Plakate als Quellen im Geschichtsunterricht anhand konkreter Beispiele


Hausarbeit, 2009

25 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichte des Plakats

3. Gattungen des Plakats

4. Darstellungsmuster

5. Quellenwert

6. Analyse: „Hier trägst Du mit“

7. Einsatz im Unterricht

8. Literaturverzeichnis

9. Anhang

1. Einleitung

Für Bilder galt bisher, dass sie im Schulunterricht hauptsächlich als Illustrationen Anwendung fanden. Zwar konnte so durch das Abdrucken von Photographien, Plakaten und Historienbildern in Schulbüchern vielleicht die Motivation der Schüler gesteigert werden, ein wirklicher Lernerfolg resultierte aus der oberflächlichen Betrachtung der Bilder jedoch nicht, da sie allenfalls als ästhetisches Erlebnis, aber nur selten als Quelle genutzt wurden. Doch gerade in der heutigen Welt, in der die Schüler täglich vor allem im außerschulischen Kontext mit einer Vielzahl von Bildern konfrontiert werden, ist es umso nötiger, ihnen Kompetenzen zu vermitteln, Bilder angemessen zu rezipieren und kritisch zu hinterfragen. Dies kann neben den Fächern Kunst und Deutsch auch das Fach Geschichte leisten und gleichzeitig für den eigenen Gegenstand nutzbar machen.

In dieser Arbeit soll daher die Bildgattung „Plakate“ in Bezug auf ihre Eignung für den Geschichtsunterricht untersucht werden. Nach einem kurzen Abriss der Geschichte des Plakats wird dazu erstens das Medium an sich charakterisiert, indem, neben einer Definition der Gattungen, der spezifische Quellenwert sowie die Darstellungsmuster von Plakaten erörtert werden. Zweitens sollen Möglichkeiten der Analyse und die praktische Einbettung in den Geschichtsunterricht an einem Beispiel dargestellt werden. Zusätzlich werden aber auch allgemeine Methoden zum Einsatz von Plakaten im Geschichtsunterricht diskutiert.

2. Geschichte des Plakats

Die Entstehung des Mediums Plakat ist aus dem Bedürfnis der Menschen zu erklären, Nachrichten in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Schon in der Antike informierten Steintafeln und Inschriften die Öffentlichkeit über Gesetze oder Gladiatorenkämpfe.[1] Doch erst im 15. Jh. wurde es aufgrund der Erfindung des Buch- und Bilderdrucks möglich, Flugblätter, Handzettel und Anschriften in großer Zahl und daher als Massenmedium zu produzieren.[2]

Ein weiterer bedeutender Einschnitt war die Erfindung der Lithographie im Jahre 1796 und der Farblithographie ab 1837, die eine weitere Vergrößerung der Auflagen ermöglichten.[3] So setze sich das Plakat im 19. Jh. als das Massenmedium durch, da im Zuge der Industrialisierung zum einen die Produktwerbung entstand, zum anderen die Urbanisierung ein Forum für das Massenmedium Plakat bot.[4] Nicht nur als Reklame für Konsumgüter, sondern auch als Werbung für kulturelle Angebote wie Theater, Kabarett, Varieté und Film wurden Plakate verwendet, so dass auch künstlerische Einflüsse auf die Gestaltung wirkten.[5]

Im Ersten Weltkrieg diente das Plakat vor allem zur Kriegspropaganda, entweder um den Kampfgeist der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, etwa durch Feindbilder, oder die Menschen zur Zeichnung einer Kriegsanleihe zu bewegen.[6]

Während der Weimarer Republik wurde das politische Plakat ein beliebtes Mittel der politischen Auseinandersetzung. Erklärbar ist dies in erster in erster Linie durch die Aufhebung der bis dahin gültigen Zensur.[7] Es setzte ein inflationärer Gebrauch von Plakaten ein, der zur Folge hatte, dass die ästhetische Qualität stark abnahm und die Plakate bloß durch ihre Massenhaftigkeit Wirkung erzielten.[8] Allein die sozialkritischen Plakate wie die von Käthe Kollwitz, Thomas Theodor Heine und der „Novembergruppe“ hatten künstlerischen Anspruch und wurden durch den Expressionismus beeinflusst.[9]

Im Nationalsozialismus diente das Plakat vor allem der Selbststilisierung des NS-Regimes und seiner Ideologie. Einerseits prägte die Idealvorstellung des arischen Menschen das Bild, andererseits die Brandmarkung politischer und „rassischer“ Feinde. Vor allem Juden wurden bezüglich ihres Phänotyps stark abwertend dargestellt.[10]

In den sechziger Jahren wandelte sich die Funktion des Plakates vom Medium der Beeinflussung der Öffentlichkeit zum Medium des Ausdrucks privater Einstellungen.[11] Als Poster hingen nun populäre Motive oder Persönlichkeiten in den privaten Räumen von Jugendlichen.

3. Gattungen des Plakats

Jedes Plakat verfolgt einen bestimmten Zweck, indem es psychologisch auf den Betrachter einwirkt.[12] Plakate versuchen ihren Betrachter von etwas zu überzeugen, sie sind also „Medien persuasiven Charakters“[13]. Eine Unterteilung in verschiedene Gattungen sollte daher auf dem jeweiligen Wirkungszweck eines Plakats basieren. Im Allgemeinen lassen sich so zwei Gattungen unterscheiden: politische Plakate und Werbeplakate.[14] Beide Gattungen sollen im Folgenden skizziert werden.

Das politische Plakat hat „eine auf Gemeinschaft und Staat hinzielende geistige, meinungs- und gesinnungsbildende Werbewirkung zu erfüllen, um das Handeln der Menschen zu beeinflussen.“[15] Dieser Definition kann man zwei elementare Funktionen des politischen Plakates entnehmen: zum einen soll es Ideen, Vorstellungen, Ideal- und Feindbilder vermitteln[16], zum anderen soll es direkt zu politischem Handeln motivieren.[17] Daher scheint es sinnvoll politische Plakate weiter in Propaganda und Agitation zu unterteilen.[18]

Politische Plakate erfordern eine Anpassung an das Auffassungsvermögen möglichst vieler Menschen, da, im Gegensatz zum Werbeplakat, das an eine ganz bestimmte Klientel adressiert ist, eine relativ große Zielgruppe angesprochen werden soll.[19] So richten sich vor allem propagierte Feindbilder und Wahlplakate an den Großteil der Bevölkerung[20], wohingegen Reklame für Damenfahrräder nur Damen eines gewissen Alters und einer bestimmten Schicht ansprechen soll, wodurch diese Zielgruppe spezifischer aufgegriffen werden kann.

Da das politische Plakat eine relativ heterogene Klientel erreichen soll, hat die einfache Verständlichkeit höchste Priorität. Der Inhalt, der durch ein politisches Plakat vermittelt wird, ist daher meistens eine formelhaft komprimierte und stark pointierte Darstellung des politischen Programms einer Partei.[21] Hierzu zählt auch die Propagierung der schon erwähnten Feindtopoi oder, wie beispielsweise in der NS-Propaganda, der Idealvorstellungen von Staat oder Rasse. Dazu argumentieren politische Plakate oft moralisch statt sachlich[22], was zum einen durch die erforderliche Prägnanz geboten ist, vor allem aber durch die bewusste Emotionalisierung des Inhaltes.[23] Prägnanz und Emotionalisierung haben daher auch einen höheren Stellenwert als der Wahrheitsgehalt eines politischen Plakats, dessen Aufgabe in erster Linie die Überzeugung, nicht die Belehrung des Betrachters ist.[24]

Das Werbeplakat hat die Funktion, potentielle Kunden zum Kauf der gezeigten Ware anzuregen. Im Sinne wirtschaftlicher Interessen werden dem zum Verkauf stehenden Produkt gewissen Eigenschaften zugesprochen, so dass das Werbeplakat im Allgemeinen mehr als nur das Produkt zeigt, das verkauft werden soll.

Zwar ist die Ware die suggestive Basis jedes Werbeplakats, doch wird sie oft in einen Handlungszusammenhang eingebettet.[25] Diese Kontextualisierung der Ware soll potenziellen Käufergruppen einerseits den Anwendungsbereich der Ware demonstrieren, d.h. welchen Nutzen sie hat, anderseits ein (schicht-, alters- oder geschlechterspezifisches) Identifikationsangebot bieten.[26] Werbeplakate binden die Ware daher oft in einen kurzen narrativen Zusammenhang ein, sie erzählen eine Geschichte, in die sich der Betrachter hineinversetzen kann. Beispielsweise werden Zigaretten und Alkoholika oft mit Motiven der Geselligkeit und Männlichkeit assoziiert. Werbeplakate sprechen somit die Bedürfnisse und Sehnsüchte ihrer Zielgruppe an oder wecken sie erst.[27] So gestaltete Werbeplakate erzielen ihre Wirkung demzufolge vor allem dadurch, dass sie dem Betrachter die Befriedigung seiner Bedürfnisse suggerieren, nicht dadurch, dass sie das Produkt reproduzieren.

4. Darstellungsmuster

Die Gestaltung von Plakaten lässt sich unmittelbar aus ihrem Zweck ableiten: Plakate sollen die Aufmerksamkeit der vorbeigehenden Masse erregen und müssen daher in erster Linie auffällig, eingängig und wirkungsvoll sein[28], wobei die Inhalte auf das Nötigste abstrahiert werden.[29] Um dies zu erreichen, wird von den Plakatmachern der gesamte Bestand graphischer Mittel ausgeschöpft: Größe, Proportion, Perspektive Haltung, Dynamik.[30]

Neben den zeichnerischen Möglichkeiten wird auch die Rhetorik mit in die Gestaltung einbezogen. Oft werden Schlagworte, Losungen, Appelle und Parolen aus der Rhetorik des Redners adaptiert.[31] Im Folgenden sollen einige Aspekte der graphischen und sprachlichen Gestaltung[32] erläutert werden, wobei zu beachten ist, dass die Nutzung der verschiedenen Darstellungsmittel immer auch von der Zeit der Entstehung eines Plakates abhängig ist.[33]

In Plakaten werden Ideologien, Meinungen und Ansichten in komprimierter und verdichteter Weise, gewissermaßen plakativ, dargestellt.[34] Zur komprimierten Wiedergabe von Inhalten eignen sich vor allem Symbole und Allegorien, von denen im Plakat ausgiebig Gebrauch gemacht wird.[35] Symbole, wie das Hakenkreuz oder Hammer und Sichel, dienen der Kennzeichnung bestimmter Gruppen oder sind assoziativ mit Werten und Normen verknüpft.[36] Auch Accessoires, z.B. Kleidung, können deutlich machen, welcher Gruppe eine abgebildete Person angehört.[37] Nicht nur Gegenstände, auch Handlungen können Symbolcharakter besitzen.[38] Besonders in NS-Plakaten werden dem Betrachter idealisierte Vorbildfiguren entsprechend der NS-Rasseideologie vorgesetzt, wozu sich typische, symbolhafte Rollenzuschreibungen gesellen.[39] Auch Farben werden als Symbol eingesetzt, wobei eine Ambivalenz dadurch entsteht, dass Farben neben ihrem symbolischen Charakter auch eine physikalisch-optische Wirkung entfalten.[40] Gemäß der kunsttheoretischen Farbenlehre könnte man also vermuten, dass Plakate mit typischen Warnfarben (Rot) erfolgreicher waren, weil sie dem Betrachter buchstäblich besser ins Auge stachen.

Durch die häufige Nutzung der gleichen Symbole und Accessoires entstanden vor allem in der Weimarer Zeit Stereotypen politischer Gruppen.[41] Diese Stereotypen wurden ambivalent genutzt, indem sie sowohl als Identifikationsfigur als auch Feindbild Verwendung fanden.[42] Die Darstellung von Feindbildern hatte dabei oft einen karikaturartigen Charakter.[43] Feindbilder sollten entweder Aversion hervorrufen oder vorhandene Abneigung verstärken.[44] Das Erkennen von Stereotypen setzt beim Betrachter voraus, dass er Symbole und Allegorien versteht. Plakate erzielen ihre Wirkung also vor allem dann, wenn die Gestaltung auf den kulturellen Hintergrund des Betrachters abgestimmt ist.[45] Die Wiederanknüpfung an Bekanntes, die Intertextualität eines Plakates spielt bei der Deutung durch den zeitgenössischen Betrachter somit eine große Rolle.[46]

Die graphischen Darstellungsmittel werden fast immer durch den Einsatz von Schrift unterstützt. Dabei kommt der Schrift nicht nur die Funktion zu, Information in Form von Text zu vermitteln, sie wird gleichzeitig auch zu einem integralen Bestandteil des Plakates selbst.[47] So unterliegt auch die Schrift der graphischen Gestaltung, indem beispielsweise die Schriftart oder Position, Neigung und Größe der Schrift der Aussage des Plakates angepasst wird. Eine beliebte Schriftart der konservativen Parteien der Weimarer Republik war die Frakturschrift, die für den zeitgenössischen Betrachter wohl einen nationalen Geist versinnbildlichte.[48]

Die Schrift war nicht nur reine Information, sondern auch eine Interpretation des Plakates[49]. So wurde sichergestellt, dass die intendierte Aussage des Plakates auch erkannt wurde. Der Stil des Textes war meist aphoristisch und griff auf rhetorische Stilmittel zurück. So finden sich z. B. oft rhetorische Fragen.[50]

[...]


[1] Vgl. Schneider 1999, 227.

[2] Vgl. Sauer 2006, 39.

[3] Vgl. Fuder 1999, 986.

[4] Vgl. Schneider 1999, 282 u. Sauer 2006, 39.

[5] Vgl. Fuder 1999, 986.

[6] Vgl. Schneider 1999, 287.

[7] Vgl. Schneider 1999, 293.

[8] Vgl. Fuder 1999, 994.

[9] Vgl. Fuder 1999, 994.

[10] Vgl. Schneider 1999, 296.

[11] Vgl. Schneider 1999, 304.

[12] Vgl. Kamps 1999, 158f.

[13] Kamps 1999, 158.

[14] Vgl. Sauer 2006, 37. Dagegen unterscheidet Kamps 1999, 156ff drei Gattungen: das Warenplakat, das politische Plakat und das Filmplakat. Allerdings ist meiner Meinung nach das Filmplakat nur eine Untergattung des Waren- bzw. Werbeplakates, da der Film als Konsumgut d.h. als Ware betrachtet werden kann.

[15] Medebach 1969, 1.

[16] Vgl. Kamps 1999, 158 u. Fuder 1999, 992.

[17] Vgl. Fuder 1999, 993.

[18] Vgl. Kamps 1999, 158 u. Schneider 1999, 316. Schneider unterscheidet in Protestplakat und Aktionsplakat. Die Bezeichnung „Protestplakat“ scheint mir unbrauchbar, da durch diesen Begriff nur eine Facette der Propaganda konnotiert wird.

[19] Vgl. Kamps 1999, 158.

[20] Dagegen Schneider 1999, 312. Schneider schreibt, dass sich politische Plakate in erster Linie an die Anhängerschaft der jeweiligen Partei richten, um ihnen politische Argumente an die Hand zu geben. Weniger intendiert sei dagegen die Beeinflussung neutraler Betrachter oder politischer Gegner.

[21] Vgl. Schneider 1999, 312.

[22] Vgl. Fuder 1999, 993.

[23] Vgl. Kamps 1999, 158.

[24] Vgl. Schneider 1999, 317.

[25] Vgl. Kamps 1999, 157.

[26] Vgl. Kamps 1999, 157.

[27] Vgl. Sauer 2006, 38.

[28] Vgl. Sauer 2006, 43.

[29] Vgl. Kamps 1999, 151.

[30] Vgl. Sauer 2006, 45.

[31] Vgl. Kämpfer 1997, 147f.

[32] Graphische und sprachliche Gestaltung können im Plakat nur schwer getrennt werden, weshalb auch darauf eingegangen werden soll, wie sich diese beiden Gestaltungsebenen gegenseitig beeinflussen.

[33] Vgl. Sauer 2006, 48.

[34] Vgl. Schneider 1999, 312.

[35] Vgl. Schneider 1999, 326.

[36] Vgl. Sauer 2006, 43f.

[37] Vgl. Sauer 2006, 44.

[38] Vgl. Kämpfer 1997, 152.

[39] Vgl. Sauer 2006, 41.

[40] Vgl. Kamps 1999, 154.

[41] Vgl. Schneider 1999, 293.

[42] Vgl. Sauer 2000, 91.

[43] Vgl. Schneider 1999, 277 u. 296.

[44] Vgl. Hagen 1978, 420f.

[45] Vgl. Kamps 1999, 155.

[46] Vgl. Kämpfer 1997, 168.

[47] Vgl. Fuder 1999, 1003.

[48] Vgl. Sauer 2006, 45.

[49] Vgl. Kamps 1999, 52.

[50] Vgl. Kamps 1999, 154ff.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Plakate als Quellen im Geschichtsunterricht anhand konkreter Beispiele
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Autor
Jahr
2009
Seiten
25
Katalognummer
V129234
ISBN (eBook)
9783640379194
ISBN (Buch)
9783640379071
Dateigröße
3983 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Plakate, Quellen, Geschichtsunterricht, Beispiele
Arbeit zitieren
Timo Castens (Autor:in), 2009, Plakate als Quellen im Geschichtsunterricht anhand konkreter Beispiele, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129234

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