Synergetik in der Psychologie und Psychotherapie

Grundannahmen und Grundbegriffe der Psychologie und ihre Anwendung auf Psychologie und Psychotherapie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

34 Seiten, Note: 0,7


Leseprobe


Gliederung

1 Einführung in die Synergetik
1.1 Grundidee und historische Entwicklung der Synergetik
1.2 Synergetik als Theorie der Selbstorganisation
1.2.1 Begriffsdefinition und -abgrenzung
1.2.2 Voraussetzungen für Selbstorganisationsprozesse

2 Grundannahmen und Grundbegriffe der Synergetik
2.1 Hinführung zu den synergetischen Grundannahmen und Grundbegriffen
2.2 Darstellung synergetischer Grundannahmen und Grundbegriffe
2.2.1 System
2.2.2 Emergenz
2.2.3 Kontrollparameter
2.2.4 Instabilität und kritische Fluktuationen
2.2.5 Ordnungsparameter und Versklavungsprinzip
2.2.6 Zirkuläre Kausalität

3 Synergetik in der Psychotherapie
3.1 Transfer der Synergetik auf den Psychotherapieprozess
3.2 Prozessforschung: Methode zur Analyse therapeutischer Selbstorganisation
3.3 Verlaufsmerkmale therapeutischer Selbstorganisation
3.3.1 Reduktion von Freiheitsgraden im Therapieverlauf
3.3.2 Motivation als Kontrollparameter
3.3.3 Sicherheit und Stabilität im Therapieprozess
3.3.4 Kritische Fluktuationen als Kennzeichen von Ordnungsübergängen
3.3.5 Kairos – der sensible Therapiemoment
3.4 Implikationen für die Psychotherapie

4 Kritische Stellungnahme zur Bedeutung der Synergetik für die Psychologie

5 Literaturverzeichnis

6 Anhang

1 Einführung in die Synergetik

1.1 Grundidee und historische Entwicklung der Synergetik

Die Synergetik (griech. synergeĩn: zusammenarbeiten) beschäftigt sich mit dem Verhalten von Systemen, die aus vielen Elementen bestehen (z.B. Elektronen, Zellen, Menschen) und genauer mit dem Zusammenwirken der einzelnen Systemkomponenten.

Die Synergetik ist dabei als ein interdisziplinäres Forschungsgebiet auf der Suche nach gemeinsamen Eigenschaften dieses Zusammenwirkens sowie nach den zugrunde liegenden allgemeinen Gesetzmäßigkeiten. Die synergetische Grundidee ist, dass das Zusammenwirken der Elemente von nur einigen wenigen Prinzipien bestimmt wird (Haken, 1988a; Haken, 1999; Haken & Schiepek, 2006).

Die Geburtsstunde der „Lehre vom Zusammenwirken“ (Haken, 1971, zitiert in Haken, 1999) reicht zurück in das Jahr 1969, als der Physiker Hermann Haken unter dem Begriff Synergetik eine Wissenschaft auf der Suche nach universellen Gesetzmäßigkeiten für naturwissenschaftliche und gesellschaftliche Phänomene ins Leben rief. Seine ersten Forschungsarbeiten im Bereich der theoretischen Physik beschäftigten sich mit der Erklärung der Lichtemission des Lasers. Dem Pionierartikel „Synergetik - Die Lehre vom Zusammenwirken“ (Haken, 1971, zitiert in Haken, 1999) über die Grundgedanken der Synergetik, folgte ein erstes internationales Symposium[1], das Gelegenheit bot, die zugrunde liegenden Konzepte der Synergetik innerhalb der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zu diskutieren.

Die sich daraus entwickelnde, dem naturwissenschaftlichen Wissensverständnis nahe stehende Forschungsrichtung konnte in den folgenden Jahrzehnten die Theorie der Synergetik erfolgreich auf vielfältige sog. selbstorganisierende Phänomene in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen der Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften übertragen und anwenden. Dabei entstanden neben vielfältigen Theorien insbesondere im Bereich der Physik auch phänomenunabhängige mathematische Formalismen, die die Wirksamkeit der synergetischen Prinzipien mathematisch nachvollziehen. Durch Analogieschluss lassen sich die gefundenen Formeln mitunter auf verschiedene andere wissenschaftliche Disziplinen übertragen (u.a. Haken, 1973, zitiert in Honermann, 2002; Haken, 1988a).

1.2 Synergetik als Theorie der Selbstorganisation

1.2.1 Begriffsdefinition und –abgrenzung

Bisher wurde als zentraler Begriff Synergetik als „Lehre des Zusammenwirkens“ eingeführt. Es ist bereits ein weiterer, damit eng verknüpfter Begriff gefallen: Selbstorganisation. Synergetik kann definiert werden als eine elaborierte interdisziplinäre Selbstorganisationstheorie (Tschacher & Grawe, 1996). Diese Theorie beschreibt und erklärt das spontane Auftreten von Ordnungszuständen sowie Prozesse der Strukturbildung und des Strukturwandels in unterschiedlichen Systemen der belebten und unbelebten Natur. Selbstorganisation führt dazu, dass neue Strukturen ohne direkten steuernden Eingriff von außen entstehen. Grundlegend ist in diesem Zusammenhang die zunächst womöglich überraschende Annahme, dass den belebten und den unbelebten Systemen die gleichen Prinzipien zu Grunde liegen (Tschacher & Schiepek, 1997).

Der Begriff der Selbstorganisation, wie er innerhalb der Synergetik verstanden wird, muss deutlich abgegrenzt werden von Selbstorganisation als alltagsnahem bzw. populärwissenschaftlichem Begriff: Die Vorsilbe „Selbst-“ bezieht sich in der Theorie der Synergetik nicht auf „Selbst“ im Sinne von Selbstbewusstsein. Selbstorganisation meint dementsprechend nicht, dass Menschen ihr „Selbst“ und damit sich selbst organisieren. Selbstorganisation ist also kein intentionaler Akt und setzt weder Bewusstsein noch Selbstbewusstsein notwendigerweise voraus. Das Präfix „Selbst“ meint innerhalb der Synergetik die Rückbezüglichkeit (Selbstreferenz) der in einem System beteiligten Prozesse (Haken & Schiepek, 2006). Darüber hinaus impliziert der Terminus Selbstorganisation auch keine moralische Wertung: „Selbstorganisierte Phänomene sind zunächst weder gut noch schlecht – wir wollen sie einfach besser verstehen und näher kennen lernen. Dass es auch selbstorganisierte Strukturen und Prozesse gibt, die mit hoher intersubjektiver Übereinstimmung als ,schlecht‘ zu beurteilen sind, steht außer Frage.“ (Haken & Schiepek, 2006, S. 65).

Selbstorganisierende Phänomene zeigen sich in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen: die Strukturbildung von Flüssigkeiten, die von unten erhitzt werden (Konvektionsinstabilität), die Entstehung atmosphärischer Strukturen wie Wolkenformationen im Bereich der Physik, Regelmäßigkeiten und Ordnung bei chemischen Reaktionen, Wahrnehmung und Bewegungskoordination im Bereich der Biologie, qualitative Umschwünge in Wirtschaftszyklen sowie Gruppenbildungen im Bereich der Soziologie sind nur einige Beispiele, die Selbstorganisation phänomenologisch anschaulich werden lassen (u.a. Haken, 1988a; Haken & Schiepek, 2006; Mainzer, 1999).

Selbstorganisationstheorien, inklusive entsprechender empirischer Befunde, liegen inzwischen auch für unterschiedliche Bereiche menschlichen Wahrnehmens, Denkens und Verhaltens vor, u.a. zur Dynamik neuronaler Prozesse (z.B. Haken, 1996a, zitiert in Haken & Schiepek, 2006), zum Bereich der motorischen Koordination und zum Erlernen motorischer und kognitiver Fähigkeiten (z. B. Haken, 1988b; Kelso, 1995, zitiert in Haken & Schiepek, 2006), zur visuellen Wahrnehmung (z.B. Haken, 1988b; Haken & Schiepek, 2006) sowie zu Entscheidungsprozessen (z.B. Haken, 1996b, zitiert in Haken & Schiepek, 2006; Schiepek, 1999b).

1.2.2 Voraussetzungen für Selbstorganisationsprozesse

Um Selbstorganisation möglich werden zu lassen, muss ein System mehrere Voraussetzungen erfüllen (Schiepek et al., 2000; Tschacher & Schiepek, 1997):

(1) Dynamik und Wechselwirkung zwischen Systemelementen: Selbstorganisation tritt nur in veränderbaren Systemen auf, deren Elemente beweglich und variabel sind, nicht jedoch in Systemen mit starrer, statischer Struktur (z.B. Kristalle, rigide Gesellschaften). Zwischen den Systemelementen müssen zudem nicht lineare Wechselwirkungen bestehen.
(2) Offenheit: Das System muss gegenüber seiner Umwelt offene Grenzen aufweisen und so zugänglich sein für eine externe Zufuhr von Energie, Materie oder Information (sog. „thermodynamisches Ungleichgewicht“, vgl. Tschacher & Schiepek, 1997).
(3) Komplexität: Das System muss darüber hinaus aus vielen (miteinander in Wechselwirkung stehenden) Komponenten bestehen und viele Freiheitsgrade im Sinne von Möglichkeiten zur Veränderung des Systems haben, da nur dadurch Musterbildung im Sinne von Reduktion von Freiheitsgraden möglich wird.

2 Grundannahmen und Grundbegriffe der Synergetik

2.1 Hinführung zu den synergetischen Grundannahmen und Grundbegriffen

Ausgangspunkt für die Entwicklung der Synergetik und ihrer Grundkonzepte war die Lichtquelle Laser[2] (u.a. Haken, 1988a). Haken selbst bezeichnet die Auseinandersetzung mit den synergetischen Prinzipien des Lasers als den „Königsweg zur Synergetik“ (Haken, 1988a, S. 164).

Zunächst zur Funktionsweise des Lasers in Abgrenzung zu einer gewöhnlichen Lichtquelle: Bei einer normalen Lichtquelle werden unkoordinierte Lichtwellen ausgesendet. Bei höherer externer Aktivierungsstärke und damit stimulierter Ausstrahlung (Emission) wird dieser Zustand verlassen, die Lichtwellen koordinieren sich und es entsteht Laserlicht (s. Abb. 1).

Diese Ordnung der Lichtwellen wird dem Laser nicht etwa durch einen externen Steuerungsmechanismus oder ähnliches aufgezwungen, sondern sie entsteht durch Selbstorganisation. Der Laser erzeugt dabei von sich aus im Vergleich zu herkömmlichen Lichtquellen, wie z.B. der Sonne oder Glühbirnen, Licht einer ganz neuen Qualität. Das Licht des Lasers ist ein gebündelter, kaum divergierender Lichtstrahl nur einer Wellenlänge. Der Laser strahlt deswegen in genau einer Farbe. Das Licht einer Glühlampe hingegen setzt sich aus vielen verschiedenen Wellenlängen zusammen (Haken, 1988a; Haken & Schiepek, 2006).

Im Folgenden werden die Grundbegriffe der Synergetik anhand des Laser-Beispiels erläutert.

2.2 Darstellung synergetischer Grundannahmen und Grundbegriffe

2.2.1 System

Systeme sind definiert als konkrete oder abstrakte Objekte, die zum einen nach außen abgegrenzt sind, und zum anderen aus einzelnen Elementen bestehen. Charakteristisch für diese Elemente ist, dass sie nicht unabhängig voneinander sind, sondern aufeinander einwirken, d.h. in Wechselwirkung zueinander stehen. Die Synergetik befasst sich mit offenen und komplexen Systemen (vgl. 1.2.2) (Haken & Schiepek, 2006; Tschacher & Schiepek, 1997).

Die Grenze des Lasers entspricht der räumlichen Grenze des leuchtfähigen Materials, z.B. eines Rubinkristalls oder eines Leuchtgases. Die einzelnen Elemente des

Lasers sind die laseraktiven Atome im Kristall bzw. im Gas, die wiederum aus vielen Elektronen aufgebaut sind und sich gegenseitig beeinflussen. Dem Laser wird von außen durch eine externe Licht- bzw. Stromquelle Energie zugeführt und er strahlt dadurch selbst wieder Energie in Form des Laserlichts und in Form von Wärme ab. Es handelt sich also beim Laser um ein offenes und komplexes System (Haken, 1988a).

2.2.2 Emergenz

Unter Emergenz wird das Auftreten neuer Eigenschaften bzw. Qualitäten verstanden (Haken & Schiepek, 2006).

Wie oben geschrieben verhält sich der Laser bei niedriger Energiezufuhr wie eine gewöhnliche Lampe und emittiert ungeordnete Lichtwellen unterschiedlicher Wellenlängen. Bei einer Erhöhung der Energiezufuhr kommt es nun eben nicht zu einer quantitativen Intensivierung der Lichtemission, sondern zu einer qualitativen Veränderung. Das Laserlicht zeigt also emergente Eigenschaften (u.a. geordnete Lichtwellen gleicher Wellenlänge) (Haken, 1988a).

2.2.3 Kontrollparameter

Der Kontrollparameter steht für die Einwirkung der Umwelt auf das betrachtete System.

Er bestimmt die Randbedingungen des Ordnungsprozesses und steuert dadurch indirekt die Zustände eines Systems; deswegen entsteht durch die Änderung eines Kontrollparameters, insofern ein kritischer Wert überschritten wird (und Selbstorganisationsprozesse aktiv sind), etwas qualitativ Neues (Haken & Schiepek, 2006).

Im Beispiel des Lasers ist die Größe der Energiezufuhr der Kontrollparameter. Wird der kritische Wert überschritten, indem genügend Energie zugeführt wird, entsteht Laserlicht (Haken, 1988a).

2.2.4 Instabilität und kritische Fluktuationen

Nähert sich der Kontrollparameter dem kritischen Wert, geht das System in einen instabilen Zustand über, der gekennzeichnet ist durch unregelmäßige Veränderungen, sog. kritische Fluktuationen bzw. kritisches Langsamerwerden. Durch letztgenannte Phänomene prüft das System sozusagen verschiedene Zustände, die es nach Überschreiten der Instabilitätsschwelle einnehmen könnte (Haken & Schiepek, 2006).

Der Laser befindet sich ab einem bestimmten kritischen Wert der Energiezufuhr in einem instabilen Zustand, einem Phasenübergang von ungeordnetem Licht zu geordnetem Laserlicht. Kritische Fluktuationen, im Sinne von kritischem Langsamerwerden zeigen sich darin, dass die durch stimulierte Emission erzeugten Lichtwellen immer langsamer abklingen (Haken & Schiepek, 2006).

2.2.5 Ordnungsparameter und Versklavungsprinzip

Jedes System, das sich nicht gerade in einer Phase der Instabilität (vgl. 2.2.4) befindet, ist charakterisiert durch eine bestimmte Konfiguration seiner Elemente. Diese spezielle Konfiguration wird als Ordnungsparameter, kurz Ordner, bezeichnet. Der Ordner führt das System in einen stabilen Zustand. Jedem Ordner entspricht in der mathematischen Darstellung, auf die hier nicht näher eingegangen wird, ein sog. Attraktor. Beide Begriffe sind synonym zu verstehen.

Das Versklavungsprinzip als die zentrale Eigenschaft der Ordnungsparameter besagt, dass die Dynamik der (vielen) einzelnen Systemelemente durch die Dynamik der (wenigen) Ordner bestimmt wird (Haken & Schiepek, 2006).

Wie oben beschrieben, wird dem Laser über eine externe Licht- bzw. Stromquelle Energie zugeführt, die bewirkt, dass die Elektronen der Laseratome angeregt werden und dadurch Lichtwellen ausgesendet werden. Ist die Energieanregung von außen nicht besonders stark, so entstehen ungeordnete Lichtwellen, wie wir sie von gewöhnlichen Lampen kennen. Werden hingegen ständig ausreichend Elektronen stark angeregt, so kommt es zum Konkurrenzkampf zwischen den Lichtwellen unterschiedlicher Wellenlänge. Letztendlich setzt sich eine Lichtwelle durch, die als Ordnungsparameter bezeichnet wird. Der Ordner bestimmt damit die Bewegung der vielen Elektronen (Versklavungsprinzip), die nun in der Frequenz der sich durchgesetzten Wellenlänge schwingen (Honermann, 2002).

2.2.6 Zirkuläre Kausalität

Einerseits bestimmen die Ordner das Verhalten der Teile (Versklavungsprinzip), andererseits bilden sich die Ordner erst durch das Zusammenwirken der Teile. Dieses Prinzip wird als zirkuläre Kausalität (Kreisschluss) bezeichnet (Haken & Schiepek, 2006).

Im Beispiel des Lasers erzeugen die Elektronen durch ihre gemeinsame Lichtemission den Ordner, also die sich durchsetzende Lichtwelle, der gleichzeitig die Bewegung der Elektronen bestimmt. Das Auftreten des Ordners und das kohärente Verhalten der Elektronen bedingen sich gegenseitig (ebd.).

3 Synergetik in der Psychotherapie

3.1 Transfer der Synergetik auf den Psychotherapieprozess

Wie bereits weiter oben angedeutet, erstreckt sich der Anwendungsbereich der Synergetik bis in das Gebiet psychologischer Phänomene. Zunächst fand die Synergetik nur in experimentell leicht zugänglichen psychologischen Bereichen Anwendung (z.B. Wahrnehmung, motorische Koordination) (Haken & Schiepek, 2006; Schiepek, 1999b). Später wurden auch komplexere und experimentell schwerer zugängliche Gebiete als Beispiele für Selbstorganisation aufgedeckt. Haken bezeichnet den Menschen als das komplexeste System auf der Welt (Haken, 1992).

Nach Schiepek und Tschacher (1992) und Schiepek et al. (2000) ist das Paradigma der Selbstorganisation im Bereich psychologischer Phänomene insbesondere für die Psychotherapie relevant. Sie verweisen dabei sowohl auf theoretische Entwürfe als auch auf empirische Evidenzen durch Einzelfallstudien (u.a. Kriz, 1997, zitiert in Schiepek et al., 2000; Schiepek, 1999b). Psychotherapeuten beschäftigen sich professionell mit der Veränderung von Ordnungszuständen und kommen dadurch in Berührung mit den selbstorganisierten Veränderungen im Sinne der Synergetik (Haken & Schiepek, 2006).

Die Synergetik liefert ein Modell psychotherapeutischer Veränderungsprozesse (Haken, 1992) und kann als innovative Metatheorie für die Psychotherapieforschung angesehen werden (Tschacher, 1990, zitiert in Tschacher & Grawe, 1996). Die Synergetik differenziert also nicht in einzelne Therapierichtungen, sondern analysiert grundlegende Prozesse. Der therapeutische Prozess ist vor dem Hintergrund der Synergetik ein idealtypisches Beispiel emergenter Selbstorganisation (Schiepek et al., 2000) und Psychotherapie kann dementsprechend verstanden werden als selbstorganisierter Ordnungswandel (Schiepek, 1999b), als alternative Realitätskonstruktion (Kruse, Stadler, Pavlekovic & Gheorghiu, 1992) sowie als Kaskade dynamischer nicht linearer Ordnungsübergänge zwischen verschiedenen Kognitions-Emotions-Verhaltens-Mustern (Haken & Schiepek, 2006). Für die Psychotherapeuten geht es um eine optimale Prozessgestaltung des psychotherapeutischen Verlaufs (Schiepek et al., 2000).

Psychische Störungen werden dabei vor dem Hintergrund der synergetischen Theorie verstanden als starre Kognitions-Emotions-Verhaltens-Muster, die als (Störungs-)Attraktoren (Grawe, 1998) fungieren und die Freiheitsgrade (d.h. die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität) menschlicher Kognitionen und Emotionen sowie menschlichen Verhaltens einschränken. Abbildung 2 illustriert die Wirkung des Attraktors sowie die idealtypischen Veränderungen während eines erfolgreichen Therapieverlaufs in Form einer sog. Potentiallandschaft. In dieser Darstellungsweise muss man sich das Verhalten des Klienten als Kugel vorstellen, die sich in der Potentiallandschaft bewegt.

[...]


[1] Symposium im Schloss Elmau (30. April – 06. Mai, 1972): „Synergetics – Cooperative Phenomena in Multicomponent Systems“.

[2] Laser ist das Akronym für Light Amplification (by) Stimulated Emission of Radiation“.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Synergetik in der Psychologie und Psychotherapie
Untertitel
Grundannahmen und Grundbegriffe der Psychologie und ihre Anwendung auf Psychologie und Psychotherapie
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Seminar Familienpsychologie – Interventionen in Familiensystemen
Note
0,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
34
Katalognummer
V127823
ISBN (eBook)
9783640342754
ISBN (Buch)
9783640342556
Dateigröße
941 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Synergetik, Psychologie, Psychotherapie, Grundannahmen, Grundbegriffe, Psychologie, Anwendung, Psychologie, Psychotherapie
Arbeit zitieren
Franziska Roßmann (Autor:in), 2009, Synergetik in der Psychologie und Psychotherapie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127823

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