Konzeptionelle Überlegungen zur Mikrofinanzierung von Wasserversorgungsanlagen in unterentwickelten Regionen


Diplomarbeit, 2007

159 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Erkenntnisinteresse und Vorgehensweise
2.1 Forschungsleitende Fragestellung
2.2. Definitionen
2.3 Stand der Forschung
2.4 Theorien
2.5 Thesen
2.6 Methodik

3. Der ökonomische Wert des Wassers
3.1 Einführung
3.2 Betrachtung des gesamtgesellschaftlichen Wertes einer Wasserversorgung
3.3 Betrachtung des individuellen Wertes einer Wasserversorgung
3.4 Analogien zwischen Hausbau- und Wasserversorgungsprojekten
3.4.1. Grameen Bank – Bangladesch
3.4.2 Patrimonio Hoy und Cemex – Mexiko
3.4.3 SEWA Bank – Indien
3.4.4 Payatas Scavengers Association Inc. – Philippinen
3.4.5 Center for Agriculture and Rural Development – Philippinen
3.4.6 Homeless People’s Federation, People’s Dialogue und uTshani Fund – Südafrika
3.4.7 Zusammenfassung
3.5. Marktversagen
3.5.1 Struktur von Kosten und Nutzen einer Wasserversorgung und Marktversagen
3.5.2 Fehlende Informationen
3.5.3 Trittbrettfahrer
3.6 Schlussfolgerungen

4. Konzeptionelle Überlegungen zur Finanzierung und deren Akteure
4.1 Mikrofinanzierung
4.2 Erste Näherung
4.3 Investoren
4.3.1 Unternehmer in eigener Sache
4.3.2 Grundlagen
4.3.3 Einzelinvestoren
4.3.4 Gruppeninvestoren
4.3.5 Betriebsmodell Genossenschaft
4.3.6 Betriebsmodell Unternehmen
4.3.7 Beteiligungen von Hilfsorganisationen
4.3.8 Beteiligungen an Privatisierungsprojekten
4.4 Kunden und Verbraucher
4.5 Mikrofinanzierungsinstitutionen
4.5.1 Mikroinvestments als Weiterführung der Mikrofinanzierung
4.5.2 Ziele und Aufgaben der Mikrofinanzierungsinstitutionen
4.5.3 Konzeption von Mikroinvestments
4.5.4 Mikroinvestmentvergabe
4.5.5 Mieten
4.6 Staatliche Akteure und NGOs
4.7 Die Anlagenhersteller
4.7.1 Aufgaben und Ziele
4.7.2 Eigenschaften der Wasserversorgungsanlagen
4.7.3 Kooperationen
4.8 Zusammenfassung

5. Subvention
5.1 Direkte Subventionen
5.2 Indirekte Subventionen
5.2.1 Vergünstigte Kredite
5.2.2 Schulungen
5.2.3 Versicherungen
5.2.3.1 Motivation
5.2.3.2 Kunden
5.2.3.3 Risiken und Versicherung der Investoren
5.2.3.4 Risiken und Versicherung der Mikrofinanzierungsinstitutionen
5.2.3.5 Anlagenhersteller
5.2.3.6 Kumulierte Absicherungen
5.2.3.7 Mikrofinanzierungsinstitutionen als Versicherer
5.2.3.8 Bewertung

6. Stärken und Schwächen der Mikrofinanzierung von Wasserversorgungsanlagen
6.1 Risiken, Probleme und Schwächen
6.1.1 Handelsbeschränkungen
6.1.2 Wasserrechte
6.1.3 Wasserversorgung als hoheitliche Aufgabe
6.1.4 Wasser als freies Gut
6.1.5 Höchstpreise
6.1.6 Engagement der Anlagenhersteller
6.1.7 Mikrofinanzierungsinstitutionen als Voraussetzung
6.1.8 Verschuldung
6.1.9 Schaffung eines Monopols
6.1.10 Die Ärmsten der Armen
6.2 Chancen und Stärken
6.2.1 Verbesserung der Situation und Multiplikatoreffekt
6.2.2 Beteiligungs- und Übergangsproblematik
6.2.3 Kapitalaufwand und Mittelabfluss
6.2.4 Übertragbarkeit und globale Einsatzmöglichkeiten 133
6.3 Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Darstellung der Methodik

Abbildung 2: Ökonomischer Wert einer adäquaten Wasserversorgung

Abbildung 3: Gesamtgesellschaftlicher Nutzen

Abbildung 4: Nutzen-Kosten-Relation

Abbildung 5: Kosten und Nutzen bezogen auf einen Nutznießer

Abbildung 6: Vorgenommene Anpassungen

Abbildung 7: Kosten und Nutzen bezogen auf einen Nutznießer nach den Anpassungen

Abbildung 8: Individueller Nutzen

Abbildung 9: Analogien zwischen Häusern und Wasserversorgungsanlagen

Abbildung 10: Übersicht der vorgestellten Hausbauprojekte

Abbildung 11: Grenzrate des Ertrags aus eingesetztem Kapital

Abbildung 12: Die fünf Akteurtypen

Abbildung 13: TCO und TVO

Abbildung 14: Kostenaufstellung bei einer Kreditlaufzeit von 3 Jahren und einem Zinssatz von 8 % auf die Gesamtkredithöhe 67

Abbildung 15: Kostenaufstellung bei einer Kreditlaufzeit von 3 Jahren und einem Zinssatz von 10 % auf den jeweiligen Restbetrag 68

Abbildung 16: Kostenaufstellung bei einer Kreditlaufzeit von 5 Jahren und einem Zinssatz von 10 % auf den jeweiligen Restbetrag

Abbildung 17: Kostenaufstellung bei einer Kreditlaufzeit von 10 Jahren und einem Zinssatz von 8 % auf den jeweiligen Restbetrag (analog zum Grameen-Hausbaukredit)

Abbildung 18: Kostenverlauf pro gereinigtem Liter Wasser

Abbildung 19: Mikrokredit und Mikrosparen am Beispiel der Wasserrechung Konzeptionelle Überlegungen zur Mikrofinanzierung von Wasserversorgungsanlagen in unterentwickelten Regionen

Abbildung 20: Trade-off zwischen den Zielen Armutsbekämpfung und

Nachhaltigkeit

Abbildung 21: Einflussfaktoren auf Laufzeit und Zins eines Mikroinvestments

Abbildung 22: Risiken und Versicherungen

Abbildung 23: Kumulierender Effekt einer Versicherung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1,1 Mrd. Menschen verfügen laut United Nations Development Programme über keinen adäquaten Zugang zu sauberem Trinkwasser. Ein Großteil dieser Menschen lebt in Schwellen- und Entwicklungsländern. Gleichzeitig ist Trinkwasser in den meisten westlichen Staaten in ausreichender Menge vorhanden. Ein Zusammenhang mit der weltweiten Einkommensverteilung liegt deshalb nahe. Und in der Tat korreliert Wasserarmut stark mit ökonomischer Armut:1

“The crisis in water and sanitation is – above all – a crisis for the poor. Almost two in three people lacking access to clean water survive on less than $2 a day, with one in three living on less than $1 a day. More than 660 million people without sanitation live on less than $2 a day, and more than 385 million on less than $1 a day.”2

Bei der Suche nach Lösungen für das Problem der Wasserarmut muss dieser Umstand Berücksichtigung finden. Wasserarmut ist aber nur eines von vielen Problemen, wie etwa Krankheiten und Mangelernährung, die mit Armut einhergehen. Betrachtet man Ansatzpunkte aus diesem Bereich, können auch Lösungen für die Wasserarmut erarbeitet werden.

Eine Herangehensweise, den durch Armut implizierten Problemen zu begegnen, sieht PRAHALAD darin, Produkte speziell an die Bedürfnisse armer Menschen anzupassen oder neu für diese Zielgruppe zu konzipieren. In seinem Buch „Der Reichtum der Dritten Welt“3 beschreibt er einige Beispiele, die dieser Maxime folgen. In Indien verkauft die Firma Hindustan Lever Ltd. (HLL) ein neu entwickeltes jodiertes Salz, welches selbst unter widrigsten Umweltbedingungen seinen Jodbestandteil behält. Auf mikroskopischer Ebene wird das Jod mit einer Schutzschicht ummantelt. Es wird freigesetzt, indem die Magensäure die Schutzschicht auflöst. Dieses Salz hilft dabei, den eklatanten Jodmangel der indischen Bevölkerung, vor allem des armen Teils, zu bekämpfen. HLL schuf mit modernstem Know-how ein Produkt, welches die Bedürfnisse und das Umfeld einkommensschwacher Menschen Konzeptionelle Überlegungen zur Mikrofinanzierung von Wasserversorgungsanlagen in unterentwickelten Regionen berücksichtigt – eine Neuheit, die nicht nur den Menschen in Indien zugute kommen wird.4

Innovationen können auch ein verändertes Preis-Leistungs-Verhältnis bewirken. So ist zum Beispiel die indische Aravin Augenklinik in der Lage, Augenoperation für einen durchschnittlichen Preis von 300 US-Dollar durchzuführen. Während das Qualitätsniveau westlichen Standards entspricht, beträgt der Preis nur einen Bruchteil dessen, was man in den Industrieländern zahlen muss, nämlich ca. 5.000 bis 6.000 US-Dollar. Dieser immense Preisunterschied kommt nicht in erster Linie aufgrund des Einkommensgefälles zustande, sondern infolge der rigorosen Ausnutzung von Skaleneffekten. Die Aravin Augenklinik hat sich auf wenige Krankheiten im Bereich der therapierbaren Erblindung spezialisiert und behandelt diese in sehr großer Zahl.5

Das sind nur zwei Beispiele für Produkte, die erfolgreich am Bottom-of-Pyramid6 -Markt (BOP-Markt) etabliert wurden. PRAHALADS Ansatz beinhaltet mehr als die reine Forderung nach Marktwirtschaft zur Bekämpfung der Armut und der damit verbundenen Probleme. Allgemein bemerkt er dazu Folgendes:

„Ich möchte nicht, dass die Armen dieser Welt zu einem Kundenkreis werden. Ich möchte, dass Armut ein Problem ist, das gelöst wird. In diesem Buch geht es darum, dass alle Mitspieler – NGOs, große Unternehmen, staatliche Hilfskräfte und, ganz wichtig, die Armen selbst – zusammenkommen, um die extrem komplexen Probleme zu lösen, die sich uns zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellen. Die Armut muss uns zu Innovationen zwingen und nicht dazu bringen, das Recht einzufordern, anderen unsere Lösungen überzustülpen. [...] Wenn wir aufhören, die Armen als Opfer oder als gesellschaftliche Belastung zu sehen, und stattdessen erkennen, dass sie flexible und kreative Unternehmer und preisbewusste Konsumenten sind, eröffnet sich plötzlich eine völlig neue Welt der Möglichkeiten.“7

Doch selbst wenn man Wasserversorgungsanlagen entwickelt, die den Bedürfnissen armer Menschen gerecht werden und die ein neues Preis-Leistungs-Verhältnis definieren, werden sie kaum so günstig sein, dass einkommensschwache Menschen diese Anlagen direkt aus den vorhandenen Mitteln bezahlen können. Die Frage, wie die Armen solche Anlagen finanzieren sollen, bleibt offen. An dem Punkt setzt diese Arbeit an. So eröffnete YUNUS, der lange vor PRAHALAD das Potenzial armer Menschen erkannt hatte, eine Finanzierungsmöglichkeit.

Anhand seiner Grameen Bank zeigte er, dass eine Finanzinstitution für einkommensschwache Gruppen durchaus operabel ist. Die Grameen Bank vergibt unter anderem Kredite zur Existenzgründung und für den Hausbau. Da diese Finanzierung überaus erfolgreich ist, müsste es auch möglich sein, mithilfe solcher Kredite Wasserversorgungsanlagen zu bezahlen.8 Damit ließe sich das Problem der Wasserarmut bekämpfen.

Im Weiteren behandelt die Arbeit die Frage der Umsetzung und stellt konzeptionelle Überlegungen hinsichtlich einer Mikrofinanzierung von Wasserversorgungsanlagen in unterentwickelten Regionen an. Der Fokus soll dabei nicht nur auf den einkommensschwachen Menschen, sondern auch auf den übrigen, an der Finanzierung beteiligten Akteuren liegen.

2. Erkenntnisinteresse und Vorgehensweise

Ziel des zweiten Kapitels ist es, die Fragestellung einzugrenzen und die notwendigen Grundlagen für die weitere Bearbeitung des Themas zu schaffen.

Hiefür werden zuerst die forschungsleitende Fragestellung und die wichtigsten Begriffe definiert. Im Anschluss erfolgt eine Betrachtung der grundlegenden Theorien und Thesen, um das theoretische Grundgerüst dieser Arbeit zu skizzieren.

2.1 Forschungsleitende Fragestellung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Möglichkeit, die Mikrofinanzierung auch im Bereich der Wasserversorgungsanlagen in unterentwickelten Regionen einzusetzen. Im Rahmen konzeptioneller Überlegungen werden verschiedene Aspekte des Themas beleuchtet. Um die Komplexität zu reduzieren, findet die Betrachtung auf einer theoretisch-wirtschaftswissenschaftlichen Ebene statt. Ein wirtschaftsgeografischer Bezug ist durch die weltweite Anwendung der Mikrofinanzierung und die globalen Probleme im Bereich der Wasserversorgung gegeben.

Bei den konzeptionellen Überlegungen sollen Wasserversorgungsanlagen in unterentwickelten Regionen und deren Finanzierungsmöglichkeit durch die lokale Bevölkerung im Mittelpunkt stehen.

Neben der grundlegenden Fragestellung der Realisierbarkeit eines solchen Vorhabens werden die einzelnen Akteure und die vorhandenen Instrumente näher untersucht. Darüber hinaus sind die Instrumente zu modifizieren und mögliche Ergebnisse zu diskutieren.

Ziel ist es nicht, ein vollständiges Konzept zu erarbeiten, denn dies wäre aufgrund des Umfangs, der erforderlichen empirischen Arbeit und der notwendigen Mittel im Rahmen einer Diplomarbeit nicht möglich. Vielmehr wird ein konzeptioneller Rahmen gespannt, innerhalb dessen verschiedene Möglichkeiten und Effekte einer solchen Finanzierungsform theoretisch erörtert werden.

2.2. Definitionen

Nachfolgend sollen die grundlegenden Begriffsdefinitionen der Mikrofinanzierung von Wasserversorgungsanlagen erarbeitet werden.

Für den Begriff der Mikrofinanzierung existiert eine Vielzahl von Definitionen. Die ACCION, eine Mikrofinanzierungsinstitution, fasst diesen Begriff folgendermaßen: “Banking and/or financial services targeted to low-and-moderate income businesses or households, including the provision of credit”.9

Der UN Capital Development Fund definiert die Mikrofinanzierung wie folgt: “Microfinance refers to loans, savings, insurance, transfer services and other financial products targeted at low-income clients.”10

Im Folgenden wird die Definition des „Calmeadow's Microfinance Reference Guide“11 verwendet.

“The purpose of these organizations is the extension of institutional financial services to those who are not currently serviced. Microfinance includes the provision of credit, savings and increasingly additional financial services such as foreign exchange, insurance and money transfers.”12

Die Mikrofinanzierung wird in vielen Ländern unter verschiedensten Umständen betrieben. Diesem Sachverhalt wird die Definition gerecht. Sie ist vielseitig auslegbar und umfasst somit eine große Zahl von Mikrofinanzierungsaktivitäten.

Im Kontext der Mikrofinanzierung sind weitere Begriffe von zentraler Bedeutung, die an dieser Stelle abgegrenzt werden sollen. Bei Organisationen, die Mikrofinanzierung betreiben, handelt es sich um sogenannte Mikrofinanzierungsinstitutionen: “A financial institution – can be a non-profit organization, regulated financial institution or commercial bank – that provides microfinance products and services to low-income clients”.13

In dieser Arbeit werden die Begriffe Mikrofinanzierungsinstitution und Mikrobank gleichbedeutend verwendet.

Produkte und Serviceleistungen, die eine Mikrofinanzierungsinstitution anbietet, werden meist mit dem Kürzel „Mikro“ versehen, die wesentlichsten sind Mikrokredit14, Mikrosparen15 und Mikroversicherung16.

Angesichts der weiten Verbreitung der Mikrofinanzierung und der regionalen Heterogenitäten ist eine exakte Abgrenzung der Kunden schwierig. Für diese Arbeit wird die Definition des UN Capital Development Fund verwendet.

“The clients of microfinance are generally poor and low-income people. Among them may be female heads of households, pensioners, artisans or small farmers. The client group for a given financial organization depends on that organization’s mission and goals.“17

In dieser Arbeit wird häufig der Begriff einkommensschwache bzw. arme Menschen benutzt. Als einkommensschwach bzw. arm können Menschen bezeichnet werden, wenn sie potenzielle Kunden einer Mikrofinanzierungsinstitution in der jeweiligen Region sind. Der Begriff schließt nicht die Ärmsten der Armen18 mit ein, denn diese gehören nicht zur Zielgruppe der Mikrofinanzierung.19 Eine exakte Differenzierung anhand von Zahlen ist wegen der globalen Betrachtungsweise schwierig, die beiden Begriffe lassen sich vielmehr aufgrund einer zentralen Eigenschaft unterscheiden. Einkommensschwache bzw. arme Menschen sind in gewissem Umfang wirtschaftlich aktiv, infolgedessen können sie Kredite und andere Serviceleistungen nutzen, um zusätzliches Einkommen zu generieren. Analog dazu wird davon ausgegangen, dass sie mittels des Nutzens, den eine Wasserversorgung stiftet, in der Lage sind, zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften.

Diese Eigenschaft fehlt den Ärmsten der Armen, sie können deshalb nicht direkt von der Mikrofinanzierung profitieren.

Nachhaltigkeit beschreibt einen weiteren elementaren Begriff im Kontext der Mikrofinanzierung. Er wird für Mikrofinanzierungsinstitutionen und für Wasserversorgungsanlagen im Folgenden unterschiedlich definiert. Nachhaltigkeit in Bezug auf Mikrofinanzierungsinstitutionen ist folgendermaßen zu fassen:

“Sustainability is the ability of a microcredit programme to maintain its operations and continue to provide service to its customers or clients. A Programme is sustainable when a combination of external grants, loans, and internally generated revenues are sufficient to cover all programme expenses over the long term.”20

Wird der Begriff der Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit einer Wasserversorgungsanlage verwendet, ist er wie folgt definiert: “Organizational financial and operational self-sustainability meaning the ability to cover costs plus the imputed cost of capital and other expenses; long-term organizational viability”.21

Um die Anwendungsmöglichkeiten einer Mikrofinanzierung von
Wasserversorgungsanlagen nicht einzuschränken, wird der grundlegende Begriff der Wasserversorgungsanlage für diese Arbeit breit ausgelegt.

Eine Wasserversorgungsanlage ist folglich als eine Anlage zu Bereitstellung von Trinkwasser22 zu verstehen. Diese Definition umfasst ein großes Spektrum von Anlagen. So können sowohl Behältnisse, die mittels Zugabe chemischer Substanzen verunreinigtes Wasser in Trinkwasser umwandeln, als auch komplexe Filteranlagen als Wasserversorgungsanlagen bezeichnet werden. Des Weiteren werden auch Anlagen wie Brunnen oder Rohrsysteme, die Trinkwasser von einer Quelle an einen bestimmten Ort transportieren, unter diesem Begriff subsumiert. Eine Wasserversorgungsanlage muss mindestens eine der folgenden Aufgaben erfüllen: den Transport von Trinkwasser und/oder die Umwandlung von Wasser in Trinkwasser.

Der Begriff der unterentwickelten Region schließt neben den Entwicklungsländern auch Gebiete in Schwellenländern ein, die sich mit physischer und/oder ökonomischer Wasserknappheit konfrontiert sehen und eine Unterversorgung speziell im Wassersektor (Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Wasseraufbereitung) aufweisen. Unterentwickelte Regionen zeichnen sich durch einen hohen Bedarf an Wasser- und Sanitäreinrichtungen aus.

2.3 Stand der Forschung

Für diese Arbeit konnte auf einen umfangreichen Literaturbestand sowohl theoretischer als auch praktischer Arbeiten zum Thema Mikrofinanzierung zugegriffen werden. Die zwei Werke „Microfinance Handbook“23 und „The Economics of Microfinance“24 bieten einen grundlegenden Überblick über die Theorien und den momentanen Stand der Mikrofinanzierung.

Informationen zur Wasserversorgung in unterentwickelten Regionen waren ebenfalls über eine große Anzahl von Quellen zu beziehen. Im Speziellen lässt sich hierbei die World Health Organization hervorheben, die dazu umfangreiches Material bereitstellt.

Für das Thema der Mikrofinanzierung von Wasserversorgungsanlagen konnten allerdings keine theoretischen Arbeiten identifiziert werden. Über durchgeführte Projekte dieser Art standen keine ausführlichen Informationen bzw. Daten zur Verfügung. Die einzigen zugänglichen Informationen zu solchen Projekten stammen aus zwei Absätzen in den Arbeiten „Decentralization and Urban Infrastructure Management Capacity“25 und „Housing Microfinance Initiatives Synthesis and

Regional Summary“26. Aus diesem Grund werden im Folgenden Vergleiche, theoretische Konzepte und Annahmen verwendet, um das Thema zu bearbeiten.

2.4 Theorien

Einige Theorien, die der Arbeit zugrunde liegen, sollen an dieser Stelle kurz vorgestellt werden. Zu ihnen gehört die Theorie des rationellen Nutzenmaximierers. Sie vereinfacht die Darstellung und Erörterung des Themas, da das menschliche Entscheidungskalkül auf eine rationelle und nutzenorientierte Ebene reduziert wird. Anstelle des Begriffs des rationellen Nutzenmaximierers findet teilweise auch der Ausdruck Homo Oeconomicus (H. o.) Verwendung. Hierbei handelt es sich um ein

„Modell eines wirtschaftlich denkenden Menschen, das den Analysen der klassischen und neoklassischen Wirtschaftstheorie zu Grunde liegt. Hauptmerkmal des H. o. ist seine Fähigkeit zu uneingeschränktem rationalen Verhalten (Rationalität). Handlungsbestimmend ist das Streben nach Nutzenmaximierung, das für Konsumenten und Produzenten (in der speziellen Ausprägung der Gewinnmaximierung) gleichermaßen angenommen wird. '27

Die Theorie des rationellen Nutzenmaximierers findet in dieser Arbeit nur soweit Anwendung, wie sie Komplexität reduziert und als Grundlage theoretischer Überlegungen dient.28

Ein Begriff, der mit der Theorie des rationellen Nutzenmaximierers einhergeht, ist der des Nutzens im wirtschaftlichen Sinne. SAMUELSON und NORDHAUS definieren Nutzen wie folgt:

„Der Nutzen ist ein abstrakter Begriff, der in der Wirtschaftswissenschaft verwandt wird, um subjektives Gefallen, Nützlichkeit und Befriedigung auszudrücken, die jemand mit einem Gut verbindet. [...] Der Begriff des Nutzens ist nichts anderes als ein analytisches Hilfsmittel, dessen sich die Wirtschaftswissenschaft bedient, um zu erklären, nach welchen Gesichtspunkten rationale Konsumenten ihre beschränkten finanziellen Mittel für einzelne Güter aufwenden, die ihnen Befriedigung beziehungsweise einen Nutzen verschaffen. '29

Das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens, auch als erstes Gossen’sches Gesetz bekannt, beschreibt das Verhältnis von zusätzlichem Konsum und dem daraus resultierenden zusätzlichen Nutzen, dem sogenannten Grenznutzen.

„Das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens besagt, dass bei steigendem Verbrauch eines Gutes Ihr Gesamtnutzen zunimmt. Beim Konsum zusätzlicher Einheiten desselben Gutes wird Ihr Gesamtnutzen jedoch immer langsamer wachsen. Dieser sich verlangsamende Nutzenzuwachs ist darauf zurückzuführen, dass Ihr Grenznutzen (der zusätzliche Nutzen, den die letzte Einheit eines Gutes erbringt) mit steigendem Konsum sinkt. Der abnehmende Grenznutzen ergibt sich aus der Tatsache, dass Ihre Wertschätzung oder Ihr Gefallen an einem Gut geringer wird, je mehr Sie davon verbrauchen.“30

Als eine weitere zentrale Theorie gilt die des Marktversagens und dessen Ursachen. Markversagen bezeichnet die

„Abweichung des Ergebnisses marktmäßiger Koordination von einem optimalen, mit Hilfe eines Referenzmodells abgeleiteten Ergebnisses, die einen potenziellen wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf anzeigt. Die optimale Allokation von Gütern und Ressourcen ist nicht gewährleistet.“31

Diese Arbeit betrachtet die folgenden vier Ursachen für ein Marktversagen:

- fehlende Informationen
- Trittbrettfahrer
- Moral Hazard
- adverse Selektion

Trotz der Existenz von Angebot und Nachfrage können fehlende Informationen zu einem Marktversagen führen, da der ungenügende Kenntnisstand der Markteilnehmer eine Allokation verhindert.32

Wenn für den Konsum eines Gutes ein Preis zu entrichten ist, aber gleichzeitig keine Möglichkeit besteht, einzelne Individuen vom Konsum auszuschließen, kann es zu einem Trittbrettfahrerverhalten, d. h. zum Konsum des Gutes ohne Bezahlung des Preises kommen. Ein solches Verhalten kann wiederum ein Versagen des Marktes nach sich ziehen. Diese Ursache von Marktversagen wird folglich als Trittbrettfahrerproblematik bezeichnet.

„Da 1 ...] niemand vom Konsum ausgeschlossen werden kann, besteht für jeden Nachfrager die Versuchung, den 1 ...] zu entrichtenden Preis 1 ...] zu verweigern. Da dieser Anreiz aber für alle beteiligten Konsumenten besteht, ist es plausibel, dass die Summe der entrichteten Preise nicht mehr zur Deckung der Produktionskosten ausreicht. Im Extremfall würde niemand auch nur einen Cent entrichten und das Angebot 1 ...] bliebe vollständig aus. ' 33

Fehlende Informationen und das Trittbrettfahrerverhalten sind in dieser Arbeit im Zusammenhang mit der Wasserversorgung von Interesse. Moral Hazard und adverse Selektion werden hingegen im Kontext der Mikrofinanzierung angesprochen. Moral Hazard (M. H.) beschreibt Situationen, in denen ein Vertragspartner nicht sicherstellen oder überprüfen kann, dass sich der andere Vertragspartner wie vereinbart verhält.

„Nachvertragliche Informationsasymmetrien zwischen Transaktionspartnern führen zum Risiko des M. H. 1 ...] Das Problem besteht darin, dass das Verhalten des besser informierten Partners die Payoffs (Auszahlungen) des schlechter Informierten beeinflusst. Der schlechter Informierte kann sich nur unvollständig über das Verhalten des Transaktionspartners informieren bzw. dieses evaluieren. '34

Neben dem Moral Hazard wird auch die adverse Selektion unter dem Begriff der asymmetrischen Informationen subsumiert. Adverse Selektion bezeichnet Situationen, in denen ein Vertragspartner vor Vertragsabschluss nur auf ungenügende Informationen über die Eigenschaften des anderen Vertragspartners zurückgreifen kann.

„Der Kern des Problems liegt in den Schwierigkeiten, das Aschenputtel-Prinzip umzusetzen, nach dem eine strikte Trennung unterschiedlicher Qualitäten gefordert wird. Die Maxime ‚die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen’ ist nur operabel, wenn Gute und Schlechte unterschieden werden können. '35

2.5 Thesen

In diesem Abschnitt sollen die wichtigsten Thesen, die in der Arbeit Verwendung finden, beschrieben werden. Aus Gründen des Umfangs wurde teilweise auf eine Beweisführung verzichtet.

Für die Bearbeitung des Themas wird vorausgesetzt, dass die Produkte, also die Wasserversorgungsanlagen, auf dem Markt vorhanden und käuflich zu erwerben sind. Es wird davon ausgegangen, dass für die heterogenen Anforderungen verschiedene Lösungen in Form von bedürfnisgerechten Wasserversorgungsanlagen existieren.

Die Investition in eine Wasserversorgungsanlage ist erst dann ökonomisch sinnvoll, wenn die Kosten kleiner gleich dem gestifteten Nutzen sind. Die zweite These besagt folglich, dass die Kosten einer Wasserversorgungsanlage geringer als bzw. gleich deren Nutzen sind. Unter Zuhilfenahme der Arbeit „Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level”36 wird diese These in Kapitel 3 bestätigt.

Als dritte These wird davon ausgegangen, dass Produkte mit ähnlichen Eigenschaften auch ähnlich finanziert werden. Die Verwendung von Hausbaukrediten zum Erwerb von Wasserversorgungsanlagen (vgl. hierzu Kap. 3) zeigt, dass in der Praxis diese These zumindest teilweise zutreffend ist. In Ermangelung konkreter Daten kann jedoch nicht überprüft werden, inwieweit diese Finanzierungen erfolgreich waren.

Die vierte These besagt: Wenn soziale Sanktionsmechanismen dazu genutzt werden, Kredite abzusichern, können diese Mechanismen ebenso verwendet werden, um Einfluss auf die Betreiber einer Wasserversorgungsanlage auszuüben. Ein theoretischer Beweis für diese These steht allerdings noch aus, und für eine empirische Beweisführung fehlt es an entsprechenden Projekten.

2.6 Methodik

Für die Erstellung dieser Arbeit wurden neben der Verwendung von Fachliteratur zum Thema Mikrofinanzierung und Wasserversorgung in unterentwickelten Regionen zudem Befragungen durchgeführt. Mittels Experteninterviews und Fragebogen konnten zusätzliche Informationen und Denkanstöße gesammelt werden.

Das erste Kapitel dient der Einführung in das Themenfeld dieser Arbeit. In Kapitel 2 werden neben der Definition von Begriffen und der Erläuterung der forschungsleitenden Fragen und des Forschungsstand außerdem Theorien und Thesen sowie die Methodik der Arbeit vorgestellt.

Kapitel 3 bildet die Grundlage der weiteren Arbeit. Hier wird zunächst der ökonomische Wert des Wassers betrachtet, um daraus die zu finanzierenden Beträge abzuleiten und zu überprüfen, inwiefern eine Mikrofinanzierung möglich scheint. Danach werden Häuser und Wasserversorgungsanlagen verglichen, um anhand mikrofinanzierter Hausbauprojekte zu zeigen, dass theoretisch eine solche Form der Finanzierung von Wasserversorgungsanlagen durchführbar ist. Das Kapitel schließt mit einer Schilderung der Gründe, die zum Marktversagen im Bereich der Wasserversorgung führen können.

In Kapitel 4 soll zu Beginn die Mikrofinanzierung im Allgemeinen veranschaulicht werden, um daraufhin detaillierter auf die einzelnen Akteure, Möglichkeiten und Aspekte einer Mikrofinanzierung von Wasserversorgungsanlagen eingehen zu können.

Die verschiedenen Ansatzpunkte zur Subventionierung einer solchen Finanzierungsform werden im fünften Kapitel thematisiert, wobei der Fokus hier auf dem Versicherungssektor liegen soll.

Das sechste und letzte Kapitel beschäftigt sich mit den Stärken und Schwächen einer Mikrofinanzierung von Wasserversorgungsanlagen, bevor ein Fazit den Abschluss der Arbeit bildet.

Dieser Aufbau verfolgt das Ziel, zuerst die notwendigen Grundlagen zu schaffen, darauf aufbauend das Kerngerüst zu erarbeiten und anschließend zusätzliche Möglichkeiten zu ergänzen. Abschließend erfolgt eine Erweiterung des Blickfeldes. Konkret gestaltet sich die Umsetzung wie folgt: Kapitel 1 führt in das Themenfeld ein, Kapitel 2 und 3 bilden die Grundlage der Arbeit und der nachfolgenden Kapitel und Kapitel 4 stellt mit der Erörterung der Mikrofinanzierung von Wasserversorgungsanlagen den Kern dieser Arbeit. Diesen Kern erweitert Kapitel 5 um die Möglichkeiten der Subventionierung und der Versicherung. Das sechste Kapitel schließt die Arbeit mit der Betrachtung zusätzlicher Aspekte ab.

3. Der ökonomische Wert des Wassers

Ziel der ersten drei Unterabschnitte des dritten Kapitels ist es, folgende Frage zu beantworten: Kann eine Wasserversorgung mikrofinanziert werden? Hierfür wird die Frage in zwei Unterfragen aufgeteilt: 1. Bewegen sich die notwendigen Kredite für eine Wasserversorgungsanlage in einem Bereich, der mikrofinanzierbar ist? 2. Kann durch den Vergleich mit ähnlichen Investitionsprojekten die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine solche Form der Finanzierung praktikabel ist?

Die notwendigen Kredite orientieren sich an den Kosten, die von vielen Faktoren abhängig und folglich schwer abzuschätzen sind. Deshalb soll für die Beantwortung der ersten Teilfrage die Theorie des rationellen Nutzenmaximierers herangezogen werden. Nach dieser Theorie bildet der Nutzen die Obergrenze der Kosten. Hieraus lässt sich schlussfolgern: Eine Wasserversorgungsanlage darf nur so viel kosten, wie sie Nutzen stiftet. Der Nutzen wird mithilfe der Arbeit „Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level”37 berechnet.

In der Arbeit „Global Water Supply and Sanitation Assessment 2000 Report“38 werden zwar die Kosten verschiedener Anlagen und Maßnahmen skizziert, dennoch wurde aus drei Gründen der „Umweg“ über die Berechnung des Nutzens gewählt. Zum einen werden die Kosten in der Arbeit sehr allgemein dargestellt. Zum anderen bleibt die Frage offen, wie viele Menschen von jeder Anlage profitieren bzw. profitieren werden. Außerdem zeigt sich im Verlauf der Arbeit, dass die angenommenen Kosten niedriger ausfallen als der errechnete Nutzen. Dies erhöht die Aussagekraft der Schlussfolgerung. Aufgrund der Betrachtung der Obergrenze der Kosten werden mehr Situationen mit einbezogen.39

Diese erste Betrachtung beschränkt sich ausschließlich auf die Höhe des zu finanzierenden Betrages. Andere Probleme, die mit einer solchen Finanzierung einhergehen, werden außer Acht gelassen.

Als Vergleichsobjekt für die zweite Teilfrage dienen Hausbaukredite. Mittels eines Vergleichs zwischen Wasserversorgungs- und Hausbaukrediten wird gezeigt, dass eine Finanzierung über Mikrokredite prinzipiell möglich ist. Hierbei steht nicht mehr die Höhe einer Finanzierung im Vordergrund, sondern vielmehr die mit einer solchen Finanzierungsform verbundenen grundlegenden Probleme, wie zum Beispiel die verlängerte Laufzeit.

Die daran anschließenden Abschnitte des dritten Kapitels beschäftigen sich mit den theoretischen Ursachen des Marktversagens im Bereich der Wasserversorgung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Darstellung der Methodik
Quelle: eigene Darstellung

3.1 Einführung

Die Theorie des Menschen als rationalen Nutzenmaximierer hilft – wenn sie auch teilweise umstritten ist40 –, eine entscheidende Frage für diese Arbeit zu beantworten: Wie viel kostet die Wasserversorgung für ein Individuum in unterentwickelten Regionen? Ohne Kenntnis dieses Betrags kann nicht überprüft werden, ob dieser mikrofinanzierbar ist.

Nach dieser Theorie handelt der Mensch Nutzen maximierend, d. h. er wird seine begrenzten Ressourcen in jenes Projekt investieren, das ihm persönlich den höchsten Nutzen verspricht. Gleichzeitig wird er Projekte meiden, die eine negative Auszahlung leisten.

Im vorliegenden Fall einer Kreditfinanzierung ist Ersteres zu vernachlässigen, da angenommen wird, dass der Kredit ausschließlich für Wasserversorgungsprojekte bereitgestellt wird. Die Entscheidungsfreiheit des Investors beschränkt sich darauf, aus verschiedenen Wasserversorgungsanlagen zu wählen.41

Dementsprechend lässt sich festhalten, dass die Versorgung mit Trinkwasser nicht mehr kosten darf, als sie Nutzen stiftet. Eigentlich müsste man diese Aussage weiter präzisieren zu: Die Versorgung mit Trinkwasser darf den Begünstigten nicht mehr kosten, als sie individuellen Nutzen stiftet. Durch das Fehlen einer Wasserversorgung könnten der Allgemeinheit Kosten entstehen, die der Einzelne aber nur anteilig oder gar nicht zu tragen hat – eine klassische Trittbrettfahrersituation. In einer solchen Lage kann es sinnvoll sein, dass der Staat den Einzelnen oder ein Projekt subventioniert, um die Kosten der Allgemeinheit zu reduzieren.

Die Annahme lautet folglich, dass ein Projekt nur dann durchgeführt wird, wenn der Nutzen für den Einzelnen größer gleich den Kosten ist.42 Infolgedessen wird in dieser Arbeit nicht mittels aktueller Preise von Wasserversorgungsanlagen argumentiert, sondern anhand des geschaffenen Nutzens.

In den nächsten beiden Abschnitten soll nun der Nutzen einer Wasserversorgung herausgearbeitet werden.

Kapitel 3.2 verdeutlicht zunächst den Nutzen aus einer gesamtwirtschaftlichen Sicht. Darauf aufbauend wird in Kapitel 3.3 der Nutzen aus individueller Sicht berechnet, und es wird überprüft, ob dieser Betrag im Bereich der Mikrofinanzierung liegt.

3.2 Betrachtung des gesamtgesellschaftlichen Wertes einer Wasserversorgung

Der Wert43 einer Wasserversorgung setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: einerseits aus vermiedenen Kosten und andererseits aus dem zusätzlich geschaffenen Nutzen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Ökonomischer Wert einer adäquaten Wasserversorgung

Quelle: eigene Darstellung nach Hutton, Guy und Haller, Laurence: Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level, 2004, http://www.who.int/ entity/water_sanitation_health/wsh0404.pdf (abgerufen am 03.04.2007)

Wasserinduzierte Krankheiten sind die Hauptursache für Kosten, die durch eine Versorgung mit Trinkwasser vermieden werden können. HUTTON und HALLER unterscheiden fünf Kategorien wasserinduzierter Krankheiten:

“Over recent decades, compelling evidence has been gathered that significant and beneficial health impacts are associated with improving water and sanitation facilities. The routes of pathogens to affect health via the medium of water are many and diverse. Five different routes of infection for water-related diseases are distinguished: water-borne diseases (e. g. cholera, typhoid), water-washed diseases (e. g. trachoma), water-based

43 Wert als eine ökonomisch messbare Größe.

diseases (e. g. schistosomiasis), water-related vector-borne diseases (e. g. malaria, filariasis and dengue), and water-dispersed infections (e. g. legionellosis).”44

Die World Health Organization unterscheidet nur vier Kategorien: durch Wasser übertragene Krankheiten (z. B. Durchfallerkrankungen), hygieneabhängige
Krankheiten wie Trachoma-Erkrankungen, auf Wasser basierende Krankheiten (beispielsweise Schistosomiasis) und durch Insekten übertragene Krankheiten wie etwa das Denguefieber.45

Mittels einer Verbesserung des konsumierten Wassers lässt sich die Infektionsrate signifikant senken. Hierdurch werden Behandlungskosten vermieden, und Aufwendungen für die Kinderbetreuung während des Krankheitszeitraums entfallen. Diese müssen nicht zwangsläufig eine direkte monetäre Form haben, da allenfalls eine Minderheit der in unterentwickelten Regionen sesshaften Eltern ihre Kinder in Kindertagesstätten bringen wird, welche im Normalfall kostenpflichtig sind. Vielmehr beauftragt man Personen aus dem sozialen Umfeld, für das Wohlergehen der Kinder zu sorgen. Folglich sind jene Personen nicht oder nur teilweise in der Lage, ihren regulären Tätigkeiten nachzugehen. Ferner können während der Krankheitsdauer keine Aufträge angenommen und Fristen nicht eingehalten werden. Dem Erkrankten entgehen dadurch zukünftige Einnahmen.46

Als eine weitere Ursache für die Entstehung von Kosten ist eine mit Wasserarmut einhergehende Fehlallokation anzuführen. PRAHALAD spricht in diesem Zusammenhang von der sogenannten „Armutsprämie“: „Die Armutsprämie ist das Ergebnis lokaler monopolistischer Strukturen, ungenügender Versorgung, fehlenden Marktzugangs und traditionell starker Zwischenhändler.“47

Dadurch entsteht unter Umständen die paradoxe Situation, dass Wasser in einkommensschwachen Stadtteilen mehr kostet als in den Metropolen der westlichen Welt.

Die Armen in den städtischen Gegenden der Entwicklungsländer zahlen nicht nur mehr für ihr Wasser als die Einwohner derselben Stadt, die über ein höheres Einkommen verfügen, sie zahlen auch mehr als die Menschen in den reichen Ländern. Einige der ärmsten Menschen der Welt, die in den sich ausbreitenden Slumgebieten von Accra oder Manila leben, zahlen mehr für ihr Wasser als die Menschen in London, New York oder Rom.“48 CENOWETH und BIRD liefern eine mögliche Erklärung für die Armutsprämie:

“In fact, it is often the poor who often suffer the most under conditions of scarcity. David et al. (2000)49 point out how in the Philippines, where urban water rates are the lowest among the Asian countries, the poor are paying more for their water consumption than those who can afford to pay more. This is because these poor households are located mostly in areas that are not yet connected to waterworks system. They rely more on water rationing and alternatives sources of supply, which are typically very expensive.”50

Neben der Senkung von Kosten schafft eine Versorgung mit Trinkwasser aber auch einen Nutzen. Aus ökonomischer Sicht setzt sich dieser aus drei Komponenten zusammen:

- zusätzliche Arbeitszeit
- Lebensarbeitszeitverlängerung
- Produktivitätssteigerung

Zusätzliche Arbeitszeit wird sowohl durch die Reduzierung der Krankheitstage als auch durch die Vermeidung anderer Tätigkeiten erzeugt. Es muss vor allem weniger Zeit für die Beschaffung von Wasser aufgewendet werden.

“In Mozambique, rural Senegal and eastern Uganda women spend on average 15-17 hours a week collecting water. It is not uncommon for women to walk more than 10 kilometres during the dry season. Research in eastern Uganda found households spending on average 660 hours a year collecting water. This represents two full months of labour, with attendant opportunity costs for education, income generation and female leisure time. One estimate suggests that some 40 billion hours a year are spent collecting water in Sub-Saharan Africa.”51

Gleichzeitig wird durch eine bessere Wasserversorgung die Lebensarbeitszeit verlängert. Der Konsum von Trinkwasser stärkt die physische Kondition, und der Einfluss wasserinduzierter Krankheiten auf den menschlichen Körper wird signifikant verringert. Für eine Messung dieses Nutzens auf ökonomischer Basis dürfte rein formal nur der in der zusätzlichen Lebenszeit erwirtschaftete „Überschuss“, also die Einnahmen abzüglich der Ausgaben für die Lebenshaltung, zur Berechnung herangezogen werden.

Indem die Konzentration und Belastbarkeit erhöht werden, wirkt sich eine Stärkung der physischen Kondition nicht nur auf die Krankheitsanfälligkeit und Lebenszeit aus, sondern auch auf die Arbeitsproduktivität eines Individuums.

Demnach hat Wasser sowohl quantitative als auch qualitative Auswirkungen auf den Faktor Arbeit. Quantitativ wird die Menge an verfügbarer Arbeitszeit erhöht, qualitativ wird die Wertigkeit der Arbeit gesteigert. In diesem Zusammenhang kann vereinfacht von einem Multiplikatoreffekt gesprochen werden: mehr Zeit mal höhere Wertigkeit.52 Die Evaluation eines Infrastruktur-Kreditprojektes der SEWA Bank in Indien beweist, dass der hypothetisch konstruierte und theoretisch errechnete Nutzen in die Praxis transformiert wird.

”The project’s goal is to provide each family with on-site infrastructure, which includes individual water supply, underground sewerage, individual toilets, solid waste disposal service, storm water drains, internal roads and paving, street lighting and landscaping. [...] For the three slums completed thus far, evaluation studies documented an average increase of Rs 50 per day (US$ 1.15) in the net earnings level of members in these communities. Fruit and vegetable vendors, for instance, are able to wash their produce at home and do not have to wait in long water queues. This allows them to get to market at 6:00 a.m. and spend more time in selling.”53

Die Bereitstellung von Wasser hat auch Auswirkungen auf die Landwirtschaft und Industrie einer Region. In der Landwirtschaft führt eine Wasserversorgung zur Steigerung der Produktivität und einer Verminderung der Risiken durch Umweltkatastrophen. So verringern sich beispielsweise die Auswirkungen einer Dürrekatastrophe.

In vielen Fällen ist eine Wasserversorgung Grundvoraussetzung für die Ansiedlung von Industriebetrieben.54 Daher kann der Aufbau einer Wasserversorgung ein wirtschaftliches Wachstum in einer Region initiieren.

Diese beiden Effekte lassen sich jedoch schwer quantifizieren und wurden in die Berechnung der WHO nicht mit einbezogen.

Bei der Betrachtung des ökonomischen Werts einer Wasserversorgung kann neben einer Unterscheidung von Kosten und Nutzen auch eine Differenzierung anhand der Auswirkungen vorgenommen werden. Diese lassen sich in „zwangsläufig“ und „potenziell“ unterteilen. Eine zwangsläufige Wirkung besteht etwa in der Senkung medizinischer Kosten. Diese resultiert daraus, dass der Begünstigte ohne aktives Engagement aufgrund des Konsums von sauberem Trinkwasser seltener erkrankt. Dagegen stellt die Steigerung der Arbeitszeit ein Potenzial dar, welches der Begünstigte nutzen muss. Er könnte die zusätzlich erworbene Zeit auch für andere Aktivitäten verwenden. Im Weiteren wird entsprechend der Theorie des rationellen Nutzenmaximierers allerdings davon ausgegangen, dass die zusätzliche Zeit für ökonomische Tätigkeiten genutzt wird. In einer Situation, in der ein Kredit aufgenommen wurde, erscheint diese Annahme auch logisch, da die Kosten des Kredits gedeckt werden müssen. Der Kreditnehmer wird das geschaffene Potenzial mindestens so weit ausnutzen, bis er die Kosten des Kredites begleichen kann.55

Im nachfolgenden zweiten Teil dieses Abschnittes werden die Vorgehensweise und das Ergebnis der Arbeit „Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level“ geschildert. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Darstellung der Region AFR- E:56 “The aim of this study was to estimate the economic costs and benefits of a range of selected interventions to improve water and sanitation services, with results resented for 17 WHO sub-regions and at the global level .”57

Hierzu wurden fünf Interventionsgruppen erstellt, die sich in ihrem jeweiligen Wirkungsgrad und in der Anzahl der erreichten Personen unterscheiden.

Intervention 1 umfasst die Verbesserungen, die notwendig wären, um die Millennium Development Goals (MDG) im Bereich der Wasserversorgung erfüllen zu können. Bezogen auf die erreichte Zielgruppe bedeutet dies eine bis zum Jahre 2015 realisierte Halbierung der Zahl derer, die keinen Zugang zu einer adäquaten Wasserversorgung haben.

Intervention 2 erweitert die Zielvorgaben der ersten Intervention um eine Halbierung der Anzahl derer, denen bis zum Jahre 2015 keine entsprechenden Sanitäreinrichtungen zur Verfügung stehen.

Ziel der Intervention 3 ist eine Verbesserung des Zugangs zu „improved water and santition“58 für alle. Intervention 4 ergänzt diese um eine Vor-Ort-Desinfektion, und Intervention 5 umfasst einen Wasser- und Abwasseranschluss für nahezu alle Haushalte.59

Die anfallenden Kosten der verschiedenen Interventionen wurden anhand des „Global Water Supply and Sanitation Assessment 2000 Report“ errechnet.60 Die anschließende Kalkulation des Nutzens basiert auf folgenden sieben Faktoren:

“(1) Health sector benefit due to avoided illness
(2) Patient expenses avoided due to avoided illness
(3) Value of deaths avoided
(4) Value of time savings due to access to water and sanitation
(5) Value of productive days gained of those with avoided illness
(6) Value of days of school attendance gained of those with avoided illness
(7) Value of child days gained of those with avoided illness”61

Abbildung 3 illustriert die errechneten Werte.62

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Gesamtgesellschaftlicher Nutzen

Quelle: eigene Darstellung nach Hutton, Guy und Haller, Laurence: Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level, 2004, http://www.who.int/ entity/water_sanitation_health/wsh0404.pdf (abgerufen am 03.04.2007)

Der errechnete Nutzen für die Region AFR-E liegt zwischen 3.084 Millionen US-Dollar für Intervention 1 bis hin zu 58.993 Millionen US-Dollar für Intervention 5. Die WHO-Studie geht noch einen Schritt weiter und setzt den errechneten Nutzen ins Verhältnis zu den erwarteten Kosten, wie Abbildung 4 veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Nutzen-Kosten-Relation

Quelle: eigene Darstellung nach Hutton, Guy und Haller, Laurence: Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level, 2004, http://www.who.int/ entity/water_sanitation_health/wsh0404.pdf (abgerufen am 03.04.2007)

”The most important finding is that in all regions and for all five interventions, the cost-benefit ratio (CBR) is significantly greater than 1.”63 Dies bedeutet, dass alle Interventionen einen positiven Beitrag leisten und somit aus ökonomischer Sicht sinnvoll wären. Selbst wenn die Nutzen stiftenden Faktoren einzig auf die Zeitersparnis reduziert werden, bleiben alle Interventionen positiv. Hierbei ergibt sich für Intervention 4 ein Verhältnis von Nutzen zu Kosten von 8,48.64

Dieses relativ positive Bild wird jedoch durch einige Annahmen, die dieser Studie zugrunde liegen, getrübt. Zur Berechnung des Wertes der gewonnenen Zeit wurde der jeweilige Mindestlohn herangezogen.65 Inwieweit in den entsprechenden Ländern der Mindestlohn realistisch ist und ob dieser dort überhaupt Anwendung findet, wurde nicht überprüft. Diesen Kritikpunkt unterstützt auch folgende Aussage:

”Asthana (1997)66, for example, conducted a contingent valuation study of rural Indian households in which the female head must often carry water form distant standpipes and communal wells. Asthana found that theses households place a high value on improved

provision of water supplies, stating that, ‘on the average, the amount that they are willing to pay for saving in time is equal to half the wage for unskilled rural labour’.”67

Der Nutzen aus vermiedenen Todesfällen basiert auf dem möglichen zukünftigen Einkommen, das sich wiederum aus den Mindestlöhnen errechnet. Dies ist in zweierlei Hinsicht problematisch, zum einen wegen der eben angesprochenen Problematik der Mindestlöhne, und zum anderen stehen diesem Einkommen auch Kosten für die Lebenshaltung gegenüber.68

Grundsätzlich ergeben sich aus der Form von Kosten und Nutzen Schwierigkeiten:

”On the cost side, the costs are very tangible, requiring financial and time input upfront for the interventions to be put in place. On the benefit side, however, many of the benefits are not highly tangible, in that the benefits do not bring immediate money ‘in the hand’. The benefits involve possible money savings from less health service use, accruing to both the health sector and the patient. The reduced number of days spent ill can lead to direct economic benefits, such as more time spent on income earning activities, or to other benefits such as more leisure time or more time spent at school, which do not have immediate economic implications.“69

Trotz der erwähnten Kritikpunkte kann anhand der gewonnenen Daten ungefähr die Obergrenze für entsprechende Projekte in den jeweiligen Regionen berechnet werden.

3.3 Betrachtung des individuellen Wertes einer Wasserversorgung

Aus den in Kapitel 3.2 erzielten Daten lässt sich durch die Division mit der Anzahl der Nutznießer70 der individuelle Wert der verschiedenen Interventionen errechnen. Die Ergebnisse illustriert Abbildung 5.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Kosten und Nutzen bezogen auf einen Nutznießer

Quelle: eigene Darstellung nach Hutton, Guy und Haller, Laurence: Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level, 2004, http://www.who.int/ entity/water_sanitation_health/wsh0404.pdf (abgerufen am 03.04.2007)

Aus zwei Gründen scheint es jedoch sinnvoll, bei der Berechnung des individuellen Nutzens die Datengrundlage anzupassen. Zum einen werden manche Kosten von Individuen nicht oder nicht im vollen Umfang erfasst oder getragen. Zum anderen liegen die erwarteten Nutzenwerte außerhalb des persönlichen Betrachtungszeitraums und -bereichs und fließen somit nicht in eine persönliche Rechnung mit ein.

Deshalb wird nachfolgend die Datengrundlage modifiziert und eine erneute Berechnung angestellt. Zum besseren Verständnis der vorgenommenen Anpassungen werden diese in Abbildung 6 verdeutlicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Vorgenommene Anpassungen

Quelle: eigene Darstellung nach Hutton, Guy und Haller, Laurence: Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level, 2004, http://www.who.int/ entity/water_sanitation_health/wsh0404.pdf (abgerufen am 03.04.2007)

Die Wertfaktoren 1 (Health sector benefits due to avoided illness) und 2 (Patient expenses avoided due to avoided illness) werden weiterhin in die Berechnung mit einbezogen. Dies scheint sinnvoll, da auch bei einem staatlichen Gesundheitssystem der Einzelne einen Beitrag leisten muss und somit dem Nutznießer Kosten entstehen. Der Beitrag würde sich reduzieren, wenn die allgemeinen Behandlungskosten gesenkt werden könnten, dies ist aber nur im geringen Maße vom Einzelnen abhängig. Es ergibt sich eine klassische Trittbrettfahrersituation.

Der Zusammenhang zwischen Behandlung und Kosten wird offensichtlicher, wenn ein staatliches Gesundheitssystem fehlt oder der Nutznießer nicht darin eingebunden ist, denn in dieser Situation müssen alle anfallenden Kosten direkt vom Individuum getragen werden. An dieser Stelle kann argumentiert werden, dass sich Menschen in unterentwickelten Regionen keine Behandlung leisten können. Dieses Argument trifft teilweise zu, doch auch im Falle einer Nichtbehandlung entstehen Kosten. Die Zeit der Genesung verlängert sich, und es können Spätfolgen auftreten. Somit erscheint es sinnvoll, die Faktoren 1 und 2 in eine Kalkulation mit einzubeziehen.

Anders gestaltet sich dies bei Faktor 3 (Value of deaths avoided). Das lässt sich einerseits mit der angesprochenen Problematik bei der Berechnung dieses Faktors begründen, andererseits liegt der Nutzen zu weit in der Zukunft. Die meisten Nutznießer werden einen solchen „hypothetischen“ Wert außer Acht lassen.

Die Faktoren 4 (Value of time savings due to access to water and sanitation) und 5 (Value of productive days gained of those with avoided illness) werden weiterhin zur Berechnung herangezogen. Dies ist sinnvoll, da beide Faktoren für den Nutznießer naheliegend und plausibel sind. Die Zeitersparnis entsteht unmittelbar ab dem Zeitpunkt, an dem die entsprechenden Interventionen implementiert sind.

Demgegenüber wird die Kalkulation um die Faktoren 6 (Value of days of school attendance gained of those with avoided illness) und 7 (Value of child days gained of those with avoided illness) gemindert, da beide Faktoren auf Basis des Mindestlohns berechnet wurden.71

Des Weiteren setzt Faktor 6 ein funktionierendes Schulsystem voraus, und der erwartete Nutzen liegt zu weit in der Zukunft, als dass ein Individuum diesem Wert Bedeutung beimisst. Letzteres gilt auch für Faktor 7.

Dementsprechend wird die Kalkulation des Nutzens um die Faktoren 3, 6 und 7 gemindert, womit jedoch nicht in Abrede gestellt werden soll, dass diese Faktoren bei einer gesamtgesellschaftlichen Betrachtung, wie sie die WHO unternommen hat, sinnvoll sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Kosten und Nutzen bezogen auf einen Nutznießer nach den Anpassungen Quelle: eigene Darstellung nach Hutton, Guy und Haller, Laurence: Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level, 2004, http://www.who.int/ entity/water_sanitation_health/wsh0404.pdf (abgerufen am 03.04.2007)

Aus der Rechnung in Abbildung 7 ergibt sich eine Schwankung des individuellen Nutzens zwischen 18,51 US-Dollar für Intervention 1 bis hin zu 93,23 US-Dollar für Intervention 5. Die Kosten liegen zwischen 2,31 US-Dollar für Intervention 1 und 25,37 US-Dollar für Intervention 5. Abbildung 8 veranschaulicht die Zusammensetzung des individuellen Nutzens.72

[...]


1 Vgl. United Nations Development Programme (Hrsg.): Human Development Report 2006, 2006, S. 2 ff., http://hdr.undp.org/hdr2006/pdfs/report/HDR06-complete.pdf (abgerufen am 28.04.2007).

2 Ebd., S. 7.

3 Prahalad, Coimbatore Krishnarao: Der Reichtum der Dritten Welt, 2006.

4 Vgl. Prahalad, Coimbatore Krishnarao: Der Reichtum der Dritten Welt, 2006, S. 239.

5 Vgl. ebd., S. 363 ff.

6 „Bottom of Pyramid, BOP. Die Verteilung des Wohlstands und die Möglichkeit, Einkommen zu generieren, lassen sich grafisch am anschaulichsten in Form einer Pyramide darstellen. An der Spitze der Pyramide stehen die Reichen, die über zahlreiche Möglichkeiten verfügen, hohe Einkommen zu generieren. Mehr als vier Milliarden Menschen stellen den Sockel dar – Menschen, die mit weniger als zwei US-Dollar am Tag auskommen müssen.“ Ebd., S. 11.

7 Ebd., S. 11 f.

8 Vgl. Yunus, Muhammad: Banker to the Poor, 1997.

9 ACCION International, 2005, http://www.accion.org/micro_glossary.asp#m (abgerufen am 11.08.2007).

10 UN Department of Public Information, UN Capital Development Fund and UN Department of Economic and Social Affairs (Hrsg.): Microfinance and Microcredit, 2004, S. 2, http://www.yearofmicrocredit.org/docs/MicrocreditBrochure_eng.pdf (abgerufen am 11.08.2007).

11 The Global Development Research Center: Calmeadow's Microfinance Reference Guide, 2007,
http://www.gdrc.org/icm/calmeadow-kbdef.html (abgerufen am 11.08.2007).
12 Ebd.
13 ACCION International, 2005, http://www.accion.org/micro_glossary.asp#m (abgerufen am 11.08.2007).

14 “A part of the field of microfinance, microcredit is the provision of credit services to low-income entrepreneurs. Microcredit can also refer to the actual microloan.” ACCION International, 2005, http://www.accion.org/micro_glossary.asp#m (abgerufen am 11.08.2007).

15 “Microsavings are deposit services that allow one to store small amounts of money for future use. Often without minimum balance requirements, savings accounts allow households to save in order to meet unexpected expenses and plan for future investments.” UN Department of Public Information, UN Capital Development Fund and UN Department of Economic and Social Affairs (Hrsg.): Microfinance and Microcredit, 2004, S. 2, http://www.yearofmicrocredit.org/ docs/MicrocreditBrochure_eng.pdf (abgerufen am 11.08.2007).

16 “Microinsurance is a system by which people, businesses and other organizations make a payment to share risk. Access to insurance enables entrepreneurs to concentrate more on developing their businesses while mitigating other risks affecting property, health or the ability to work.” Ebd.

17 UN Department of Public Information, UN Capital Development Fund and UN Department of Economic and Social Affairs (Hrsg.): Microfinance and Microcredit, 2004, S. 2, http://www.yearofmicrocredit.org/docs/MicrocreditBrochure_eng.pdf (abgerufen am 11.08.2007).

18 Laut Weltbank zählt ein Mensch zu den Ärmsten der Armen, wenn er weniger als einen USDollar pro Tag zur Verfügung hat. Vgl. The World Bank: Quick Reference Tables, 2007, http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/DATASTATISTICS/0,,contentMDK:20399244~m enuPK:1504474~pagePK:64133150~piPK:64133175~theSitePK:239419,00.html (abgerufen am 20.08.2007).

19 Einen Überblick über die Kunden verschiedener Mikrofinanzierungsinstitutionen bietet: CGAP, Microfinance and Risk Management: A Client Perspective, 2000, S. 2, http://www.cgap.org/portal/binary/com.epicentric.contentmanagement.servlet.ContentDeliverySe rvlet/Documents/FocusNote_17.pdf (abgerufen am 05.08.2007)

20 The Global Development Research Center, 2007, http://www.gdrc.org/icm/glossary/index.html#S (abgerufen am 11.08.2007). 21 ACCION International, 2005, http://www.accion.org/micro_glossary.asp#m (abgerufen am 11.08.2007).

22 „Trinkwasser, für den menschlichen Genuss und Gebrauch geeignetes Wasser.“ Meyers Lexikon online, 2007, http://lexikon.meyers.de/meyers/Trinkwasser (abgerufen am 11.08.2007). Für eine ausführliche Betrachtung des Themas Trinkwasser siehe: World Health Organization (Hrsg.): Guidelines for Drinking-water Quality, 2006, http://www.who.int/water_sanitation_health/dwq/ gdwq0506.pdf (abgerufen am 11.08.2007).

23 Ledgerwood, Joanna: Microfinance Handbook – An Institutional and Financial Perspective, 1998.

24 Armendariz de Aghion, Beatriz und Morduch, Jonathan: The Economics of Microfinance, 2005.

25 Serageldin, Mona/ Kim, Suzanne und Wahba, Sameh: Decentralization and Urban Infrastructure Management Capacity, 2000, S. 22 f., http://www.gsd.harvard.edu/research/research_centers/ cuds/decentralization_paper/decentralization.pdf (abgerufen am 11.04.2007).

26 The Center for Urban Development Studies und Harvard University Graduate School of Design (Hrsg.): Housing Microfinance Initiatives, 2000, S. 120 f., http://www.microfinancegateway.org/ files/1742_01742.pdf (abgerufen am 27.04.2007).

27 Piekenbrock, Dirk: Gabler Kompakt-Lexikon Volkswirtschaft, 2002, S. 159.

28 Eine genauere Darstellung und Diskussion des Themas Homo Oeconomicus findet sich in Endres, Alfred und Martiensen, Jörn: Mikroökonomik, 2007, S. 6 ff.

29 Samuelson, Paul A. und Nordhaus, William D.: Volkswirtschaftslehre 1, 1987, S. 633.

30 Samuelson, Paul A. und Nordhaus, William D.: Volkswirtschaftslehre 1, 1987, S. 634.

31 Piekenbrock, Dirk: Gabler Kompakt-Lexikon Volkswirtschaft, 2002, S. 250.

32 Vgl. Endres, Alfred und Martiensen, Jörn: Mikroökonomik, 2007, S. 739 ff.

33 Vgl. Endres, Alfred und Martiensen, Jörn: Mikroökonomik, 2007, S. 794.

34 Piekenbrock, Dirk: Gabler Kompakt-Lexikon Volkswirtschaft, 2002, S. 274.

35 Endres, Alfred und Martiensen, Jörn: Mikroökonomik, 2007, S. 865.

36 Hutton, Guy und Haller, Laurence: Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation

Improvements at the Global Level, 2004, http://www.who.int/entity/water_sanitation_health/ wsh0404.pdf (abgerufen am 03.04.2007).

37 Hutton, Guy und Haller, Laurence: Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level, 2004, http://www.who.int/entity/water_sanitation_health/ wsh0404.pdf (abgerufen am 03.04.2007).

38 World Health Organization und United Nations International Children’s Emergency Fund (Hrsg.): Global Water Supply and Sanitation Assessment 2000 Report, 2000, http://www.who.int/entity/ water_sanitation_health/monitoring/jmp2000.pdf (abgerufen am 03.04.2007).

39 Die Zahlen aus der Arbeit „Global Water Supply and Sanitation Assessment 2000 Report“ werden der Vollständigkeit halber mit dargestellt.

40„Der homo oeconomicus ist sicherlich kein umfassendes, sondern nur ein partielles Menschenbild.“ Guckelsberger, Ulli.: Das Menschenbild in der Ökonomie, 2005, S. 3, http://web.fh- ludwigshafen.de/fb2/guckelsberger.nsf/Files/1D61686B4BEEC666C1256F9E00412045/$FILE/D er%20Homo%20oeconomicus.doc (abgerufen am 3.05.2007).

„Die beschreibende Wirtschaftswissenschaft braucht einen Handlungsbegriff, um menschliche Verhaltensweisen in die Theorie einzuführen. Dieser sollte möglichst breit definiert sein, um alle Handlungsmöglichkeiten erfassen und umfassen zu können. Er darf also kein eigentliches ‚Menschenbild’ zugrundelegen, das bestimmte denkbare Verhaltensweisen oder Selbstentwürfe des Menschen von vornherein ausschließen würde. Die Denkfigur, die diesen Minimalanforderungen entspricht, innerhalb der ökonomischen Theorie den handelnden Menschen zu vertreten, sei ‚homo oeconomicus’ genannt.“ Kerber, Walter: Homo oeconomicus – Zur Rechtfertigung eines umstrittenen Begriffs, 1987, S. 58.

41 Diese Annahme entspricht nicht ganz der Realität, vereinfacht aber die Bearbeitung.

42 Zu beachten ist, dass sich eventuelle Subventionen negativ auf die Kosten bzw. positiv auf den Nutzen auswirken und somit die Wertschätzung des Nutznießers erhöhen.

44 Hutton, Guy und Haller, Laurence: Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level, 2004, S. 14, http://www.who.int/entity/water_sanitation_ health/wsh0404.pdf (abgerufen am 03.04.2007).

45 Vgl. DGVN (Hrsg.): Bericht über die menschliche Entwicklung 2006, 2006, S. 59.

46 Dies ist keine allumfassende Darstellung vermeidbarer Kosten, sondern eine Eingrenzung auf die gravierendsten Faktoren, die durch eine elementare Wasserversorgung beeinflusst werden.

47 Prahalad, Coimbatore Krishnarao: Der Reichtum der Dritten Welt, 2006, S. 31.

48 DGVN (Hrsg.): Bericht über die menschliche Entwicklung 2006, 2006, S. 67.

49 Vgl. David, Christina C.: Urban Water Pricing, 2000, http://dirp4.pids.gov.ph/ris/pdf/pidspn 0009.PDF (abgerufen am 03.05.2007).

50 Cenoweth, Jonathan und Bird, Juliet: The Business of Water and Sustainable Development, 2005, S. 35.

51 DGVN (Hrsg.): Bericht über die menschliche Entwicklung 2006, 2006, S. 47.

52 Eine höhere Arbeitsproduktivität wirkt sich allgemein auf die Arbeitszeit aus.

53 The Center for Urban Development Studies und Harvard University Graduate School of Design (Hrsg.): Housing Microfinance Initiatives, 2000, S. 46, http://www.microfinancegateway.org/files/ 1742_01742.pdf (abgerufen am 27.04.2007).

54 Interview vom 14.05.2007 mit Herrn Harbach und Herrn Prof. Rudolph.

55 Da einkommensschwache Menschen ökonomisch aktiv sind, haben sie durchaus die Möglichkeiten dazu.

56 Die Region AFR-E umfasst folgende Staaten: „Botswana, Burundi, Central African Republic, Congo, Côte d'Ivoire, Democratic Republic Of The Congo, Eritrea, Ethiopia, Kenya, Lesotho, Malawi, Mozambique, Namibia, Rwanda, South Africa, Swaziland, Uganda, United Republic of Tanzania, Zambia, Zimbabwe“. Hutton, Guy und Haller, Laurence: Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level, 2004, S. 45, http://www.who.int/entity/water_sanitation_health/wsh0404.pdf (abgerufen am 03.04.2007).

57 Ebd., S. 3.

58 Eine genaue Erläuterung des Begriffs „improved water and sanitation“ findet sich in Anhang 1.

59 Vgl. Hutton, Guy und Haller, Laurence: Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level, 2004, S. 3, http://www.who.int/entity/water_ sanitation_health/wsh0404.pdf (abgerufen am 03.04.2007). Genauere Ausführungen zu den verschiedenen Interventionsgruppen finden sich auf Seite 9.

60 Vgl. ebd., S. 9.

61 Ebd., S. 23.

62 Die Werte 6 und 7 (vgl. Abbildung 3) werden in der Studie nicht in monetärer Form ausgewiesen, fließen jedoch in die Gesamtrechnung mit ein. Deshalb werden sie durch den Abzug der Werte 1, 2, 3, 4 und 5 vom Gesamtergebnis errechnet.

63 Hutton, Guy und Haller, Laurence: Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level, 2004, S. 35, http://www.who.int/entity/water_sanitation_ health/wsh0404.pdf (abgerufen am 03.04.2007).

64 Vgl. ebd., S. 65.

65 Vgl. ebd., S. 30.

66 Vgl. Asthana, Anand N.: Where the Water is Free but the Buckets are Empty, 1997, S. 147.

67 Cenoweth, Jonathan und Bird, Juliet: The Business of Water and Sustainable Development, 2005, S. 25.

68 Vgl. Hutton, Guy und Haller, Laurence: Evaluation of the Costs and Benefits of Water and Sanitation Improvements at the Global Level, 2004, S. 33, http://www.who.int/entity/water_ sanitation_health/wsh0404.pdf (abgerufen am 03.04.2007).

69 Vgl. ebd., S. 39.

70 Eine Tabelle mit der Anzahl der Nutznießer der jeweiligen Intervention findet sich in Anhang 2.

71 Diese Problematik wurde in Kapitel 3.2 behandelt.

72 Dies gilt für die Region AFR-E.

Ende der Leseprobe aus 159 Seiten

Details

Titel
Konzeptionelle Überlegungen zur Mikrofinanzierung von Wasserversorgungsanlagen in unterentwickelten Regionen
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
159
Katalognummer
V127842
ISBN (eBook)
9783640348411
ISBN (Buch)
9783640347926
Dateigröße
2322 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mikrofinanzierung, Microfinance, Wasserversorgung, micro credit, Wasser, water, Mikrokredit, Entwicklungsland, Entwicklungslaender, Kleinstkredit
Arbeit zitieren
Matthias Roedl (Autor:in), 2007, Konzeptionelle Überlegungen zur Mikrofinanzierung von Wasserversorgungsanlagen in unterentwickelten Regionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127842

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