichterstattung sozialen Bewegungen eine Plattform zur Mobilisierung von Bündnispartnern wie Parteien, Interessenverbänden, relevanten sozialen Gruppen oder nahe stehenden Bewegungen. Gerade Kooperationen mit etablierten politischen Akteuren erhöhen die Chancen, politischen Einfluss zu gewinnen, erheblich.[9]

[...]


[1] Vgl. Fahlenbrach, Katrin: Protestinszenierungen: Die Studentenbewegung im Spannungsfeld von Kultur-Revolution und Medien-Evolution, in: Klimke, Martin/ Joachim Scharloth (Hrsg.): 1968. Handbuch zur Kultur- und Mediengeschichte der Studentenbewegung, Weimar 2007, S. 11.

[2] Thielick, Helmut: Kulturkritik der studentischen Rebellion, Tübingen 1969, S. 97.

[3] Vgl. Langguth, Gerd: Mythos '68. Die Gewaltphilosophie von Rudi Dutschke – Ursachen und Folgen der Studentenbewegung, München 2001, S. 105-106.

[4] Vgl. Liehr, Dorothee: Ereignisinszenierung im Medienformat. Proteststrategien und Öffentlichkeit – eine Typologie in: Klimke, Martin/ Joachim Scharloth (Hrsg.): 1968. Handbuch zur Kultur- und Mediengeschichte der Studentenbewegung, Weimar 2007, S. 23.

[5] Vgl. Langguth, Gerd: Die Entwicklung der Protestbewegung in der Bundesrepublik 1968 – 1975, Bonn 1975, S. 21-22.

[6] Kraushaar, Wolfgang: 1968 als Mythos, Chiffre und Zäsur, Hamburg 2000, S. 265.

[7] Vgl. Liehr, Dorothee: Ereignisinszenierung im Medienformat. Proteststrategien und Öffentlichkeit – eine Typologie, S. 25.

[8] Vgl. ebd., S. 26-27.

[9] Vgl. Lachenmeier, Dominik: Die Achtundsechziger-Bewegung zwischen etablierter und alternativer Öffentlichkeit in: Klimke, Martin/ Joachim Scharloth (Hrsg.): 1968. Handbuch zur Kultur- und Mediengeschichte der Studentenbewegung, Weimar 2007, S. 63-64.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Studentenbewegung und die Medien
Hochschule
Technische Universität Chemnitz
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V129347
ISBN (eBook)
9783640392063
ISBN (Buch)
9783640391929
Dateigröße
538 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Studentenbewegung, Medien
Arbeit zitieren
Bianca Hühnerfuß (Autor:in), 2008, Die Studentenbewegung und die Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129347

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