Kosten und Nutzen der betrieblichen Ausbildung

Warum sollen Betriebe ausbilden?


Diplomarbeit, 2009

112 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hintergrundinformationen
2.1 Kosten
2.2 Nutzen
2.3 Berufsausbildung in Deutschland
Duale Berufsausbildung

3. Ökonomie der Berufsbildung
3.1 Die Humankapitaltheorie
3.1.1 Die Humankapitaltheorie nach Becker
3.1.2 Generelles Humankapital
3.1.3 Betriebsspezifisches Humankapital
3.1.4 Grenzen der Humankapitaltheorie bei der Übertragbarkeit auf das betriebliche Ausbildungsverhalten
3.2 Die Finanzierung der Ausbildung nach ökonomischen Theorien
3.2.1 Produktionsorientierte Lehrlingsausbildung
3.2.2 Investitionsorientierte Lehrlingsausbildung
3.2.3 Reputationsansatz
3.2.4 Methoden zur Bestimmung von Ausbildungsstrategien

4. Vorstellung der Studie des BIBB
4.1 Allgemeines zur Studie des BIBB
4.2 Ziele der Studie
4.2.1 Repräsentationsgrad
4.2.2 Durchführung der empirischen Erhebung
4.2.3 Ausfallgründe

5. Darstellung der Kosten der betrieblichen Ausbildung
5.1 Vorgehensweise bei der Erhebung der Ausbildungskosten
5.2 Das Verfahren der Vollkostenrechnung
5.2.1 Personalkosten der Auszubildenden (Vollkostenrechnung)
5.2.2 Personalkosten der Ausbilder (Vollkostenrechnung)
5.2.3 Anlage- und Sachkosten (Vollkostenrechnung)
5.2.4 Sonstige Kosten
5.3 Das Verfahren der Teilkostenrechnung
5.3.1 Allgemeines zur Teilkostenrechnung
5.3.2 Das Problem der Kostenerfassung bei nebenberuflichen Ausbildern
5.4 Zusammenfassung Teil- und Vollkostenrechnung
5.5 Ausbildungserträge während der Ausbildung
5.5.1 Nutzen durch den Auszubildenden
5.5.2 Ermittlung der Ausbildungserträge

6 Die Ergebnisse der Kostenerhebung
6.1 Die Kostenerhebung nach der Vollkostenrechnung
6.2 Die Kostenerhebung nach der Teilkostenrechnung
6.2.1 Teilkosten insgesamt sowie eine Differenzierung zwischen alten und neuen Bundesländern
6.2.2 Teilkosten und Vollkosten nach Ausbildungsbereichen
6.2.3 Teilkosten in Betrieben mit und ohne Lehrwerkstattausbildung
6.2.4 Teilkosten nach Betriebsgrößenklassen
6.2.5 Teilkosten nach Ausbildungsjahren
6.2.6 Teilkosten nach gewerblich-technischen und kaufmännisch-verwaltenden Berufen

7. Der Nutzen der Ausbildung
7.1 Der Nutzenbegriff in der betrieblichen Ausbildung
7.2 Erträge der Auszubildenden während der Ausbildung
7.3 Komparative Kostenvorteile nach der Ausbildung
7.3.1 Personalbeschaffungskosten für extern ausgebildete Fachkräfte
7.3.2 Kosten für Einarbeitung und Anpassungsqualifizierung
7.3.3 Höhere Lohn- und Gehaltskosten durch die Einstellung externer Fachkräfte
7.3.4 Fehlbesetzungsrisiko
7.3.5 Fluktuationskosten
7.3.6 Imageverlust
7.4 Einschätzung der Betriebe über Quantität und Qualität der Fachkräfte auf dem
externen Arbeitsmarkt
7.4.1 Stellenwert externer Rekrutierung
7.4.2 selbst ausgebildete vs. extern rekrutierte Fachkräfte
7.5 Bewertung des Ausbildungsnutzens durch ausbildende Betriebe
7.6 Zufriedenheit der Betriebe mit dem Verhältnis von Kosten und Nutzen der eigenen
Ausbildung
7.7 Ausbildung aus Sicht nicht ausbildender Betriebe

8. Gesamtbetrachtung

9. Literaturverzeichnis

10. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

11. Abkürzungsverzeichnis und Akronyme

1. Einleitung

In einer DIHK-Umfrage (2005, S. 2) aus dem Jahr 2005 geben 16 Prozent der befragten Betriebe an, dass sie offene Stellen nicht besetzen können. Dies kann negative ökonomi-sche Folgen für die Betriebe haben. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, geben 56 Prozent der Betriebe an, sich stärker im Bereich Aus- und Weiterbildung zu engagieren (vgl. DIHK 2006, S. 2).

Die betriebliche Ausbildung kann ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit eines Betriebes sein. Somit kommt mittelfristig der betrieblichen Ausbildung eine bedeut-same Rolle zu (vgl. BIBB, 2008a, S. 7).

In der Vergangenheit konnten allerdings nicht alle ausbildungsbereiten Jugendlichen in eine Berufsausbildung eingebunden werden. Grund hierfür war die unzureichende Zahl von Ausbildungsplätzen. Diese Entwicklung veränderte sich im Jahr 2008. In diesem Jahr trat erstmals seit sieben Jahren der Fall ein, dass es mehr Ausbildungsstellen als potentielle Bewerber gab.

Den Partnern des Ausbildungspaktes1 gelang es, die Zahl der Ausbildungsverträge im Jahr 2008 um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu erhöhen. Zum Überangebot an Ausbil-dungsstellen trägt darüber hinaus auch bei, dass es 2008 einen Rückgang von 34.000 Schulabgängern gab (vgl. DIHK, 2008). Angesichts der Entwicklung scheint eine andere Misere in den Hintergrund zu treten. Das Problem besteht darin, dass in Deutschland ledig-lich 30 Prozent der Betriebe ausbilden, obwohl ca. 60 Prozent der Betriebe dazu in der Lage wären (vgl. Fischer et al. 2006, S. 63 f.). Angesichts der Tatsache, dass 2008 jeder Bewerber auch einen Ausbildungsplatz gefunden hat, könnte dieses Problem in Zukunft unterschätzt werden.

Dabei stellt sich die Frage, warum Betriebe überhaupt ausbilden sollen. Da es sich um eine betriebliche Entscheidung handelt, ist davon auszugehen, dass das Kosten-Nutzen-Kalkül eine entscheidende Rolle spielt. Es ist anzunehmen, dass viele Betriebe den Nutzen ihrer Auszubildenden nicht kennen oder falsch einschätzen und darüber hinaus die Kosten der eigenen Ausbildung zu hoch kalkulieren (vgl. Schweri et al. 2003, S.17).

Deshalb soll in dieser Arbeit die Frage beantwortet werden, ob Betriebe ausbilden sollen oder nicht.

Dabei möchte ich mich auf die Sicht der Betriebe beschränken, da eine Ausweitung auf den Nutzen für Individuum und Gesellschaft den Rahmen dieser Arbeit überstrapazieren würde. Es werden Kosten und Nutzen der betrieblichen Ausbildung im Vordergrund ste-hen. An Hand dieser ökonomischen Herangehensweise soll die Frage, ob Betriebe ausbil-den sollen, beantwortet werden.

Dabei wird zuerst eine kurze Definition von Begriffen vorgenommen, die im Laufe der Arbeit häufig Erwähnung finden (vgl. Kap. 2). Anschließend wird auf die Ökonomie der Berufsbildung eingegangen, um eine theoretische Grundlage für das Thema und somit auch für Beantwortung der Eingangsfrage zu schaffen. Dabei wird die Humankapitaltheo-rie und ihre Übertragbarkeit auf die betriebliche Ausbildung in Deutschland eine entschei-dende Rolle spielen. Ebenfalls werden in diesem Abschnitt Finanzierungsansätze für die Berufsausbildung erläutert, um das theoretische Fundament, welches eine entscheidende Rolle für die Erläuterung der zu Grunde liegenden Studie spielt, zu erweitern (vgl. Kap. 3). Im weiteren Verlauf der Arbeit wird verstärkt auf die Studie des Bundesinstituts für Be-rufsbildung mit dem Titel „Nutzen und Nettokosten der Berufsbildung von Betrieben“ (Walden et al. 2004, S. 3) eingegangen. Dabei wird zuerst die Studie vorgestellt, um einen Einblick zu bekommen, wie sich der Aufbau und das Erhebungskonzept der Studie gestal­ten, welche Ziele verfolgt wurden und welche Probleme es bei der Auswertung der Studie gab (vgl. Kap. 4). Im nächsten Kapitel (Kap. 5) wird verstärkt auf die Inhalte der Erhebung eingegangen. Dabei wird vor allem auf die Unterscheidung zwischen Voll- und Teilkosten-rechnung Wert gelegt und eine Entscheidung für eines der beiden Verfahren getroffen, welches dann in der Vorstellung und Auswertung der Studie einen größeren Stellenwert einnimmt. Im nächsten Abschnitt (Kap. 6) werden die Kosten der betrieblichen Ausbildung beleuchtet, die bei der Ausbildung von Lehrlingen anfallen (vgl. Kap. 6). Dabei werden vor allem die Kosten beschrieben, die dem Betrieb zusätzlich durch die Aufnahme von Ausbildungstätigkeiten entstehen. Es wird dabei eine differenzierte Betrachtungsweise auf die Kosten der betrieblichen Ausbildung ermöglicht. Dabei werden die Kosten zwischen West- und Ostdeutschland (Kap. 6.2.1), den Ausbildungsbereichen (Kap. 6.2.2) in den einzelnen Betriebsgrößenklassen (Kap. 6.2.4) sowie den jeweiligen Ausbildungsjahren (Kap. 6.2.5) aufgeschlüsselt. Darüber hinaus sollen die Erkenntnisse aus dem theoretischen Teil der Arbeit mit in die Ergebnisse der Studie einfließen.

Der nächste Abschnitt wird sich mit dem Nutzen (Kap. 7) beschäftigen, den die Ausbil-dung für die Ausbildungsbetriebe stiftet. Dabei liegt eine verstärkte Konzentration auf dem Nutzen, den der Auszubildende nach der Ausbildung für den Betrieb stiftet. Auch dieser

Abschnitt soll, um eine differenzierte Betrachtungsweise zu bekommen, den Nutzenbegriff aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten. Es soll unter anderem geklärt werden, wie Betriebe den Nutzen von Auszubildenden einschätzen und bewerten und welche Faktoren bei der Überlegung, ob ein Betrieb ausbilden sollte, eine Rolle spielen (vgl. 7.5). Ebenfalls soll auf mögliche Risiken bei Nichtausbildung eingegangen werden. Wie auch im Kapitel „Kosten“ (Kap. 6) sollen, so weit dies möglich ist, die theoretischen Erkenntnisse Erwäh-nung finden, um die Ergebnisse der Studie theoretisch zu unterstreichen.

Im letzten Kapitel (Kap. 8) sollen die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst werden. Darüber hinaus soll in einer abschließenden Erörterung die Eingangsfragestellung beant-wortet werden.

2. Hintergrundinformationen

In diesem Abschnitt sollen einige elementare Begriffe näher definiert werden. Dabei soll zuerst der Begriff allgemein beschrieben werden. Im Verlauf der Arbeit werden die Begrif-fe an der jeweiligen Stelle in den Kontext der Arbeit gestellt.

2.1 Kosten

Betrachtet man den Kostenbegriff aus Sicht der BWL, sind Kosten eine Größe, die zwi-schen Ertrag und Gewinn steht. Nach Abzug der Kosten vom Ertrag erhält man den Ge-winn. Nach Wöhe (2002, S. 83) sind betriebliche Kosten die „Menge der Produktionsfak-toren mal Preis der Produktionsfaktoren“ (Wöhe 2002, S. 83). Nach dem wertmäßigen Kostenbegriff ist unter Kosten der bewertete Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen für die betriebliche Leistungserstellung zu verstehen (vgl. Walden, et al. 2004, S. 21). Auf den Begriff der Kosten wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch näher eingegangen wer-den, dabei wird der Kostenbegriff vor dem Hintergrund der betrieblichen Berufsausbildung verwendet.

2.2 Nutzen

Der Nutzen in der Bildungsforschung und Bildungspolitik kann Individuen zu Gute kom-men, die an entsprechenden Bildungsmaßnahmen beteiligt sind, aber auch Einrichtungen, wie zum Beispiel Gesellschaften, dem Staat oder Betrieben.

In der Studie des BiBB wurde vordergründig der Nutzen erläutert, der den Betrieben durch eine Berufsausbildung zukommt.

Beicht (1995, S. 7) spricht in der BiBB-Studie von 1995 von den Kosten der beruflichen Ausbildung sowie vom Nutzen derselben (vgl. Beicht et al. 1995, S. 7). Nach Walden (2004, S. 169) ist der Begriff des Nutzens in diesem Zusammenhang allerdings umstritten. Walden (2004, S. 169) argumentiert, dass es in der Betriebswirtschaftslehre 2 zwar einen Kostenbegriff gibt, aber keinen Nutzenbegriff (vgl. Walden et al. S. 169). In der BWL ist den Kosten der Begriff der Leistung gegenübergestellt (vgl. Wöhe et al. 2002, S. 830). Nach Walden (2004, S. 169) wäre es sinnvoller, nicht vom Nutzen der Ausbildung zu sprechen, sondern von den Leistungen der betrieblichen Ausbildung. Dazu zitiert Walden (2004, S. 169) Timmermann, der davon ausgeht, „dass [der] Nutzen ein Begriff aus der mikroökonomischen Theorie des Haushaltes ist und die Eigenschaft eines materiellen und immateriellen Gutes bezeichnet, Bedürfnisse zu befriedigen.“ (Walden et al. nach Tim-mermann 2004, S. 169) Weiter heißt es, dass einem Bedürfnis das Empfinden eines Man-gels zugrunde liegt. Verspürt ein Mensch einen Mangel, entwickelt er Bedürfnisse aus die-sem Mangelempfinden heraus. Timmermann leitet daraus ab, dass „Bildungsaktivitäten auch nur bei Individuen zu einem Nutzen führen“ (Walden et al. 2004, S. 170) können. Es ist nach Timmermann daher sinnvoll, von Wirkungen der Bildungsaktivitäten zu sprechen. Es ist zwischen Wirkungen, die auf Individuen abzielen, und Wirkungen im Hinblick auf Betriebe, Staat und Gesellschaften zu unterscheiden. Wie eingangs dieses Kapitels er-wähnt, ist davon auszugehen, dass Wirkungen der Bildungsaktivitäten auf Individuen als Erträge bezeichnet werden. Um diese Arbeit nicht unnötig zu verkomplizieren und trotz der aufgezeigten Differenzen sollen Ertrag und Nutzen denselben Sinn ausdrücken. Des-halb soll in den folgenden Ausführungen lediglich vom Nutzen des Betriebes durch die Ausbildung ausgegangen werden. Das Kapitel soll eine Einführung in den Nutzenbegriff sein. Der Begriff wird im Verlauf der Arbeit immer wieder aufgegriffen und unter unter-schiedlichen Vorraussetzungen und in verschiedenen Zusammenhängen untersucht.

2.3 Berufsausbildung in Deutschland

In diesem Kapitel wird ein Überblick über die Berufsausbildung in Deutschland gegeben. Es soll neben allgemeinen Fakten über das System der Berufsausbildung in Deutschland auch ein kurzer historischer Abriss gegeben werden. Die Ausführungen in diesem Kapitel sind als einführende Gedanken zu betrachten. Dieser Abschnitt soll dazu dienen, Grundla-gen zu legen, die zur Beantwortung der Eingangsfragen dienlich sein können.

Gemäß § 1 Abs. 1 BBiG 3 gilt berufliche Ausbildung als Berufsbildung.

Die Berufsausbildung dient zum einen der Ausbildung junger Fachkräfte in Deutschland, die eine der wichtigsten Vorraussetzungen für den Erfolg der deutschen Wirtschaft ist. Zum anderen vermittelt die duale Berufsausbildung den jungen Menschen einen qualifi-zierten Berufsabschluss und sorgt oft für einen reibungslosen Übergang von der Schule in den Arbeitsmarkt (vgl. BMBF, 2006, S. 1).

Laut BiBB (2008) wurden im Jahr 2008 616.615 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen (BiBB, 2008). Es gibt in Deutschland keine gesetzlichen Vorschriften, die private Betriebe dazu verpflichten, auszubilden.

Nach §22 BBiG dürfen nur Betriebe ausbilden, die eine geeignete Ausbildungsstätte zur Verfügung stellen können und über „persönlich und fachlich geeignete Ausbilder verfü-gen“ (Niederalt 2004, S. 23). Letzteres wird im §20 BBiG geregelt. Außerdem ist hinzuzu-fügen, dass Ausbilder bis zum Jahr 2003 eine Ausbildereignungsverordung (AEVO) nachweisen mussten. Zudem müssen Ausbilder eine AEVO nachweisen, die mit der Aus-bildung betraut wurden. Diese mussten einen mehrwöchigen Lehrgang absolvieren und eine Kammerprüfung ablegen. Die Wirtschaft sieht darin ein Hindernis; man argumentiert, dass gerade kleine Betriebe nicht in der Lage seien, einen Mitarbeiter für mehrere Wochen zu entbehren. Darauf wurde für die Abschaffung dieses AEVO-Lehrgangs plädiert. Dies führte dazu, dass der AEVO–Lehrgang 2003 von der Bundesregierung für fünf Jahre aus-gesetzt wurde.

Eine andere Sichtweise sieht einen Qualitätsverlust, da die Ausbilder in verschiedenen Fächern, wie zum Beispiel Arbeitspädagogik, nur unzureichend geschult sein könnten. Dadurch träte ein Konflikt auf, da die Qualität der Ausbildung, unter der Aussicht auf mehr Arbeitsplätze, leide.

Duale Berufsausbildung

Die vorherrschende Organisationsform der beruflichen Ausbildung in Deutschland ist die duale Berufsausbildung. In dieser Organisationsform qualifizieren sich etwa zwei Drittel der Jugendlichen für den Arbeitsmarkt.

Duale Berufsausbildung bedeutet, dass die Ausbildung in einem anerkannten Ausbil-dungsberuf sowohl im Betrieb als auch in der Schule stattfindet. Wie kein anderes System ist die duale Berufsausbildung in der Lage, mehr Jugendlichen eines Altersjahrgangs einen qualifizierten Berufsabschluss zu vermitteln (vgl. Prager et al. 2007, S. 23).

Der Begriff der dualen Berufsausbildung findet erstmals im „Gutachten über das berufliche Ausbildungs- und Schulwesen“ (Niederalt 2004, S. 23) aus dem Jahre 1964 Erwähnung und etablierte sich im nationalen und internationalen Raum.

Seinen historischen Ursprung findet die Berufsausbildung im frühen Mittelalter mit der Ausbildung der handwerklichen Zünfte. Das System entwickelte sich mit der Industriali-sierung im 19. Jahrhundert.

Die ersten gesetzlichen Maßnahmen zur qualitativen Verbesserung und zur Vereinheitli-chung der Berufsausbildung wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts getroffen. Grund für diese Maßnahmen war die mangelnde Transparenz in der beruflichen Bildung, die mit den gesetzlichen Maßnahmen erhöht werden sollte. Im Laufe der Industrialisierung und der damit verbundenen technologischen Entwicklung wurde als zweiter Lernort der Be-rufsausbildung der Vorläufer der Berufsschule gegründet, die so genannte „Fortbildungs-schule für Volksschulentlassene“ (Niederalt 2004, S. 23).

In der dualen Berufsausbildung, wie sie heute Bestand hat, wird der Großteil der berufs-praktischen Ausbildung im Betrieb absolviert, der berufstheoretische Teil der Ausbildung hingegen wird in der Berufsschule durchgeführt (vgl. Niederalt 2004, S. 23).

Um sich als junger Mensch an diesem System beteiligen zu können, muss sich der ver-meintliche Auszubildende bei einem Unternehmen um einen Ausbildungsplatz bewerben. Mit dem Abschluss eines Ausbildungsvertrages kann man die Ausbildung beginnen. Nach Abschluss des Ausbildungsvertrages gilt dann eine Berufsschulpflicht (Rebmann et al. 2005, S. 6).

Zur Berufsausbildung in Deutschland erfolgen in diesem Rahmen nur grundlegende Aus-führungen.

3. Ökonomie der Berufsbildung

Im folgenden Kapitel wird eine theoretische Betrachtungsweise auf Ausbildung im Allge-meinen und im Speziellen auf die betriebliche Ausbildung erfolgen. Für die Beantwortung der Eingangsfragen soll in diesem Kapitel eine theoretische Grundlage geschaffen werden, die hilfreich sein kann eine differenzierte Betrachtungsweise auf die Problemstellung zu erlangen.

Im ersten, einführenden Teil der Arbeit (vgl. Kap. 3.1.1) wird die Berufsausbildung in den Kontext von ökonomisch handelnden Betrieben gesetzt. Anschließend wird die Humanka-pitalanalyse näher erläutert, bevor in den Kapiteln 3.1.2 und 3.1.3 zwischen generellem und betriebsspezifischem Humankapital unterschieden wird. Als Grundlage für die Unter-suchung von Bildungsinvestitionen soll die Humankapitaltheorie von Garry S. Becker die-nen.

Die meisten Betriebe müssen ökonomisch handeln, da sie marktwirtschaftlichen Entschei-dungsprozessen unterworfen sind. Diese ökonomische Rationalität gilt auch für den Be-reich der Lehrlingsausbildung (vgl. Mühlemann et al. 2007, S. 12).

Aus ökonomischer Sicht kann ein Unternehmen nicht langfristig in Bereiche investieren, die sich negativ auf die Bilanz des Unternehmens auswirken, selbst wenn diese Bereiche einem Bildungsauftrag unterliegen. Deshalb ist die betriebliche Ausbildung für einen Be-trieb nicht von Interesse, wenn sie sich nicht in irgendeiner Weise rentiert.

Das heißt, dass ein Betrieb bei der Durchführung der betrieblichen Ausbildung betriebs-wirtschaftliche Interessen verfolgen muss. Nach Mühlemann (2007, S. 12) ist die wichtigs-te Bedingung, dass Auszubildende während ihrer Ausbildung einen produktiven Nutzen für den Betrieb haben. Ziel ist es, die Kosten, die während der Ausbildung für den Betrieb entstehen, zu größten Teilen oder komplett zu kompensieren (siehe Kap. 3.2.1). Vorraus-setzung dafür ist, dass ein Betrieb die notwendigen Strukturen besitzt, um den Auszubil-denden in den Produktionsprozess einzubinden (vgl. Mühlemann et al. 2007, S. 12). Ob es jedoch immer ökonomisch sinnvoll ist, die Kosten der Ausbildung schon während der Ausbildungszeit zu decken, ist fraglich und wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch hin-reichend erläutert.

Es wird davon ausgegangen, dass sich ein Betrieb aus ökonomischen Motiven für oder gegen eine Ausbildungstätigkeit entscheidet, indem er den zu erwartenden Nutzen mit den vermutlich entstehenden Kosten gegeneinander abwägt. Ob Betriebe ausbilden oder nicht,

wird in der Ökonomie in den meisten Fällen mit der Humankapitaltheorie erklärt. Nach Mühlemann (2007, S. 13) behandelt die klassische Humankapitaltheorie das in Nordame-rika bekannte „On-the-job-training“. Darüber hinaus gibt Mühlemann (2007, S. 13) an, dass sich dies auch auf die theoretische Erläuterung der Berufsbildung anwenden lässt (vgl. Mühlemann et al. 2007, S. 13).

Ob die Anwendung der Humankapitaltheorie auf die betriebliche Ausbildung immer sinn-voll ist, wird im weiteren Verlauf dieses Kapitels hinterfragt. Um eine Wissensbasis zu schaffen, soll zuerst auf die Standardversion der Humankapitaltheorie nach Nobelpreisträ-ger Gary S. Becker eingegangen werden.

3.1 Die Humankapitaltheorie

3.1.1 Die Humankapitaltheorie nach Becker

Um die Ausbildungsentscheidungen der Betriebe zu untersuchen, wird in erster Linie die Humankapitaltheorie verwendet. Die Humankapitaltheorie gilt als grundlegend für die Frage nach der Finanzierung beruflicher Bildungsmaßnahmen. Der Begriff der Humanka-pitaltheorie wurde zu Beginn der 1960er Jahre vom Nobelpreisträger Gary S. Becker ge-prägt.

Das Grundmodell dieser Theorie basiert auf typischen neoklassischen Annahmen. Dabei wird von vollkommenen Märkten ausgegangen und davon, dass sich die Akteure auf dem Markt stets rational verhalten. Becker (1962) sagt, dass der Produktionsfaktor Arbeit in seiner Qualität durch Humankapitalinvestition beeinflussbar ist. Weiter wird angenommen, dass die Höhe der Entlohnung des Mitarbeiters der Grenzproduktivität entspricht (vgl. Mühlemann 2007 S. 14). Die Humankapitaltheorie besagt außerdem, dass Bildungsmaß-nahmen die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter eines Betriebes erhöhen. Den Ausführungen von Niederalt (2004, S. 64) ist zu entnehmen, dass „das Humankapital bzw. die Produktivi-tät der Arbeitnehmer als heterogen zu betrachten ist“ (Niederalt, 2004, S. 64). Deshalb wird davon ausgegangen, dass Humankapital mit der Produktivität der Arbeit zu verglei-chen ist.

Das Humankapital setzt sich aus den Komponenten: Qualitätsbestandteile, Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten zusammen (vgl. Niederalt nach Thurow 1970, S. 1). Werden diese Komponenten auf den neueren Sprachgebrauch bezogen, spricht man von „Hand-lungskompetenz sowie der Klassifikation in Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz“ (Eu-ler 1994, S. 67).

Wird die Humankapitaltheorie von Becker (1964) auf die betriebliche Ausbildung ange-wendet, sind folgende Ausführungen von Bedeutung.

In der Theorie wird davon ausgegangen, dass sich das Arbeitsleben in zwei Abschnitte unterteilen lässt. Die erste Phase ist die Ausbildungsphase; hier wird den Mitarbeitern Hu-mankapital vermittelt. Das heißt, dass sie sich Fähigkeiten aneignen, die ihnen helfen pro-duktive Tätigkeiten auszuführen. Da die Mitarbeiter in dieser Phase nur wenig produktive Arbeit für den Betrieb leisten können, ist die Produktivität gering. Das bedeutet gleichzei-tig, dass Mitarbeiter in der Ausbildungsphase weniger produktiv sind als an- oder unge-lernte Mitarbeiter. Um die Humankapitaltheorie an dieser Stelle mehr zu verallgemeinern, wird angenommen, dass ausgebildete Mitarbeiter in der zweiten Phase ihres Arbeitslebens konstant produktiver sind als an- oder ungelernte Mitarbeiter.

Es stellt sich die Frage, wer für die Kosten der Ausbildung aufkommt, der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber. Darüber hinaus wird die Frage erläutert, an wen der Gewinn aus der gestiegenen Produktivität verteilt wird.

Nachdem in diesem Abschnitt die allgemeine Humankapitaltheorie erläutert wurde, soll im nächsten Teil eine Unterscheidung vorgenommen werden. Becker (1964) unterscheidet zwischen generellem und betriebsspezifischem Humankapital (vgl. Mühlemann et al. 2007, S. 14).

3.1.2 Generelles Humankapital

Bei generellem Humankapital handelt es sich um Qualifikationen, die von den ausgebilde-ten Fachkräften nicht nur in einem Betrieb anwendbar sind, sondern in nahezu allen Be-trieben (vgl. Niederalt et al. 2004, S. 63).

Wie im vorhergehenden Abschnitt schon erläutert, geht die Humankapitaltheorie davon aus, dass ein Mitarbeiter nach seiner Produktivität entlohnt wird; hier wird vom perfekten Wettbewerb ausgegangen. Das heißt, dass ein Betrieb einen Mitarbeiter, der sich in der Phase nach der Ausbildung befindet, nach seiner Grenzproduktivität entlohnen muss, da er sonst in einen anderen Betrieb wechselt und dort sein generelles Humankapital anwendet. Der Betrieb hat demnach keinen Anreiz, in die Ausbildung zu investieren, da der Betrieb, laut Mühlemann (2007, S. 15), nicht dazu bereit ist, die Kosten des generellen Humankapi-tals zu übernehmen. Das würde laut Mühlemann (2007, S. 15) dazu führen, dass Betriebe

nicht dazu bereit wären, Kosten für generelles Humankapital aufzuwenden. Nach Niederalt (2004, S. 66) ist dies auch das Ergebnis des Standardansatzes der Humankapitaltheorie. Somit müssten Auszubildende, die generelles Humankapital vermittelt bekommen, die Ausbildung selber finanzieren. Dies könnte durch direkte Bildungskosten geschehen, die der Auszubildende an den ausbildenden Betrieb entrichtet. Eine andere Möglichkeit wäre, während der Ausbildung dem Auszubildenden einen Lohn zu zahlen, der unterhalb der Grenzproduktivität liegt, und somit die Kosten der Ausbildung bis zu ihrem Abschluss zu amortisieren (vgl. Mühlemann et al. 2007, S. 15; Kap. 3.2.1).

Wird die Struktur der Lehrlingsausbildung betrachtet, ist festzustellen, dass auf Grund staatlicher Regelungen ein beträchtlicher Teil der Ausbildung generelles Humankapital ist (vgl. Schweri et al. 2003, S. 24; Kap. 3.1.4).

Üblich ist, dass ein Auszubildender für seine Tätigkeiten entlohnt wird. Diese Entlohnung sollte allerdings unter der Grenzproduktivität liegen. Dies könnte dazu führen, dass sich die Ausbildung mit Ablauf der Ausbildungszeit amortisiert hat. Das ist in der Praxis aller-dings nur selten der Fall (siehe Kap. 5).

Im nächsten Abschnitt wird die zweite Form des Humankapitals vorgestellt, das betriebs-spezifische Humankapital (vgl. Mühlemann et al. 2007, S. 14 f.).

3.1.3 Betriebsspezifisches Humankapital

Betriebsspezifisches Humankapital führt nur in dem ausbildenden Betrieb zu einer höheren Produktivitätssteigerung. Es umfasst demnach Kenntnisse über betriebsspezifische Produk-tionsprozesse, Maschinen, Dienstleistungen, die Unternehmenskultur und die Lieferanten (vgl. Niederalt, 2004, S. 66).

In der „theoretisch[en], ökonomischen Kultur“ (Mühlemann et al. 2007, S. 15) ist strittig, ob es rein betriebsspezifisches Humankapital überhaupt gibt.

Becker (1964, S. 11 ff.) geht davon aus, dass auch die Marktstellung bei der Bestimmung des Humankapitals eine Rolle spielt. Es wäre also vorstellbar, dass in Betrieben mit einem Marktmonopol das generelle Humankapital einen betriebsspezifischen Charakter be-kommt. Wird die Situation des Auszubildenden in einem Betrieb betrachtet, in dem vor-wiegend betriebsspezifisches Humankapital vermittelt wird, ist der Auszubildende nicht bereit für die Ausbildungskosten aufzukommen. Der Hauptgrund hierfür dürfte die Unsi-cherheit sein, die Erträge nach der Ausbildung realisieren zu können, da die Möglichkeit besteht, dass der Betrieb den Auszubildenden nach der Ausbildung nicht weiterbeschäftigt.

Tritt der Fall der Entlassung eines betriebsspezifisch ausgebildeten Facharbeiters ein, so hat dieser in einem anderen Betrieb die gleiche Entlohnung wie eine ungelernte Fachkraft. Auch der Ausbildungsbetrieb trägt Risiken, nämlich bei Verlassen des Betriebes durch die ausgebildete Fachkraft. Allerdings kann eine solche Fachkraft ihr Humankapital kaum in anderen Betrieben einsetzen, da es, wie schon erwähnt, betriebsspezifisch ist (vgl. Mühle-mann et al. 2007, S. 15).

Um nach Mühlemann (2007, S. 15) die optimale Finanzregel für das zuletzt geschilderte Problem zu finden, tragen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die Kosten der Ausbildung. Um einen Anreiz zur Weiterbeschäftigung zu schaffen, teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach der Ausbildung auch die Erträge aus der gestiegenen Produktivität (vgl. Mühlemann et al. 2007, S. 15).

Dem Betrieb können während der Ausbildung Nettokosten anfallen (siehe Kap. 5). Da dieser ein Interesse dran hat, die angefallenen Kosten zu decken, wird der Auszubildende nach Abschluss seiner Ausbildung weiterbeschäftigt. Dabei wird vom Betrieb eine Entloh-nung unter der Grenzproduktivität vorgenommen (vgl. Niederalt 2004, S. 63; vgl. Kap. 3.2.2).

3.1.4 Grenzen der Humankapitaltheorie bei der Übertragbarkeit auf das be-triebliche Ausbildungsverhalten

Bei der Übertragung der Humankapitaltheorie auf die betriebliche Ausbildung besteht die Möglichkeit von Problemfeldern. Einige der Probleme wurden in den Kapiteln 3.1.2 und 3.1.3 bereits angedeutet und sollen im Folgenden erläutert werden. In diesem Kapitel wird primär die Literatur von Michael Niederalt (2004) verwendet, der sich eingehend mit den Grenzen der Humankapitaltheorie beschäftigt hat.

Niederalt (2004, S. 60) zufolge sehen einige Autoren die Unterteilung in generelles und spezifisches Humankapital realitätsfremd (vgl. Niederalt 2004, S. 63). Sandowski (1980, S. 28 f.) beschreibt, dass die Einteilung in generelles und spezifisches Humankapital aus ver-schiedenen Gründen keine Hilfe ist (vgl. Sandowski, S. 28).

Wie im vorhergehenden Kapitel (3.1.2 f.) bereits beschrieben, trifft eine Vermittlung von reinem betriebsspezifischen Humankapital lediglich auf Betriebe zu, welche ein Marktmo-nopol besitzen. In diesem Fall ist es schwierig, dem Auszubildenden ausschließlich spezi-fisches Humankapital zu vermitteln.

Wird beispielsweise von einem Auszubildenden ausgegangen, der eine Ausbildung in ei-nem Betrieb abgeschlossen hat, in dem zum Beispiel Flugzeugturbinen4 produziert werden, wird er trotz der Vermittlung von spezifischem Humankapital seine Kenntnisse zum Bei-spiel über Werkstoffe oder Fertigkeiten im Umgang mit Werkzeugen in anderen Betrieben einsetzen können. Auch institutionelle Rahmenbedingungen und Berufsschulunterricht vermitteln generelles Humankapital, welches nicht nur im Ausbildungsbetrieb anwendbar ist. Das Berufsbildungsgesetz fordert nach Niederalt (2004, S. 69) eine „breit angelegte“ Ausbildung (Niederalt, 2004, S. 69). Somit sind inhaltliche Gemeinsamkeiten gegeben, da die während der Ausbildung vermittelten Qualifikationen folglich auch in anderen Betrie-ben verwendet werden können. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass ein Facharbeiter, dem während seiner Ausbildung große Teile spezifisches Humankapital vermittelt wurde, bei einem Betriebswechsel nicht die Produktivität erreichen wird wie eine in diesem Be-trieb ausgebildete Fachkraft. Dies wird besonders deutlich, wenn die komparativen Kos-tenvorteile nach der Ausbildung beleuchtet werden (siehe Kap. 7.3). Als Beispiel ist die Aussage von Niederalt (2004, S. 70) zu nennen, der beschreibt, dass 78 Prozent der in ei-ner Studie befragten Absolventen, die in ihrem Ausbildungsbetrieb übernommen wurden, bestätigten, „viel“ von dem, was sie gelernt haben, auch nach der Ausbildung anwenden zu können. Dagegen gaben 68 Prozent der Absolventen, die den Ausbildungsbetrieb nach der Ausbildung verlassen haben, aber noch in ihrem Ausbildungsberuf arbeiten, an, „viel“ von dem, was sie in der Ausbildung gelernt haben, auch in dem neuen Betrieb anwenden zu können (vgl. Niederalt nach Herget et al. 1988).

Es ist anzunehmen, dass bei jeder Ausbildung sowohl generelles als auch spezifisches Humankapital vermittelt wird.

Bezug nehmend auf die eingangs formulierte Fragestellung ist festzuhalten, dass es für die Frage nach dem Ausbildungsverhalten relevant ist, welche Art der Wissensvermittlung während der Ausbildung stattfindet, da anzunehmen ist, dass es für Betriebe nach der Hu-mankapitaltheorie nicht lohnend ist, in generelles Humankapital zu investieren.

Wird vom „perfekten Wettbewerb“ ausgegangen (vgl. Mühlemann et al. 2006 S. 12), ist es für den Auszubildenden sowie für den ausbildenden Betrieb nicht mit Kosten verbunden, den Arbeitsplatz zu wechseln oder eine neue Fachkraft zu rekrutieren. Das heißt, dass bei einer Ausbildung, bei der zu großen Teilen generelles Humankapital vermittelt wird, der Betrieb Gefahr läuft, die angefallenen Nettokosten selber tragen zu müssen und er somit nicht ökonomisch handelt. Dabei stellt sich die Frage, warum Betriebe überhaupt in gene-relles Humankapital investieren sollen. Darauf sollen die Ausführungen im folgenden Ab-schnitt eine Antwort geben.

Hier soll auf die Humankapitaltheorie bei unvollkommenen Märkten eingegangen werden, um ggf. Gründe dafür zu finden, dass eine ausgebildete Fachkraft den Ausbildungsbetrieb nicht sofort verlässt, wenn ein besseres Jobangebot vorliegt. Die Betrachtung der Proble-matik bei unvollkommenen Märkten trägt zu einer differenzierteren Sicht bei.

Niederalt (2004, S. 70) u. a. beschreibt, „dass humankapitaltheoretische Ansätze auf die Weiterbildung von bereits eingestellten Arbeitskräften (training-on-the-job) zugeschnitten sind und Kosten der Bildungsmaßnahmen in erster Linie als Investitionskosten zur Steige-rung der Arbeitsproduktivität der bereits eingestellten Arbeitskräfte [zu] verstehen [sind].“ (Niederalt 2004, S. 70 f.; vgl. Schweri et al. 2003, S. 23 ff.) Es ist anzunehmen, dass dieser Umstand Probleme bei der Übertragbarkeit auf die betriebliche Ausbildung mit sich bringt. Wie erwähnt, wird im Gegensatz zur Annahme von Becker (1964) nun von unvollkomme-nen Märkten ausgegangen. Dabei können sowohl auf der Arbeitnehmer- als auch auf der Arbeitgeberseite Transaktionskosten entstehen. Bei Arbeitnehmern wird an dieser Stelle von Mobilitätskosten die Rede sein. Diese Kosten setzen sich aus direkten und indirekten Kosten zusammen. Direkte Kosten sind zum Beispiel Kosten für den Umzug, sollte der neue Arbeitsplatz mit einem Umzug verbunden sein. Von indirekten Kosten spricht man, weil sich diese nur schwer quantifizieren lassen, wenn man z. B. nicht nur den Arbeits-platz, sondern auch eine vertraute Umgebung wechselt. Daraus resultiert die Eingewöh-nung in ein neues Arbeits- und Wohnumfeld mit so genannten Eingewöhnungskosten.

Auf der Grundlage der Humankapitaltheorie können die Individuen auf Grund des voll-kommenen Marktes „unendlich elastisch auf verschieden hohe Löhne reagieren“ (Niederalt 2004, S. 72).

Wird der unvollkommene Markt zu Grunde gelegt, hindern Mobilitätskosten den Einzel-nen daran, bei unterschiedlich hohen Löhnen den Arbeitsplatz zu wechseln.

Das bedeutet, dass Arbeitnehmer trotz generellen Humankapitals auf Grund der Mobili-tätskosten trotzdem unter der Grenzproduktivität bezahlt werden können, ohne gleich den Anreiz zu besitzen, den Arbeitsplatz zu wechseln (vgl. ebenda S. 71 f.).

Im Folgenden sollen die Kosten für den Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnis-ses beleuchtet werden; dabei soll ebenfalls vom unvollkommenen Markt ausgegangen werden.

Beendet ein Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer nach der Ausbildung das Arbeitsverhält-nis, so fallen neben den vermeintlich übrig gebliebenen Nettokosten auch Personalbeschaf-fungskosten bei der Einstellung eines neuen Mitarbeiters über den externen Arbeitsmarkt an. Diese Kosten lassen sich in Such- und Selektionskosten unterteilen (siehe Kap. 7.3). Unter Suchkosten versteht man die Kosten, die bei der Suche eines geeigneten Mitarbeiters auf dem externen Arbeitsmarkt anfallen. Diese Kosten werden von der aktuellen Marktlage beeinflusst, das kann heißen, dass die genannten Kosten mit Dauer und Intensität der Su-che steigen (siehe Kap. 7.3.1).

Mit Selektionskosten sind Kosten gemeint die, so Niederalt (2004, S. 72), bei der Bestim-mung der Produktivität einer neuen Arbeitskraft anfallen. Gemeint sind damit Einstel-lungsgespräche oder Testverfahren. Diese steigen mit der Komplexität der Feststellbarkeit der Produktivität des Bewerbers (vgl. ebenda S. 72).

Bei Nichtbesetzung der Stelle können dem Betrieb auch Produktionsausfallkosten oder Mehrkosten durch Überstunden entstehen (siehe Kap. 7.3).

Ist die Stelle besetzt, „so fallen Einarbeitungskosten und Kosten für die Anpassungsquali-fizierung an“ (ebenda, S.72; siehe Kap. 7.3.2) Niederalt (2004, S. 72) nennt als Grund für diese Kosten, dass der neue Mitarbeiter sein generelles Humankapital nicht ohne betriebs-spezifisches Wissen anwenden kann und bezieht sich damit auf Franz und Soskici (Nieder-alt nach Franz et al. 1995).

Dadurch, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Transaktionskosten entstehen können, entsteht ein bilaterales Monopol. Damit verbunden ist eine Rente, die den Parteien den Anreiz gibt, sich nicht zu trennen. Dabei wird nach der Ausbildung ein Lohn unter der Grenzproduktivität gezahlt, damit der Betrieb die Kosten der Ausbildung decken kann. Im Folgenden könnte auf die Ausführungen von Acemoglu und Pischke eingegangen werden. Die Detaillierung des Problems würde den Rahmen dieser Arbeit zu stark belasten. Es lässt sich jedoch aus den Ausführungen von Niederalt (2004), der die Ausführungen von Ace-moglu und Pischke beschreibt, schlussfolgern, dass ein Betrieb durchaus in generelles Humankapital investiert, solange die Möglichkeit besteht, dass der ausgebildete Facharbei-ter im Betrieb verbleibt und somit die Kosten der Ausbildung gedeckt werden können (vgl. Niederalt 2004, S. 73 ff.).

Wichtig für die Beantwortung der Fragestellung ist die Erkenntnis, dass es weder rein ge-nerelles noch rein betriebsspezifisches Humankapital gibt, sondern immer eine Mischform. Ebenfalls wurde deutlich, dass Betriebe auch entgegen der Humankapitaltheorie in gene-relles Humankapital investieren. Darüber hinaus wurde geklärt, dass ausgebildete Fach-kräfte nicht sofort den Betrieb verlassen, wenn sie unter der Grenzproduktivität bezahlt werden und in einem anderen Betrieb mehr verdienen können. Aufbauend auf den speziel-len Arten der Wissensvermittlung, werden in den nächsten Kapiteln Finanzierungsansätze für die Berufsausbildung beleuchtet.

3.2 Die Finanzierung der Ausbildung nach ökonomischen Theorien

Die ökonomische Theorie lässt zwei Modelle zur Finanzierung von Ausbildung zu. Im ersten Modell werden die Kosten der Ausbildung vom Auszubildenden bereits während der Ausbildung durch produktive Leistungen gedeckt. Der Betrieb ist vor allem an der produktiven Leistung des Auszubildenden während der Ausbildung interessiert (produkti-onsorientierte Lehrlingsausbildung).

Im zweiten Modell begleicht der Auszubildende die während der Ausbildung angefallenen Kosten nach der Ausbildung. Das zweite Modell kann als Investition in eine zukünftige Fachkraft gesehen werden. Dabei geht der Betrieb davon aus, dass nach der Ausbildung noch Nettokosten vorhanden sind und diese in der Zeit nach der Ausbildung gedeckt wer-den (investitionsorientierte Lehrlingsausbildung).

Es ist zu vermuten, dass sich die Ausbildung auf Grund der genannten Modelle von Be-trieb zu Betrieb unterscheidet. Im Folgenden sollen beide Modelle der Ausbildungsfinan-zierung beschrieben werden. Bei diesen Ansätzen wird davon ausgegangen, dass die Be-dingungen des vollkommenen Marktes gegeben sind und die Akteure des Marktes nach dem Prinzip des homo oeconomicus handeln.

3.2.1 Produktionsorientierte Lehrlingsausbildung

Kennzeichnend für die produktionsorientierte Berufsausbildung ist das Merkmal, dass nach der Ausbildung keine Nettokosten vorhanden sind. Das heißt, dass die produktiven Leistungen der Auszubildenden höher sind als die mit der Ausbildung verbundenen Kosten. Eine genaue Beschreibung der Berechnungen der Ausbildungserträge sind in Kapitel 5.4.2 zu finden (vgl. Kap. 5.4.2).

Ob ein Betrieb produktionsorientiert ausbildet, kann vor der Ausbildung nicht genau fest-gestellt werden, da die erwarteten Nettokosten nicht genau eingeschätzt werden können. Bei einer produktionsorientierten Ausbildung erbringt der Auszubildende eine produktive Mindestleistung. Diese befindet sich laut Mühlemann (2007) auf gleichem Niveau wie bei ungelernten Arbeitskräften. Der Grund liegt darin, dass Auszubildende während ihrer Aus-bildung dem Arbeitgeber oft auf Grund außerbetrieblicher Maßnahmen, wie zum Beispiel Berufsschule, nicht zur Verfügung stehen. Dabei wird von einem Berufsschulanteil von ca. zwölf Stunden pro Woche ausgegangen (vgl. Rebmann et al. 2005, S. 58). Die Entlohnung des Auszubildenden liegt während der Ausbildung unter der eigentlichen Grenzproduktivi-tät des Auszubildenden. Dies wird mit den Kosten begründet, die dem Betrieb während der Ausbildung entstehen. Der Auszubildende bekommt somit lediglich eine Ausbildungsvergütung, die gleich der Nettoproduktivität5 ist (vgl. Kap. 3.1.4). Darüber hinaus ist laut Faix zu beachten, dass „Lernen eine [...] der produktiven Ressourcen bindet.“ (Faix, 2006, S. 1) Nach Mühlemann (2007) kann der Fall eintreten, dass die produktive Arbeitsleistung die Kosten der Ausbildung überschreitet. Das bedeutet, dass der Betrieb durch die produktive Leistung des Auszubildenden einen Gewinn erzielt. Es ist theoretisch möglich, dass eine produktionsorientierte Ausbildung ohne Ausbildungsabsicht durchgeführt wird „und [...] der Substitution von tiefqualifizierten Arbeitskräften durch Lernende dien[t].“ (Mühle-mann et al. 2007 S. 21). Danach findet nach Kempf (1985, S. 66) neben dem Lernen am Arbeitsplatz keine Vermittlung von Humankapital statt, so dass nicht von einer Ausbildung im engeren Sinne ausgegangen werden kann (Kempf, 1985, S. 66).

Sollte in einem Betrieb genügend Arbeit vorhanden sein, die ein ungelernter Arbeiter ver-richten kann, könnte diese auch von einem Auszubildenden verrichtet werden. Das wäre für den Betrieb profitabel. Wenn Betriebe ihre Auszubildenden nur unqualifizierte Arbeit verrichten lassen, wird die Produktivität der Auszubildenden die Kosten der Ausbildung nicht decken (vgl. Kap. 4.4). Laut Mühlemann (2007): „muss der Lernende wenigstens während eines Teils der Lehre qualifizierte Tätigkeiten übernehmen, um den entsprechen-den Mehrwert zu schaffen.“ (Mühlemann et al. 2007 S. 21). Dies ist vor allem für den Auszubildenden wichtig, da diese Gegebenheit dem Auszubildenden gewährleistet, wäh-rend der Ausbildung qualifizierte Tätigkeiten auszuüben. Auch gesetzliche Vorschriften und der Schulbesuch unterbinden die Einstellung von Auszubildenden nur zur Verrichtung unqualifizierter Tätigkeiten (vgl. Mühlemann et al. 2007 S. 22).

Auch über die Ausbildungsvergütung können Betriebe ihren Gewinn nicht unendlich ma-ximieren, da zum einen bei niedriger Vergütung die Motivation der Auszubildenden leidet und zum anderen lediglich unqualifizierte Auszubildende bereit sind, eine Ausbildung zu beginnen. Gerade bei mangelnder Motivation der Auszubildenden könnten die erwarteten Erträge nicht erzielt werden.

Gerade auf dem Lehrstellenmarkt wird der Gewinnmaximierung der Betriebe Grenzen gesetzt, da die Auszubildenden die Wahl zwischen den Betrieben haben. Faix (2006, S. 1) fügt hinzu, dass bei der produktionsorientierten Berufsausbildung ein großer Anteil an ge-nerellem Humankapital vermittelt wird. Das hat folgende Gründe: Zum einen lässt sich generelles Humankapital verhältnismäßig schnell und einfach vermitteln und zum anderen wird dies bei der produktionsorientierten Berufsausbildung in größerem Umfang benötigt. Darüber hinaus ist es für den Auszubildenden einfacher, nach der Lehre eine neue Anstel-lung zu finden (vgl. Faix 2006 S. 1 f.).

In der einschlägigen Literatur wird deutlich, dass bei der produktionsorientierten Be-rufsausbildung ein geringer Anreiz besteht, den Auszubildenden in ein Beschäftigungsver-hältnis nach der Ausbildung zu übernehmen. Für Betriebe, die produktionsorientiert aus-bilden, ist es ökonomisch rational, viele Auszubildende einzustellen und nach der Ausbil-dung nur wenige zu behalten (vgl. Faix 2006 S. 1 f.). Somit kann der Bedarf an Auszubil-denden für den Betrieb gedeckt werden. Ebenfalls sparen Betriebe dadurch Rekrutierungs-kosten (vgl. Kap. 7.3) und haben einen Nutzen durch die Ausgebildeten. Ob eine produkti-onsorientierte Berufsausbildung immer vorteilhaft ist, wird sich im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen, da anzunehmen ist, dass die investitionsorientierte Lehrlingsausbildung qua­litative Vorteile mit sich bringt.

Im nächsten Kapitel soll das Gegenstück zur produktionsorientierten Lehrlingsausbildung dargestellt werden, um eine differenzierte Sicht auf die eingangs formulierte Fragestellung zu erlangen (vgl. Mühlemann et al. 2007 S. 22).

3.2.2 Investitionsorientierte Lehrlingsausbildung

Die grundlegende Voraussetzung für eine investitionsorientierte Ausbildung ist das Inte-resse des Betriebes, entgegen den Grundsätzen der produktionsorientierten Lehrlingsaus-

bildung den Auszubildenden nach der Ausbildung weiter zu beschäftigen. Ausbildung kann somit als Investition in die Zukunft gesehen werden.

Bei diesem Modell der Ausbildungsfinanzierung liegen die Ausbildungskosten über der Nettoproduktivität der Auszubildenden. Das heißt, dem Betrieb entstehen Kosten durch die Ausbildung. Diese Kosten werden jedoch nicht wie bei der produktionsorientierten Aus-bildung (während der Ausbildung) durch die produktiven Leistungen der Auszubildenden ausgeglichen, sondern erst nach der Ausbildung gedeckt. Nach der Ausbildung steigt die Produktivität des Lehrlings. Dabei wird nach Faix (2006, S. 2) nur die Produktivität ent-lohnt, die dem generellen Wissen entspringt. Grund hierfür ist, dass das generelle Humankapital den Marktwert des Auszubildenden widerspiegelt. Der betriebsspezifische Teil des Humankapitals verbleibt im Betrieb und stellt einen Ertrag dar. Der daraus resultierende Ertrag deckt die Kosten, die während der Ausbildung entstanden sind (vgl. Faix, 2006, S. 2).

Dieses Modell zeigt, dass es nicht immer die optimale Variante ist, den Gewinn der Lehr-lingsausbildung kurzfristig, also während der Ausbildungszeit, zu maximieren. Im Folgen-den wird sich zeigen, dass es auch lohnend sein kann, auf einen Gewinn während der Aus-bildung zu verzichten. Allerdings darf die Gefahr, dass der Auszubildende den Betrieb nach der Ausbildung verlässt, nicht zu groß sein.

Im kommenden Abschnitt sollen drei theoretische Ansätze erläutert werden, wie ein Be-trieb Erträge generieren kann und welche finanziellen Anreize der Betrieb hat, einen Aus-zubildenden nach der Ausbildung zu übernehmen (vgl. Mühlemann et al. 2007 S. 22).

Vermittelt der Betrieb dem Auszubildenden betriebsspezifisches Humankapital (siehe Kap. 3.1.3) und übernimmt den Lernenden nach der Ausbildung, bringt das, laut Mühlemann (2007, S. 22), mehrere Vorteile. Zum einen muss der Betrieb den selber Ausgebildeten nicht neu anlernen, da er bereits Kenntnisse innerhalb des Betriebes erworben hat. Bei der Einstellung eines externen Facharbeiters, der an Stelle des Auszubildenden eingestellt wird, fallen Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten an (siehe Kap. 7.3). Diese würde der Betrieb bei eigener investitionsorientierter Ausbildung einsparen. Der Betrieb kann aus diesem Grund die Bereitschaft zeigen, das damit eingesparte Kapital in die Ausbildung zu investieren (vgl. Kap. 7.3).

Es ist wichtig für den Betrieb, dem Auszubildenden während der Ausbildung betriebsspe-zifisches Wissen zu vermitteln.

Damit verfolgt der Betrieb neben dem oben genannten Ansatz von Faix (2006, S. 2) auch andere Motive. Der Arbeitgeber müsste die Wissensvermittlung auch bei Facharbeitern, die über den Arbeitsmarkt rekrutiert werden, vornehmen. An dieser Stelle entstehen Vor-teile für die Ausbildung eigener Lehrlinge, da die Vermittlung betriebsspezifischen Wis-sens während der Ausbildung auf Grund der Lohn- und Gehaltsunterschiede nicht so teuer ist wie bei externen Facharbeitern. Ein anderer Aspekt ist, dass dem Auszubildenden, dem viel betriebsspezifisches Wissen vermittelt wird, der Anreiz genommen wird, den Betrieb nach der Ausbildung zu verlassen, da er mit seinem betriebsspezifischen Humankapital in anderen Betrieben Nachteile hat (vgl. Kap. 3.1.3; Mühlemann et al. 2007 S. 22).

Der zweite Ansatz geht vom Versagen einer neoklassischen Theorie aus. Es wird davon ausgegangen, dass die Konkurrenz am Arbeitsmarkt nicht immer vollständig ist. Legt man diesen Fall zu Grunde, kann es für den Betrieb lohnend sein, „zusätzliche Mittel in die Ausbildung eines Lehrenden zu investieren, weil dadurch die Produktivität nach der Lehre steigt, aber nicht die ganzen Produktivitätsfortschritte auch lohngemäß vergütet werden müssen.“ (Mühlemann et al. 2007 S. 24) Je weiter sich die Schere zwischen Produktivität und bezahltem Lohn des Facharbeiters öffnet, umso größer ist auch der Nutzen, den ein Betrieb an einem selbst ausgebildeten Facharbeiter hat. Das kann wiederum bedeuten, dass der Betrieb bereit ist, mehr finanzielle Mittel in die Ausbildung eigener Lehrlinge zu inves-tieren. Lohnend ist der zweite Ansatz nach Mühlemann (2007, S. 24) nur, wenn ein Ge-winn aus der Differenz zwischen Produktivität und Lohn entsteht (vgl. Mühlemann et al. 2007 S. 24).

Die dritte Annahme geht davon aus, dass Betriebe die Ausbildung als Gemeinschaftsauf-gabe verstehen, da auf längere Sicht alle Betriebe von der Berufsausbildung profitieren (vgl. Mühlemann nach Sadowski, 2007 S. 24).

Nach Mühlemann (2007, S. 24) ist dieses Verhalten nur lohnend, wenn alle Betriebe den gleichen Lohn zahlen und dieser Lohn unter der Produktivität liegt. Daraus ergibt sich, dass alle Betriebe die während der Ausbildung angefallenen Kosten wieder kompensieren können. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei dem Facharbeiter um einen eigenen ehemaligen Auszubildenden handelt oder einen externen Facharbeiter, da alle Betriebe den gleichen Lohn zahlen. Eine weitere Voraussetzung für diesen Erklärungsansatz wäre, wenn möglichst alle Betriebe in der betreffenden Region und einer Branche ausbilden würden.

Sollte diese Voraussetzung nicht gegeben sein, würde eine Angriffsfläche für Trittbrettfah-rer entstehen (vgl. Mühlemann et al. 2007 S. 24).

Trittbrettfahrer versuchen ihren Personalbedarf an Stelle von Ausbildung durch das Ab-werben von Fachkräften zu decken. Dabei machen es sich Trittbrettfahrer zu Nutze, dass investitionsorientiert ausbildende Betriebe nach der Ausbildungszeit einen Lohn bezahlen, der unter der Grenzproduktivität liegt. Grund hierfür ist, dass die Betriebe ihre Ausbil-dungskosten erst nach der Ausbildung kompensieren. Betriebe, die nicht selber ausbilden, bieten der Fachkraft einen Lohn, der leicht über dem des Ausbildungsbetriebes liegt. Diese nicht ausbildenden Betriebe können die finanzielle Belastung durchaus tragen, da sie keine Ausbildungskosten zu verzeichnen haben (vgl. Mühlemann et al. 2007 S. 24). Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, welche Kosten bei der Einstellung einer externen Fachkraft auf einen nicht ausbildenden Betrieb zukommen und ob diese nicht höher sind als die Netto-kosten am Ende einer Ausbildung (siehe Kap. 7.3).

Diese beiden Modelle beschreiben, wie unterschiedlich Ausbildung interpretiert werden kann. Auf der einen Seite steht der kurzfristige Nutzen, den ein Betrieb bei der produkti-onsorientierten Ausbildung hat, und auf der anderen Seite der langfristige Nutzen, den ein Lehrling bei der investitionsorientierten Berufsausbildung stiftet.

Tendenziell ist festzustellen, dass laut IAB-Forschungsbericht die Zahl der Übernahmen von der Berufsausbildung in ein Beschäftigungsverhältnis gestiegen ist. 59 Prozent der Auszubildenden, die ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, werden somit in ein Beschäftigungsverhältnis übernommen (vgl. Fischer et al. 2007, S. 71).

Es könnte deshalb geschlussfolgert werden, dass die investitionsorientierte Berufsausbil-dung in Deutschland weiter verbreitet ist als die produktionsorientierte. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die meisten Ausbildungen in Deutschland den Charakter einer Investition in die Zukunft haben.

Im folgenden Abschnitt soll untersucht werden, inwieweit die Betriebe durch die Ausbil-dung von Jugendlichen einen Nutzen für die Gesellschaft darstellen und welchen Hinter-grund dieser Nutzen hat.

3.2.3 Reputationsansatz

Wie bereits erwähnt, soll untersucht werden, ob Betriebe eine soziale Verantwortung mit der Ausbildung übernehmen oder ob das soziale Engagement von ökonomischem Kalkül beeinflusst wird.

In den vorangegangenen Abschnitten wurden einzig und allein ökonomische Beweggründe für die Berufsausbildung genannt.

Es lassen sich im Vorfeld der Überlegungen dieses Kapitels zwei Vermutungen anstellen. Die erste Vermutung ist, dass die Ausbildungsbetriebe zum Teil aus sozialer Verantwor-tung heraus ausbilden und dass gewisse Ausbildungstraditionen eine Rolle bei der Be-rufsausbildung spielen.

Die zweite Vermutung unterstellt Betrieben auch bei der vermeintlichen Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung ökonomische Beweggründe.

Die betriebliche Berufsausbildung in Deutschland erfüllt laut Niederalt (2004, S. 110) eine wichtige Funktion und ruft gesellschaftlich-öffentliches Interesse hervor. Dieses Interesse wird durch diverse Institutionen zum Ausdruck gebracht. Das können zum Beispiel politi-sche Institutionen, Gremien, gesellschaftliche Individuen sowie Medien sein. Diese treten meist auf den Plan, wenn die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe nicht die Ausbildungs-platznachfrage deckt. An dieser Stelle muss die Frage gestellt werden, inwieweit Betriebe diesen Kollektivaufrufen Folge leisten. Dabei ist zu beobachten, dass meist größere Betrie-be diesen Aufrufen nachkommen, auch wenn für die Betriebe eine Aufstockung der An-zahl Auszubildender scheinbar nicht immer ökonomisch sinnvoll ist. Es besteht also ein gesellschaftliches Interesse an der Ausbildung der Jugendlichen, das heißt, dass die Gesell-schaft von den Betrieben eine Verantwortung bei der Ausbildung junger Menschen erwar-tet. Im Gegenzug dazu stellt die Gesellschaft dem Betrieb laut Niederalt (2004, S. 110) einen Kundenpool sowie einen Rekrutierungsraum für Mitarbeiter zur Verfügung, so dass man von einer gegenseitigen Abhängigkeit ausgehen kann. Die Erwartungshaltung, die von der Gesellschaft gegenüber den Betrieben entwickelt wird, beeinflusst die Reputation des Betriebes in der Öffentlichkeit, das heißt, wenn ein Betrieb Ausbildungsplätze anbietet, verbessert dieser seine Reputation in der Gesellschaft (vgl. Niederalt 2004, S. 110).

Niederalt (2004, S. 110) greift an dieser Stelle Sadowki auf; dieser stellte bereits zu Beginn der 1980er Jahre fest, dass eine allgemeine, unternehmensfinanzierte Berufsausbildung ein Zeichen für Mitarbeiterorientierung darstellt.

[...]


1 Gemeint ist der nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland.

2 Abk. BWL

3 Berufsbildungsgesetz

4 Beispiel für einen Betrieb, in dem betriebsspezifisches Humankapital vermittelt wird.

5 Nettoproduktivität: entspricht der Differenz aus effektiver Produktivität und den mit der Ausbildung ver-bundenen Kosten für die Ausbildung.

Ende der Leseprobe aus 112 Seiten

Details

Titel
Kosten und Nutzen der betrieblichen Ausbildung
Untertitel
Warum sollen Betriebe ausbilden?
Hochschule
Universität Kassel
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
112
Katalognummer
V127756
ISBN (eBook)
9783640344673
ISBN (Buch)
9783640344413
Dateigröße
2979 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kosten, Nutzen, Ausbildung, Warum, Betriebe
Arbeit zitieren
Patrick Gomell (Autor:in), 2009, Kosten und Nutzen der betrieblichen Ausbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127756

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