Die Bedeutung des Nicht-Bildes in der Diegese


Seminararbeit, 2009

14 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Versuch einer Bestimmung von Bild im Film

3. Die Diegese

4. Nicht-Bild in Beziehung zum Diegetischen
4.1 Nicht-Bild als MacGuffin
4.2 Nicht-Bild als Gefahr
4.3 Nicht-Bild als Gag
4.4 Nicht-Bild als Tabu
4.5 Nicht-Bild als Bewusstseinsverlust

5. Zusammenfassung

6. Bibliographie

7. Filmographie

1. Einleitung

Eine Beschäftigung mit dem Nicht-Bild ist eine Herausforderung der besonderen Art, da erstens die Gefahr der Spekulation in einem Gebiet, das kaum erforscht ist, droht und zweitens sich dem positiven Wissenschaftsbegriff zu entziehen scheint. Das die Auseinandersetzung dennoch positive Ergebnisse zeitigen kann, und von einer spekulativen Ebene zu einer praktischen Anwendbarkeit übergeht, ist das Bestreben, dem diese Arbeit folgt. Dazu ist allerdings notwendig, den Begriff des Nicht-Bildes zu fassen und ihm, da er wie ein scheues Reh sich in die Dunkelheit flüchtet, eine Art Zaun um es herum zu bauen, einen Überbegriff zu finden, in dem er eine Bedeutung bekommen kann, die ihn für eine Analyse greifbar macht, und darüber hinaus sogar auf eine praktische Anwendbarkeit verweist.

Die begriffliche Fixierung von eng verwandten Begriffen und die Erläuterung des gefundenen Überbegriffs sind also die Vorarbeiten, um nachher auf die Frage nach dem Nicht-Bild mit konkreten Ergebnissen antworten zu können.

2. Versuch einer Bestimmung von Bild im Film

Wenn von Nicht-Bild gesprochen werden soll, ist, da es sich um einen abhängigen Begriff handelt, zunächst der Zugang über das Positiv einer, der offen steht. Es bedarf der Abgrenzung um eine Bestimmung dessen zu bekommen, was das Nicht-Bild nicht ist.

Von der einfachen Tatsache, dass wir es im Film mit 24 Bildern in der Sekunde zu tun haben, die sich zu einem Bewegungs-Bild formen und somit einen Vorgang sichtbar machen, der über das Momenthafte einer Fotographie hinausgeht, wird den Anfangspunkt unserer Argumentation darstellen.

Was auf dem Schirm oder der Leinwand als Bewegungs-Bild dem Zuschauer entgegentritt ist ein Positiv. Es ist ein Positiv im Sinne von es ist „da“ und enthält identifizierbare – oder wenn abstrakt zumindest interpretierbare – Gegenstände. Diese Gegenstände gehören einem Zusammenhang an, der sich aus der Disposition des Films ergibt, und eine Erwartungshaltung im Zuschauer weckt. Die Gegenstände, die im Bewegungs-Bild positiv sichtbar sind, haben eine Interpretationsrichtung durch diese Disposition mitbekommen. So wird ein behaarter Riese in Star Wars[1] eine andere Interpretation hervorrufen als ein behaarter Riese in „Yeti“.

Dennoch ist die Interpretation nicht alles, denn zunächst tritt uns ein Bewegungs-Bild entgegen, das klare Gegenstände beinhaltet. Diese Gegenstände treten zu einem Verhältnis zueinander, Personen bekommen einen Charakter durch das, was sie tun. Die Kamera wählt aus, und unterstützt oder sabotiert die Stärke eines Charakters, die Wichtigkeit eines Gegenstandes. Die Kamera macht dies nicht bloß durch die Zeit, die sie einem Gegenstand widmet. Die Theorie, dass Präsenz automatisch Macht generiert, stellt sich in diesem Zusammenhang als unzutreffend heraus. Wie zahlreiche Beispiele belegen, führt gerade Nicht-Präsenz zu Macht innerhalb der Diegese des Films.

Ein Bild kann aber nicht nur positiv etwas zeigen, es kann auch positiv etwas verhüllen. Damit ist nicht gemeint, dass es im Bild eine Verhüllung gibt, wie ein Tischtuch einen Tisch verhüllt, sondern dass durch Beleuchtung oder durch filmen aus einer ungewöhnlichen Perspektive die Aktion im Film verhüllt bleibt, obwohl sie das Bild ausfüllt. Godard, der mit der Bildsprache experimentierte und ihre Regeln brach, indem er sie übertrieben ausführte – und somit die Regeln auch bewusst machte – gibt zahlreiche Beispiele für dieses Verfahren. Auch das soll noch unter die Kategorie Bild fallen – denn wenn auch nur der Rücken der sprechenden Person gezeigt wird (und ihre Mimik verhüllt bleibt)[2] so erzählt uns der Rücken als Bild etwas, und ist ein Bild. Wenn das Gesicht im Schatten liegt, und eigentlich trotzdem bildfüllend ist, so zeigt uns das im Schatten liegende Gesicht doch etwas, und teilt uns etwas mit, ist Bild.

Wir sehen also, dass die Diegese im Film durch die Bilder entsteht. Darin liegt der Unterschied zum bloß fotographischen Bild, dass keine Diegese evozieren kann, sondern bloß einen Moment beschreibt.[3]

Bilder im Film haben die Charakteristik des Bewegungs-Bildes. Es ist immer ein Ganzes, das vorher kommende und nachher kommende Bilder mit einschließt. Es gibt sozusagen ein Kontinuum: bei jedem betrachteten Moment ist das zuvor gesehene und das nachher kommende im Bewusstsein des Zusehers und jedes Bild wird in Relation zu dem bereits gesehenen interpretiert und auf Basis des bereits gesehenen entstehen Erwartungen, die wiederum in die Interpretation des momentanen Bildes einfließen. Der Prozess des Film-Konsumierens ist also ein überaus dynamischer und verlangt eine Aufmerksamkeit, die über eine passive Wahrnehmung hinausreicht.

Die Bilder sind nun das Positive in einem Film, und das Ganze des Films wird als Bewegungs-Bild gefasst.

3. Die Diegese

Die Diegese wie sie in dieser Arbeit verstanden wird, folgt in seiner Definition Souriau[4]. Sie wird verwendet, um eine Eingrenzung des Begriffes Nicht-Bild zu erreichen, um seine Bedeutung in Bezug auf die Erzählwelt des Filmes zu erläutern. Die Diegese ist demnach alles, was sich in der Fiktion, die im Film behauptet wird als Ereignis sichtbar ist, und zu dieser Fiktion gehört, sie impliziert. Damit ist die afilmische Welt in der Erläuterung ausgegrenzt und gewinnt nur in Form des Spektatoriellen an Bedeutung, dass in Folge auch „im Bewusstsein des Zuschauers“ genannt wird. Die ursprüngliche Definition von Souriau, der das Phänomen des Spektatoriellen hauptsächlich als Interpretationsfehler des Zuschauers bei dem Versuch, der Diegese des Films zu folgen, setzt, wird deswegen kaum Verwendung finden, da im Bezug auf das Nicht-Bild die Interpretation im Bewusstsein eine wesentliche Rolle spielt und darüber hinaus davon ausgegangen wird, dass die Verweise auf Nicht-Bilder in den angeführten Beispielen stark von den Bildern und schließlich vom Ganzen des Bewegungs-Bildes gelenkt wird.

4. Nicht-Bild in Beziehung zum Diegetischen

Wie verhält es sich nun mit dem Nicht-Bild? Wie kann ein Nicht-Bild in die Diegese des Films Einzug halten, denn etwas anderes kann uns nicht interessieren. Das Nicht-Bild ist zunächst nämlich alles, was nicht auf der Leinwand zu sehen ist, und das ist der gesamte Welt-All, die afilmische Wirklichkeit. Der ausgewählte Bildausschnitt der Kamera zeigt uns etwas Besonderes, das in diesem Moment vom Rest des allgemeinen Welt-Alls hervorgehoben wird, und mit dem das Bewusstsein des Zuschauers zur Beschäftigung angehalten ist.

Die Form eines Nicht-Bildes kann sich auf viele Arten zur Diegese verhalten. Dies kann erstens in Form eines MacGuffin passieren, wo der Inhalt eines Koffers bewusst nie ins Bild gerät, und somit als mögliches Bild ständig im Bewusstsein des Zusehers präsent ist und dennoch nie als Bild in Erscheinung tritt, somit Nicht-Bild bleibt. Das Nicht-Bild als MacGuffin.

[...]


[1] Lucas, George: Star Wars. 20th Century Fox, USA 1977.

[2] Godard, Jean-Luc: Vivre Sa Vie. Les Films de la Pléiade, Frankreich 1962. 3’12”-5’47”

[3] Ein Sonderfall stellt die Bildserie dar, sie wird aber hier der Einfachheit halber dem Film zugerechnet, da der Zuschauer aus einer Folge von Momenten ein Bewegungs-Bild schafft. Vgl. Deleuze, Gilles: Das Bewegungs-Bild. Suhrkamp, Frankfurt a. M., 1997. S. 103ff.

[4] Souriau, Etienne: Die Struktur des filmischen Universums und das Vokabular der Filmologie. In: montage/av, Zeitschrift für Theorie &Geschichte audiovisueller Kommunikation, 6/2/1997. Schüren Verlag, Marburg 1997.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung des Nicht-Bildes in der Diegese
Hochschule
Universität Wien
Veranstaltung
Theorie des Nicht-Bildes: Schweigen, Abseits und bildliche Stille als ästhetische Kategorien im Film
Note
2
Autor
Jahr
2009
Seiten
14
Katalognummer
V129340
ISBN (eBook)
9783640381005
ISBN (Buch)
9783640380695
Dateigröße
423 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bedeutung, Nicht-Bildes, Diegese
Arbeit zitieren
Josef Prenner (Autor:in), 2009, Die Bedeutung des Nicht-Bildes in der Diegese, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129340

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