George Sands politische Schriften von März bis Juni 1848. Der Begriff des Volkes im Kontext zeitgenössischer Diskurse


Hausarbeit, 2003

25 Seiten, Note: 1,3

Janin Taubert (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Präliminarien

2. Die Polysemie des Begriffes ,peuple’

3. Der Begriff des Volkes in Sands Schriften
3.1. Die quantitative Untersuchung
3.2. Die soziale Dimension
3.3. Die politische Einordnung und der Nationenbegriff
3.4. Antagonismus zwischen Stadt und Land/Paris und Provinzen

4. Der discours amoureux avec le peuple
4.1. Das Volk als Liebhaber
4.2. Die Idealisierung des Volkes

5. Fazit

6. Bibliographie

1. Präliminarien

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den von der französischen Schriftstellerin George Sand zwischen März und Juni 1848 verfassten politischen Schriften unter der Fragestellung, wie und in welcher Bedeutung sie den Begriff des ‚peuple‘ verwendet.

Die Brisanz liegt neben der dem Volksbegriff eigenen Polysemie vor allem in dem Durch- und Nebeneinander der aufblühenden politisch - sozialen Strömungen zwischen 1830 und 1848, in das die „Muse der Republik“[1] wie in einen Strudel hineingesogen und schließlich mit Ausbruch der Februarrevolution am 24. Februar 1848 vom allgemeinen Freudentaumel mitgerissen wird. Bereits am 1. März 1848, eben noch mit dem Schreiben ihrer Biographie und den Streitigkeiten mit ihrer Tochter Solange beschäftigt, fährt sie nach Paris, die persönlichen Sorgen vergessend, um an den politischen und sozialen Reformen mitzuwirken : « Les chagrins personnels disparaissent quand la vie publique nous appelle et nous absorbe. La République est la meilleure des familles. Le Peuple est le meilleur des amis. Il ne faut pas songer à autre chose. »[2]. Neben der Teilnahme an den Demonstrationen und der Beratung der Mitglieder der provisorischen Regierung repräsentieren die Schriften , die in der Regionalpresse, im Bulletin de la République, in ihrer eigenen Revue La Cause du peuple und in La Vraie République von Thoré publiziert werden, die Hauptform ihrer kurzen, aber sehr intensiven politischen Aktivität. Sand verfasst keine politische Theorie oder Manifeste. Die Texte stellen vielmehr einzelne Versatzstücke oder Fragmente einer politischen Überzeugung dar, die in ihrem christlich-sozialistisch fundierten Glauben an Humanität, Egalität und Solidarität konstant ist, aber von zahlreichen Denkern der Zeit beeinflusst wird und zusammengesetzt erscheint. So findet sich auch in den untersuchten Schriften keine Stelle, an der sie konkret auf den Begriff des Volkes eingeht, ihn definiert oder theoretisch erörtert. Trotzdem ist das Volk als Objekt und Adressat stets präsent. Diese Arbeit versteht sich nun als ein erster Versuch diesem „meilleur des amis“ auf die Spur zu kommen. Neben der quantitativen und semantischen Analyse geht es im ersten Teil vor allem darum, zu ergründen wie Sand das Volk in sozialer, politischer und kultureller Hinsicht beschreibt und wie dies dann in den historischen Kontext bzw. in die politisch-sozialen Strömungen um 1848 einzuordnen ist. Im zweiten Teil liegt der Fokus auf der Idealisierung des ‚peuple’ , wobei gezeigt werden soll, dass Sands Schriften nicht nur als ein persönlicher ‚discours amoureux avec le peuple’ zu lesen sind, sondern sich in zeitgenössische Diskurse einschreiben.

2. Die Polysemie des Begriffes ,peuple’

Die Begriffe ‚Volk’ und ‚Nation‘ verweisen in ihrer Verwendung auf die Selbst – und Fremdwahrnehmung politischer Handlungseinheiten. Sie dienen also nicht nur zur Schaffung von Identitäten sondern vor allem auch zur Abgrenzung vom ‚Anderen’. Da sie einen relativ hohen Abstraktionsgrad aufweisen, können sie allgemein verwendet werden.[3] Deswegen sind diese Termini zum Teil so problematisch. Dem Lautkörper, dem ‚signifiant’, kann nicht exakt das gleiche Konzept, ein ‚signifié’, zugeordnet werden , sondern es sind je nach politisch-sozialem Umfeld und der jeweiligen Perspektive des Sprechers, unterschiedliche Bedeutungen möglich . Das heißt, dass sich mit der semantischen Differenzierung zum Teil kontradiktorische politisch-soziale Konzepte verbinden.[4] Besonders deutlich wird dies in Frankreich während der Revolution von 1848, in der es zu einer regelrechten Inflation des Terminus ‚peuple’ kam. So legt Tournier in seinem Artikel „Le mot peuple en 1848“[5] das Ergebnis einer quantitativen Untersuchung des Wortes ‚peuple’ in Dokumenten aus der Zeit von Februar bis Juni 1848 dar. Er kommt zunächst zu der Feststellung, dass ‚peuple‘ das meist verwendete Wort während der Revolution von 1848 sei.[6] Weiterhin zeigt die Statistik, dass die Autoren mit dem Begriff jeweils unterschiedliche Bedeutungen verbinden und er kommt zu der Schlussfolgerung : „L’usage de ‚peuple’ n’est absolument pas une constante lexicale de 48“.[7] Der Terminus sei laut Tournier keineswegs neutral, sondern politisch , d.h. je nach politischer Einstellung verbinde der Autor ein anderes Konzept mit dem Wortlaut und manchmal wechsele die Bedeutung sogar innerhalb der Schriften und Dokumente ein und desselben Verfassers, wie es Tournier am Beispiel von Hugo aufzeigt.[8] Es eröffnet sich hier ein weites Bedeutungsfeld, das sich mit dem heutigen Verständnis des ‚peuple’ in Frankreich als Staatsvolk nicht vergleichen lässt.[9] Um den Begriff des Volkes in den Schriften von Sand besser einordnen zu können, soll hier ein kurzer Überblick über das Spektrum der Bedeutungsvarianten um 1848 gegeben werden.

Innerhalb der Linken bzw. der sozialistischen Strömungen kristallisieren sich laut Tournier zwei hauptsächliche Verwendungsmöglichkeiten heraus. Einerseits wird ‚peuple‘ verwendet, um die Illusion einer nationalen Entität, einer universellen Ganzheit , die sowohl untere Klassen als auch Bourgeoisie zusammenfasst, zu bezeichnen. Typischer Vertreter dieses sozial-universellen Glaubens ist Lamartine.[10] Andererseits bezeichnet ‚peuple‘ vor allem in frühkommunistischen Schriften die Klasse der Arbeiter. Diese wird radikal von der Bourgeoisie abgegrenzt. In diesem Zusammenhang wird v.a. von der wirtschaftlichen Ausbeutung der ‚peuple-classe‘, die den Reichtum produziere und selbst an Hunger leide, gesprochen. Bei den radikalen Vertretern taucht der Begriff des ‚peuple‘ nur im Sinn von Arbeiterklasse auf (Blanqui, Barbès, Proudhon).[11] Lamartine lehnt diesen ‚peuple-classe‘ Begriff ab, da er seiner Auffassung nach Gegensätze in der Gesellschaft produziere. Er empfindet ihn als ein ausgrenzendes Element und verwendet als Gegenbegriff das ‚peuple entier‘, ‚tout peuple‘ oder auch ‚peuple tout entier‘[12] als einen integrativen Begriff, der universalisierend keine Schicht aus der Nation ausschließt.[13] Trotzdem bedienen sich beide Strömungen des gleichen Mythos des erhabenen Volkes : „maître de Paris“, „peuple des barricades“, „le peuple de Paris, sentinelle avancée“[14]. Die soziale Funktion läge laut Tournier darin, eine Gruppe von Menschen in den Rang eines universellen Mythos zu befördern. Interessant ist, dass bereits aus der Julirevolution eine Lyrik hervorgeht, die ein neues poetisches Bedeutungssystem begründet, das P. Citron als „mythe de Paris“ bezeichnet.[15] Es lassen sich in den Schriften aus der Revolution von 1848 als auch speziell in Sands Schriften Parallelen zu diesem Mythos finden.

Ein vollständiger Überblick kann hier an dieser Stelle nicht gegeben werden. Es sei dennoch kurz darauf hingewiesen, dass neben den zahlreichen sozialistischen und kommunistischen Volksbegriffen, auch Liberale und Konservative um diesen Begriff streiten. Bei den Liberalen ist ‚peuple’ meist identisch mit dem Tiers État von 1789, also der bürgerlichen Kraft, die zur Abschaffung des Ancien Régime und des Feudalismus geführt hat. Die unteren Schichten werden in die Einheit der Nation eingeordnet und haben keine eigenständige Existenzberechtigung als Klasse oder Allianz verschiedener Gruppen ( Bauern, Handwerker, Arbeiter, Kleinbürger ). Hier wird der Begriff Volk oft synonym mit Nation verwendet.[16] In konservativen und aristokratischen Kreisen dominiert der Begriff des ‚peuple‘ als Inkarnation der Unmoral und religiösen Verkommenheit gekoppelt mit dem Bild vom wilden, blutrünstigen und aufständischen Volk.[17] Darauf wird später noch detaillierter eingegangen werden, da sich die Schriften George Sands auch in diesem Spannungsfeld lesen lassen.

3. Der Begriff des Volkes in Sands Schriften

3.1. Die quantitative Untersuchung

Interessant ist, dass Tournier in seiner Analyse feststellt, dass je mehr die Verfasser der untersuchten Texte den unteren Schichten bzw. der sogenannten Arbeiterklasse angehören, sie desto weniger den Begriff des ‚peuple’ verwenden. Sie sprechen dagegen häufiger vom ‚ouvrier’. Das bedeutet, dass ‚peuple’ demnach vor allem von Vertretern des bürgerlich-intellektuellen Milieus gebraucht wird. Sand ist ebenfalls dieser sozialen Schicht zuzuordnen und es zeigt sich, dass auch sie sich dieses Begriffes auf inflationäre Art und Weise bedient, während sie wesentlich seltener vom ‚ouvrier’ oder gar der Arbeiterklasse spricht.

Tatsächlich verwendet George Sand den Begriff des Volkes in den 39 untersuchten Schriften vom 3. März bis zum 8. Juni 1848 390 Mal. Mit großem Abstand folgen die Wörter ‚République‘, ‚Nation‘, ‚citoyen‘, ‚riche‘, ‚ouvrier‘, ‚pauvre‘, ‚travailleur‘ und ‚prolétaire‘.[18]

Interessant ist, dass sich mit dem Begriff ‚peuple‘ in den Schriften vier semantische Wortfelder eröffnen. ‚Peuple‘ bezieht sich als absoluter Begriff meist auf das Volk als politische Einheit, als zukünftiger Souverän und in den meisten Fällen auf das revolutionäre, reife Volk von Paris, das die Revolution von 1789 nun vollendet. In Zusammenhang mit dieser Bedeutung finden sich oft die Worte Paris, Republik, Volkssouveränität.

Ein weiteres Wortfeld taucht auf, wenn es um das ‚peuple‘ als soziale Schicht geht. Synonym verwendet wird zum Beispiel ‚classe‘ aber immer mit Attributen wie: „la classe la plus nombreuse“[19]. Im Umfeld befinden sich Begriffe wie ‚caste’, ‚bourgeoisie’, ‚les riches’, ‚les pauvres’. Wenn es um die Beschreibung des demonstrierenden Volkes oder der Volksfeste geht, verwendet Sand vorwiegend sogenannte Massentermini wie ‚foule‘, ‚masse‘, ‚la multidude‘ bis hin zu metaphorischen, lyrischen Beschreibungen des Demonstrationszuges : „cette colonne monstre, [...] ce flot, de ce fleuve, de cette mer humaine!“[20]. Bemerkenswert dabei ist die positive Konnotierung und die Umwertung von ‚foule’, auf die ich später noch näher eingehen werde. Wenn es um die kulturellen oder ökonomischen Unterschiede des Volkes geht eröffnet sich ein antithetisches Feld der ‚deux peuples’, wie ich es nennen würde. Sand differenziert in diesem Kontext das „tout le peuple“[21] in ein ‚peuple de ville‘ und in ein ‚peuple de campagne‘, denen sie jeweils antithetisch komplementäre Begriffe zuordnet ( z. B. homme de ville : l’industriel, artisan, prolétaire versus homme de campagne : cultivateur, paysan, propriétaire). In diesem Zusammenhang spricht sie einmal von „deux nations“[22], was sich in diesem Kontext auf die zwei ‚Völker‘ bezieht.

3.2. Die soziale Dimension

Es zeigt sich, dass Sand zwischen „les riches“[23], worunter sie offensichtlich Adel als auch Klerus subsumiert, und der Bourgeoisie, die sie v.a. als „classe moyenne“[24] bezeichnet, differenziert. Beide sozialen Schichten werden in einigen Artikeln auch unter dem Begriff der „classes privilégiées“[25] zusammengefasst. In klar abgegrenzter Opposition dazu setzt sie den Begriff des Volkes.[26] Interessant ist, dass bereits anhand der unterschiedlichen Adressaten der Artikel die gesellschaftliche Hierarchie, wie sie zumindest Sand selbst wahrnimmt, widergespiegelt wird. Formal wird die Opposition zwischen dem einfachen Volk und den oberen Schichten deutlich durch die unterschiedliche Anredeformel markiert. So werden die oberen Klassen von Sand jeweils gesiezt und auch meist im Plural angesprochen, während das Volk als ein kollektiver Singular geduzt wird.[27]

Der Begriff des Volkes wird bei Sand demnach in einer reziproken oben – unten - Relation angewendet, d.h. dass Sand mit dem Volk die Nichtprivilegierten , die Beherrschten bezeichnet. Dies ist konträr zur ursprünglichen Bedeutung des lateinischen ‚populus‘ oder des griechischen ‚demos‘ , also der „politisch und rechtlich qualifizierten Bürgergemeinschaft, die über sich selbst und die nicht qualifizierten Unterschichten herrscht“[28] zu verstehen. In Sands Schriften wird ‚peuple‘ als Sozialbegriff zum Synonym für die Unterschicht. Das Volk als die Menge der Regierten konvergiert bei Sand mit dem Massenbegriff. So verwendet sie mehrfach, wenn es um die Darstellung der Volksfeste und- Demonstrationen in Paris geht sog. Massentermini wie „le peuple par grandes masses“[29], „La multitude!qu’elle est puissante et qu’elle est douce!“[30], „cet être multiple qu’on appelle le peuple“[31], die bei Sand allerdings positiv konnotiert sind, wenn es sich auf das revolutionäre Volk in Paris bezieht, und zeigen, dass Sand die systemverändernde Kraft der Massen entdeckt. Der Begriff des Volkes als die Menge oder Leute entwickelt sich bereits im Altertum aus der Gegenüberstellung von Regierten und Regierenden und meint vor allem die versammelte Volksmenge als turbulenter Haufen[32] und wird bis zum 17. Jahrhundert pejorativ d.h. als Ausdruck für die buntscheckige, kraftlose Unordnung, die Unbildung des Volkes, das leicht von Demagogen beeinflussbar ist, gebraucht. Der Massenbegriff prägt sich erst zwischen 1815 und 1871 als eigenständiger Begriff der politisch-sozialen Sprache heraus, er ist ein sozialer Begriff und wird zunehmend politisch aufgewertet und dies zeigt sich nicht zuletzt in den Schriften von Sand auch anhand der lyrischen Darstellung der Volksmassen.[33]

Weiterhin kann hier von einem partitiven Volksbegriff gesprochen werden, da ‚peuple‘ als die Armen in Opposition zur Bourgeoisie, zu den Reichen zeigt, dass Sand keinen totalen , allumfassenden Volksbegriff besitzt.[34]

Die von Sand deutlich markierte Opposition zwischen ‚peuple‘ und ‚bourgeoisie‘ deutet den Einfluss zeitgenössischer frühsozialistischer Theorien an. Tatsächlich arbeitet Sand mit Pierre Leroux in den 40er Jahren zusammen und wird stark von seiner religiös-sozialistischen Philosophie beeinflusst.[35] Obwohl sie sehr oft den Begriff der Klasse verwendet, ist sie aber nicht in die radikale , linke Bewegung von 1848 von Barbès oder Blanqui einzuordnen. Zwar hatte sie regen Kontakt zu ihnen , v.a. zu Barbès[36], aber Klasse scheint hier eher ein Synonym für Schicht zu sein. Das heißt, dass peuple nicht im Sinn von Arbeiterklasse verwendet wird sondern relativ wertfrei. Zur Differenzierung bedient sich Sand einer häufigen Adjektivierung. Sand grenzt die ‚classe‘ in der Applikation jeweils genau ein : „classe moyenne“[37] für die Bourgeoisie, „la classe la plus nombreuse“[38] für das Volk. Dies zeigt, dass Sand trotz des unbestrittenen Einflusses nicht wie Leroux das Volk primär anhand der Stellung im Produktionsprozess, anhand ökonomischer Kriterien[39] definiert, obwohl sich bei ihr durchaus Ansätze dazu finden lassen[40]. Sand spricht sogar davon, die Klassen abzuschaffen[41]. Sie empfindet sie also ähnlich wie Lamartine als ausschließende Elemente. Deshalb findet sich in ihren Schriften auch nie die Idee des Klassenkampfes, sondern es dominiert ein integratives Verständnis des ‚peuple’, was sich zum Teil bis ins Universale steigert. So wie in der Romantik der Begriff des Volkes zum sozialen Integrationsbegriff wird , so ist er auch bei Sand zu verstehen. Das ‚peuple‘ bildet zwar eine eigene Schicht bzw. Klasse mit entsprechenden Rechten und Pflichten, aber er dient nicht allein dazu andere Schichten auszugrenzen. Inhaltlich lässt sich dies u.a. an der Sandschen Darstellung des Verhältnisses zwischen Volk und Bourgeoisie aufzeigen und anhand der zahlreichen Versöhnungsmetaphern beweisen . Da heißt es in dem Text Un mot à la classe moyenne[42], dass sich ein Teil des Bürgertums von denjenigen, die immer noch glauben, die Macht innezuhaben, getrennt hätten. Diese Bildungsbürger setzten sich nun ehrlich für die Freiheit und die politischen Rechte des Volkes ein. Das beiderseitige Vertrauen münde in eine Versöhnung : „ Elle s’est levée sans provocation de la part du peuple; elle s’est placée devant lui en disant : vous ne briserez le peuple qu’en marchant sur nous : Elle a conquis l’amour et la confiance du peuple en mêlant son sang avec le sein.“.[43] Letzteres ist als Metapher der Versöhnung, der Blutsbrüderschaft zu verstehen und zeigt, dass die Opposition zwischen den beiden Schichten keine natürliche, sondern eine gesellschaftlich konstruierte ist, die überwunden werden kann unter der Prämisse, dass sie sich alle für die gleichen Prinzipien, d.h. Egalität und Solidarität einsetzen. Aber die Situation ist fragil. Man darf das Volk nicht täuschen und es dazu bringen, Repräsentanten zu wählen, die sich von der Sache des Volkes entfernen. Im Kontext dieser Warnungen, die sich v.a. an die demagogischen Sekten der Sozialisten und an das Bürgertum richten, findet sich des öfteren das Bild des leicht verführbaren Volkes, des naiven und noch unwissenden Kindes, das nicht betrogen werden darf : „Le peuple est un noble enfant qui ne sait pas tout ce qui se cache derrière des mots.Ne versez pas le poison dans l’âme de l’enfant[...].“[44].

[...]


[1] Vgl. zeitgenössische Karikaturen. In : Schlientz, Gisela : George Sand. Leben und Werk in Texten und Bilder. Frankfurt am Main. 1987. S. 186-194.

[2] Sand, George : Brief an Frédéric Girerd.6. März 1848. Paris. In : Sand, George : Correspondance. Hrsg. von George Lubin.Tome VIII ( Juillet 1847 – Décembre 1848). Paris 1971. S. 324.L.349.

[3] Vgl. Koselleck, Reinhart : Volk, Nation. In : Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. von Brunner, Conze, Koselleck. Bd 7. Verw-Z. Stuttgart 1992. S.142.

[4] Vgl. Biermann, Karlheinrich : Literarisch-politische Avantgarde in Frankreich 1830-1870. Hugo, Sand, Baudelaire und andere. Stuttgart 1982. S. 19.

[5] Vgl. Tournier, Maurice : Le mot peuple en 1848 : désignant social ou instrument politique. In : Romantisme : Revue du dix-neuvième siècle. Revue de la Société des Ètudes Romantiques. Nr. 9.1975. S. 6-20.

[6] In der Hierarchie folgen „travail“, „République“, „ouvrier“ und der Infinitiv „faire“. Vgl. Tournier : Le mot peuple en 1848. S. 6.

[7] Tournier : Le mot peuple en 1848. S. 7.

[8] Vgl. Tournier : Le mot peule en 1848. S. 12.

[9] Das Staatsvolk besteht aus allen Staatsbürgern, unabhängig davon, ob sie das Bürgerrecht durch Geburt, Verleihung oder Kauf erworben haben. Im verfassungsrechtlichen Sinn ist Volk identisch mit Staat, unabhängig von der ethnischen Abstammung, Religion, Kultur oder Herkunft. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Staatsvolk

[10] Vgl. Tournier: Le mot peuple en 1848. S. 11.

[11] Auch Biermann weist darauf hin, dass die Frühsozialisten bereits 1830 das ‚peuple‘ als die aufkommende Klasse, die das Bürgertum ablösen wird, wahrnehmen , wobei der zentrale Konflikt in der Eigentumsfrage begründet liegt. ‚Peuple‘ wird in diesem Zusammenhang eindeutig als Proletarierklasse in Opposition zum Bürgertum verstanden. Das zentrale Kriterium zur Definition des Volkes ist die Stellung im Produktionsprozeß. ‚Peuple‘ wird als die produzierende Klasse bezeichnet, die keine Arbeitsinstrumente besitztz, während die Propriétaires als die konsumierende Klasse mit Arbeitsinstrumenten dargestellt wird. Vgl. Biermann : Literarisch-politische Avantgarde in Frankreich 1830-1870. S. 24ff.

[12] Vgl. Tournier : Le mot peuple en 1848. S. 11. (Anmerkung 19) .

[13] Um der Ambiguität des Begriffes ‚peuple‘ entgegenzuwirken kommt es zu einer Adjektivierung. So heißt es zum Beispiel ‚le peuple entier’ gegenüber dem ‚peuple travailleur’. Vgl. Tournier : Le mot peuple en 1848. S. 20. ( Schema 2 )

[14] Ebd. , S. 10-11.

[15] Dazu gehört auch die Ode au peuple von Lamartine. Vgl. Biermann : Literarisch-politische Avantgarde in Frankreich 1830-1870. S. 43.

[16] Wobei zu beachten ist, dass Nation hier nach Sieyès als eine „Körperschaft von Gesellschaften, die unter einem gemeinschaftlichen Gesetz leben und durch dieselbe gesetzgebende Versammlung repräsentiert werden“ verstanden wird, also als die Gesamtheit der Abstimmungs –und Entscheidungsberechtigtenberechtigten, als freier Zusammenschluss derjenigen, die aufgrund ihrer Leistungen für die Nation auch dazu legitimiert sind, Steuern festzusetzen. Vgl. Koselleck : Volk, Nation. In : Geschichtliche Grundbegriffe. S. 322-322.

[17] Vgl. Gérard, Fritz : L’idée de peuple en France du XVIIe au XIXe siècle. Straßburg 1988. S. 87ff.

[18] Die Untersuchung der Begriffe orientiert sich an der Feststellung von Tournier, dass diese die meist verwendeten Wörter im öffentlichen Diskurs der Revolution von 1848 sind. Es fällt auf, dass die Verwendung von ‚peuple‘ bei Sand von März bis Juni stetig abnimmt. Ein enormer Rückgang ist jeweils im Übergang vom April zum Monat Mai zu beobachten. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass die Wahlen zur Nationalversammlung am 23. April 1848 stattfinden und Sand bis zu diesem Datum zahlreiche Appelle an das Volk schreibt, die Revolution und die Republik zu verteidigen und das Volk dazu auffordert Kandidaten aus ihrer eigenen Mitte zu wählen und zur Wahl zu stellen. Hinzu kommen die zahlreichen Demonstrationen und Feste, von denen Sand auch in ihren politischen Schriften berichtet und in denen sich die Bewunderung für das revolutionäre Volk von Paris fast ins Unendliche steigert. Spätestens ab dem 15. Mai, nach der Niederschlagung eines Volkssturms auf den Palais Bourbon, hat Sand mit Repressionen zu rechnen und die Schriften sind zunehmend mit verschlüsselten Allusionen und Chiffren durchzogen.

[19] Sand, George : Bulletin de la République. n°8.( 28. März 1848 ). In : Sand, George : Politique et Polémique ( 1843- 1850 ). Hrsg. von Michelle Perrot. Paris 1997. S. 379.

[20] Sand : Fête de la Fraternité. ( 22. April 1848 ).In : Ebd. , S. 360.

[21] Sand : Paroles de Blaise Bonnin aux bons citoyens. 4° Le cultivateur et l’artisan.(April 1848).In:Ebd., S. 281.

[22] Ebd. , S. 280.

[23] Sand : Aux Riches.(12. März 1848). In : Ebd. , S. 230-233.

[24] Sand : Un mot à la classe moyenne.(3. März 1848 ). In : Ebd. , S. 224-227.

[25] Sand : Bulletin de la République. n° 12. ( 6. April 1848 ).In : Ebd. , S. 393.

[26] Sand : Les lettres au peuple. ( 7. und 19. März ). In : Ebd., S. 237-252.

[27] «Vous, riches, vous êtes… » Sand: Aux Riches.(12. März 1848).In : Ebd., S.231. und « ô peuple que tu es fort, puisque tu es si bon! Tu es le meilleur des amis… »Sand: Hier et Aujourd’hui.(7.März 1848).In :Ebd., S. 238.

[28] Vgl. Koselleck : Volk, Nation.. In : Geschichtliche Grundbegriffe. S. 145.

[29] Sand : Bulletin de la République. n° 19 ( 22. April 1848 ) . S. 407. In : Sand: Politique et Polémique. S. 406-409.

[30] Sand : Fête de la Fraternité. ( 22.April 1848 ). S. 361 . In : Ebd., S. 356 – 364.

[31] Sand : Bulletin de la République. n° 19 ( 22. April 1848 ) . In : Ebd., S. 406.

[32] Vgl. Koselleck : Volk, Nation.. In : Geschichtliche Grundbegriffe. S. 159ff.

[33] Vgl. Sand : Fête de la Fraternité. ( 22. April 1848). In : Sand : Politique et Polémique. S. 356 – 364.

[34] Meint dass Volk sowohl Regierende als auch Regierte, verschiedene Stände und politische Klassen umfasst. Vgl. Koselleck : Volk, Nation. In : Geschichtliche Grundbegriffe. S.148.

[35] Vgl. Vermeylen, Pierre : Les idées politiques et sociales de George Sand. Bruxelles 1984. 198- 209.

[36] Vgl. Perrot, Michelle ( Hrsg. ) : Lettres d’hier et lettres d’aujourd’hui. Sand – Barbès. Correspondance d’ une amitié républicaine 1848 – 1870. Éd. Le Capucin. 1999.

[37] Sand : Un mot à la classe moyenne. ( 3. März 1848 ). In : Sand: Politique et Polémique. S. 224-227.

[38] Sand : Bulletin de la République. n° 8. In : Ebd. , S. 379.

[39] Vgl. Biermann : Literarisch-politische Avantgarde in Frankreich 1830-1870. S. 25.

[40] siehe Punkt 3.4.

[41] «[ …]de faire le miracle de l’union fraternelle qui détruira toutes les fausses distinctions, et rayera le mot même de classes.»Sand: Hier et Aujourd’hui. (7.März 1848).In : Sand: Politique et Polémique.S.241.

[42] Sand : Un mot à la classe moyenne. ( 3. März 1848 ). In : Ebd., S. 224-227.

[43] Ebd., S. 225.

[44] Sand: Réction de la secte et rßeaction de la caste contre l’égalité. (18.April 1848 ).In :Ebd. , 353.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
George Sands politische Schriften von März bis Juni 1848. Der Begriff des Volkes im Kontext zeitgenössischer Diskurse
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Romanistik)
Veranstaltung
Proseminar : George Sand
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
25
Katalognummer
V127773
ISBN (eBook)
9783668747166
ISBN (Buch)
9783668747173
Dateigröße
582 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
george, sands, schriften, märz, juni, begriff, volkes, kontext, diskurse
Arbeit zitieren
Janin Taubert (Autor:in), 2003, George Sands politische Schriften von März bis Juni 1848. Der Begriff des Volkes im Kontext zeitgenössischer Diskurse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127773

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