Die besondere Strukturiertheit des "español coloquial" in Hinblick auf die Übersetzung


Seminararbeit, 2009

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die grundlegenden Eigenschaften gesprochener Sprache
1.1 Typische strukturelle Besonderheiten gesprochener Sprache
1.2 Weitere Besonderheiten gesprochener Sprache

2. Gesprochene Sprache in der Übersetzung
2.1 Beispiel 1) Der argentinische Comic „Mafalda“
2.2 Beispiel 2) Der spanische Roman „Beatriz y los cuerpos celestes“
2.3 Beispiel 3) Privater Internetchat
2.4 Beispiel 4) Transkribiertes Interview

Fazit

Quellenverzeichnis

Internetquellen

Einleitung

Im Rahmen dieser Hausarbeit soll die Spezifik der gesprochenen spanischen Sprache in Hinblick auf die Übersetzung untersucht werden. Die Erscheinungsformen gesprochener Sprache sind vielfältig. Unsere Gesellschaft kennt zahlreiche mündliche Kommunika-tionsanlässe wie beispielsweise Gerichtsverhandlungen, Auskünfte, Gespräche zwischen Behördenvertretungen und Bürgern, Interaktion zwischen Ärzten und Patienten, Arbeitsessen, Streitgespräche, Planungsgespräche oder Telefongespräche. Doch die gesprochene Sprache dringt auch mehr und mehr in die Literatur- und Fachsprachen ein und findet in der Lexikographie Berücksichtigung. Weiterhin ist sie bezüglich der Übersetzung von Werbung, audiomedialen Inhalten sowie Filmuntertitelungen relevant. Als Unter-suchungsgegenstand für die Translationswissenschaft ist sie also durchaus von Interesse.

Im ersten Teil der Arbeit werden die grundlegenden Eigenschaften gesprochener Sprache erörtert, während im zweiten Teil mehrere konkrete Beispiele gezeigt werden, die gesprochene Sprache in ihrer schriftlich fixierten Formen aufweisen und die potentiell übersetzt werden könnten oder tatsächlich übersetzt worden sind. Die Bandbreite geht von der Übersetzung von Comics sowie eines zeitgenössischen Romans bis hin zu einem privaten Internetchat und einem transkribierten Interview. Die Darstellung syntaktischer Merkmale soll bei der Untersuchung im Vordergrund stehen.

Im Gegensatz zur geschriebenen Sprache, die als kodifiziertes und standardisiertes System charakterisierbar ist, das sich tendenziell an der Norm der Hochsprache orientiert (vgl. Glück 2005 : 572, 643; Holtus / Radtke 1994 : 18) wird gesprochenen Sprache vor allem als eine nicht fixierte, natürliche Verwendung von Sprache verstanden, deren Hauptvarietäten Alltagssprache[1] und Umgangssprache[2] sind. Alltagssprache ist weniger diastratisch als mehr diaphasisch zu charakterisieren, während vor allem die lexikalischen Varianten der Umgangssprache einer niedrigeren Stilschicht zuzuordnen sind[3]. (vgl. Glück 2005 : 704)

Mit der pragmatischen Wende wurde gesprochene Sprache ab Mitte der 1960er Jahre sowohl von der germanistischen als auch der romanistischen Linguistik untersucht. Zunächst stand der Vergleich von gesprochener und geschriebener Sprache in Bezug auf die Erfassung syntaktischer Phänomene (Satzlänge und -struktur, Modus, Tempus, Verbalgenus usw.) im Vordergrund. Hierbei wurden vor allem die unterschiedlichen Merkmale der Produkte herausgearbeitet. Aufgrund der festgestellten «Fehler» und «Nachlässigkeiten» neigte man dazu, die gesprochene Sprache als minderwertig zu qualifizieren. (vgl. Fiehler et al. 2004 : 39) Doch seit den 1970er Jahren waren auch zunehmend die besonderen Formulierungsweisen und der dialogische Charakter der gesprochenen Sprache Gegenstand der Untersuchungen. (vgl. Glück 2005 : 229 f.) Neben den Produkten interessierte man sich nun auch für die Produktionsbedingungen . Das mündliche Formulieren wurde als eine komplexe Handlung und eine „aktive Anpassungsleistung [des Sprechers] an Situation und Partner“ (Glück 2005 : 230) erkannt. Als eigenständiges Forschungsgebiet etablierte sich die gesprochene Sprache jedoch erst Ende der 1970er Jahre. In Verbindung mit den Fragestellungen anderer Teildisziplinen und Forschungsrichtungen der Linguistik (wie der Diskurs- und Konversationsanalyse[4], der Ethnomethodologie[5], der Pragmalinguistik[6] oder der Sprechakttheorie[7] ) wurden ebenfalls der prosodische Bereich und die kommunikativen Funktionen beschrieben. Der dialogische Charakter gesprochener Sprache wurde von nun an nicht mehr als störend, sondern als konstitutiv betrachtet und die Phänomene der gesprochenen Sprache wurden neu bewertet. Aspekte, die das rein Syntaktische übersteigen (Textproduktionsverfahren, Segmentierung, Gesprächswörter, Modalität usw.) wurden eingängig untersucht. (vgl. Steiger 2006 : 1 f.)

Ebenfalls wichtig zu bemerken ist, dass gesprochene Sprache nicht als eine „binäre Opposition“ (Glück 2005 : 229) zur geschriebenen Sprache, die allein über ihr Medium (phonisch vs. graphisch) definiert wird, verstanden werden darf. Gesprochene Sprache muss als ein Kontinuum, das durch „außersprachliche Bedingungen wie Redekonstellations- oder Kommunikationsbedingungen“ (Koch/Oesterreicher 1990 : 5) charakterisierbar ist[8], be-trachtet werden. Dabei ist neben dem Medium, über das Sprache realisiert wird, genauso ihre Konzeption (mündlich vs. schriftlich) zu berücksichtigen. (vgl. Koch/Oesterreicher 1990 : 5) So kann beispielsweise ein Privatbrief (oder in der heutigen modernen Kommunikation eine E-Mail oder ein Internetchat) mündlich konzipiert und schriftlich fixiert sein, während eine Festrede zwar gesprochen, aber in der Regel schriftlich konzipiert und ausformuliert ist[9]. (vgl. Glück 2005 : 229)

1. Die grundlegenden Eigenschaften gesprochener Sprache

Wie einleitend bemerkt, muss in Bezug auf die mündliche Kommunikation von dynamischen Redekonstellationen ausgegangen werden, in denen die sprachlichen Strukturen und Ein-heiten von Sprecher und Hörer[10] interaktiv und zumeist spontan[11] gestaltet werden. Somit werden an das Sprechen andere Anforderungen als an einen schriftsprachlichen Text gestellt, der ohne Zeitdruck verfasst und beliebig oft gelesen werden kann. Die Bedingungen der Flüchtigkeit der Rede[12] und die geringere Vorausplanungskapazität[13] des Sprechers führen dazu, dass es selten gelingt, einen Redebeitrag, der den Anforderungen der Schriftsprache genügen würde, zu formulieren. Die allmähliche Verfertigung der Gedanken erfolgt beim Sprechen. Thematische und rhematische Elemente müssen rasch in den Diskurs eingeführt werden, ohne dass die syntaktische Verbindung zu den folgenden Elementen in der Planung abgesichert wäre. (vgl. Koch/Oesterreicher 1990 : 89) Bereits begonnene Sätze werden abgebrochen, Gedanken neu strukturiert. Laut Selting (2007) gibt es in der gesprochenen Sprache „keine allein syntaktisch definierbaren und identifizierbaren ‚Sätze‛, sondern allenfalls ‚mögliche Sätze‛, deren Anfänge, Verläufe und Enden flexibel gehandhabt werden, um sie den aktuellen Bedürfnissen der sequenziell geordneten Interaktion anpassen zu können.“ (Selting 2007 : 104) Koch/Oesterreicher (1990) sprechen hierbei von einer fehlenden oder geringen „syntaktischen Integration.“ (Koch/Oesterreicher 1990 : 89) Im Gegensatz zur schriftlichen Ausformulierung, bei der falsche oder provisorische Formulierungen einfach gelöscht und überschrieben werden können, bleiben solche «Unzulänglichkeiten» für den Interaktionspartner hörbar. Oder anders gesagt: die Gedankenbildung hinterlässt ihre Spuren auf der sprachlichen Oberfläche. Es kann also festgehalten werden, dass die Handlung des mündlichen Formulierens als eine schöpferische Bemühung zu verstehen ist, um im Verlauf des Sprechens Strukturen zu finden für das, was ausgedrückt werden soll. (vgl. Silva-Corvalán 1996 : 261; Schwitalla 1997: 30) Schwitalla (1997) betont, dass hiermit nicht „de[r] fertig[e] Gedank[e] in einer passenden sprachlichen Form“ (Schwitalla 1997 : 113) gemeint ist. Durch das geringere Ausmaß der sprachlichen Planung und durch die Prozesshaftigkeit des Geäußerten erscheint die gesprochene Sprache bruchstückhafter. (vgl. Silva-Corvalán 1996 : 262) Das «Fehlen» von syntaktischen Verknüpfungen fungiert aber in Wirklichkeit als „estrategia constructiva“. (Narbona Jiménez 1996 : 230) Durch die offene und freie Struktur der Rede-beiträge[14] können Sprecher und Hörer nämlich Informationen vorweggreifen oder auf das Gesagte zurückkommen sowie reformulieren, kommentieren, zusammenfassen usw. Die geringere syntaktische Integration behindert die Interaktion also in der Regel nicht, sondern hat ihren Anteil am Funktionieren der Kommunikation. (vgl. Briz Gómez 1998 : 75; Schwitalla 1997 : 32) Weiter soll festgehalten werden, dass es sich beim Sprechen um einen weitestgehend expressiven Akt handelt[15], der außerdem durch situative Nähe charakterisierbar ist. (vgl. Silva-Corvalán 1996 : 261) Das Nähe-Distanz-Modell von Koch/Oesterreicher (1985 : 23) verdeutlicht die Merkmale der Sprache der Nähe gegenüber der Sprache der Distanz:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[16]

Koch/Oesterreicher (1990) weisen außerdem darauf hin, dass in situativer Nähe die sprachliche Äußerung nicht alleiniger Informationsträger ist, da Sprecher und Hörer in räumliche und zeitliche Zeigfelder[17] und in bestimmte emotionale und soziale Bezüge einge-bunden sind. (vgl. Koch/Oesterreicher 1990 : 8) Die nonverbale Kommunikation (Gestik, Mimik) trägt so in hohem Maße zur Kommunikation bei.

[...]


[1] Alltagssprache: Gesamtheit der sprachlichen Mittel, die in der alltäglichen Kommunikation verwendet werden. (http://lexikon.meyers.de/wissen/Alltagssprache)

[2] Umgangssprache: Form der gesprochenen Sprache, steht zwischen der genormten Standard-(Hoch-)Sprache und der Mundart; sie ist landschaftlich gefärbt und jeweils von Bildungsstand und sozialer Umwelt des Sprechers bestimmt. (http://lexikon.meyers.de/wissen/Umgangssprache)

[3] vgl. hierzu auch die Definition von Beinhauer (1985 : 9): „Entendemos por lenguaje coloquial el habla tal como brota, natural y espontánea, en la conversación diaria a diferencia de las manifestaciones conscientemente formuladas […] o las artísticamente moldeadas y engalanadas de escritores, periodistas y poetas. Al tratar del lenguaje coloquial nos referimos únicamente a la lengua viva conversacional con utilización de los recursos paralingüisticos y extralingüísticos aceptados y entendidos por la comunidad en que se producen” und die Erläuterung von Vicara Tauste (1980 : 15): „ […] «popular» es un nivel de la lengua; así también «familiar» et «vulgar». Mientras que «coloquial» es un nivel del habla.”

[4] etwa bei Gumperz, J. J. (1982): „Discourse Strategies” und Sacks, H. / Schegloff, E. / Jefferson, G. (1974): „A Simplest Systematics for the Organisation of Turn-taking for Conversations”; --- (1977): “The Preference of Self-Correction in the Organisation of Repair in Conversation”

[5] Garfinkel H. (1967): „Studies in Ethnomethodology“

[6] etwa bei Grice, H. P. (1975): „Logic and Conversation” ; Habermas, J. (1981): „Theorie des kommunikativen Handelns”

[7] etwa bei Austin, J. L. (1962): „How to do things with words“; Searle, J. R. (1969): „Speech Acts“

[8] hierzu zählen z.B. der Grad der Öffentlichkeit der die physische Nähe der Kommunikationspartner (Koch/Oesterreicher 1990 : 5)

[9] vgl. dazu auch Vicara Tauste (1980 : 11): „Nadie puede nagar que una conferencia constituye un uso oral de la lengua; sin embargo, se tratará más bien de une versión «oral» de la lengua escrita.“

[10] Der Begriff Hörer ist hier demzufolge nicht als passiver Zuhörer gemeint, sondern als aktiver Sprechpartner und Gegensprecher. Er ist an der Konstitution des Dialogs u.a. durch Hörersignale, Mimik, Sprecherwechsel in hohem Maße beteiligt.

[11] vgl. zum Begriff der Spontaneität Minustin (p. 1): „La espontaneidad podría definirse como simultaneidad de desenvolvimiento léxico-gramatical del programa interior y materialización del enunciado. Las dificultades que ofrece la generación del discurso se manifiestan en interrupciones y alteraciones de la linealidad sintáctica de las frases.”

[12] „Die wesentlichen Unterschiede zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit resultieren aus einer Eigenschaft des Trägermediums, nämlich auf der einen Seite flüchtig und auf der anderen dauerhaft zu sein“. (Fiehler et al. 2004 : 118)

[13] Die Vorausplanungskapazität bewegt sich im Bereich von etwa 3 Sekunden. Ebenso gilt für den Hörer, dass er über dieselbe geringe zeitliche Aufnahmekapazität verfügt. (vgl. Pöppel 1989 : 30)

[14] „La unión entre los enunciados es abierta, sin fuertes ataduras sintácticas.” (Briz Gómez 1998 : 75)

[15] „La expresividad se manifiesta en todos los hábitos lingüísticos y es la primera y más importante característica del lenguaje coloquial. “ (Vicara Tauste 1980 : 17)

[16] aus: Ágel (2007: 182) Es ist zu bemerken, dass Ágel (2007) zurecht kritisiert, dass die Versprachlichungsstrategien im Modell von Koch/Oesterreicher keine Strategien, sondern Merkmale und Dispositionen des Sprechens darstellen, da der Begriff „Strategie“ bewusst eingesetzte Mittel und Verfahren vermuten lässt. (Ágel 2007 : 183)

[17] vgl. hierzu die Hier-Jetzt-Ich-Origo von Bühler. Durch Zeigwörter oder deiktische Ausdrücke wie ich, du; hier, da; jetzt, dann; so können die Sprecher auf einen gemeinsamen Bezugsraum verweisen. (vgl. Glück 2005 : 127)

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die besondere Strukturiertheit des "español coloquial" in Hinblick auf die Übersetzung
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (FASK Germersheim - Institut für Romanistik)
Veranstaltung
Hauptseminar „Morphologie und Syntax des Spanischen“
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
22
Katalognummer
V128611
ISBN (eBook)
9783640350919
ISBN (Buch)
9783640350742
Dateigröße
789 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strukturiertheit, Hinblick
Arbeit zitieren
BA Katrin Finke (Autor:in), 2009, Die besondere Strukturiertheit des "español coloquial" in Hinblick auf die Übersetzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128611

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