Silbenbasierte Verfahren im Anfangs- und Orthographieunterricht


Hausarbeit, 2009

22 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die Silbe

2. Relevanz der Silbe
2.1 Sprechsilbe
2.2 Schreibsilbe

3. Konsequenzen fur den Unterricht

4. Verfahren der silbenanalytischen Methode
4.1 Silbenschwingen nach Hinney
4.2 Silbenhauschen nach Rober-Siekmeyer
4.2.1 Lasso werfen
4.2.2 Erganzung durch Lieder
4.2.3 MOPS

5. Fazit

6. Literatur

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Vergleich Silben- und Morphemstruktur

Tabelle 2: Anfangsrand mit zwei Konsonanten

Tabelle 3: AuRerungen der Studie zum Sprachbewusstsein von Kindern

Tabelle 4: Studie Bedeutung der Silbe fur Kinder

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ergebnisse Studie zum Sprachbewusstsein von Kindern 7

Abbildung 2: Schreibung des Wortes "Maiskolben" nach schriftlicher Darbietung

Einleitung

Aufgabe der Schule ist es, jedem einzelnen Schuler zu der Fahigkeit zu verhelfen, ein erfulltes Leben zu fuhren. Zusatzlich soll es dem Schuler moglich sein, am kulturellen Leben seines Umfeldes teilzunehmen. Voraussetzung hierfur ist neben anderen Dingen das Lesen und Schreiben lernen. In der Primarstufe werden grundlegende Fahigkeiten und Fertigkeiten vermittelt, dieses Ziel zu erlangen. Fur das spatere Alltags- und Berufsleben sind oben genannte Aspekte unentbehrlich. Ergebnisse von Pisa oder Iglu zeigten in der Vergangenheit allerdings, dass die deutschen Schuler Defizite in diesem Bereich aufweisen. Bei der Vermittlung im Bereich Schriftspracherwerb dominieren gegenwartig Konzepte, die sich auf das Laut-Buchstaben-Verhaltnis stutzen. Die Kinder verbinden den Klang eines Lautes mit dem dazugehorigen Symbol, dem Buchstaben. Die eher unterdurchschnittlichen Ergebnisse stellen die tradierten Methoden in Frage und verlangen nach neuen Wegen. Die vorliegende Hausarbeit mochte eine eher neue Methode zur Vermittlung von Orthographie aufzeigen: die silbenanalytische Methode. Im Fokus der Hausarbeit steht zum einen die Frage nach der Legitimation der Silbe als tragendes Element im Anfangsunterricht. Zum anderen sollen Verfahren der dargestellten Methoden betrachtet werden.

Zum besseren Verstandnis und aus Grunden der Vollstandigkeit wird zu Beginn die Silbe aus linguistischer Sicht dargestellt. Im zweiten Abschnitt verweisen mehrere Studien auf die Relevanz der Silbe fur Kinder und in Sprach- und Schrifthandlungen, so dass im dritten Teil der Arbeit Konsequenzen fur den Anfangsunterricht gezogen werden. AbschlieRend werden verschiedene Verfahren wie das Silbenschwingen oder die Silbenhauschen vorgestellt, um Moglichkeiten des Einsatzes der silbenanalytischen Methode im Deutschunterricht aufzuzeigen.

1. Die Silbe

Anfangs soil zum besseren Verstandnis zunachst kurz die Silbe aus grammatikalischer Sicht dargestellt werden, da diese im weiteren Verlauf dieser Hausarbeit im Fokus der didaktischen und methodischen Verfahren ruht.

Die Silbe (lat. Syllaba: Zusammenfassung) bezeichnet eine Einheit aus mehreren Lauten bzw. Phonemen, die sich in einem Zug aussprechen lassen. Dabei markieren Silben den gegenstandlichen Inhalt jeder moglichen Wortform. Die Silbe ist demnach als sprachliche Einheit zwischen der Phonem- und der Wortebene einzuordnen.[1] [2] Silben, als Trager von Akzenten, treten entweder betont oder unbetont auf und sind damit ausschlaggebend fur den Sprachrhythmus. Ihre rhythmische Bedeutung definiert sie daher lediglich als Sprecheinheit und nicht als Spracheinheit. Sie ist folglich nicht mit dem Morphem zu verwechseln, welches distinktive Funktionen im Wort ubernimmt. Silben- und Morphemgliederung konnen ubereinstimmen oder aber unterschiedlich sein wie beispielsweise bei den Wortformen „Kinder“ und „kindlich“:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Vergleich Silben- und Morphemstruktur

Die Silbe zeigt anders als das Morphem keine Sinneinheit an, sondern ist lediglich eine phonetische Einheit. Aus diesem Grund werden Silben haufig auch als Sprecheinheiten bezeichnet und Morpheme als Spracheinheiten.[3]

Strukturell besteht die Silbe aus drei Elementen: dem Silbenanfangsrand (auch Onset), dem Silbenkern und dem Silbenendrand (auch Koda). Der Anfangsrand steht links vom auftretenden Vokal meist ein Konsonant. Maximal drei Konsonanten konnen im Deutschen dem Vokal vorangehen. Lediglich Kombinationen mit [ J ] als erstes Segment sind bei Silben mit drei Konsonanten im Anfangsrand zulassig wie beispielsweise bei Sprung oder Strich.[4] Der zweikonsonantige Anfangsrand unterliegt bestimmten Kombinationsrichtlinien, d.h. nicht alle Konsonanten konnen miteinander kombiniert werden. Untenstehende Tabelle gibt Aufschluss uber bestehende Kombinationsmoglichkeiten im Deutschen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Anfangsrand mit zwei Konsonanten[5]

In erster Position stehen nach dieser Tabelle nur Obstruenten und an zweiter Stelle nur Sonoranten.[6] Allerdings gibt es auch Kombinationen aus zwei Obstruenten wie beispielsweise Skat oder Stein.[7] Geht dem Vokal kein Konsonant voraus, dann spricht man von einer nackten Silbe.[8]

Der bereits benannte Vokal der Silbe wird als Silbenkern bezeichnet. Silbenkerne bestehen aus exakt einem Vokal oder einem Diphthong. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen, bei denen ein Konsonant als Silbenkern vorkommen kann. Dies sind dann Sonoranten bei dessen Bildung keine Gerausche entstehen (Beispiel: „Hm“ oder „brrr“).[9] Da bei der Aussprache einer Silbe genau eine Offnungs- und ein SchlieRbewegung ausgefuhrt wird und der Offnungsgrad beim Silbenkern am groRten ist, wird am Silbenkern der Moment der groRten Schallfulle der Silbe erreicht.[10] Wenn dem Silbenkern kein Laut folgt, wird diese Silbe als offene Silbe bezeichnet.[11]

Der Silbenendrand steht am rechten Rand der Silbe und besteht zumeist aus Konsonanten. Hier gelten zum Teil dieselben Kombinationsregeln wie im Anfangsrand. Viele Lautkombinationen erscheinen im Endrand aber auch in umgekehrter Reihenfolge auf wie Beispielsweise Schmuck - Ramsch. Im Endrand kommen keine stimmhaften Obstruenten vor, d.h. stimmhafte Laute werden stimmlos ausgesprochen wie beispielsweise [hunt] und Hund. Zwischen dem Endrand und dem Kern gibt es zusatzlich einen Langenausgleich. 1st der Endrand leer, dann wird der Vokal lang ausgesprochen, d.h. er ist gespannt bzw. betont. Enthalt der Endrand zwei oder mehr Konsonanten, ist der Vokal ungespannt bzw. unbetont und wird kurz ausgesprochen. Auch hier halt das Deutsche Ausnahmen bereit, bei denen der Silbenkern zwar gespannt ist, der Endrand allerdings komplex wie bei Obst oder Mond. Langenausgleich existiert nur zwischen Endrand und Silbenkern und nicht zwischen Anfangsrand und Kern. Daher fasst man Silbenkern und Endrand auch als Einheit, dem Silbenreim zusammen.[12]

Um mehrsilbige Worter entsprechend segmentieren zu konnen, werden Grenzen benotigt. Silbengrenzen werden nicht durch bestimmte Laute markiert, sonder sie resultieren aus der Struktur der benachbarten Silbe. Es gibt daher bestimmte Strukturmerkmale innerhalb eines Wortes, die Silben voneinander abgrenzen. Bei einfachen mehrsilbigen Wortformen sind drei Falle zu unterscheiden:

- Jede Silbe hat nur einen Vokal als Kern. Folgen zwei silbische Vokale unmittelbar aufeinander, dann liegt zwischen ihnen die Silbengrenze <h> (Beispiel: Ru.he, Le.hen). Diphthonge bilden hierbei die Ausnahme.
- Der Konsonant, der zwischen zwei Silbenkernen bzw. einem Diphthong und einem Silbenkern liegt, gehort zur zweiten Silbe (Beispiel: He.fe, Stru.del).
- Betonte Silben mit ungespanntem Vokal durfen nicht offen sein und haben mindestens einen Konsonanten im Endrand (Beispiel: ['Jol9] Scholle). Da dieser Konsonant zu beiden Silben gleichzeitig gehort, wird hierbei von Silbengelenken gesprochen. Der Konsonant wird hierbei in der geschriebenen Form gedoppelt (Scharfung). Wenn mehrere Konsonanten zwischen zwei Silbenkernen liegen, dann werden diese nach dem Grad ihrer Wohlgeformtheit aufgeteilt (Beispiel: Kar-pfen).
Ferner sind in bestimmten, mehrsilbigen Wortformen Silbengrenzen auch abhangig von den Morphemgrenzen. Dies betrifft flektierte Formen, Ableitungen und Zusammensetzungen. Hier gibt es zwei Falle:
- Wenn Wortformen einen vokalisch anlautenden Suffix enthalten, wird die Lage der Silbengrenze phonologisch bestimmt (Beispiel: sag.en, Lehr.er, Bot.in).
- In alien andern Fallen fallt die Silbengrenze mit der Morphemgrenze zusammen. Dies gilt fur konsonantisch anlautende Suffixe (Beispiel: wirk.lich), Prafixen und Prafixoiden (Beispiel: auf.lassen) und Zusammensetzungen (Beispiel: Reistopf).[13]

2. Relevanz der Silbe

Die Frage, die sich hinsichtlich der tragenden Themenstellung dieser vorliegenden Hausarbeit stellt, ist: Was genau hat die Silbe nun schlussendlich mit dem Schriftspracherwerb von Kindern zu tun? Um diese Frage hinreichend beantworten zu konnen, wird im Folgenden mit Hilfe von ausgewahlten Studien herausgestellt, welche Bedeutung die Silbe in Sprech- und Schreibhandlungen - vorrangig, aber nicht nur bei Kindern - besitzt.

2.1 Sprechsilbe

1937 hat Bernhard Bosch eine Untersuchung mit Erstklasslern durchgefuhrt. Die Kinder sollten die Anzahl von Wortern in vorgegebenen AuRerungen bestimmen wie beispielsweise „Willi malt“, „Fritz hat ein Auto“ oder „Heute ist Regenwetter“. Lediglich 60 von 215 genannten Satzen konnten richtig segmentiert werden. Dies entspricht weniger als einem Drittel. Bosch schlussfolgerte daraus, dass es dem sechsjahrigen Kind noch nicht moglich sei, einzelne Redeteile herauszufiltern, sondern dass sich diese Fahigkeit erst allmahlich anhebe. Kinder konnen sich die Sprache noch nicht vergegenstandlichen und aus dem Ganzen auf Worter schlieRen. Ihr Handeln ist eher gefuhlsmaRig bestimmt, sie konnen ihr erlerntes Sprachwissen allerdings noch nicht entsprechend gliedern.[14]

Christa Rober-Siekmeyer hat im Rahmen eines Seminars an der Padagogischen Hochschule Freiburg die Untersuchung Boschs zum Sprachbewusstsein von Kindern am Schriftanfang erneut aufgenommen und durchgefuhrt. Involviert waren insgesamt 162 Kinder, die die 1.Klasse besuchten. In Kleingruppen a 5 Schulern wurde die Kinder gebeten aufzuzahlen, wie viele Worter die folgende AuRerungen enthielten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: AuBerungen der Studie zum Sprachbewusstsein von Kindern[1]

Jeweils eine Seminarteilnehmerin befragte hierfur eine Kleingruppe und notierte die Antworten. Die Auswertung ergab, dass ein Drittel der Kinder die Aufgabe korrekt loste, ein weiteres Drittel gab eine kleinere Zahl an und ein Funftel nannten entweder immer die gleiche Zahl oder eine hohere. Alle restlichen Antworten waren nicht verwertbar. Die Kinder konnten nicht begrunden, wie sie auf die genannte Antwort kamen. Auffallig ist, dass die Untersuchung Rober-Siekmeyers zu einem konformen Ergebnis mit Boschs Untersuchung gelangte, namlich dass lediglich ein Drittel der Kinder eine AuRerung korrekt in Worter zerlegen kann.

Bei der Auswertung stieR Rober-Siekmeyer allerdings noch auf ein weiteres interessantes Phanomen. Abbildung 1 zeigt die Antworten zweier Gruppen, die zwei Segmentierungsmuster der Kinder erkennen lassen. Gruppe 3 setzt die Anzahl der Worter mit der Anzahl der Silben gleich. Die Studentinnen, die dieses Gruppe betreuten, gaben an, dass die Kinder zunachst einen groReren Zeit benotigten, bis sie eine Antwort angaben. Zusatzlich zahlten einige Kinder an den Fingern ab und sprachen die AuRerung noch einmal fur sich leise nach. So lasst sich auch erklaren, dass die Kinder sich in ihrem Vorgehen fast nicht verzahlten. Die Kinder segmentierten hier also nach Silben.

Gruppe 2 hingegen verfolgte eine ganz andere Segmentierungsstrategie. Sie haben Takte mit Wortern gleichgesetzt bzw. den Betonungsgipfel eines Wortes wahrgenommen. Takt wird hierbei als Einheit von betonter und unbetonter Silbe gesehen, so dass die betonten Silben taktgebend sind und die unbetonten Silben integriert werden.

[...]


[1] Vgl. Der Duden. Bd.4. Die Grammatik.7vvollig neu erarbeitete und erweiterte Auflage. Mannheim 2005. S.37.

[2] Erstellt nach: Ebd. S.38.

[3] Vgl.Ebd. S.38.

[4] Anm.: Fremdworter weisen andere Strukturen auf wie beispielsweise Dschungel. Diese werden an dieser Stelle und im Folgenden nicht weiter erwahnt, da sie Ausnahmeerscheinungen bilden.

[5] Der Duden. Bd.4. Die Grammatik.7.,vollig neu erarbeitete und erweiterte Auflage. Mannheim 2005. S.42.

[6] Anm.: Obstruenten sind stimmlose Laute (plosive und frikative Laute); Sonoranten sind alle anderen Laute.

[7] Vgl. Der Duden. Bd.4. Die Grammatik.7vvollig neu erarbeitete und erweiterte Auflage. Mannheim 2005. S.42f.

[8] Vgl. Ebd. S.42f.

[9] Vgl. Ebd. S.43f.

[10] Vgl. Ebd. S.40.

[11] Vgl. Ebd. S.39.

[12] Vgl. Der Duden. Bd.4. Die Grammatik.7.,vollig neu erarbeitete und erweiterte Auflage. Mannheim 2005. S.44f.

[13] Vgl. Der Duden. Bd.4. Die Grammatik.7.,vollig neu erarbeitete und erweiterte Auflage. Mannheim 2005. S.46ff.

[14] Vgl. Rober-Siekmeyer, C.: Die Berucksichtigung des kindlichen Sprachwissens fur den Schrifterwerb. Unter: http://www.ph- freiburg.de/ew1/Personen/roeber/publikationen/eigene/hp_roeber_beruecksichtigung_sprachwissen_kindlich es_fuer_schrifterwerb.pdf (18.01.2009) S.1f.

[15] Vgl.Ebd. S.2.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Silbenbasierte Verfahren im Anfangs- und Orthographieunterricht
Hochschule
Europa-Universität Flensburg (ehem. Universität Flensburg)
Veranstaltung
Schriftspracherwerb
Note
2,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
22
Katalognummer
V127309
ISBN (eBook)
9783640339747
ISBN (Buch)
9783640337057
Dateigröße
671 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Silbenbasierte, Verfahren, Anfangs-, Orthographieunterricht
Arbeit zitieren
Kerstin Lilienthal (Autor:in), 2009, Silbenbasierte Verfahren im Anfangs- und Orthographieunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127309

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