Die Ermordung Hypatias

Was führte zum Mord - religiöser Eifer oder Machtpolitik?


Seminararbeit, 2009

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Altgläubige und Christen in Alexandria um 400 n. Chr

2. Hypatia
2.1 Zum Leben Hypatias
2.2 Die Schilderung der Ermordung in den Quellen
2.2.1 Verurteilung
2.2.2 Befürwortung

3. Fazit

Literaturverzeichnis

Quellen

Sekundärliteratur

Einleitung

Die Protagonistin der vorliegenden Hausarbeit zählt wohl zu den schillerndsten Figuren, die Alexandria in der Spätantike hervorbrachte. Inspiriert und gefördert von ihrem Vater, hat sie sich in Mathematik, Astronomie und Philosophie einen erstklassigen Ruf innerhalb der Stadt und darüber hinaus erarbeitet. Bereits zu Lebzeiten wurde sie von vielen für ihre Intelligenz und ihre hohe Bildung bewundert. Ihre Wirkungszeit fällt allerdings auf die erste Zeit nach der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion durch Kaiser Theodosius I. Durch ihre eindeutige Präferenz für die Denkschule des heidnisch geprägten Neuplatonismus hat sie sich deshalb nicht nur Freunde im nun offiziell christlichen Alexandria gemacht. Ihre äußerst grausame Ermordung durch Mitglieder einer gewalttätigen christlichen Mönchskolonie und deren Hintergründe lassen Freiraum für viele Spekulationen.

Details zu ihrem Leben sind leider nur spärlich überliefert. Unumstritten ist nur ihre Zugehörigkeit zu Theon von Alexandria, ihrem Vater, sowie zur alexandrinischen Schule, durch die sie früh in Berührung mit Mathematik, Astronomie und Philosophie kam. Gut erhalten sind aber Schilderungen zu ihrem Tod und dessen Hintergründe, womit sich diese Hausarbeit beschäftigen wird.

Über den Grund für die schlechte Überlieferungslage kann man nur mutmaßen. Maeger (2002) stellt dahingehend eine interessante These auf, die allerdings sehr spekulativ wirkt. Nichtsdestotrotz ist sie es wert, hier erwähnt zu werden. Maeger geht davon aus, dass Hypatias literarischer Nachlass bewusst vernichtet oder anderen Autoren zugeordnet wurde, um die Bedeutung dieser Frau für die christliche Kirche in Vergessenheit geraten zu lassen und sie als reine Heidin darzustellen. Da sie von christlichen Mönchen ermordet wurde, sollte so eine innerchristliche Kontroverse vertuscht werden. Außerdem wäre es undenkbar gewesen, dass eine Frau Offenbarungen von Gott bekommen hätte.1 Auf diese These soll allerdings nicht näher eingegangen werden, da sie nicht eindeutig belegbar ist. Dieser Ansatz wurde nach eigenen Angaben der Autorin bisher in der Forschung wohl nicht aufgegriffen.

Die in dieser Hausarbeit hauptsächlich verwendete Forschungsliteratur setzt sich daher aus allgemein anerkannten Werken von M. Dzielska (1995), M. Deakin (2007) und J. Hahn (2004) zusammen.

Die Fragestellung, die auf den folgenden Seiten behandelt wird, betrifft die Motive der Ermordung. Durch Hypatias Verwurzelung sowohl in der Philosophie als auch in der Politik Alexandrias ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, ob man von einem „gewöhnlichen“ Märtyrertod sprechen kann, oder andere, tiefergehende Gründe für diese Tat verantwortlich waren.

Im ersten Kapitel soll deshalb an die allgemeine religiöse und die – damit zusammen-hängende – politische Situation in Alexandria zu dieser Zeit herangeführt werden. Besonders die unterschiedlichen Rollen des Patriarchen Theophilus und seines Nachfolgers Kyrill sollen hier aufgezeigt werden, um ein Bild der politischen Spannungen in der Stadt zu zeichnen.

Das zweite Kapitel bezieht sich dann schließlich auf Hypatia selbst. Zuerst wird mithilfe der Erkenntnisse aus Kapitel 1 ihr Leben sowie ihr Umfeld vorgestellt und es wird noch einmal besonders auf die politische Konstellation eingegangen, in der sie eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Daraufhin wird zur Darstellung ihrer Ermordung in den Quellen übergeleitet. Schließen wird dieses Kapitel mit einer Analyse der Hintergründe und Motive der Tat, wobei Erkenntnisse aus den Kapiteln 1 und 2.1 herangezogen werden.

Den Schluss bilden ein persönliches Fazit und die damit einhergehende Beantwortung der Fragestellung.

1. Altgläubige und Christen in Alexandria um 400 n. Chr.

Will man sich die religiöse Situation in Alexandria zu Lebzeiten Hypatias vergegenwärtigen, so muss zuerst berücksichtigt werden, dass es im Alltag im Großteil der Bevölkerung wohl keine strikte Trennung zwischen Heidentum2 und Christentum gab. Vielmehr waren Austausch und oft auch gegenseitige Abhängigkeit voneinander an der Tagesordnung.3 Nachvollziehen können wir dies vor allem durch den Austausch heidnischer Philosophen mit christlichen Denkern und Würdenträgern, worauf in Kapitel 2.1 am Beispiel von Hypatia und Synesios noch näher eingegangen wird.

Dennoch war gerade Alexandria unter den Patriarchen Theophilus und Kyrill immer wieder punktuell ein besonderer Brandherd des religiösen Konflikts zwischen extremen Vertretern beider Religionen. Von der zweifelsohne größten Eskalation in dieser Zeit, dem Konflikt um das Serapeion, berichtet unter anderem Rufinus:

„There was an ancient basilica built for public use, but quite untended, which the emperor Constantius was said to have donated to the bishops of his heretical faith, and which long neglect had so reduced that only the walls were still sound. The bishop who had charge of the church at that time decided to ask the emperor for it so that the growth of the houses of prayer might keep pace with the growing number of the faithful. He received it and was setting about restoring it [...]. The pagans therefore [...] began all of them, as though they had drunk the serpents’ cup, to behave violently and to give vent to their fury in public. [...] they used weapons, battling up and down the streets so that the two sides were at open war.”4

Rufinus stellt hier die älteste Quelle zu diesem Ereignis dar.

Sokrates Scholastikos, der sich auf die Aufzeichnungen des Rufinus beruft, beschreibt die Ursache des Konflikts viel eindeutiger:

„At the solicitation of Theophilus bishop in Alexandria, the emperor issued an order at this time for the demolition of the heathen temples in that city [...] The temple of Serapis he destroyed [...] The Pagans of Alexandria, and especially the professors of philosophy, unable to repress their rage at this exposure, exceeded in revengeful ferocity their outrages on a former occasion: for with one accord, at a pre-concerted signal, they rushed impetuously upon the Christians, and murdered every one they could lay hands on.”5

Sokrates‘ Darstellung unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt von der des Rufinus, da es dem Kaiser hiernach ursprünglich um die Zerstörung der Tempel ging und das Serapeion lediglich eines von vielen Opfern dieser kaiserlichen Anordnung werden sollte. Bei Rufinus wird die hervorgehobene Rolle des Serapisheiligtums deutlicher, weshalb diese Quelle verlässlicher erscheint. Bei ihm wird dargestellt, dass der Tempel lediglich für eine christliche Nutzung umfunktioniert werden sollte und die Heiden deshalb gegen die kaiserliche Anordnung protestierten.

Der Gott Serapis, der als höchste Stadtgottheit Alexandrias galt, war eine verschmolzene Darstellung von Osiris und Apis, aber mit deutlichen Elementen griechischer Götter wie Zeus und Hades, womit er ein Symbol für ägyptisch-griechischen Synkretismus war.6 Schon allein deshalb reichte eine geplante christliche Umgestaltung aus, um pagane Teile des Volkes zu verärgern. Eine Zerstörung, wie wir es bei Sokrates finden, war also gar nicht vonnöten, um den Paganismus zu schänden.

Bei Sozomenos finden wir eine ähnliche Schilderung, wonach die Anordnung nicht von vornherein auf die Zerstörung der Tempel abzielte:

“Um diese Zeit ließ der Bischof von Alexandrien das dortige Dionysos-Heiligtum in eine Kirche umbauen, das er auf seine Bitte vom Kaiser als Geschenk erhalten hatte. Die dort stehenden Götterbilder wurden entfernt und die Adyta geöffnet. In der erklärten Absicht, die hellenischen Mysterien dem Gespött preiszugeben, machte der Bischof sie öffentlich zugänglich. [...] Auf dieses ungewöhnliche und unerwartete Ereignis reagierten die Hellenisten mit Panik, die sie nicht ruhig bleiben ließ. Auf gegenseitige Verabredung fielen sie über die Christen her, töteten oder verwundeten sie und besetzten dann das Serapeum, den durch Pracht und Größe sehenswertesten Tempel [...].“7

Auch hier handelt es sich zwar nicht um eine heidnische Quelle, jedoch finden wir hier eine viel nachvollziehbarere Darstellung der Gründe, warum es zu diesem Aufstand kam.

Nach Sozomenos und Sokrates reichte bereits die Umgestaltung des Tempels bzw. die öffentliche Zurschaustellung heidnischer Heiligtümer aus, um die Heiden in Rage zu versetzen. Die Zerstörung des Tempels bzw. aller Tempel in Alexandria war demnach erst eine Reaktion auf den heidnischen Aufstand.8 Obwohl sich in diesem Ereignis die Brisanz der Auseinandersetzung der christlichen Herrscher mit den heidnischen Widerstands- kämpfern sehr deutlich zeigte, hielt dies den damaligen Bischof von Alexandria, Theophilus, nicht davon ab, nach der Zerstörung des Serapeion an derselben Stelle eine Kirche und ein Martyrium zu errichten, um die für die christliche Sache gefallenen Gläubigen zu ehren.9

Wir können an diesem Beispiel erkennen, welche Emotionen mit dem Erhalt der heidnischen Religion verbunden waren. Das Christentum war bereits zur Staatsreligion ausgerufen worden, was aber nicht hieß, dass der Paganismus damit von heute auf morgen ausgelöscht gewesen wäre. Vielmehr ging es jetzt von beiden Seiten darum, mit wirksamen Schritten die eigenen Interessen zu behaupten. Auf heidnischer Seite bedeutete dies, die eigenen Interessen gegen die Staatsmacht durchzusetzen. Dabei beriefen sich heidnische Vordenker des Öfteren auf den „Väterkult“. Die Tugenden und damit auch der Glaube der Vorfahren sollte das Maß aller Dinge sein und auf ihn sollte man zurückgreifen. In der Auseinandersetzung mit anderen Religionen war es nach Auffassung vieler auch legitim, für den Glauben der Vorfahren zu sterben.10 Diese Bereitschaft zum Märtyrertod, die auch dem Christentum in vielen uns heute noch bekannten Fällen eigen war, sollte die religiöse Auseinandersetzung in Alexandria um diese Zeit bestimmen.

Verstärkt wurde diese Entwicklung unter Theophilus‘ Neffen Kyrill, der das Patriarchat im Jahre 412 n.Chr. von seinem Onkel übernahm.11 Kyrill konzentrierte sich allerdings nicht nur auf die Auseinandersetzung mit den Heiden, sondern auch mit den alexandrinischen Juden. So provozierte er gleich zu Beginn seiner Amtszeit einen blutigen Aufstand der Juden, der ihn daraufhin dazu veranlasste, die Juden aus Alexandria zu vertreiben.12 Seine dogmatische Auseinandersetzung mit Juden und Heiden manifestiert sich in seinen Werken „Contra Galilaeos“ und „Contra Julianum“.

Kyrill hatte aber vor allem auch machtpolitische Absichten in Alexandria, die ihm natürlich eine heftige Auseinandersetzung mit den damaligen römischen Präfekten von Ägypten einbrachten.

[...]


1 vgl. Myrsilides, B.: Biographie der hellenischen Philosophin Hypatia. In griechischer und deutscher Sprache herausgegeben, mit einer Einführung versehen und kommentiert von Annemarie Maeger, Hamburg 2002, S. 9-14.

2 Der Begriff „Heiden“ oder „Heidentum“ wird hier als neutraler Sammelbegriff für die Anhänger der alten ägyptischen Kulte verwendet, ohne dabei eine Wertung vornehmen zu wollen. Er wird vielmehr als Synonym zu „pagan“ bzw. „Paganismus“ verstanden.

3 vgl. Vinzent, M.: Das „heidnische“ Ägypten im 5. Jahrhundert, in: van Oort, J. / Wyrwa, D. (Hgg.): Heiden und Christen im 5. Jahrhundert, Leuven 1998, S. 32-65, hier: S. 49-53.

4 Rufin. Hist. Eccl. 11,22.

5 Socr. Hist. Eccl. V, 16.

6 aus Fink, Gerhard: Who’s Who in der antiken Mythologie, München 42002, S. 278.

7 Sozom. Hist. Eccl. VII, 15.

8 vgl. Socr. Hist. Eccl. V, 16 und Sozom., Hist. Eccl. VII, 15.

9 vgl. Rufin. Hist. Eccl. 11,27.

10 vgl. Sozom. Hist. Eccl. VII, 15, 6.

11 vgl. Socr. Hist. Eccl., VII, 7.

12 vgl. Socr. Hist. Eccl., VII, 13.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Ermordung Hypatias
Untertitel
Was führte zum Mord - religiöser Eifer oder Machtpolitik?
Hochschule
Universität Konstanz  (Fachbereich Geschichte und Soziologie)
Veranstaltung
Proseminar: Das frühe Christentum und der römische Staat
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V127865
ISBN (eBook)
9783640328185
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Hypatia, Alexandria, 5. Jahrhundert, Spätantike, Christentum, Theophilus, Kyrill, Orestes, Neuplatonismus, Alexandrinische Schule
Arbeit zitieren
Andreas Lins (Autor:in), 2009, Die Ermordung Hypatias, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127865

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