Methoden der forensischen Psychologie

Lügendetektortests - Wahrheit oder Lüge?


Referat (Ausarbeitung), 2007

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALT

1. FORENSISCHE PSYCHOLOGIE

2. EINE DEFINITION

3. MÖGLICHE ANWENDUNGSBEREICHE

4. DIE RECHTSLAGE IN DEUTSCHLAND

5. METHODEN DER FORENSISCHEN PSYCHOPHYSIOLOGIE
5.1. Der Tatwissentest
5.2. Der Kontrollfragentest
5.2.1. Die Logik
5.2.2. Die Struktur
5.2.3. Die Messung
5.2.4. Die Beurteilung der Messergebnisse
5.2.5. Die Auswertung
5.2.6. Das Nachtestinterview
5.2.7. Kritiker
5.2.8. Befürworter
5.2.9. Fazit

6. LITERATURVERZEICHNIS

1. Forensische Psychologie

Die forensische Psychologie ist ein Teilbereich der Angewandten Psychologie und beschäftigt sich mit Aufgaben innerhalb der Gerichtspraxis (auch: Gerichtspsychologie)1. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich insbesondere mit den Methoden der Forensischen Psychophysiologie und der Diskussion über deren Verwertbarkeit in der deutschen Gerichtspraxis.

Unter dem Begriff „Forensische Psychophysiologie“, vermag sich ein Laie wenig vorzustellen, obwohl es sich dabei um ein Teilgebiet der Empirischen Psychologie handelt, das seinen Weg bereits in die amerikanische Justiz, die japanischen polizeilichen Ermittlungsarbeiten und in die deutsche Zivilgerichtsbarkeit gefunden hat2.

Selbst in Unterhaltungssendungen („Talkshows“) deutscher und ausländischer Fernsehsender haben Methoden der Forensischen Psychophysiologie inzwischen Einzug gehalten. Umgangsprachlich verbirgt sich hinter dem Begriff der Forensischen Psychophysiologie der Begriff der „Lügendetektion“, der „Lügendetektortests“ oder der „Polygraphentest“.

Die vorliegende Arbeit soll einen Überblick über die Methoden der Forensischen Psychophysiologie und deren Anwendbarkeit geben. In diesem Rahmen beschäftigt sie sich insbesondere mit der Methode des Kontrollfragentests.

Obwohl sich diese Arbeit mit Kritikern und Befürwortern der Methode auseinandersetzt, verfolgt sie ausdrücklich nicht das Ziel eines Plädoyers für oder gegen die Anwendbarkeit des Polygraphentests in der deutschen Gerichtsbarkeit, sie soll lediglich einen Überblick über wesentliche Problemstellungen und Chancen der Methode geben.

Um das zu leisten ist es vonnöten, mit den Grundzügen der Forensischen Psychophysiologie vertraut zu sein (Kap. 2), mögliche Anwendungsfelder zu berücksichtigen (Kap. 3) und die Rechtslage in Deutschland zu kennen (Kap. 4). Ferner ist es für das Verständnis wesentlicher Problemstellungen und Chancen (Kap. 1.2.7 und Kap. 1.2.8) unabdingbar, über Kenntnisse der Grundzüge der Methode zu verfügen (Kap. 5).

2. Eine Definition

Die forensische Psychophysiologie (auch: psychophysiologische Aussagebegutachtung, oder umgangssprachlich „Lügendetektion“) zielt darauf ab, anhand der körperlichen Reaktionen auf bestimmte Reize diagnostische Schlussfolgerungen über die Glaubhaftigkeit bzw. Tatbeteiligung einer Person an einem kriminellen Delikt zu treffen.3

In dieser Definition von Rill, Gödert und Vossel (2003) sind die Hauptbestandteile der Forensischen Psychophysiologie zusammengefasst.

Ausgangspunkt für die Forensische Psychophysiologie ist, dass psychische Prozesse (Gedanken, Emotionen, Erinnerungen) physiologische Auswirkungen haben, die zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Aussage herangezogen werden.4

Es ist wichtig hervorzuheben, dass ein Polygraph lediglich körperliche Reaktionen auf bestimmte Fragen misst, die einer wissenschaftlichen Auslegung bedürfen, einer diagnostischen Schlussfolgerung. Mit dieser ist es möglich, die Glaubwürdigkeit einer Aussage zu bewerten.5

Abbildung 2.1

Forensische Psychophysiologie

(Vossel, Rill, Gödert 2008, Website)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ebenso ist es wichtig hervorzuheben, dass die Begrifflichkeit der „Lügendetektion irreführend ist, da kein konsistentes physiologisches Erregungsmuster für eine „Lüge“ existieren.

Bei der psychophysiologischen Aussagebegutachtung handelt es sich lediglich um eine Gegenüberstellung von Vergleichsreizen, deren physiologische Erregungsdifferenz nicht auf eine Lüge hindeutet, sondern die als ein Indikator für die unterschiedlichen Bedeutungen verschiedener Fragen verstanden wird.6

3. Mögliche Anwendungsbereiche

Als ein mögliches Anwendungsfeld der Polygraphentests betrachtet man einen besonderen forensischen Bereich, bei dem es um „sorge- und umgangsrechtliche Fragen im Rahmen von Scheidungsverfahren“ geht, „bei denen der Verdacht sexueller Missbrauchshandlungen eines Elternteils gegenüber seinen Kindern im Raum steht“7.

Bei diesen Fällen besteht oft kein konkreter Handlungsvorwurf gegenüber einem Elternteil. Oft handelt es sich lediglich um eine Interpretation vom Verhalten des Kindes, das auch als „unspezifische Belastungsreaktion“ auf Grund der Trennung der Eltern betrachtet werden kann8.

Da es in diesen speziellen forensischen Fällen oft schwer ist einen solchen Vorwurf zu entkräftigen, erhoffte man sich Aufklärung durch Polygraphentests.9

Die Akzeptanz der Zivilgerichte führte dazu, dass der Bundesgerichthof (BGH) zu der Methode der psychophysiologischen Aussagebeurteilung Stellung nehmen musste. Dies tat der BGH in seinem Urteil vom 17.12.1998, das in Punkt vier ausgeführt wird.10

4. Die Rechtslage in Deutschland

Die Rechtslage in Deutschland bezüglich der strafgerichtlichen Verwertbarkeit von psychophysiologischen Methoden der Täterschaftsbeurteilung ist durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) am 17.12.1998 bestimmt.

Folgende Feststellungen wurden getroffen:11

„1. Wirkt der Beschuldigte freiwillig an einer polygraphischen Untersuchung mit, so verstößt dies nicht gegen Verfassungsgrundsätze oder den § 136a StPO [Anm.: Strafprozessordnung].
2. Die polygraphischen Untersuchungen mittels des Kontrollfragentests und-jedenfalls im Zeitpunkt der Hauptverhandlung- des Tatwissenstests führt zu einem völlig ungeeigneten Beweismittel i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 4. Alt. StPO“ (BGHSt 47, 2000).12

Dieses Urteil des Bundesgerichtshofs stellt im Vergleich zur vorherigen Rechtssprechung eine signifikante Veränderung der Sachlage dar. Bis zu diesem Zeitpunkt galt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.2.1954, die wie folgt aussah:

Die Untersuchung mit dem „Polygraphen“ (Lügendetektor) verletzt die Freiheit der Willensentschließung und –betätigung des Beschuldigten und ist daher im Strafverfahren wie in den Vorermittlungen ohne Rücksicht auf sein Einverständnis unzulässig.13

1954 betrachtete man eine polygraphische Untersuchung als Verletzung der Freiheit des Beschuldigten und bewertete den Polygraphentest als ein unzulässiges Verfahren. Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom Dezember 1998 werden Polygraphentests, die freiwillig durchgeführt werden, nicht mehr als verfassungswidrig oder straffprozessual verboten klassifiziert.14

1954 galt selbst ein freiwillig durchgeführter Test als verfassungswidrig, da er die Freiheit des Untersuchten verletzte.

Des weiteren wurde mit dem Urteil von 1998 zwischen dem Tatwissentest und dem Kontrollfragentest differenziert. Bis dahin galt jegliche polygraphische Untersuchung, egal ob Tatwissentest oder Kontrollfragentest, als unzulässiges Beweismittel.

Heute wird nur der Kontrollfragentest als ungeeignetes Beweismittel angesehen. Der Tatwissentest hingegen wird nur zum „Zeitpunkt der Hauptverhandlung“15 als ungeeignet klassifiziert. Diese Klassifikation schließt jedoch nicht die Möglichkeit aus, den Tatwissentest zu einem früheren Zeitpunkt (vor der Hauptverhandlung) als zulässiges Beweismittel anzusehen.

Diese Einschränkung der Zulassung des Tatwissentests als Beweismittel erscheint sinnvoll, da das System des Tatwissentests darauf beruht, den Beschuldigten durch psychophysiologische Reaktionen auf eine Konfrontation mit Tatdetails zu überführen. Es wird dabei vorausgesetzt, dass nur der Täter genaue Kenntnisse über bestimmte Tatdetails hat, wie z.b. das Wissen über den genauen Tatort einer Tat als Tatdetail (z.b. das Badezimmer eines Hauses, oder der Flur).16

Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung ist es jedoch einsichtig, dass nicht nur der Täter über spezifisches Tat- und Detailwissen verfügt, sondern auch andere Beteiligte diese Informationen besitzen.17

Beispielsweise ist wohl zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bei einem Mordfall jedem an der Verhandlung Beteiligtem klar, an welchem Tatort (z.B. Küche oder Badezimmer) die betreffende Person ermordet wurde.

5. Methoden der Forensischen Psychophysiologie

Es gibt zwei Befragungsmethoden der Forensischen Psychophysiologie, die in der Literatur konträr diskutiert werden. Den Kontrollfragentest (direkte Methode) und den Tatwissentest (indirekte Methode).18

Im Folgenden werde ich näher auf die Befragungsmethode des Kontrollfragentest eingehen, während ich mich bei dem Tatwissentest auf eine kurze Erläuterung, zwecks eines Überblicks beschränke.

Vertiefende Details zum Tatwissentest finden sich in der Ausarbeitung meiner Kommilitonin Anna Hennecke.

5.1. Der Tatwissentest

Bei dem Tatwissentest handelt es sich um eine indirekte Befragungsmethode der Forensischen Psychophysiologie, da nicht direkt nach dem relevanten Sachverhalt gefragt wird.19

Dem Proband werden Fragen nach Tatdetails gestellt, deren Kenntnis nur der Täter haben kann. Als Antworten werden neben der richtigen Lösung (relevantes Item), verschiedene gleich plausible Alternativantworten (Vergleichsitems) angeboten.20

Ein Beispiel für den Tatwissentest findet sich in Abbildung 5.1.1. Die relevanten Items sind mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet.

Bei dem Test werden etwa 6- 10 Multiple-Choice-Fragen gestellt. Diese beziehen sich alle auf relevante Tatdetails, wie etwa auf das Tatdetail, welche Automarke das Fluchtauto des Täters hatte.

Die Annahme ist, dass der Täter unter den Vergleichsitems das relevante Item erkennt. Diese automatischen Wiedererkennungsprozesse im Gehirn lösen eine messbare physiologische Reaktionen aus. Diese Reaktionen ist mit dem Polygraphen messbar und stärker, als die, die der Proband bei den Vergleichsitems zeigt.21

Zeigt der Proband mehrfach eine stärkere physiologische Reaktion auf relevante Tatdetails, erhärtet sich die Annahme, dass es sich bei diesem Probanden um den Täter oder einen Tatbeteiligten handelt.

Ein Unschuldiger, der nicht über spezifisches Tatwissen verfügt, erkennt das relevante Item nicht und reagiert deshalb auch nicht regelmäßig stärker darauf, als auf die Vergleichsitems.

Mit dieser Formulierung zeigt sich auch schon der Nachteil des Tatwissentests:

Es besteht die Möglichkeit, dass nicht nur der Täter spezifisches Tatwissen hat, was

zu falschen Rückschlüssen bezüglich der Täterschaft führen kann.

Des weiteren ist der Tatwissentest nur in einer frühen Ermittlungsphase

anzuwenden. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass,

[...]


1 Meyers Lexikonverlag (2007): Forensische Psychologie. 25.01.08 <http://lexikon.meyers.de/index.php?title=Forensische_Psychologie&oldid=161663>

2 Vossel, Gerhardt; Rill, Hans-Georg; Gödert, Heinz Werner (2008): Website der Interdisziplinären Forschungsgruppe Forensische Psychophysiologie. 25.01.08 < http://www.luegendetektion.de/info-down.htm >

3 Rill, Hans-Georg Gödert, Heinz Werner; Vossel, Gerhard (2003): Forensische Psychophysiologie („Lügendetektion“). Ein Plädoyer für den Tatwissentest. In: Monatsschrift für Kriminologie und Stafrechtsnorm. 86, Heft 3. S.165.

4 Vossel; Rill; Gödert 2008, Website.

5 Rill; Gödert; Vossel 2003, S.165.

6 Steller, Max (1987): Psychophysiologische Aussagebeurteilung. Göttingen: Verlag für Psychologie. S. 5.

7 Dahle, Klaus- Peter (2003): Hat der sogenannte „Lügendetektor“ nach veränderter Rechtslage in Deutschland eine Zukunft? Versuch einer psychologischen Standortbestimmung. In: Psychologische Rundschau. 54, Heft 2. S. 103.

8 Dahle 2003, S.105.

9 Schulz, W (1999): Der Einsatz des Polygraphen beim Familiengericht München. In: J. Salzgeber, M. Stadler & S. Willutzki (Hrsg.): Polygraphie: Möglichkeiten und Grenzen der psychophysiologischen Aussagebegutachtung. Köln: Bundesanzeiger-Verlag.

Willtzki,S (1999). Zur rechtlichen Zulässigkeit des Polygrapheneinsatzes im familiengerichtlichen Verfahren. In: J. Salzgeber, M. Stadler & S. Willutzki (Hrsg.): Polygraphie: Möglichkeiten und Grenzen der psychophysiologischen Aussagebegutachtung. Köln: Bundesanzeiger-Verlag.

(Zitiert nach Dahle 2003, S.105.)

10 Dahle 2003, S.104.

11 Dahle 2003, S.104.

12 Bundesgerichtshof (BGH) zitiert nach Dahle 2003, S. 104.

13 Bundesgerichtshof (BGH) zitiert nach Vossel; Rill; Gödert 2008, Website.

14 Dahle 2003, S. 104.

15 Bundesgerichtshof (BGH) zitiert nach Vossel; Rill; Gödert 2008, Website.

16 Rill; Gödert; Vossel 2003, S.165f.

17 Dahle 2003, S.108.

18 Steller 1987, S.6 und S.10.

19 Steller 1987, S.10.

20 Vossel; Rill; Gödert 2008, Website.

21 Steller 1987, S. 10.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Methoden der forensischen Psychologie
Untertitel
Lügendetektortests - Wahrheit oder Lüge?
Hochschule
Universität Siegen  (FB 2 Erziehungswissenschaft und Psychologie)
Veranstaltung
Methoden der Psychologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
23
Katalognummer
V128683
ISBN (eBook)
9783640349470
ISBN (Buch)
9783640349159
Dateigröße
2169 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lügendetektor, Lügendetektortest, forensische Psychologie, forensische Psychophysiologie, Lügendetektion, Wahrheit oder Lüge, Britt, Polygraphen, Polygraphentests, Kontrollfragentest, Rechtslage Lügendetektortest, scientology
Arbeit zitieren
Kathi Beyer (Autor:in), 2007, Methoden der forensischen Psychologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128683

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