Existiert die Arbeitsgesellschaft nur noch in unseren Köpfen?

Die Entwicklung der so genannten Arbeitsgesellschaft in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft


Hausarbeit, 2006

13 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitende Gedanken

2. Historische Entwicklung — Industrialisierung, Taylorismus und Fordismus

3. Gegenwärtige Situation — fortschreitende Prekarisierung der Arbeitsver- hältnisse

4. 1st die Bezeichnung „Arbeitsgesellschaft" heute noch zutreffend und wie geht es weiter?

Literaturverzeichnis

1. Einleitende Gedanken

„Arbeit gibt uns mehr als den Lebensunterhalt; sie gibt uns das Leben"sagte der Be-gründer des Fordismus und US-amerikanische Unternehmer Henry Ford einmal. Ist diese Aussage heute noch für unsere Gesellschaft zutreffend? Kann man wirklich noch von einer Arbeitsgesellschaft sprechen, bei der man davon aus geht, dass die Erwerbsarbeit das zentrale Kernstück im Leben eines jeden Einzelnen darstellt?

Diese Fragestellung möchte ich im Folgenden besonders in Hinblick auf den gesell-schaftlichen Wandel und den veränderten sozialen Rahmenbedingungen analysie-ren.

Es ist allseits bekannt, dass die Arbeitslosenzahlen in fast allen westlichen Industrie-nationen als eine Folge der beiden großen Ölkrisen 1973 und 1979/80 seit den acht-ziger Jahren konstant gestiegen sind und auch weiterhin zunehmen. Weitere Gründe für diese Entwicklung sind in erster Linie die fortschreitenden und immer effizienter arbeitenden Technologien (da-raus folgt eine Produktivitätssteigerung der Arbeit und das Arbeitsvolumen sinkt dauerhaft), die zunehmende Globalisierung (sprich interna-tionale Arbeitsteilung und Umsiedelung ganzer Firmen mit ihren Arbeitsplätzen in das billiger produzierende Ausland), das veränderte Verhältnis von Lebenszeit und Er-werbsarbeitszeit, sowie das verstärkte Drängen der Frauen auf den Arbeitsmarkt im Zuge des Wandels der typischen Geschlechterrollen und der Emanzipation.

Dass die Erwerbsarbeit eine so zentrale Rolle im Leben der Menschen spielt, hängt mit vier wesentlichen Funktionen zusammen, die ihr zugeschrieben werden: Als hauptsächliches Merkmal sichert sie das individuelle Einkommen. Für etwa vierzig Prozent der Bevölkerung der gesamten Bundesrepublik Deutschland stellte im Jahr 2003 die eigene Erwerbsarbeit die wichtigste Unterhaltsquelle dar.[1]

Bereits in den dreißiger Jahren fand man mit einer Studie[2] heraus, dass Erwerbsar-beit auch eine psychosoziale Funktion hat. Sie weitet den Horizont, gilt als Sinn stif-tend, dient dem Menschen als Antrieb zu Aktivität und gibt ihm ein Zeitgerüst zur Orientierung vor. Ebenfalls leitet sich der soziale Status aus der beruflichen Stellung eines Individuums ab.

Für das Sozialversicherungssystem ist die Erwerbsarbeit unverzichtbar. In Deutsch­land werden die Sozialversicherungen durch Beiträge finanziert, die direkt vom Brut- toverdienst des Erwerbstätigen abgezogen werden. Der Anspruch auf diese Leistun-gen, beispielsweise im Krankheitsfall oder beim Eintritt ins Rentenalter, ergibt sich aus der„an der männlichen Berufskarriere orientierten ,Normalbiographie' von Er-werbstätigen".[3]

Und die Erwerbsarbeit ist im Wesentlichen mit der bürgerschaftlichen Integration verbunden, das bedeutet, dass über die Erwerbstätigkeit ein Gemeinschaftsgefühl vermittelt wird.

Es ist nicht davon auszugehen, dass diese vier Funktionen in naher Zukunft ihre Gül-tigkeit verlieren, aber vielleicht wird sich ihr Stellenwert ändern? Denn kann nicht auch ein so genanntes „Bürgergeld" an die Stelle der wichtigsten Unterhaltsquelle rücken oder ehrenamtliche Tätigkeiten, wie z.B. die Nachbarschaftshilfe, bürger-schaftliche Integration vermitteln? Mit welcher geeigneten Bezeichnung müsste man dann die zukünftige Gesellschaft betiteln oder befinden wir uns schon jetzt nicht mehr in einer Arbeitsgesellschaft?

Zunächst möchte ich in meiner Betrachtung die historische Entstehung der Arbeits-gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland kurz skizzieren, um danach auf den Ist-Zustand zu sprechen zu kommen und letztlich das Für und Wider der Bezeich-nung „Arbeitsgesellschaft" diskutieren und einen Ausblick auf die Möglichkeiten der zukünftigen Entwicklung geben.

2. Historische Entwicklung — Industrialisierung, Taylorismus und Fordis-mus

Die Arbeit bzw. der Arbeitsbegriff an sich ist in der Historie durch einen enormen Wandel geprägt. Angefangen in der Antike, als die Menschen sich Sklaven hielten, die für sie die Arbeit verrichteten, bis hin zum Feudalismus, in dem Bauern in Leibei-genschaft Frondienste für ihre Vasallen ableisten mussten, kommt es zum Arbeits-begriff, wie wir ihn heute kennen, nämlich als abhängig bezahlte Erwerbsarbeit, erst mit dem Prozess der Industrialisierung. Diese unterteilt sich in Deutschland in zwei Phasen. Die Basis dafür bildet zunächst die Gründung des Deutschen Zollvereins 1834, damit wird durch den Wegfall der deutschen Binnenzölle endlich ein einheitli- ches Wirtschaften möglich. Die Frühphase der Industrialisierung (1835—1871) ist be-stimmt durch den Ausbau des Verkehrsnetzes. Allgemein gewinnen die Textilindust-rie und der Maschinenbau stark an Bedeutung, die Landwirtschaft allerdings bleibt vorerst noch der wichtigste Wirtschaftszweig.

Die Hochphase der Industrialisierung beginnt in Deutschland nach der Reichsgrün-dung 1871 und endet mit dem Ersten Weltkrieg. Aus Manufakturen werden maschi-nenbeherrschte Fabriken. Die bereits in den handwerklich geprägten Manufakturen praktizierte Arbeitsteilung wird in den Fabriken weiter spezialisiert. Neben der Schwerindustrie entwickeln sich weitere zukunftsweisende Industriebranchen: die Chemie-, Elektro- und Automobilindustrie. Bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts ist Deutschland neben Großbritannien, Frankreich und den USA eine industrielle Groß-macht.

Im Zuge dieser Entwicklung kommt es mehr und mehr zur Entfremdung zwischen dem Arbeiter und dem von ihm hergestellten Produkt. Der US-amerikanische Ingeni-eur und Arbeitswissenschaftler Frederick Winslow Taylor studiert ab 1882 das Ver-halten der Arbeiter an ihrem Arbeitsplatz und entwickelt daraufhin rationalisierte und detaillierte Arbeits- und Bewegungsabläufe um die Produktivität der Unternehmen zu steigern. Mit dem Standpunkt"Arbeiter gehorchen ähnlichen Gesetzen wie Teile ei-ner Maschine"formuliert er drei Prinzipien, die den Taylorismus kennzeichnen: 1. Das „one-best-way"-Prinzip: Es gibt also einen besten Weg, die Arbeit auszuführen, dazu benötigt der Arbeiter eine genaue Anleitung von der Betriebsleitung. 2. Für den „one-best-way" braucht es eine hohe Arbeitsteilung, die zu besonders einfachen Ar-beitsschritten führt und 3. dient eine leistungsabhängige Entlohnung als Motivations-faktor für Akkordarbeit.[4]

Erst nachdem„die wirtschaftliche Emanzipation der Arbeiterklasse zum größten Marktfaktor der Konsumgesellschaft[5] vollzogen und damit die Basis für den Mas-senkonsum gegeben ist, kann die Massenproduktion in den Industrien einsetzen. Dies ist in Europa erst nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall. Und erst zu diesem Zeitpunkt kann sich auch in Deutschland das von Automobilfabrikant Henry Ford schon sehr viel früher in den Vereinigten Staaten entwickelte Gesellschaftsmodell, der Fordismus, durchsetzen. Es ist damals das wohl konsequenteste umgesetzte tayloristische Produktionskonzept, das dem Massenkonsum gerecht wird. Fast alle Betriebe übernehmen in den Fünfzigern dieses Modell mit seinen Hauptkriterien, wie die Reduzierung der Herstellungskosten, fließbandgestützte Produktion durch Arbeitsteilung und Rationalisierung und einem dadurch wachsenden Produktionsvolumen, sowie verhältnismäßig billigen Endprodukten für den Konsumenten.

[...]


[1] Vgl. Datenreport 2004, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2006, S. 98

[2] Jahoda, Marie, Lazarsfeld, Paul F., Zeisel, Hans (1989): Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein sozio-graphischer Versuch. Frankfurt am Main (zuerst 1933)

[3] Senghaas-Knobloch, Eva (1999): Von der Arbeits- zur Tätigkeitsgesellschaft. Zu einer aktuellen De-batte. In: Arbeit, Heft 2, Jg. 8 (1999), S. 121

[4] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Taylorismus

[5] Mikl-Horke, Gertraude (2000): Industrie- und Arbeitssoziologie. 5. vollst. neubearb. Aufl., München, Wien: Oldenbourg, S. 79

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Existiert die Arbeitsgesellschaft nur noch in unseren Köpfen?
Untertitel
Die Entwicklung der so genannten Arbeitsgesellschaft in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Einführung in die Industrie- und Arbeitssoziologie
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
13
Katalognummer
V128216
ISBN (eBook)
9783640352142
ISBN (Buch)
9783640352012
Dateigröße
513 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeitsgesellschaft, Gesellschaft
Arbeit zitieren
Katja Nixdorf (Autor:in), 2006, Existiert die Arbeitsgesellschaft nur noch in unseren Köpfen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128216

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