Das Problem des Moral Hazard durch Gewährung von Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen


Hausarbeit, 2008

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Finanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen
2.1 Der gegenwärtige Finanzausgleich und seine Rechtsgrundlagen
2.2 Einsatz vom Bundesergänzungszuweisungen
2.3 Änderungen im Zeitablauf

3 Moral Hazard
3.1 Charakteristika
3.2 Übertragbarkeit auf die Vergabe von SoBEZ
3.2.1 Vergabe gemäß §11 III FAG
3.2.2 Andere SoBEZ
3.3 Fehlverhalten
3.3.1 Missbrauch der Mittel aus SoBEZ
3.3.2 Hoffen auf einen Bail-Out

4 Heutige Relevanz
4.1 Dynamisches Problem
4.2 Statisches Problem
4.3 Fazit

A Literaturverzeichnis

B Schätzung der Verwendungsanteile

C Daten aus den Fortschrittsberichten der Länder

1 Einleitung

Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, ob bei der Vergabe von Sonderbedarfs- Bundesergän-zungszuweisungen ein Moral Hazard Problem vorliegt und wie sich dieses bisher ausgewirkt hat. Da Bundesergänzungszuweisungen, wie andere Elemente im bundesstaatlichen Finanz-ausgleich, seit vielen Jahren Gegenstand politischer Debatten, Verteilungskämpfe und Kom-promisslösungen sind, kann das in diesem Rahmen nur in einigen Aspekten geschehen. Eine umfassende Betrachtung, die die Evolution der Rechtsprechung und Rechtssetzung und ihre Wechselwirkungen mit der Handlung der politischen Akteure in ihrer Gesamtheit berücksich-tigt, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

Im nächsten Kapitel werden Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen in das System des Finanzausgleichs eingeordnet. Darauf folgt ein kurzer Überblick über die Geschichte des Finanzausgleichs mit Fokus auf die Entwicklung der Sonderbedarfs- Bundesergänzungszuwei-sungen. Der Frage, ob bei ihrer Vergabe ein Moral Hazard Problem vorliegt, wird im folgenden Kapitel nachgegangen. Zunächst wird ein Schema entwickelt, mit dem geprüft werden kann, ob ein Moral Hazard Problem vorliegt und mit diesem die Vergabe der unterschiedlichen SoBEZ geprüft. Im Folgenden werden dann die in den Fortschrittsberichten “Aufbau Ost“ ausgewie-senen Quoten der Mittelverwendung mit Hilfe von Daten über die Haushalte der entsprechen-den Bundesländer analysiert, um Einblicke in die Haushaltsgestaltung der Länder, die zu den ausgewiesenen Quoten führt, zu erhalten. Weiterhin wird ein dynamischer Aspekt des Moral Hazard Problems diskutiert. Im letzten Kapitel wird schließlich die Relevanz der Problemtypen bewertet und ein kurzes Fazit formuliert.

2 Finanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungen

2.1 Der gegenwärtige Finanzausgleich und seine Rechtsgrundlagen

Einem Bundesland stehen im Sinne von Artikel 106 und 107 des Grundgesetztes zwei direkte Quellen zur Finanzierung seiner Aufgaben zur Verfügung. Zum einen gibt es Steuern, deren Aufkommen gemäß Artikel 106 II den Ländern zusteht. Zum anderen wird gemäß Artikel 106 III das Aufkommen der Gemeinschaftssteuern, d.h. der Umsatzsteuer, der Einkommens- und der Körperschaftssteuer, zwischen Bund und Ländern verteilt.

Während die Steuern aus Artikel 106 II den Ländern allein zustehen, findet bei den Ge-meinschaftssteuern eine Umverteilung statt, denn die Einnahmen bei den Gemeinschaftssteu-ern werden zwischen den Ländern im Zuge des horizontalen Finanzausgleichs gemäß Artikel 107 bzw. dem Zerlegungs- sowie dem Maßstäbegesetz verteilt. Die so entstehenden Transfers dienen bei Einkommens- und Körperschaftssteuer gemäß §2 und §7 ZerlG allerdings nur zum Ausgleich von Verzerrungen, die sich z.B. zwischen Stadtstaaten und den umliegenden Län-dern ergeben. Die Verteilung der Umsatzsteuer hat hingegen eine klare Transferfunktion. Die nach §5 MaßstG vergebenen Ergänzungsanteile nutzen die durch Artikel 107 I 4 eingeräumte Möglichkeit, Ländern “deren Einnahmen aus den Landessteuern und aus der Einkommen-steuer und der Körperschaftsteuer je Einwohner unter dem Durchschnitt der Länder liegen“ zusätzliche Finanzmittel an die Hand zu geben.

Ein vollständiger Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder allein über diesen Kanal ist in der Regel nicht möglich, § 5 MaßstG begrenzt die Umsatzsteuertransfers zwischen den Ländern auf 25% der Umsatzsteuereinnahmen. Eine weitere Angleichung, d.h. weitere Transfers, erfolgt über den Länderfinanzausgleich. Rechtsgrundlage ist hier das aufgrund von Artikel 107 II erlassene Finanzausgleichsgesetz. Der Länderfinanzausgleich dient dazu, die Fi-nanzkraft pro Einwohner über alle Bundesländer anzugleichen. Dies wird durch Abschöpfungs-und Auffüllungszahlungen zwischen den Bundesländern erreicht, die eine weitgehende An-gleichung der Finanzkraft ermöglichen. Die in §10 FAG definierten Faktoren führen nach einer Beispielrechnung des Bundesfinanzministeriums (BMF 2007, S.6 [2]) dazu, dass ein Land, des-sen Finanzkraft pro Einwohner vor dem Länderfinanzausgleich 70% des Bundesdurchschnittes bemaß, nach dem Ausgleich auf 91% des Bundesdurchschnittes kommt.

Eine noch weiter gehende Angleichung erfolgt schließlich über die allgemeinen Bundeser-gänzungszuweisungen (aBEZ) nach §11 II FAG, also Transfers im vertikalen Finanzausgleich. Nach Länderfinanzausgleich und dem nachgeschalteten Empfang von aBEZ käme das Land gemäß der Beispielrechnung auf eine Finanzkraft von 97,5% des Bundesdurchschnittes.

Länder, die mit Sonderlasten konfrontiert sind, erhalten darüber hinaus Sonderlasten- Bun-desergänzungszuweisungen (SoBEZ). In §11 III bis IV FAG werden 4 Sonderlasten genannt, bei denen der Bund die belasteten Bundesländer mit SoBEZ unterstützt. Den ostdeutschen Bundesländern werden SoBEZ zur Überwindung teilungsbedingter Sonderlasten und zum Aus-gleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft nach § 11 III FAG sowie zur Überwindung der strukturellen Arbeitslosigkeit nach § 11 IIIa FAG gewährt. Ferner werden einigen Bundes- ländern SoBEZ zur Finanzierung von relativ höheren Kosten pro Einwohner für die politische Führung nach § 11 IV FAG gewährt.

2.2 Einsatz vom Bundesergänzungszuweisungen

Vor der Wiedervereinigung waren aBEZ die einzige Art von Bundesergänzungszuweisungen (Häge 1996, S.242 [6]). Zur Bewältigung der Lasten im Zuge der Wiedervereinigung wurde 1990 zunächst der Fonds Deutsche Einheit auf Grundlange des “Gesetzes über die Errichtung eines Fonds Deutsche Einheit“ (DEFG), der gemäß §2 I DEFG für die Übergangszeit von 1990 bis Ende 1994 den neuen Bundesländern finanzielle Hilfen bereitstellen sollte.

Im Zuge des 1995 in Kraft getretenen Solidarpaktes I wurde diese Hilfe um aBEZ und So-BEZ für die neuen Länder erweitert (Sachverständigenrat 1993 166 S.152 [14]). Parallel dazu führte eine Klage der Bundesländer Bremen und Saarland beim Bundesverfassungsgericht da-zu, dass diesen von 1994 bis 1998 (mit anschließender Verlängerung bis Ende 2004) aufgrund einer extremen Haushaltsnotlage ebenfalls SoBEZ zugesprochen wurden ([14] 167 S.152 und BVerfG 86 (1992) G I 1 b).

Da Ende der 1990er Jahre bereits absehbar war, dass die Dauer des bis 2004 konzipierten Solidarpakts I nicht ausreicht, um gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West herzustellen, wurde Ende 2001 das Solidarpaktfortführungsgesetz beschlossen. Die Bedeutung der SoBEZ wurde durch Überleitung der Mittel des Investitionsfördergesetztes Aufbau Ost in SoBEZ er-höht (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Solidarpaktfortführungsgesetz S.2 [3]).

Der Solidarpakt II sollte auch Schwächen des Solidarpaktes I beheben. Insbesondere wurde der Vorwurf erhoben, dass ein Großteil der dafür gewährten SoBEZ nicht zur Überwindung tei-lungsbedingter Sonderlasten bzw. zur Überwindung der strukturellen Arbeitslosigkeit genutzt wurde. Hierzu war vor allem ein Aufbau der Infrastruktur nötig1. Ragnitz (2003, S.476 [10]) stellt hierzu fest, dass im Jahr 2002 in Sachsen- Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Branden­burg und Thüringen zwischen 35% und 64% der Mittel aus SoBEZ nicht vereinbarungsgemäß, d.h. nicht für den Aufbau von Infrastruktur genutzt wurden.

Dies muss jedoch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die neuen Bundesländer zwi-schenzeitlich hohe investive Ausgaben tätigten. Kitterer (2002, S.3f [7]) stellt fest, dass die Investitionsausgaben Mitte der 1990er Jahre fast das 2,5 fache der Ausgaben der alten Bundes-länder betrugen, obwohl die neuen Bundesländer nach dem Finanzausgleich und dem Empfang von SoBEZ “nur“ etwa 10% mehr Mittel zur Verfügung hatten als die Alten. Diese Entwicklung war jedoch nur von kurzer Dauer, die Ausgaben sanken ab 1998 wieder, obwohl die Vermö-gensübertragungen an die neuen Länder konstant blieben. 1999 flossen bereits mehr als 50% der Vermögensübertragungen in den Konsum, genauer: Sozialleistungen (Kitterer [7] S.5).

Verschärfend kam hinzu, dass im Zuge der Neuregelung die Mitsprache des Bundes bei der Mittelverwendung abgeschafft wurde, für die im Gegenzug eine Zweckbindung der Mittel für den Abbau des infrastrukturellen Nachholbedarfes der neuen Länder vereinbart wurde (Ragnitz 2003, S.473 [10]). Eine korrekte Verwendung der Mittel sollte durch die mit dem Beschluss des Solidarpaktes II im Jahr 2001 eingeführten “Fortschrittsberichte Aufbau Ost“ dokumentiert werden.

Die Notwendigkeit einer Zweckbindung der Mittel zeigte sich vor dem Inkraftreten des So-lidarpaktes II im Jahr 2005. Ragnitz (2003, S.473 ([10]) stellt hier deutliche Unterschiede in der Einordnung von Belastungen als teilungsbedingten Sonderlasten fest. Während Sachsen nur die Belastungen aus den Investitionen als teilungsbedingte Sonderlast klassifiziert, beziehen die übrigen neuen Bundesländer auch Belastungen aus der Überführung von Sonderversorgungs-systemen der DDR in die Rentenversicherungssysteme in die teilungsbedingten Sonderlasten mit ein. Weiterhin klassifizieren einige Länder auch die Zins- und Tilgungslasten für kommu-nale Altschulden als teilungsbedingte Sonderlasten ([10], S.474).

Mit dem Inkrafttreten des Solidarpaktes II im Jahr 2005 sind - gemäß in der Neufassung von §11 III FAG - SoBEZ nur noch bei “fortbestehendem starkem infrastrukturellen Nachhol-bedarf“, bei “Sonderlasten durch die strukturelle Arbeitslosigkeit“ und zum Ausgleich unter-proportionaler kommunaler Finanzkraft vorgesehen. Dies wurde durch ein zwischen Bund und Ländern vereinbartes Rechenschema ergänzt, mit dem in den Fortschrittsberichten die korrekte Mittelverwendung nachgewiesen werden soll (z.B. Gutachten von Ragnitz 2006, S.8 [13]).

2.3 Änderungen im Zeitablauf

Die Vergabe von SoBEZ für den Ausgleich teilungsbedingter Sonderlasten an die neuen Länder bzw. ihre Bedingungen hat im Laufe der Jahre einige Veränderungen erfahren. Die Vergabe von SoBEZ lässt sich grob in 3 Phasen einteilen: Die erste Phase ist der Bezug von Mitteln im Zuge des Solidarpaktes I. Zwischen Beschluss 2001 und Inkrafttreten des Solidarpaktes II im Jahr 2005 liegt die zweite Phase. In dieser waren die Auflagen für die Mittelverwendung weniger streng (Ragnitz 2005, S.288 [12]) als im Solidarpakt II, einige Erfahrungen aus dem Solidarpakt I flossen jedoch bereits dort in die Vergabe von SoBEZ ein. Der Solidarpakt II stellt die dritte Phase dar.

Eine separate Betrachtung des Moral Hazards in jeder Phase würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, ist jedoch auch aus empirischer Sicht schwierig, da für die Zeit vor dem Beschluss des Solidarpakets II nur wenige Daten verfügbar sind. Aus diesem Grund wird im Folgenden bei der Untersuchung des Moral Hazard Problems nicht nach Phasen unterschieden, sondern nur im Zuge der Diskussion um die Mittelverwendung auf Änderungen hingewiesen.

3 Moral Hazard

3.1 Charakteristika

Das Moral Hazard Problem ist eines der beiden generischen Agency Probleme und zeichnet sich in seiner Basisversion durch eine charakteristische 5-stufige Zeitstruktur aus (siehe z.B. Macho-Stadler & Pérez-Castrillo 2001, S.37f [8]). Diese Stufen sind:

1. Der Prinzipal entwirft einen Vertrag, indem er eine Tätigkeit an eine andere Person / Institution (den Agenten) delegiert.
2. Der Agent kann den Vertrag entweder annehmen oder ablehnen - eine Verhandlung der Bedingungen ist im Basismodell nicht vorgesehen.
3. Der Agent investiert Mühe in die Erfüllung seines Auftrages.
4. Die Mühe des Agenten und Zufallsgrößen beeinflussen das Ergebnis seiner Handlung.
5. Der Prinzipal empfängt das Ergebnis der Handlung des Agenten. Er kann, da das Ergeb-nis der Handlung aufgrund der Zufallsgrößen nur grob mit dem Aufwand des Agenten korreliert ist, aus dem Ergebnis nicht unmittelbar auf den Aufwand des Agenten schlie-ßen.

Aufgrund des letzten Punktes besteht die Gefahr, dass der Agent zu wenig Mühe in seine Auf-gabe investiert.

[...]


1 Diese Sichtweise wurde mittlerweile eingeschränkt. Siehe dazu 3.2.1 sowie Ragnitz 2006, S.6 [13].

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Problem des Moral Hazard durch Gewährung von Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Finanzwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar im Fach Finanzwissenschaften
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V127736
ISBN (eBook)
9783640340736
ISBN (Buch)
9783640337668
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finanzwissenschaften, Länderfinanzausgleich, Jan Schnellenbach, Bundesergänzungszuweisungen
Arbeit zitieren
Maximilian Ludwig (Autor:in), 2008, Das Problem des Moral Hazard durch Gewährung von Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127736

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