Die besondere Bedeutung der sozialen Steuerung innerhalb betrieblicher Gestaltungsprozesse


Seminararbeit, 2008

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Systemische Rationalisierung
2.1 Charakteristik
2.2. Konsequenzen
2.3 Integrationsleistungen
2.4 Strukturkonservative Mechanismen

3. Zum sozialen Prozess der Gestaltung
3.1 Gestaltung als Arbeitsprozess
3.2 Phasen der Gestaltungsarbeit

4. Soziale Steuerung von Gestaltungsprozessen
4.1 Funktionen und Mechanismen sozialer Steuerung
4.1.1 Hierarchie
4.1.2 Markt
4.1.3 Professionalität
4.1.4 Verhandlung
4.1.5 Verständigung
4.1.6 Vertrauen

5. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Wandel der traditionellen tayloristisch-fordistischen Produktionsformen in den 1980er Jahren lieB die These eines ,Neuen Rationalisierungstyps` (vgl. Altmann et al. 1986, Bechtle 1994, Sauer/ Döhl 1994) aufkommen, der zu einem entscheidenden Strukturwandel betrieblicher Rationalisierung führte. Dabei standen neuartige Kon-strukte integrativer oder systemischer Rationalisierung zur Umbildung inner- und über-betrieblicher Prozesszusammenhänge im Vordergrund. Jedoch wurden die neuen strate-gischen Möglichkeiten betrieblicher Rationalisierung zunächst nicht hinreichend er-kannt und die (datentechnischen) Integrations- und Vernetzungsentwicklungen gesamt-betrieblicher Prozesse nebensächlich als Folge fortschreitender Automatisierung (Stichwort ,mannlose Fabrile) betrachtet. Die Rationalisierungsstrategien beziehen sich hauptsächlich auf den Ausbau des Wertschöpfungsprozesses in den einzelnen Betrieben, da „sich veränderte Marktanforderungen nur noch durch Verknüpfung von inner- und überbetrieblichen Produktionssystemen bewältigen lassen" (vgl. Sauer/ Döhl 1994: 197).

Die Bedeutung des Zusammenwirkens von Arbeit und Technik bestimmt sich nun eher aus deren strategischen Aufgaben bezüglich der Reorganisation unternehmensübergrei-fender Produktion (vgl. Sauer/ Döhl (1994): 198). Im Prozess der Anpassung und Opti-mierung auf technologischer und sozialer Ebene müssen vielfältige Problembereiche einbezogen und gelöst werden: Unter anderem machen die wachsende Komplexität der Herstellung und das zunehmende Innovationstempo die Installation neuartiger Techno-logien in den sozialen Bereich des Betriebes zu einer Herausforderung für die zuständi-gen Ingenieure[1], da es eine in diesem Sinne optimale Passfähigkeit zwischen Technik und Organisation in einem sich stets wandelnden sozialen System nicht gibt. Daraus folgt, dass man nicht von einem stabilen betrieblichen Systemzustand ausgehen kann. Desweiteren unterliegen technische Neuerungen ebenso einem dynamischen Entwick-lungsprozess an dem die Betriebsorganisation wiederholt angepasst werden muss, nicht zuletzt um wettbewerbsfähig auf dem Markt bestehen zu können (vgl. Seitz 1993: 13). In der wissenschaftlichen Diskussion sind sich die Ingenieure und Soziologen einig:

„Technische Innovation [ist] nicht länger ohne gleichzeitige organisatorische und per-sonelle Innovation effizient machbar" (ebd.).

Im Folgenden soll es darum gehen das Gestaltungshandeln betrieblicher Akteure als Arbeitsprozess und als Problem sozialer Steuerung zu analysieren. Die systemische Ra-tionalisierung mit ihren umfassenden Gestaltungskonzepten wird dabei den Bezugsrah-men der Betrachtung darstellen. Zunächst soll dieser Neue Rationalisierungstyp daher näher beschrieben werden, um danach auf die Umsetzung von Gestaltungskonzepten und Integrationsleistungen zu sprechen zu kommen. Eine besondere Bedeutung für die Innovationsfähigkeit eines Betriebes besitzt der Strukturkonservatismus, der anschlie-ßend skizziert wird. Im dritten und vierten Abschnitt wird es um die zentrale Thematik dieser Arbeit gehen, dem sozialen Prozess der Gestaltung mit den Besonderheiten der Gestaltungsaufgaben und den einzelnen Prozessphasen, und darauf aufbauend werden die Funktionen und Mechanismen der sozialen Steuerung von Gestaltungsprozessen erläutert.

Als Basis dieser Arbeit dient eine Studie (1993) von Dieter Seitz zur Problematik der sozialen Steuerung von betrieblichen Gestaltungsprozessen: „Per Order de Mufti läuft nichts". Dabei stellt Seitz unter Bezugsnahme der systemischen Rationalisierung ein Prozessmodell der Gestaltung und sozialen Steuerung von Gestaltungsprozessen auf und überprüft anschließend seine Hypothesen anhand von drei Fallstudien aus dem Be-reich der Elektroindustrie.

Die vorliegende Seminararbeit greift die theoretischen Überlegungen des Autors auf und versucht im Anschluss seine Ergebnisse kritisch in einem Resümee zusammenzu-fassen und einen kurzen Ausblick auf die weitere Entwicklung zu geben.

2. Systemische Rationalisierung

Nachfolgend wird die systemische Rationalisierung charakterisiert und es werden die für die betrieblichen Gestaltungsprozesse zu erwartenden Auswirkungen (2.2) erläutert. Außerdem soll im Punkt 2.3 darauf eingegangen werden, welche sozialen Integrations-leistungen für die verlangten umfassenden, systemischen Innovationsprozesse nötig sind. Desweiteren wird der Versuch unternommen den Terminus des Strukturkonserva- tismus (2.4) näher zu umreißen, der hauptsächlich für das Erschweren integrativer Ge-staltung verantwortlich gemacht wird.

2.1 Charakteristik

Haben sich die früheren Rationalisierungsmaßnahmen, wie beispielsweise im Tayloris-mus, noch auf einzelne Arbeitsschritte, die Automatisierung einzelner Fertigungsstufen oder nur auf eine teilweise Optimierung weniger Produktionsfaktoren gerichtet, so zielt die systemische Rationalisierung nun auf einen Einbezug aller Teilprozesse ab und ver-sucht ihr Zusammenwirken auf ein möglichst optimales Maß zu verbessern. Dabei soll die Optimierung des gesamtbetrieblichen Systems klar im Zentrum stehen. Die techni-sche Basis für diese Gesamtintegration ist durch neue Organisations- und Steuerungs-technologien gegeben (vgl. Seitz 1993: 25).

Die Nutzung von Technik und menschlicher Arbeitskraft streben zunehmend eine Fle-xibilitäts- und Effizienzerhöhung und einen zügigeren Ablaufprozess innerhalb sowie außerhalb des Unternehmens an. Damit sollen die Maßnahmen der systemischen Ratio-nalisierung die Wertschöpfung in der ganzen Produktionskette erheblich steigern. Über-haupt wird dem Rationalisierungsbegriff eine viel größere Reichweite zugesprochen und er schließt nun mehrere Ebenen mit ein, die er in eine flexibilisierte Beziehung zu-einander stellt (vgl. Sauer/ Döhl (1994): 197f): „Die heterogenen Produktionsformen in dezentralisierten Strukturen, d.h. die beträchtlichen Unterschiede zwischen einzelnen Segmenten der Produktionsketten hinsichtlich des Technisierungsniveaus, der Arbeits-organisation und der Qualifikationsanforderungen, werden nun in ihrer Komplementari-tät mit Hilfe hierarchisch strukturierter Informations- und Kommunikationssysteme zur Steuerung und Kontrolle fiir zentrale Zielsetzungen sog. ,fokaler Unternehmen` ge-nutzt" (Jäger 1999: 118).

Desweiteren gehen die Rationalisierungsmaßnahmen weit über die klassischen An-sprüche der betrieblichen Gestaltung der Beziehung von Arbeit, Organisation und Technik hinaus, denn es wird „eine iiberbetriebliche Integration und eine (Re-)Organi­sation von Markt- und Austauschprozessen" angesteuert (Seitz 1993: 25). Aus dieser Zentralität des Markt-Unternehmen-Verhältnisses ergibt sich auch die Dynamik syste-mischer Rationalisierungsvorgänge. Versuchte man bisher mit Rationalisierung die ,Mittel zum Zweck` unter unveränderlichen Rahmenbedingungen zu optimieren, besteht nun die Komplexität der systemischen Rationalisierung neben „der Verflechtung perso-neller, sozialorganisatorischer und technischer Veränderungen sowie der Unübersicht-lichkeit nicht intendierter Effekte", in der Aufhebung dieser herkömmlichen Zweck-Mittel-Relationen.[2] Das Hauptaugenmerk dieses ,IN ,,Teuen Rationalisierungstypus` liegt also vor allem „in der Auflösung des stabilen Zusammenhalts betrieblicher Strukturen und Prozesse, so dass eine gleichzeitige Neubestimmung des Verhältnisses vieler Vari-ablen notwendig wird, die jede isolierte Sicht verbietet und nur in einem integrativen Ansatz möglich ist" (Seitz 1993: 26).

Nun stellt sich die Frage, wie die neuen Maßnahmen umgesetzt werden. Während die bisherigen Rationalisierungsvorhaben „im Prinzip von unten und vom Arbeitsmittel her, d.h. einzelfunktionsbezogen und mit nur begrenztem Blick für Zusammenhänge mit angrenzenden Aufgabengebieten gedacht und durchgefiihrt wurden", wiirden „Rationa-lisierungskonzepte jetzt eher von oben von der Organisation des gesamten Funktions-prozesses her, d.h. mit der Perspektive der Veränderung von komplexen Funktionszu-sammenhängen und der Realisierung mehrerer Wirkungspotentiale (...) entwickelt und durchgesetzt" (Baethge/ Oberbeck 1986: 23). Dabei ist für die Realisierungsprozesse charakteristisch, so Baethge und Oberbeck weiter, dass „die Organisation der Betriebs-abläufe und die Steuerung der unterschiedlichen Funktionsbereiche ... in einem Zug neu gestaltet werden" (1986: 22).

Damit wird großer Wert auf das strategische, planvoll-rationale Gestalten gelegt. An diesem Punkt jedoch wird die industriesoziologische Debatte bezüglich der Politikhaltigkeit und Abhängigkeit von internen Strukturen im Unternehmen deutlich, die bei der Frage nach den sozialen Prozessen der Gestaltung dieses Rationalisierungs-modells vernachlässigt werden würden bzw. überhaupt nur begrenzt rational gestaltbar seien (vgl. Seitz 1993: 29). Dies führt nun zur Thematik der Konsequenzen der systemi-schen Rationalisierung für den Prozess ihrer Gestaltung.

2.2. Konsequenzen

Mit dem rationalen Einbezug des ,Gesamtsystem Unternehmen` kommen den individu-ellen Maßnahmen und den entsprechenden Modelllösungen für einzelne Produktions- stufen ihre Übertragungsfähigkeit abhanden (Transferproblematik). Bisher musste man die Optimierung einer Maßnahme nur in ihrem spezifischen Anwendungszusammen-hang bewerten, jetzt muss sie mit Bezug auf das ganzheitliche Betriebssystem im Hin-blick auf Effizienz und Flexibilität optimiert werden. Und „mit zunehmender Anzahl der von einem Gestaltungskonzept zu berücksichtigen Variablen wächst der Grad seiner Individualisierung" (Seitz 1993: 30).

Für den Trend hin zur Individualisierung betrieblicher Gestaltungsschemata spricht auch die Formbarkeit neuer Technologien, die ein differenzierteres Repertoire von Lö-sungen anbieten. Im Hinblick auf die Nachfrage nach weniger standardisierten Massen-produkten auf dem Markt, besteht auch ein entsprechender Bedarf an flexiblen Techno-logien (ebd.).

Außerdem führt die betriebliche Individualisierung bzw. Spezifizierung auch dazu, dass die einzelnen Akteure im Unternehmen wieder eine gehaltvollere bzw. aktivere Position in den Innovationsprozessen einnehmen (sollen). Damit werden sie mit ihrem Erfah-rungswissen aus der Produktion „selbst zu Akteuren der Gestaltung" (ebd.).

2.3 Integrationsleistungen

Auf Grund ihrer Mehrdimensionalität und dem verstärkten Kapitalaufwand müssen Fabrikinnovationen zunehmend integrativ betrachtet werden. Denn „die technologi-schen Elemente eines Innovationsprozesses werden erst in ihrer Verzahnung mit sozial-organisatorischen Elementen funktional tragfähig und ökonomisch effizient" (Seitz 1993: 34). Darum ist die systemische Integration auch nicht mehr wie bisher mit linea-ren Planungsmethoden gestaltbar, sondern bedarf einem Mix aus technokratischem Ab-lauf und sozialer Integration (ebd.).

Es gibt bereits einige Arbeiten mit verhältnismäßig gut operationalisierbaren Konzep-ten, wie z.B. eine Handlungsempfehlung des VDI (1989) beziiglich der „sozialverträgli-chen Gestaltung von Automatisierungsvorhaben", die vom ,dualen Systementwurfµ[3] ausgeht und dieses mit Prinzipien der Partizipation, der Mitarbeiterqualifizierung und dem Entwurf eines sich wiederholenden Gestaltungsprozesses verknüpft (vgl. Seitz 1993: 35).

[...]


[1] Die nachfolgend verwendete männliche Form bei personenbezogenen Bezeichnungen bezieht selbstver-ständlich die weibliche Form mit ein. Auf die Verwendung beider Geschlechtsformen wird lediglich mit Blick auf die bessere Lesbarkeit des Textes verzichtet.

[2] IN ,,Ta..heres hierzu findet sich in der aktuellen Thematik zur „lean production"; exemplarisch dazu: Traeger, Dirk H. (1994): Grundgedanken der Lean Production. Stuttgart: Teubner.

[3] Siehe hierzu: Duell, Werner/ Frei, Felix (1986): Leitfaden für qualifizierende Arbeitsgestaltung. Köln: TÜV Rheinland.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die besondere Bedeutung der sozialen Steuerung innerhalb betrieblicher Gestaltungsprozesse
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Theoretische Grundlagen der Arbeits- und Industriesoziologie
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V128214
ISBN (eBook)
9783640352135
ISBN (Buch)
9783640352005
Dateigröße
622 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
systemische Rationalisierung, Rationalisierung
Arbeit zitieren
Katja Nixdorf (Autor:in), 2008, Die besondere Bedeutung der sozialen Steuerung innerhalb betrieblicher Gestaltungsprozesse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128214

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