Subjekt und Objekt in den romanischen Sprachen


Seminararbeit, 2002

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung
1.1 Akkusativischer Sprachtyp
1.2 Ergativischer Sprachtyp

2. Akkusativität und Ergativität in den romanischen Sprachen

3. De- und A-Sprachen
3.1 Der prädikative Relativsatz
3.2 Der substantivierbare Infinitiv und der persönliche Infinitiv im Portugiesischen
3.3 Der präpositionale Akkusativ
3.4 Die Subjekt- und Objektkonjugation
3.5 Zusammenfassung

4. Konträre Ansätze zur Einteilung in De- und A-Sprachen
4.1 Kritik
4.2 Ergative Eigenschaften im Französischen und Italienischen

5. Schluss

Es gibt weder ein Subjekt, noch ein Objekt an sich, beides ist nur der abstrakte Ausdruck eines Verhältnisses. (Petschko 2001)

1. Einleitung

Edward Sapir vertritt die Auffassung, dass, wenn es als eine allgemeine Aufgabe für menschliche Sprachen angesehen werde, bestimmte Relationen auszudrücken, „zu versprachlichen“, ihnen dafür viele rechnerisch mögliche Optionen offen ständen. Die einzelnen Sprachen wählten aus diesen Optionen jeweils eine oder mehrere individuell aus. Anhand eines Vergleichs nordamerikanischer Indianersprachen[1] stellt Sapir insgesamt fünf Typen fest, die als Versprachlichung der Agens-Patiens-Verb-Beziehungen in intransitiven und transitiven Sätzen bevorzugt werden.[2] Dabei decken Akkusativ- und Ergativ-Sprachen zusammen über 50% der Welt ab. Sapir konstatierte, dass nominativisch-akkusativische und ergativische Sprachen nichts weiter tun, als zwei logisch mögliche Strukturierungen menschlichen Sprachbaus umzusetzen.[3]

Warum nun ausgerechnet diese beiden Strukturierungen bevorzugt werden, ist in der Sprachwissenschaft noch unklar, auch weiß man nicht, weshalb andere mögliche Strukturierungen gar nicht realisiert werden.

Um den unterschiedlichen Umgang mit den Kategorien Subjekt und Objekt innerhalb der romanischen Sprachen erkennen und verstehen zu können, werden einleitend diese beiden in der Welt vorherrschenden Sprachtypen anhand der deutschen Sprache als akkusativischer Typ und der baskischen Sprache, die den ergativischen Typ repräsentiert, vorgestellt und analysiert.

1.1. Akkusativischer Typ am Beispiel des Deutschen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Nominalphrase der Hund ist auf Grund seines morphologischen Kasus Nominativ als Subjekt, die Nominalphrase den Hasen ist durch ihren morphologischen Kasus Akkusativ als Objekt gekennzeichnet. Im ersten Satz gibt es nur einen Aktanten (Subjekt), da es sich beim Prädikatskern um ein intransitives Verb handelt. Im zweiten Satz dagegen befindet sich ein transitives Verb, das zwei Aktanten (Subjekt, Objekt) zulässt. Der einzige Aktant im ersten Satz wird morphologisch und von der Wortstellung her genauso behandelt wie der erste Aktant im zweiten Satz. Stolz stellt folgende Eigenschaften der Fundamentalrelationen für den akkusativischen Typ zusammen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Stellung der NP bezieht sich hier nur auf den pragmatisch neutralen präsentischen Aussagesatz, d.h. auf einen Satz, in dem keine besondere Hervorhebung eines der Satzglieder stattfindet. Den Umstand, dass im Deutschen nur die Subjekt-NP die Verbalmorphologie determiniert, erkennt man daran, dass die Verbform sich im Numerus nur dann verändert, wenn auch das Subjekt vom Singular in den Plural oder umgekehrt wechselt. (Stolz 2000:2)

Im Deutschen gibt es[5] keinen vollständigen Satz ohne lautlich realisiertes grammatisches Subjekt. Es muss nicht überall in der Sprachenwelt so sein wie im Deutschen.

1.2. Ergativischer Typ am Beispiel des Baskischen

Ergativische Sprachen kommen seltener vor als nominativisch-akkusativische. Ihren Schwerpunkt hat die Ergativität in Amerika, Ozeanien, Australien sowie regional auch in Asien. In Europa sind Ergativ-Sprachen geographisch randständig: Baskisch im äußeren Südwesten, Kalaallisut im äußeren Nordwesten und Georgisch sowie andere kaukasische Sprachen im äußeren Südosten.

Das Baskische weist ein System von Fundamentalrelationen auf, das deutlich einem anderen Muster folgt als die Masse der europäischen Sprachen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Mann ist auf der Straße.

Die Nominalphrase gizona „der Mann“ steht im Absolutiv[6]. Der Absolutiv ist identisch mit der Grundform des Substantivs und wird durch kein realisiertes Morphem gekennzeichnet (Nullmorphem). Um festzustellen, ob die absolutivische Nominalphrase mit dem Subjekt des Deutschen gleichgesetzt werden kann, ist zu überprüfen, ob sie auch in einer normalen transitiven Konstruktion parallel zur nominativischen Nominalphrase des Deutschen verwendet wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wieder ist die Form gizona vorhanden. Diesmal fungiert gizona allerdings wie ein deutsches Objekt. Die Entsprechung für das Subjekt der deutschen Übersetzung ist nun die Nominalphrase emakumeak „die Frau“. Diese baskische Nominalphrase steht im Ergativ, ein weiterer Kasus des Baskischen. Dieser Ergativ kann nur in transitiven Konstruktionen verwendet werden und geht dort normalerweise mit der semantischen Rolle Agens einher. Der Absolutiv in transitiven Konstruktionen muss zwingend für die Nominalphrase verwendet werden, die Patiens oder ggf. eine andere nicht-agentive Rolle aufweist. In intransitiven Konstruktionen ist der Ergativ ausgeschlossen, der einzige Mitspieler eines Verbs muss im Absolutiv stehen. Bei transitiven Verben erscheint das „Subjekt“ (das Agens) also nicht im Nominativ, sondern im Ergativ, das Objekt der Handlung steht im Absolutiv. Bei intransitiven Verben steht das „Subjekt“ ebenso im Absolutiv, es wird demnach mit demselben morphologischen Kasus versehen, wie das Objekt einer transitiven Konstruktion. Mit anderen Worten, in Ergativsprachen wird das „Subjekt“ transitiver Verben morphologisch anders ausgedrückt als das intransitiver Verben. Im Deutschen ist die Verbalkongruenz ein exklusives Privileg des Subjekts. Im Baskischen ist dies ganz anders. Im Regelfall kongruiert ein baskisches Verb mit bis zu drei verschiedenen Nominalphrasen desselben Satzes[7]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wir haben den Männern die Bücher gegeben.

Der finite Bestandteil des Verbkomplexes enthält Kongruenzmorpheme nicht nur für die ergativische Nominalphrase guk „wir“, sondern auch für die absolutivische NP liburuak „die Bücher“, die dem Deutschen direkten Objekt entspricht, und für die dativische Nominalphrase gizonei „den Männern“, die im Deutschen den Status eines indirekten Objektes hätte. Es liegt also Subjekt- und zweifache Objektkongruenz vor. Mehrere Nominalphrasen in verschiedenen Funktionen determinieren also gleichzeitig die Verbmorphologie.

Es ist demnach nicht möglich, mit einem morphologischen Kriterium ein einheitliches Subjekt für das Baskische zu identifizieren. Auch syntaktisch fällt die Subjektsdefinition nicht leicht, da das Baskische als verbfinale Sprache in transitiven wie in intransitiven Sätzen alle nominalen Mitspieler links vom Verb anordnet. Stolz stellt folgende typisch ergative Eigenschaften, die er als „Auffälligkeiten gegenüber dem Deutschen“ bezeichnet, zusammen:

1. Der einzige Partizipant des intransitiven Verbs wird morphologisch wie Patiens beim transitiven Verb behandelt.
2. Beide werden segmental an den NPn nicht markiert („Nullmorphem“)
3. Beim transitiven Verb erhält Agens an der NP eine distinkte morphologische Kennzeichnung.
4. Agens, Patiens, Benefizient/Rezipient und einziger Partizipant beim intransitiven Verb kontrollieren die Person-Numerus-Morphologie am finiten Verb. Mögliche Schlussfolgerung: Ergativsprachen haben kein echtes Subjekt/Objekt. (Stolz 2000)

Vergleicht man nun den akkusativischen Sprachtyp, in diesem Fall das Deutsche mit dem ergativischen Sprachtyp, also der baskischen Sprache, so wird man erkennen, dass einer deutschen Kategorie zwei baskische entsprechen können und umgekehrt.[8] Es kann demnach keine echte Eins-zu-Eins-Entsprechung weder auf der morphologischen, noch auf der syntaktischen oder der semantischen Ebene hergestellt werden. Der Unterschied zwischen diesen beiden Sprachgruppen ist prinzipieller Natur.

2. Akkusativität und Ergativität in den romanischen Sprachen

Baskisch gehört zu den seltenen rein ergativen Sprachen. Doch im Normalfall liegen die Sprachen des ergativen Sprachtyps nicht in rein ergativer Form vor, sondern es handelt sich meistens um gespaltene Ergativität, d.h. dass in einer Sprache nur ein Teil der Grammatik ergativisch strukturiert ist, während ein anderer Teil Züge von Nominativ-Akkusativ-Sprachen zeigt. Dieser Mischungseffekt hat mit dazu beigetragen, dass umgekehrt ergativische Züge auch in ansonsten akkusativisch organisierten Sprachen gesucht und entdeckt wurden.

[...]


[1] amerindische Sprachen

[2] Siehe Grafik I im Anhang

[3] Vgl. Stolz (2000)

[4] NP steht für Nominalphrase

[5] mit Ausnahme des Imperativs und satzwertigen Affirmationen/Negationen

[6] Einer von fünfzehn morphologischen Kasus des modernen Baskischen.

[7] Vgl. Grafik II im Anhang

[8] Vgl. Grafik III „Vergleich Deutsch-Baskisch : Äquivalenzen“ im Anhang

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Subjekt und Objekt in den romanischen Sprachen
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Romanistik)
Veranstaltung
Sprachsysteme und Systemvergleich in der Romania
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
21
Katalognummer
V12732
ISBN (eBook)
9783638185431
ISBN (Buch)
9783638953276
Dateigröße
761 KB
Sprache
Deutsch
Arbeit zitieren
Gesine Rohrbeck (Autor:in), 2002, Subjekt und Objekt in den romanischen Sprachen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12732

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