Möglichkeiten und Grenzen der Gesundheitserziehung im Schulsport


Seminararbeit, 2006

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Was ist Gesundheit?
2.1 Das Risikofaktoren-Modell
2.2 Das Salutogenese-Modell nach Antonovsky

3 Möglichkeiten und Grenzen der Gesundheitserziehung im Schulsport
3.1 Diätetische Gesundheitserziehung nach Balz
3.2 Das angewandte Salutogenese-Modell im Schulsport nach Brodtmann
3.3 Bewegung = Gesundheit?

4 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Denn eine Gesundheit an sich gibt es nicht, und alle Versuche ein Ding derart zu definieren sind kläglich missraten. Es kommt auf dein Ziel, deinen Horizont, deine Antriebe, deine Irrtümer und namentlich auf die Ideale und Phantasmen deiner Seele an, um zu bestimmen, was selbst für deinen Leib Gesundheit zu bedeuten habe. Somit gibt es unzählige Gesundheiten deines Lebens.“

Friedrich Nietzsche (1844-1900)

Dieses Zitat von Nietzsche soll direkt zu Beginn dieser Arbeit auf die Schwierigkeiten hinweisen, die mit einer Definition des Begriffs Gesundheit verbunden sind.

Was ist eigentlich Gesundheit? Was ist gesund? Wie stehen Gesundheit und Schule zueinander? In dieser Arbeit soll es um eine Auseinandersetzung mit diesen und ähnlichen Fragen gehen. Dabei soll die Annäherung zunächst auch über die nähere Betrachtung von Meinungen geschehen, die in der Gesellschaft weit verbreitet sind, jedoch teilweise jeglicher Grundlage entbehren. Kann man zum Beispiel grundsätzlich annehmen, dass Sport gesund sei? Haben wir es in der Schule tatsächlich mit lauter unsportlichen, übergewichtigen und deshalb kranken Kindern zu tun? Glaubt man vielen Darstellungen in den Medien, so kann fast kein Zweifel entstehen, dass dies so ist. Hier soll dieses Thema jedoch ein wenig differenzierter untersucht werden.

Zu Beginn der Arbeit wird der Frage „Was ist Gesundheit“ nachgegangen. Dabei wird unter anderem ein Augenmerk darauf gerichtet, was die WHO zu einer Definition von Gesundheit beigetragen hat. Daran schließt sich eine Erläuterung zweier grundsätzlich zu unterscheidenden Gesundheitsmodelle an. Es geht dabei um das Risikofaktorenmodell und das Salutogenese-Modell. Im Anschluss daran folgt eine Diskussion, welchen Beitrag der Sportunterricht zu einer Gesundheitserziehung überhaupt leisten kann. Er bietet zum einen viele Möglichkeiten, die Gesundheit der Kinder zu fördern und die Schüler für die Bedeutung von Gesundheit zu sensibilisieren. Zum anderen läuft man jedoch schnell Gefahr, den Sportunterricht zu überfordern und die Bewegung als reines Mittel zum Zweck herabzustufen. Zu dieser Diskussion haben besonders Balz (1990, 1995) und Brodtmann (1984, 1998) einen großen Beitrag geleistet. Folglich werden ihre Ansätze im dritten Kapitel ausführlich dargestellt. Dabei handelt es sich zum einen um das Diätetik-Modell von Balz und zum anderen um Brodtmanns Vorstellungen, wie sich das Salutogenese-Modell im Schulsport anwenden ließe.

Anschließend soll untersucht werden, wie begründet die weit verbreitete Annahme der „Dyade von Sport und Gesundheit“ (Balz 1992, 257) ist. Dabei wird ein Augenmerk auf die Frage gerichtet, welche Art von Bewegung überhaupt die Gesundheit fördern kann und deshalb in den Sportunterricht integriert werden sollte. Welche Kriterien können in diesem Zusammenhang herangezogen werden? Dies bildet den Abschluss der Arbeit.

2 Was ist Gesundheit?

Die wohl bekannteste Definition von Gesundheit stammt von der WHO, der Weltgesundheitsorganisation, aus dem Jahr 1948 (Wulfhorst 2002, 20). Sie definiert Gesundheit wie folgt:

Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.

An dieser Definition der WHO ist zahlreiche Kritik geübt worden. Insbesondere wurde der utopische Charakter kritisiert, denn ein vollkommener Gesundheitszustand sei unrealistisch. Zudem wurde kritisch angemerkt, dass mit der Hervorhebung des Zustandes der statische Charakter von Gesundheit überbetont werde. Auch die Überakzentuierung der subjektiven Sicht und die Vernachlässigung des objektiven Gesundheitsgeschehens wurden bemängelt (vgl. Wulfhorst 2002, S. 21).

Es existieren noch zahlreiche andere Definitionen von Gesundheit. Bei Kolip/ Hurrelmann/ Schnabel (1995, 7) wird Gesundheit

als ein Gleichgewicht verstanden, als der Zustand des objektiven und des subjektiven Befindens einer Person, der dann gegeben ist, wenn diese Person sich in den physischen und sozialen Bereichen ihrer Entwicklung in Einklang mit den eigenen Möglichkeiten und Zielvorstellungen und auch im Einklang mit den gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet. Die Gesundheit ist beeinträchtigt, wenn sich in einem oder in mehreren dieser Bereiche Anforderungen ergeben, die von der Person nicht erfüllt und nicht bewältigt werden können. (...) Gesundheit ist demnach ein Balancezustand, der zu jedem lebensgeschichtlichen Zeitpunkt immer erneut hergestellt werden muss.

Nach dieser Definition von Kolip/ Hurrelmann/ Schnabel wird Gesundheit nicht als passiv und statisch definiert, sondern als Aufgabe der Herstellung und Erhaltung eines Gleichgewichts zwischen der eigenen Entwicklung und den eigenen Zielen einerseits und den Bedingungen des Lebens andererseits. Die dem Subjekt abverlangten Eigenleistung der Integration von Wunsch und Realisierbarkeit kann, wenn sie gelingt, zur Gesundheit führen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass ältere Definitionen sich mehr an körperlichen Dimensionen von Gesundheit orientieren. Küpper/ Kottmann (2001, 237) ziehen einen Wörterbucheintrag von 1968 heran, in dem Wahrig unter gesund versteht, dass man „frei von Krankheit, leistungsfähig und kräftig“ sei. In den letzten Jahren wurde der Blick auf den Gesundheitsbegriff immer ganzheitlicher und mittlerweile lässt sich wohl kaum noch eine Definition von Gesundheit finden, die nicht auch soziale und psychische Aspekte mit einbezieht. Dies ist auch bei der oben bereits erwähnten WHO-Erklärung zu erkennen. Neben psychischen und sozialen wurden später auch ökologische Dimensionen in die Definitionen mit aufgenommen.

Aus der eher körperlichen Sichtweise wie auch aus der ganzheitlicheren Sichtweise von Gesundheit erwachsen unterschiedliche Modelle, wie man Gesundheit fördern und erhalten kann. Einerseits gibt es die Möglichkeit sich an epidemiologischen Studien orientieren, die belegen, dass bestimmte gesundheitliche Risikofaktoren wie Übergewicht, Hypertonie, unausgewogene Ernährung oder Genussmittelmissbrauch mit einer Häufung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergehen. Daraus ließe sich dann der Schluss ziehen, dass man versuchen muss, diese Risikofaktoren möglichst einzudämmen oder auszuschalten (vgl. Küpper/ Kottmann 2001, S.236). Dieser Ansatz wird im Folgenden als Risikofaktoren-Modell näher erläutert. Andererseits kann man sich an der Frage orientieren, welche Voraussetzungen vorhanden sein müssen, damit Gesundheit überhaupt entstehen kann. Dabei handelt es sich um einen Ansatz, der auf den israelischen Arzt Antonovsky zurückgeht und hier als Salutogenese-Modell beschrieben und erörtert werden soll.

Es ist jedoch festzuhalten, dass es eine endgültige und vollkommene Definition von Gesundheit nicht gibt. Dies wird von unterschiedlichen Autoren immer wieder betont (vgl. z.B. Bös/ Wydra/ Karisch 1992, 16). Man kann aber versuchen, den Begriff Gesundheit aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, was im folgenden Abschnitt versucht werden soll.

2.1 Das Risikofaktoren-Modell

Auf die zahlreichen Meldungen, die uns verkünden, dass Übergewicht, Bluthochdruck oder Diabetes ein immer größeres gesellschaftliches und besonders ein gesundheitspolitisches Problem darstellen, wird immer öfter mit Rufen nach Maßnahmen zu einer präventiven Gesundheitsförderung reagiert. Krankenkassen bieten ihren Mitgliedern immer mehr Präventionsangebote: Mit Ausdauer- und Herz-Kreislauf-Kursen soll beispielsweise das Risiko koronarer Herzerkrankungen, der Diabetes II usw. gesenkt, mit Kursen der modernen Rückenschule die Gefahr von Rückenbeschwerden, im schlimmsten Fall von Bandscheibenvorfällen, herabgesetzt werden[1]. Grundlage dieser Präventionsmaßnahmen ist die Annahme, dass Gesundheit sich durch das Ausschalten vermeintlich gesundheitsschädigender Faktoren herstellen lasse[2]. Balz (1992, 260ff.) weist in diesem Zusammenhang auf das Problem der Überschätzung des Sports hin. Dabei stellt er zunächst fest, dass Sport und Gesundheit meistens in einem Atemzug genannt würden, obwohl es praktisch keine Studien gäbe, die dies eindeutig belegten. Den positiven Effekten zufolge, die dem Sport allgemein zugeschrieben werden – vom Schutz vor Stoffwechselerkrankung bis hin zu antidepressiver Wirkung- kann laut Balz (1992, 261) „leicht der Eindruck entstehen, als könne der Sport ein zuverlässiges Medikament mit Breitbandwirkung gegen Zivilisationsschäden, Alterskrankheiten und frühzeitigen Tod sein“. Mit Ausnahme eines als gesichert geltenden präventiven kardiologischen Effekts eines aeroben Ausdauertrainings könne man nach Balz (1992, 263) eher von einer „kaum widerlegten Unwirksamkeit sportlicher Aktivität“ ausgehen. Eine Position, die die Risikofaktoren in den Mittelpunkt der Betrachtungsweise setzt, wird häufig von Trainingswissenschaftlern eingenommen. Frey (1991, S. 93) meint z.B., dass es „für den Praktiker zunächst sinnvoll [ist], sich von einem engen Gesundheitsbegriff, der sich auf die biologische Komponente beschränkt, leiten zu lassen.“ Er sagt weiter: „Im Vordergrund stehen dann die Risikofaktoren für den Menschen, die sich durch Training zumindest zum Teil bekämpfen lassen.“ Es bleibt an späterer Stelle dieser Arbeit zu diskutieren, ob im Sportunterricht überhaupt eine Chance besteht, Risikofaktoren entgegenzuwirken. Geht man davon aus, dass man lediglich durch ein drei bis vier Mal pro Woche durchgeführtes Ausdauertraining von etwa 30 Minuten (vgl. Frey 1991, 99) koronaren Herzkrankheiten vorbeugen kann, so stößt man mit so einem Vorhaben auf größere organisatorische Probleme in der Schule.

2.2 Das Salutogenese-Modell nach Antonovsky

Im so genannten Salutogenese-Modell versucht der israelische Arzt Aaron Antonovsky eine umfassende Betrachtungsweise von Gesundheit zu entwickeln. Diesen Ansatz beschreibt Balz (1995, 83ff.) ausführlich. Er stellt heraus, dass das Salutogenese-Modell vor allem dem vielschichtigen Wechselspiel zwischen Körper, Psyche, besonders aber dem gesellschaftlichen Umfeld Rechnung trägt. Antonovsky betrachtet Gesundheit und Krankheit nicht als zwei voneinander getrennte Größen, sondern er geht vielmehr von einem stetigen Zusammenspiel beider aus. Durch diese Interaktion bestimmt sich der Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Individuums. Aus dieser Vorstellung heraus soll die Gesundheitsförderung die Rolle übernehmen „individuelle Ressourcen und Bewältigungsstrategien („coping“) sowie soziale Unterstützungssysteme zu stärken“ (Balz 1995, 84). Ein guter Überblick über das Salutogenese-Modell findet sich bei Bös/ Wydra/ Karisch (1992, 22ff.):

[...]


[1] z.B. auf der Homepage der BARMER lassen sich einige Angebote zur Prävention finden: http://www.barmer.de/barmer/web/Portale/Versichertenportal/Leistungen_20und_20Beitr_C3_A4ge/Pr_C3_A4vention/Gesundheitskurse/Gesundheitskurse/GesundheitskurseCID__71552.html

[2] Ein Beispiel dafür bietet die Spiegel -Ausgabe 5/2006, in der das Titelthema lautet: „Die Heilkraft der Bewegung“. In dem Artikel von Jörg Bleich wird Bewegung gewissermaßen als Allheilmittel gegen sämtliche Zivilisationskrankheiten, Krebs usw. dargestellt.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten und Grenzen der Gesundheitserziehung im Schulsport
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V128800
ISBN (eBook)
9783640345984
ISBN (Buch)
9783640346646
Dateigröße
1479 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es handelte sich bei der Arbeit um eine sog. "Zulassungsarbeit", an der Marburger Uni war es verpflichtend, solch eine Arbeit in Pädagogik zu schreiben, bevor man sich zum Examen meldet, diese Arbeit war aber NICHT die EXAMENSARBEIT.
Schlagworte
Möglichkeiten, Grenzen, Gesundheitserziehung, Schulsport
Arbeit zitieren
Christine Beier (Autor:in), 2006, Möglichkeiten und Grenzen der Gesundheitserziehung im Schulsport, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128800

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