Moore´s Paradox - Ausgewählte Betrachtungen


Hausarbeit, 2007

23 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Zu den Bedingungen für Erklärungsansätze bezüglich des Mooreschen Paradoxons

3. Betrachtung ausgewählter Beispiele
a. A.P.Martinich: Der nicht implizierte Widerspruch in mooreschen Behauptungen
b. John N.Williams: Evans´s Principle
c. Ludwig Wittgenstein: Das Absurde in sprachlicher Verwendung

4. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der englische Philosoph George Edward Moore behauptete im Jahre 1944, dass es absurd wäre, einen Satz wie den folgenden zu behaupten:

„I believe he has gone out, but he has not.”

(Moore, 1944, S.175f.)

Die von Ludwig Wittgenstein in seinen „Philosophischen Untersuchungen“ als „Moore´s Paradox“ bezeichneten Sätze dieser Form[1] sind bis heute Gegenstand von vielfältigen Diskussionen. Die seit der Mitte des 20. Jahrhunderts andauernde, intensive Beschäftigung mit dem Mooreschen Paradoxon umfasst dabei nicht nur die Beleuchtung der Thematik im Hinblick auf kommunikationstheoretische, logische oder pragmatische Aspekte, sondern sie wirft darüber hinaus auch explizite Fragen nach einer möglichen Relation des Phänomens zu weiteren Themengebieten wie dem des Bewusstseins oder dem der Selbsterkenntnis auf.[2]

Doch was ist eigentlich das Interessante und Besondere an einem unter dem Begriff des Mooreschen Paradoxons zu klassifizierenden Satz, und warum ist das Mooresche Paradoxon so paradox?

In der folgenden Arbeit soll nicht der Anspruch erhoben werden, diese Frage vollständig zu beantworten. Stattdessen soll es darum gehen, die Tragweite und Relevanz des Paradoxons anhand einer genaueren Untersuchung der möglichen Bedingungen für adäquate Lösungsansätze zu beleuchten, um damit für eine anschließende, kritische Betrachtung ausgewählter Beispiele gerüstet zu sein.

Mithilfe dieser kritischen Betrachtung sollen schließlich – im besten Falle – neue Einblicke darüber gewonnen werden, was die zahlreichen Versuche zur Erklärung des Mooreschen Paradoxons bewirken können, was sie schon bewirkt haben, wie sie es bewirkt haben und welche Möglichkeiten sich daraus für die Einstellung bezüglich einer weiteren, zukünftigen Suche nach der Aufklärung des Mooreschen Paradoxes ergeben könnten.

2. Zu den Bedingungen für Erklärungsansätze bezüglich des Mooreschen Paradoxons

Im Hinblick auf die Erschließung von Anhaltspunkten bezüglich der Bedingungen eines möglichen Erklärungsansatzes zum Mooreschen Paradoxon könnten uns zunächst die folgenden Fragen interessieren: Inwieweit hängt die von Moore postulierte Absurdität eines Satzes der Struktur „p, aber ich glaube nicht, dass p“ von der eigentlichen Äußerung dieses Satzes ab? Gibt es noch andere Satzstrukturen, in denen die besagte Absurdität auftritt? Wie lässt sich der Unterschied zwischen dem Absurden und dem Paradoxen im Bezug auf mooresche Sätze erklären, und inwieweit hängt dieser Unterschied mit der möglichen Selbstwidersprüchlichkeit dieser Sätze zusammen?

Betrachten wir zur ersten Annäherung an die Beantwortung der aufgestellten Fragen noch einmal zwei eigene Äußerungen Moores hinsichtlich der Thematik.

Im Jahre 1944 kommentierte George Edward Moore den Satz „I believe he has gone out, but he has not“ auf folgende Weise:

„This, though absurd, is not self-contradictory; for it may quite well be true. But it is absurd, because, by saying `He has not gone out´ we imply that we do not believe that he has gone out.”

(Moore, 1944, 175f.)

In einem ebenfalls aus dem Jahre 1944 stammenden, unvollständigen Manuskript[3] bemerkt Moore:

„I start from this: that it´s perfectly absurd or nonsensical to say such things as ´I don’t believe it´s raining, but as a matter of fact it is´ or (what comes to the same thing) `Though I don´t believe it´s raining, yet as a matter of fact it really is raining.´ …”

(Moore, 1944, 175f.)

Bei genauerer Analyse der beiden Zitate fallen bereits Unterschiede in den von Moore als Beispiel dargebrachten Äußerungen hinsichtlich der Form des jeweiligen, als absurd bezeichneten Satzes auf: Während der Satz: „I believe he has gone out, but he has not.“

die Form hat „I believe p, but not p“, basiert der Satz: „I don´t believe it´s raining, but as a matter of fact it is.“ auf der Form „I don´t believe p, but p“. Vertauscht man die beiden jeweiligen Teilsätze, so erhält man für den ersten Fall einen Satz mit der Struktur „Not p, but I believe that p“, und für den zweiten Fall einen Satz mit der Struktur „p, but I don´t believe that p“. Am deutlichsten wird der Unterschied, wenn wir nun auch noch die

Negation in der Satzstruktur des ersten Falles an die Negation der Satzstruktur des zweiten

Falles anpassen; wir erhalten damit für den ersten Fall die Satzstruktur: „p, but I believe that not p“ – diese Struktur unterscheidet sich nun möglicherweise nicht nur graduell, sondern auch prinzipiell von einer Satzstruktur der Form „p, but I don´t believe that p“. Obwohl es Gründe für die Vermutung gibt, dass Moore den signifikanten Unterschied zwischen diesen beiden Fällen selbst nicht explizit differenzierte,[4] scheint es einleuchtend zu sein, dass der von Moore beschriebenen Absurdität in beiden Fällen eine gesonderte Aufmerksamkeit entgegengebracht werden kann, und dass ein möglicher Lösungsansatz zu der Frage, was denn eigentlich das Absurde und das Paradoxe an den mooreschen Äußerungen ist, in jedem Falle beide genannte Satzstrukturen berücksichtigen sollte.[5]

Darüber hinaus weist Moore auch auf ein Kriterium zur näheren Bestimmung des Absurden hin. In Anlehnung an weitere Ausführungen Moores lässt sich sein diesbezüglicher Vorschlag erkennen, eine ausdrückliche, im Sinne einer Behauptung zu verstehende Äußerung von indikativen Sätzen als absurd zu bezeichnen, wenn sie auf den von ihm genannten Satzstrukturen beruht.[6] In seiner Begründung für diesen Vorschlag stoßen wir zugleich auch auf seinen grundlegenden Erklärungsansatz für das nach ihm benannte Paradoxon. Dieser Erklärungsansatz beruht auf der These einer auftretenden, spannungsgeladenen Diskrepanz zwischen dem semantischen Gehalt einer Äußerung und dem implizierten semantischen Gehalt dieser Äußerung.[7]

Moore zufolge ist demnach jede ausdrückliche, als Behauptung zu verstehende Äußerung der Form „p“ nicht als unabhängig von ihrem implizierten Kontext zu betrachten: Ein Sprecher, welcher in einem indikativen Satz eine Behauptung der Form „p“ äußert, impliziert damit zugleich auch, dass er glaubt, dass p.[8]

In einem behaupteten Satz mit der Struktur „p, aber ich glaube nicht, dass p“ äußert ein Sprecher in diesem Sinne also einerseits, dass er nicht glaubt, dass p, und impliziert aber gleichzeitig mit der Behauptung „p“, dass er auch glaubt, dass p. Das Absurde lässt sich also Moore zufolge als ein Spannungsfeld zwischen der Äußerung eines Satzes und der Implikation des geäußerten Satzes beschreiben.

Im Gegensatz dazu finden wir bei Moore hinsichtlich der begrifflichen Erläuterungen zum Paradoxen folgende Ausführungen:

„It is a paradox that it should be perfectly absurd to utter assertively words of which the meaning is something which may quite well be true – is not a contradiction.”

(Moore, in: Baldwin, 1993, S. 209)

Worauf uns Moore an dieser Stelle offenbar hinweisen will ist, dass das Paradoxe an einem geäußerten Satz der Form: „Es regnet, aber ich glaube nicht, dass es regnet“ durch seine Eigenschaft beschrieben werden kann, uns als absurd zu erscheinen, ohne dabei im traditionell-logischen Sinne tatsächlich selbstwidersprüchlich zu sein. Hiermit stoßen wir also zum ersten Mal explizit auf das Kriterium der Widersprüchlichkeit. Hoche[9] verdeutlicht in diesem Zusammenhang eine Möglichkeit zur Unterscheidung einer logischen Kontradiktion von der Absurdität einer auf dem Mooreschen Paradoxon beruhenden Äußerung, indem er darauf verweist, dass es uns im Hinblick auf letztgenannte Äußerung nicht schwerfällt, Sätze der Form: “Es ist möglich, dass es regnet, dass ich es aber nicht glaube“ als widerspruchsfrei zu akzeptieren, während logische Kontradiktionen auch in Bezug auf Ihre Möglichkeitsform inakzeptabel und widersprüchlich bleiben.[10] Ein Satz wie: „Er ist Junggeselle, aber nicht ledig“ verliert auch in der Vermöglichung: „Es ist möglich, dass er Junggeselle, aber nicht ledig ist“ nichts von seiner Widersprüchlichkeit, sobald wir ihn aufgrund einer systematischen Destruktion seiner „Sinnkonstanz“ als sprachwidrig klassifiziert haben.[11] Dagegen bereitet uns die Annahme einer widerspruchsfreien Äußerung der Form: “Es ist möglich, dass es regnet, dass ich es aber nicht glaube“ offenbar weniger Schwierigkeiten.

Die merkwürdigen Eigenschaften der mooreschen Absurdität treten darüber hinaus auch dann nicht auf, wenn wir Sätze wie: „Es regnet, aber er glaubt nicht, dass es regnet“ oder „Es regnete, aber ich glaubte nicht, dass es regnete“ äußern.[12] Diesbezüglich unterscheiden sich die Sätze einer mooreschen Paradoxie ebenfalls von einer gewöhnlichen, selbstwidersprüchlichen Äußerung. Die Widersprüchlichkeit eines aufrichtig geäußerten Satzes wie: „Ich bin Junggeselle, aber nicht ledig“ bleibt auch bei Sätzen wie: „Ich war Junggeselle, aber nicht ledig“ oder „Er ist Junggeselle, aber nicht ledig“ erhalten.

[...]


[1] Siehe: Wittgenstein, Ludwig: „Philosophische Untersuchungen“, Suhrkamp, 2008, Teil II, Abschnitt x.

[2] Vgl.: Green, Mitchell; Williams, John N.: “Moore´s Paradox – New Essays On Belief, Rationality, and the First

Person”, Oxford, 2006, S. 3.

[3] Das Mansukript wird von Thomas Baldwin mit dem Titel „Moore´s Paradox“ versehen. Siehe: Baldwin,

Thomas (Ed.): „G.E.Moore – Selected Writings“, London, 1993, S. 207.

[4] Vgl.: Green, Mitchell; Williams, John N.: “Moore´s Paradox – New Essays On Belief, Rationality, and the First Person”, Oxford, 2006, S. 5.

[5] Ebd., S. 10.

[6] Ebd., S. 5.

[7] Ebd., S. 5.

[8] Vgl.: Moore, George Edward: „Russell`s Theory of Descriptions”, in: Schilpp, P. (Ed.), The Philosophy of Bertrand Russell, La Salle, S. 175.

[9] Vgl.: Hoche, Hans-Ulrich: „Zur Methodologie von Kombinationstests in der analytischen Philosophie“, in: Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie / Journal for General Philosophy of Science 12, 1981, S. 31-43.

[10] Ebd., S. 32.

[11] Ebd., S. 32f.

[12] Vgl.: Baldwin, Thomas: “The Normative Character of Belief”, in: Green, Mitchell; Williams, John N.: “Moore´s Paradox – New Essays On Belief, Rationality, and the First Person”, Oxford, 2006, S. 76.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Moore´s Paradox - Ausgewählte Betrachtungen
Note
1
Autor
Jahr
2007
Seiten
23
Katalognummer
V127282
ISBN (eBook)
9783640336005
ISBN (Buch)
9783640335831
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Moore´s, Paradox, Ausgewählte, Betrachtungen
Arbeit zitieren
Steffen Bock (Autor:in), 2007, Moore´s Paradox - Ausgewählte Betrachtungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127282

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