Blauäugig? Darstellung und Kritik des Antirassismus-Trainings „Blue Eyed“ (Jane Elliott)


Hausarbeit, 2007

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Entstehung und Entwicklung des Antirassismus-Trainings Blue Eyed

2. Darstellung eines typischen Blue Eyed – Trainingsablaufs
2.1. Die Vorbereitungsphase
2.2. Die Trainingsphase

3. Implizite theoretische Grundlagen und Vorannahmen Jane Elliotts
3.1. Die implizite Rassismus-Definition Jane Elliotts
3.2. Persönliche Erfahrung mit Rassismus: Moral und Ethik
3.3. Pädagogische Erfahrungen als Lehrerin: Selbsterfahrung und autoritäre Techniken
3.4. Rassismus als konditionierte Verhaltensweise
3.5. Fazit: Der Antirassismus-Prozess nach Jane Elliott

4. Kritische Würdigung des Blue Eyed - Trainings
4.1. Konsequenzen der Rassismuskonzeptualisierung Jane Elliotts: Opfer-Täter-Dichotomie
4.2. Moralität als Argument
4.3. Starre Konzepte und autoritäre Techniken
4.4. Unzulängliche Vereinfachung der Komplexität von Rassismus
4.5. Fehlende Handlungsperspektiven
4.6. Resümee

Literaturverzeichnis

Einleitung

“Es gibt keinen genetischen Code für Rassismus. Das ist anerzogen und erlernt.

Und alles was erlernt wird, kann auch wieder verlernt werden.“[1]

(Jane Elliott, Gründerin des Antirassismus-Trainings Blue Eyed)

Am 1. März 2007 soll ein Bericht der Europäischen Grundrechteagentur zum Rassismus in Europa veröffentlicht werden. Die Ergebnisse, die bisher an die Öffentlichkeit gedrungen sind, sind erschreckend: „Rassismus in Europa nimmt deutlich zu.“[2] Laut EU-Justizkommissar Franco Frattini ist ein Anstieg fremdenfeindlicher Vorfällen um 25 – 40 Prozent im vergangenen Jahr zu verzeichnen.

Eine aktive Bekämpfung der vielfältigen Formen von Rassismus scheint vor diesem Hintergrund dringend erforderlich und der Ruf nach effektiven Trainings wird laut.

Im Folgenden soll genauer untersucht werden, welches Antirassismus-Konzept sich hinter dem populären Blue Eyed – Training verbirgt und ob die zu erwartenden Ergebnisse des Trainings, welche durch die optimistische Überzeugung Jane Elliotts („Und alles was erlernt wird, kann auch wieder verlernt werden.“) nahe gelegt werden, sich bewahrheiten.

Nach einem kurzen Aufriss der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Blue Eyed – Trainings, soll ein typischer Ablauf der Blauäugig / Braunäugig – Übung dargestellt werden, der sich am Dokumentationsfilm „Blue Eyed“ (1996) orientiert. Das Kernstück der vorliegenden Arbeit werden die Erarbeitung der impliziten theoretischen Grundlagen und Vorannahmen Jane Elliotts und eine darauf aufbauende Kritik darstellen.

Im Unterschied zu anderen kritischen Auseinandersetzungen mit dem Blue Eyed-Training soll mit Hilfe einer “reflexiven” Methode in dieser Arbeit die Frage beantwortet werden, inwieweit die Konzeption und Vorgehensweise des Blue Eyed – Training durch die Berücksichtigung der historischen und persönlichen Hintergründe Jane Elliotts, sowie ihrer impliziten theoretischen Grundlagen und Vorannahmen verständlich wird, und inwieweit trotz der Berücksichtigung dieser Vorüberlegungen die vielfältig geäußerte Kritik am Blue Eyed – Training ihre Berechtigung hat. In diesem Zusammenhang werden zentrale, ausgewählte Kritikpunkte aufgezeigt, die allerdings nicht die Bandbreite der Kritik abdecken.

1. Entstehung und Entwicklung des Antirassismus-Trainings Blue Eyed

Der direkte Auslöser für die Entwicklung des Blue Eyed -Workshops war die Ermordung des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King im Jahre 1968. Jane Elliott arbeitete zu dieser Zeit als Grundschullehrerin in Riceville (Iowa) und war vor die Herausforderung gestellt, mit ihren ausschließlich weißen, christlichen Schülern, die in einer weiß-dominierten Gesellschaft ohne jeglichen Kontakt zu Menschen anderer Hautfarbe, ohne jegliches Bewusstsein für die gravierenden, negativen Auswirkungen des Rassismus für die schwarze Bevölkerung in den Vereinigten Staaten, diese rassistisch motivierte Tat angemessen zu besprechen und aufzuarbeiten.

Die Blue Eyed/Brown Eyed-Übung, die sie in diesem Zusammenhang entwickelte, beruht auf der willkürlichen Einteilung in eine privilegierte (Brown Eyed) und eine diskriminierte Gruppe (Blue Eyed) und soll die Grundzüge rassistischer Verhaltensweisen nachvollziehbar machen: die blauäugigen Kindern wurden lediglich aufgrund dieses unveränderlichen physiologischen Merkmals für minderwertig, weniger leistungsfähig und somit als den braunäugigen Kindern geistig und körperlich unterlegen erklärt. Um die Diskriminierten äußerlich eindeutig zu stigmatisieren, mussten die blauäugigen Kinder als zusätzliche Schikane Stoffkrägen tragen.

Nahezu ungeachtet ihrer individuellen Charakterzüge, der Stellung innerhalb der Gruppe und sonstiger interpersoneller Unterschiede, nahmen die Kinder entsprechend ihrer jeweiligen Rolle (Diskriminierer vs. Diskriminierter) beinahe automatisch die entsprechenden Verhaltensweisen (Arroganz vs. Unterwürfigkeit) an und bestätigten somit die bestehenden Vorurteile. Die Ergebnisse dieser Übung in einer Gruppe lernbehinderter Kinder beschreibt Jane Elliott folgendermaßen: "(…) Die Braunäugigen konnten plötzlich Wörter buchstabieren, die sie nie vorher buchstabieren konnten. Andererseits hatte ich ein sehr cleveres Mädchen, das sehr gut multiplizieren konnte. Als die Blauäugigen in die Position der Unterlegenen kamen, fing sie an zu stottern und konnte nicht mehr rechnen. Und die Übung dauerte gerade mal zwei Stunden!"[3]

Trotz massiver Anfeindungen und vehementer Kritik gegen ihr Antirassismus-Training setzte Jane Elliott ihre Arbeit in den folgenden 20 Jahren in verschiedenen Schulen fort und weitete ihr Projekt ab Mitte der 80er Jahre auf Erwachsenengruppen in Firmen und staatlichen Einrichtungen aus, wobei das Training in den wesentlichen Punkten unverändert blieb.

Eine neue Perspektive auf das Training ergab sich durch die Verfilmung eines Workshops: unter dem Titel “Blue Eyed / Blauäugig” besteht seit 1996 nun auch die Möglichkeit, ohne aktive Teilnahme an einem Workshop Einblick in die Arbeit Jane Elliotts zu erhalten. Der Film ist dabei kein objektiver Informant, sondern stellt sich vollkommen in den Dienst der Arbeit Jane Elliotts.

Die Verbreitung der Blue Eyed- / Brown Eyed – Methode in Europa hat erst 1996 im Zusammenhang mit der “Internationalen Woche gegen Rassismus” in den Niederlanden begonnen. Nach und nach wurden immer mehr Trainer/innen ausgebildet, die die Arbeit Jane Elliotts als Multiplikatoren in Europa fortführen. Unter der Leitung von Jürgen Schlicher koordiniert der 1997 gegründete Verein “eyetoeye e.V.” (i2i) die Trainings in Deutschland und sorgt darüber hinaus mit umfangreichem Informationsmaterial für eine breite Öffentlichkeitsarbeit.[4] Der Verein “eyetoeye” (i2i), der sich in der Tradition Jane Elliotts sieht, hat das Training in seinen Grundzügen übernommen, jedoch einige wesentliche Modifikationen (u.a. intensivere Auswertungsphase) vorgenommen (vgl. 4.5.).

2. Darstellung eines typischen Blue Eyed – Trainingsablaufs

Wie oben beschrieben gibt es mehrere Versionen des Blue Eyed - Trainings. Der unten dargestellte Trainingsverlauf stellt einen typischen Verlauf dar, wie er u.a. im Film „Blue Eyed“ zu sehen ist.[5]

2.1. Die Vorbereitungsphase

Aufgrund ihrer Augenfarbe werden die Teilnehmer zu Beginn in zwei Gruppen eingeteilt: die Braunäugigen und die Blauäugigen. Schon an dieser Stelle beginnt die Ungleichbehandlung: die Blauäugigen müssen als sichtbares Zeichen ihrer Andersartigkeit eine grüne Halskrause tragen und werden ohne Erklärung isoliert von den anderen in einen engen, stickigen Raum gebracht, in dem sie ohne weitere Erklärungen ausharren müssen.

In dieser Zeit bereitet der Trainer die Braunäugigen vor, die zuvor freundlich begrüßt und in einen separaten Raum gebracht worden sind. Die Stühle sind so aufgebaut, dass die Braunäugigen sich auf parallel angeordneten Stuhlreihen gegenüber sitzen, während die Stühle in der Mitte für die Blauäugigen frei bleiben. Der Trainer leitet die Braunäugigen zu kooperativem Verhalten an und erklärt ihnen, wie sie sich gegenüber den Blauäugigen zu verhalten haben: sie sollen ihnen ohne Mitleid, mit Verachtung begegnen und grundsätzlich ihre Erwartungen bezüglich der Blauäugigen sehr niedrig halten. Den Braunäugigen wird also die Rolle der dominierenden gesellschaftlichen Gruppe zugewiesen.

2.2. Die Trainingsphase

Die Blauäugigen werden erst nach dieser Vorbereitungsphase hereingeholt und müssen sich auf die wenigen Stühlen verteilen bzw. auf dem Boden, also einer a priori unterwürfigen Position, Platz nehmen. Sie sitzen in der Mitte des Raumes, im schmalen Stuhlspalier von Braunäugigen umgeben. Von Anfang an verhält sich der Trainer autoritär und bestimmend gegenüber den Blauäugigen: er stellt widersprüchliche Regeln auf, die er beliebig ändert; er maßregelt und demütigt die Blauäugigen, macht sie lächerlich, demonstriert ihre Unfähigkeit und spielt seine Machtposition zu jeder Zeit aus. Diese Behandlung soll laut Jane Elliott vergleichbar sein mit der ungerechten Behandlung, die soziale Minderheiten und mit negativen Vorurteilen besetzte gesellschaftliche Gruppen in unserer Gesellschaft erfahren.

Das Verhalten der Blauäugigen in dieser enormen Druck- und Stresssituation entspricht im Sinne einer Sich–Selbst-Erfüllenden-Prophezeiung den vorher entwickelten Stereotypen.

Protest oder Widerstand von Seiten der Teilnehmer wird durch die Workshop-Leitung schon im Keim erstickt und moralisch sanktioniert. Regelmäßig und für die Teilnehmer nicht zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar wechselt der Trainer dabei auf eine Metaebene, erklärt das Geschehene und verweist auf Parallelen in der Realität.

[...]


[1] Elliott in: http://www.eyetoeye.org/

[2] Süddeutsche Zeitung vom 21. Februar 2007

[3] Elliott in: http://www.eyetoeye.org/de/konzept/interview.shtml

[4] vgl. Internetauftritt des Vereins „eyetoeye“: http://www.eyetoeye.org/

[5] Für die allgemeine Beschreibung eines typischen Trainingsablaufs wurde für den Trainer die maskuline Form gewählt, sie gilt in gleicher Weise für weibliche Trainerinnen.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Blauäugig? Darstellung und Kritik des Antirassismus-Trainings „Blue Eyed“ (Jane Elliott)
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Seminar "Interdisziplinäre Sichtweisen auf Rassismus"
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V127828
ISBN (eBook)
9783640342778
ISBN (Buch)
9783640342570
Dateigröße
501 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Blauäugig, Darstellung, Kritik, Antirassismus, Trainings, Eyed“, Elliott)
Arbeit zitieren
Franziska Roßmann (Autor:in), 2007, Blauäugig? Darstellung und Kritik des Antirassismus-Trainings „Blue Eyed“ (Jane Elliott), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127828

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