Spracherwerbstheorie. Der Einfluss der Muttersprache auf den Erwerb einer Fremdsprache


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

18 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe


Die Gliederung

2.Spracherwerb

3.Rolle der Muttersprache im Fremdsprachenerwerb

4.Der Transfer
4.1.Interferenz
4.2.Intralinguale Interferenz

5.Der Graf

6.Einfluß auf die Fremdsprache
6.1. Der Text
6.2. Phonemebene Türkisch–Deutsch

7. Zusammenfassende Betrachtung

8.Literaturverzeichnis

2.Spracherwerb

Spracherwerb ist der Vorgang des Erlernens einer Sprache. Es ist zu unterscheiden zwischen Erstspracherwerb, d.h. Erwerb der Muttersprache und Zweitspracherwerb. Beim Zweitspracherwerb wird weiterhin zwischen einem Natürlichen und Gelenkten differenziert. Unter dem gelenkten Zweitspracherwerb versteht man den schulischen bzw. institutionalisierten Sprachunterricht (Fremdsprachenunterricht), unter der natürlichen Aneignung einer Sprache ohne Unterricht. Nach dem "Lexikon der Sprachwissenschaft" ist Spracherwerb ein "Oberbegriff für ungesteuerten Erstspracherwerb, ungesteuerten Zweit- der Mehrspracherwerb, gesteuerten Zweitspracherwerb und therapeutisch gesteuerten Erstspracherwerb". Noam Chomsky versteht unter diesem Begriff einen autonomen Reifungsprozess, der auf einem angeborenen Spracherwerbmechanismus aufbaut; der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung der sprachlichen Kompetenz.

Klein kommt zu der Meinung, dass kein eindeutiger Unterschied zwischen Erstsprach- (L1) und Zweitspracherwerb (L2) existiert.[1] Beim Erwerbprozess kann man bestimmte Phasen identifizieren. Wenn ein Kind eine L1 und L2 gleichzeitig erlernt, dann liegt Bilingualismus vor. Erwirbt ein Kind eine L1 zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr und der Pubertät, so ist die Rede von Erwerb der L2 im Kindesalter. Der Erwerb der L2 nach der Pubertät wird als L2 Erwerb im Erwachsenalter verstanden. Zur dieser Teilung kommt nach Klein noch die Differenzierung zwischen gesteuertem und ungesteuertem L2-Erwerb. Wenn eine L2 „ohne systematische intentionale Versuche“ nur „in der alltäglichen Kommunikation“[2] erworben wird, so spricht man von ungesteuertem Zweitspracherwerb. Klein macht noch darauf aufmerksam, dass es unterschiedliche Arten des ungesteuerten L2 Erwerbs gibt, die natürlich Zweckgebunden sind. Als mögliche Beispiele für solche zweckgebundenen Arten nennt er einerseits den L2-Erwerb eines Gastarbeiters, der einen begrenzten Kontakt zu Einheimischen hat und unter eingeschränkten Bleibeabsichten im Gastland arbeitet und lebt. Ein anderes Beispiel ist der Erwerb einer unerforschten Sprache durch einen Sprachwissenschaftler oder Ethnologen für die eine möglichst gute Beherrschung der Fremdsprache erst eine effektive und wissenschaftliche Arbeit ermöglicht.

Fremdsprachen werden in Deutschland, aber auch in anderen entwickelten Ländern, in der Regel im institutionell organisierten Fremdsprachenunterricht, in erster Linie in den allgemeinbildenden Schulen, aber auch in Institutionen der Erwachsenbildung gelehrt. Es sind Sprachen, die im Alltagskontext des jeweiligen Landes nicht oder nur sehr eingeschränkt vorkommen, deshalb der Name Fremdsprachen. Der Erwerb einer Zweitsprache kann auch durch institutionell organisierten Unterricht unterstützt werden, dann ist das der Fall eines gesteuerten Zweitspracherwerbs, jedoch handelt es sich dabei um seine Sprache, die vom Lernenden gleichzeitig als alltägliches Kommunikationsmittel neben der L1 eingesetzt wird beziehungsweise werden kann. So erwerben zum Beispiel die Gastarbeiterkinder die deutsche Sprache gleichzeitig in der Schule und im Alltag als Zweitsprache.

Die Unterscheidung zwischen gesteuertem und ungesteuertem Zweitspracherwerb ist nicht bis weiteren hin völlig eindeutig und steht damit zur Diskussion noch offen. Der Zweitspracherwerb unterliegt verschiedenen Faktoren, die sich auf unterschiedliche Ebenen ausdehnen, wie es man aus der Klassifizierung Schumanns nachvollziehen kann (soziale Faktoren, affektive Faktoren, persönliche Faktoren, kognitive Faktoren, biologische Faktoren.).[3] Diese Faktoren sind beim L2-Erwerb miteinander verbunden und treten im Form eines komplexen Zusammenspiels auf. Die Unterscheidung von gesteuertem und ungesteuertem Spracherwerb bezieht sich auf eine Überbewertung der institutionellen Faktoren, was zur einer Verminderung anderer wichtiger Faktoren führt. Die Dichotomie des Spracherwerbs (gesteuert/ungesteuert) zieht auch nicht in Betracht, dass die Lerner ihre Erfahrungen mit gesteuertem Erwerb die Selbststeuerung schon aufgenommen haben, so dass ein autodidaktisches Lernen in hohem Maße gesteuert verläuft.

3. Rolle der Muttersprache im Fremdspracherwerb.

Jeder Spracherwerb, sowohl der Erwerb der Muttersprache als auch der Erwerb weiterer Sprachen, vollzieht sich als ein Prozess, bei dem der Lernende sukzessiv über gewisse Zwischenstufen sich das zu erwerbende Sprachsystem in seinen verschiedenen Strukturebenen aneignet. Dabei erarbeitet sich der Lernende aus den ihm im Alltag begegnenden oder im Unterricht präsentierten sprachlichen Äußerungen Strukturelemente und Regeln für ihre Verknüpfung zu Sätzen und deren Handhabung in der Kommunikation. Das geschieht auf der Grundlage des ihm begegnenden Sprachmaterials. Er erstellt Hypothesen über die Elemente der Sprache und die Sprachproduktionsregeln, dann überprüft sie in der Kommunikation und gegebenenfalls variiert. Dies funktioniert wie ein sich selbst optimierendes System. Diese Erwerbsprozesse sind wie andererseits die Sprachproduktion von bestimmten Strategien geprägt, wie zum Beispiel Verminderung von bestimmten Strukturen (des Artikels), Vereinfachung, Generalisierung von Formen und Regel (schwaches Verb, Präteritum) immer aber wesentlich von der Orientierung auf Regularisierung.

Die Spracherwerbsprozesse vollziehen sich bei jedem Lernenden auf der Basis schon erworbener allgemeiner wie auch spezieller Schemata und Lernstrategien. Es ist ein natürlicher Vorgang, wenn sich der Lernende beim Erwerb einer zweiten Sprache (oder auch dritten) an dem Wissen, den Produktionsmustern sowie der Erfahrung orientiert, die er sich bei dem Erwerb und bei dem Umgang mit seiner Erstsprache (L1) angeeignet hat. Die Lernenden reflektieren das Gelernte in der eigenen Sprache wieder, deswegen ist es von Vorteil, wenn die Erstsprache nicht aus dem fremdsprachlichen Unterricht eliminiert wird. Durch diese Wechselbeziehung zwischen Erst- und Zweitsprache kommt es beim Erwerb der Fremd- oder Zweitsprache zu systematischen Fehlern verschiedenster Art. Einige derjenigen Fehlerursachen, die auf einem Einfluss der Mutter- auf die Zweitsprache zurückzuführen sind, will ich hier exemplarisch darstellen.

4. Der Transfer

Der Einfluss der Muttersprache kann sich sowohl hemmend, als auch fördernd auf den Lernprozess der Zweitsprache auswirken. Zunächst einmal sei zu sagen, dass jede Übertragung von bestimmten Regeln einer Sprache auf das Regelsystem einer weiteren Sprache als Transfer bezeichnet wird. Insofern gehört die Erscheinung des Transfers von Strukturen und Erzeugungsregeln der Erstsprache in die Produktion von Äußerungen in einer Zweitsprache als eine natürliche weitere Lernstrategie zum Fremdsprachenerwerb. Fördert die Übertragung der erstsprachlichen Regeln auf die Zielsprache den Lernprozess, nennt man das einen positiven Transfer, hemmt sie ihn, spricht man von einem negativen Transfer.[4] Letzterer steht bei kontrastiven Untersuchungen und Fehleranalysen häufiger im Mittelpunkt, weil er sich in der Produktion von Fehlern äußert. In der Fachliteratur wird dieser negative, auf Kontraste zwischen Erst- und Zweitsprache zurückführbare Transfer auch Interferenz genannt.[5] Zunächst zum positiven Transfer. Er tritt auf, wenn gewisse Strukturen der Muttersprache eine Entsprechung in der Zweitsprache aufweisen, wenn in diesem Punkt also eine Gemeinsamkeit zwischen L1 und L2 besteht und die Übertragung der muttersprachlichen Regeln die Produktion einer korrekten Äußerung in der Zielsprache zur Folge hat.

Aus dem negativen Transfer gründen sich Interferenzfehler, die maßgebliche Fehlerursache bei der Produktion fremdsprachlicher Äußerungen seien. Die Erfahrungen im fremdsprachlichen Unterricht haben zwar gezeigt, dass nur ein Teil der systematischen Fehler auf Transfererscheinungen zurückführbar ist, doch da diese Arbeit grundsätzlich auf Aspekten der Kontrastivhypothese basiert, muss diesem Phänomen natürlich eine besondere Beachtung geschenkt werden.

[...]


[1] Klein: Zweitsprachenerwerb. Eine Einführung. Königstein 1984, S.28.

[2] Ebd. S. 28.

[3] Kuhus, K: Sozialpsychologische Faktoren im Zweitsprachenerwerb. Eine Untersuchung bei griechischen Migranten Kindern in der BRD. Eine Pilotstudie auf der Grundlage von schriftlichen Texten. Tübingen 1987, S. 380.

[4] Edmodson, W. /House, J: Einführung in die Sprachlehrforschung. Tübingen und Basel: A. France Verlag 2000.

[5] Hufeisen, B./ Neuer, G: Angewandte Linguistik für den fremdsprachlichen Deutschunterricht. Eine Einführung. Berlin: Langenscheidt 1999, S.106.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Spracherwerbstheorie. Der Einfluss der Muttersprache auf den Erwerb einer Fremdsprache
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Auslandsgermanistik)
Veranstaltung
Spracherwerbstheorie - eine Einführung
Note
1.7
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V12771
ISBN (eBook)
9783638185752
ISBN (Buch)
9783656523413
Dateigröße
577 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
transfer, interferenz
Arbeit zitieren
Justyna Andziak (Autor:in), 2002, Spracherwerbstheorie. Der Einfluss der Muttersprache auf den Erwerb einer Fremdsprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12771

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