Finanzielle Auswirkungen durch einen Nordstaat


Hausarbeit, 2006

31 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Hintergrund

2 Das Konzept eines Nordstaates
2.1 Das deutsche Föderalismusprinzip
2.2 Überlegungen zur Neugliederung des Bundesgebietes
2.3 Gründe für die Überlegungen zur Neugliederung des nördlichen Bundesgebietes

3 Auswirkungen auf die Finanzausstattung
3.1 Der Finanzausgleich
3.1.1 Veränderungen durch die horizontale Umsatzsteuerverteilung
3.1.2 Veränderungen durch den Länderfinanzausgleich i. e.
3.1.3 Veränderungen bei den Bundesergänzungszuweisungen (BEZ)
3.1.4 Fehlanreize des Länderfinanzausgleichs i. e.
3.2 Die besondere Problematik der Stadtstaaten
3.3 Auswirkungen durch den Nordstaat
3.4 Veränderungen bei den Verwaltungskosten

4 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Monographien

Aufsätze

Internetquellen

Abbildungen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Metropolregion Hamburg im Überblick

Abbildung 2: Zusammenschluss der fünf Länder Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bremen zu einem gemeinsamen norddeutschen Land

Abbildung 3: Wirkungen der Umsatzsteuerverteilung für 2005

Abbildung 4: Bruttoinlandsprodukt 2005 pro Kopf

Abbildung 5: Der Finanzausgleich unter den Ländern für die Zeit vom 01.01.2005 – 31.12.2005 (in 1 000 EUR)

Abbildung 6: Personalstand und Personalausgaben der Länder und Gemeinden 2004/2005

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Hintergrund

Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Hypothese, dass die propagierten Vorteile eines Nordstaats kein ausreichendes Gegengewicht für die mit einer Fusion verbundenen Nachteile darstellen würden.

Die Idee für einen Zusammenschluss der norddeutschen Länder zu einem ‚Nordstaat’ hat eine lange Geschichte, sie existiert seit der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg und hat in den darauf folgenden Jahren und bis heute zu zahlreichen und anhaltenden Diskussionen in Politik und Wirtschaftsverbänden geführt.1 Sie begründet sich auf der durch die Besatzungs-mächte nach dem Zweiten Weltkrieg vorgenommenen Einteilung des Bundesgebietes in seine heutige föderale Form. Diese Einteilung auf Grundlage des Art. 29 GG erfolgte mit dem Ziel, die wirksame Erfüllung der den Ländern obliegenden Aufgaben entsprechend ihrer Größe und Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Ob dies tatsächlich gelungen ist, scheint heute mehr als fraglich. So wird in den vergangenen Jahren zunehmend die Forderung nach einer Neuordnung des Bundesgebietes hinsichtlich ökonomischer Gesichtspunkte laut, in die sich der Zusammenschluss zu einem Nordstaat einpassen würde. Auch eine Änderung des Grundgesetzes in Artikel 29, der für eine Neugliederung zwingend einen Volksentscheid verlangt, wurde bereits mehrfach angestrebt. Gründe für die Überlegungen zur Neugliederung des Bundesgebietes werden unter 2.2, für das nördliche Bundesgebiet und 2.3 näher ausgeführt.

Für die Frage nach der räumlichen staatlichen Organisation, die den Anforderungen und Interessen des norddeutschen Siedlungsraums am besten Rechnung trägt2, stehen regelmäßig folgende vier Modelle zur Debatte3: (1) der Zusammenschluss der fünf Länder Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bremen zu einem gemeinsamen norddeutschen Land, (2) der Zusammenschluss der vier Länder Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen zu einem gemeinsamen Nordweststaat, (3) der Zusammenschluss der drei Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg- Vorpommern zu einem Nordstaat sowie (4) die Möglichkeit des Zusammenschlusses der beiden Länder Schleswig-Holstein und Hamburg zu einem Nordstaat.

Zwar lassen sich gerade für Hamburg und Schleswig-Holstein zahlreiche Publikationen, empirische Erhebungen sowie bereits funktionierende Kooperationen und Fusionen aufzeigen, konsequenterweise soll in dieser Arbeit jedoch auf den Zusammenschluss aller norddeutschen Länder abgestellt werden. Das gesamte Datenmaterial soll jedoch zu Beispielzwecken herangezogen werden. Abb. 1 zeigt zur Veranschaulichung die derzeitige Metropolregion Hamburg, aus der neben Mitgliedschaften auch Partnerschaften, so etwa mit Landkreisen Mecklenburg-Vorpommerns zu erkennen sind. Abb. 2 stellt ein Modell des Nordstaates dar, welches dieser Arbeit zugrunde liegt. Insbesondere hinsichtlich der finanziellen Verände-rungen ergeben sich interessante Aspekte durch einen Einbezug aller fünf Länder. Die Mindereinnahmen durch den Verlust des Stadtprivilegs Hamburgs und Bremens im Länderfinanzausgleich (LFA) und den Verlust der Bundeszuschüsse für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern wären höher als der beabsichtigte Spareffekt durch die Fusion. Zur Untersuchung dieser Hypothese wird Bezug genommen auf die Regelungen des LFA sowie die finanzielle Situation nach der Fusion.

Auf mögliche Veränderungen der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Länder sowie mög-liche Auswirkungen auf die Regionalstruktur soll im Rahmen dieser Arbeit aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht näher eingegangen werden. Die Begriffe Bundesländer und Länder werden im Weiteren synonym verwendet.

2 Das Konzept eines Nordstaates

2.1 Das deutsche Föderalismusprinzip

Föderalismus ist ein Organisationsprinzip für ein gegliedertes Gemeinwesen, in dem gleiche und eigenständige Staaten zu einem ebenfalls eigenständigen Zentralstaat zusammen-geschlossen sind. Es stellt insofern ein Staatsprinzip für die Verbindung nicht souveräner Gliedstaaten zu einem Bundesstaat dar, wobei die Kompetenzen der staatlichen Organisation zwischen den Beteiligten aufgeteilt sind.4

Das deutsche föderale System als eines der wichtigsten Strukturelemente des politischen Systems stellt aufgrund der nationalen Einheit kein konstruktives Organisationsprinzip (vgl. etwa USA), sondern vielmehr eine politische Notwendigkeit dar. Die föderale Struktur in ihrer heutigen Form basiert auf der entsprechenden Entscheidung der alliierten Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg; der Zusammenschluss der sechzehn selbständigen Länder zu einem Bundesstaat5 folgte dem Ziel der Dezentralisierung der politischen Strukturen, regionale und lokale Verantwortung sollten gestärkt werden. Die Selbständigkeit der einzelnen Länder blieb jedoch unter dem Grundgedanken der Subsidiarität gewahrt.6 Die Organisation der Bundesrepublik als föderativer, demokratischer und sozialer Bundesstaat ist im Grundgesetz verwirklicht und wird vom Bundesverfassungsgericht überwacht. Eine Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes erfolgt unter anderem durch Stellungnahmen und Ablehnungen von Gesetzen im Bundesrat, vgl. Art. 50 GG. Gestaffelt nach Einwohnergröße erfolgt eine Gewichtung der Stimmen der Länder, vgl. Art. 51 Abs. 2 GG. Das Verhalten der Länder untereinander ist durch das Solidar-prinzip bestimmt, so fordert Art. 107 Abs. 2 GG eine angemessen ausgeglichene Finanzlage zwischen den Ländern. Diese Verfassungsnorm bildet die Grundlage für das Finanzausgleichsystem, wodurch den Ländern durch eine aufgabengerechte Finanzausstattung die staatliche Selbständigkeit ermöglicht werden soll.7

Die Kritik am deutschen Föderalismusprinzip, das über die Zeit zu einem Macht- und Regelgeflecht zwischen Bund und Ländern geführt hat, das inzwischen sogar als Belastung für die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu sehen ist, ist vielfältig.8 So widerspricht die zunehmende Verflechtung dem Prinzip eigenverantwort-lichen Handelns von Bund und Ländern, welches einen der Grundgedanken des Föderalismus widerspiegelt.9 Aus politischer Sicht begründen sich die Forderungen nach einer Entflechtung auf der Notwendigkeit kurzfristiger und flexibler Reformprozesse. Ökonomisch betrachtet liegen die kritischen Punkte vor allem in den derzeitigen Ausgleichsregelungen der Finanz-verfassung. Einen ersten Niederschlag finden die Reformbestrebungen in der zum 01.01.2005 umgesetzten ersten Stufe der Föderalismusreform.

2.2 Überlegungen zur Neugliederung des Bundesgebietes

Die immer wieder geforderte Zusammenlegung kleinerer Bundesländer folgt dem grund-legenden Ziel der Wiederherstellung der finanziellen Eigenständigkeit der Länder und damit der Umkehrung der Entwicklung, dass immer mehr Länder in immer größerem Umfang von Zuweisungen aus dem Finanzausgleich abhängen.10 Eine solche Neugliederung ist gem. Art. 29 Abs. 1 GG nur dann möglich, wenn die Bundesländer nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben nicht wirksam erfüllen können und stellt, in Anlehnung an die Reihenfolge im Grundgesetz, das grundsätzlichste und wirksamste Instrument dar, um den Grundsatz „gleichwertiger Lebensverhältnisse“ zu wahren.11 Sie erfordert jedoch eine Volksabstimmung und stößt insbesondere aufgrund historisch gewachsener Traditionen auf Widerstand.

Mit dem Wiener Kongress12 als Ausgangspunkt gab es in den vergangenen Jahren bereits viele Maßnahmen, in denen Länder zusammengeführt worden sind. Und wenngleich der Erhalt des föderalistischen Staatsaufbaus in Deutschland oberstes Ziel sein sollte, so darf dieser Erhalt doch nicht darunter leiden, dass für einzelne Länder aufgrund der eigenen Schwäche eine finanzielle Abhängigkeit vom Bund oder anderen Ländern entsteht. Sobald der Staatshaushalt aus eigener Kraft nicht mehr ausgeglichen werden kann, drängt es sich auf, Größenordnungen zu schaffen, die eine Balance im Haushalt gewährleisten und zugleich nach Bevölkerung, Fläche und Verkehrsströmen weitgehend ausgewogen sind. Der bundes-staatliche Finanzausgleich würde in einem solchen Falle zu Nachteilen führen und müsste daher völlig neu geregelt werden.13

Dabei geht es auch und vor allem um eine Stärkung der Wettbewerbselemente im deutschen Föderalismus. Dies löst bei den strukturschwachen Ländern aufgrund fehlender Wirtschafts-kraft und damit auch Steuereinnahmen Befürchtungen aus, in diesem Wettbewerb nicht bestehen zu können. Die fehlende Finanzkraft macht infrastrukturelle Maßnahmen, die im wirtschaftlichen Aufholprozess unumgänglich sind, nicht finanzierbar, da der Steuerwett-bewerb gute Steuerzahler abzieht. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse würde nicht gewahrt bleiben, es läge somit ein Verstoß gegen das im Grundgesetz verankerte bündische Prinzip vor. Hinzu kommt eine Ineffizienz bei der Bereitstellung öffentlicher Güter sowie Einschränkungen der personellen Einkommensumverteilung, ausgelöst durch eine dezentralisierte Leistungserstellung und -finanzierung.

Dem entgegen erhoffen sich die Befürworter eines solchen Wettbewerbsföderalismus eine effizientere Leistungserstellung durch ein Ende der Politikverflechtung. Länder und Gemeinden würden gezwungen, sich stärker an den Bedürfnissen der Bürger zu orientieren und die Suche nach kostengünstigen Möglichkeiten zur Bereitstellung öffentlicher Leistungen weiter voranzutreiben. In der Folge wäre auch eine positive regionale Wirtschaftsentwicklung durchaus denkbar; steuerliche Anreize könnten u. a. dafür sorgen, Standortnachteile auszu-gleichen und damit Unternehmen anzuziehen. Durch geeignete institutionelle Vorkehrungen könnte man Verteilungsproblemen abhelfen - ein mögliches Ergebnis wäre Wachstum vor Verteilung. Ein Beispiel funktionierenden Wettbewerbsföderalismus bietet die Schweiz, deren Effizienz in der Bereitstellung öffentlicher Leistungen empirisch belegt ist. Auch in der regionalen Wirtschaftsentwicklung wurden positive Effekte nachgewiesen.14

Die im derzeitigen System existierenden Fehlanreize könnten durch eine Neugliederung behoben werden und somit einen positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum der Länder und des Staates haben. Mit Blick auf die Anforderungen durch eine zunehmende Globa-lisierung könnten so die Konkurrenzfähigkeit und in der Folge das Wirtschaftswachstum gestärkt werden.

2.3 Gründe für die Überlegungen zur Neugliederung des nördlichen Bundesgebietes

Die von der Bundesregierung Anfang der 70er Jahre eingesetzte „Ernst-Kommission“ bescheinigte dem nördlichen Bundesgebiet im Jahr 1972 eine unterdurchschnittliche wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit als Resultat aus der suboptimalen Gliederung. Als Begründung für das Unvermögen des Stadtstaats Bremen, alle Aufgaben eines modernen Staats zu erfüllen, wurde auf das mangelnde Umland verwiesen.15 Grundlegendes Ziel einer Fusion der norddeutschen Länder ist somit eine durch Kostenein-sparungen zu erzielende Erhöhung der Effizienz in Politik und Verwaltung.16

Wie bereits in unter Punkt 1. ausgeführt, hat die Diskussion um einen Zusammenschluss der norddeutschen Länder bereits eine lange Tradition. Zuletzt ist sie 1996, vor allem durch zahlreiche Publikationen in der Tagespresse, in den Fokus gerückt.17 Der häufig angeführten Ablehnung der Bevölkerung aus Angst vor einem Identitätsverlust widerspricht z. B. eine Repräsentativumfrage in Hamburg und Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2004, in der sich eine Mehrheit von immerhin 52 v. H. der befragten Personen für einen Zusammenschluss der beiden Länder aussprachen.18 Auch Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sprachen sich 2005 erneut deutlich für einen Nordstaat aus.19 Vor allem die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stellt eines der Hauptargumente für einen Nordstaat dar. Die Ausdehnung der Wirtschaftsbeziehungen über Länder- und Bundesgrenzen hinweg und die damit einhergehende Wettbewerbs-verschärfung unterstützen diese Argumentation. Für den wirtschaftlichen Erfolg und dessen Erhalt stellen Faktoren wie Kapital, qualifizierte Arbeitskräfte und vor allem Wissen die maßgeblichen Einflussgrößen dar. Die derzeitige Ländergliederung widerspricht der ökonomischen Verflechtung, vielmehr durchschneidet sie oftmals sogar historisch gewachsene Wirtschaftsräume.20 So bestehen bereits weit reichende länderübergreifende Kooperationen von Unternehmen, der wirtschaftliche Vorteil korreliert jedoch häufig negativ mit der politischen Abhängigkeit.21 Daher sollte es gelten, die durch die kleinstaatliche Einteilung erwachsenen Strukturprobleme im Hinblick auf Wettbewerbsgesichtspunkte zu lösen. Dies erscheint nur in einem Nordstaat möglich.22 Als Beispiel solcher Strukturprobleme ließe sich die Blockade wichtiger, für den gesamten Wirtschaftsraum erforderlicher Infrastrukturmaßnahmen (z. B. Bundesautobahn A20) durch einzelne Länder anführen.23 Besonders die Metropolregion Hamburg ist inzwischen aufgrund ihres erreichten Ausmaßes von solchen Entscheidungen seitens des Umlandes betroffen bzw. wirtschaftlich abhängig (vgl. Elbvertiefung, EADS-/Airbus-Erweiterung etc.). Ein weiteres Beispiel stellt die unter 3.2 ausführlich dargestellte ‚Pendlerproblematik’ dar, wodurch in Hamburg erwirtschaftetes Einkommen aufgrund des Wohnsitzprinzips z. B. in Schleswig-Holstein der Besteuerung unterliegt. Ein Ausgleich dieser finanziellen Differenzen soll über den LFA gewährleistet werden. Dieser hat aufgrund bestehender Fehlanreize (vgl. 3.1.4) jedoch negativen Einfluss auf das Investitionsverhalten der Länder.24 Der daraus resultierende Rückgang eigener Bemühungen um Wettbewerbsvorteile könnte durch einen Nordstaat gemildert oder gar behoben werden. Als direkte Folge könnten die Bedeutung und damit auch die Fehlanreize des LFA verringert werden. Entstehende Anreize für Investitionen könnten dann eine Wettbewerbsbelebung auslösen, Leistungsfähigkeit aus eigener Kraft wäre die Folge. Diese wiederum könnte sich positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken und dadurch das Wohlstandsmaß steigern. Nicht zu vernachlässigen wäre jedoch der aus einer Fusion erwachsenden politische Nachteil hinsichtlich der Stimmenverteilung im Bundesrat, vgl. Art. 51 Abs. 2 GG.

Eines der ältesten Beispiele erfolgreicher Länderzusammenarbeit stellt das sog. ‚Hanse-Office’ in Brüssel dar, das als gemeinsame Einrichtung der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein bereits seit 20 Jahren existiert und die Interessen beider Länder vor den europäischen Institutionen vertritt.25 Bereits 2003 erfolgte die Fusion der Statistischen Landesämter, der Datenzentralen und der Eichverwaltungen Hamburgs und Schleswig-Holsteins, was zunächst eine Euphorie hinsichtlich einer neuen Ära nachbarschaftlicher Zusammenarbeit hervorrief.26 Doch nicht alle Fusionen funktionieren derart reibungslos. Probleme bei der Zusammenarbeit zeichnen sich z. B. hinsichtlich des im Juni 2006 unterzeichneten Medienstaatsvertrags ab. So ist zu erwarten, dass die Regelungsinhalte den zukünftigen technischen Entwicklungen nicht gerecht werden.27 Die angedachte Zusammenlegung der Fachobergerichte (vgl. Berlin/ Brandenburg) ist aufgrund verschiedener Probleme gescheitert.28

Bleibt also festzuhalten, dass zumindest eine Linderung bestehender Strukturprobleme angestrebt, eine Lösung wie sie u. U. in einem Nordstaat möglich wäre, jedoch nicht absehbar scheint.

3 Auswirkungen auf die Finanzausstattung

3.1 Der Finanzausgleich

„Der bundesstaatliche Finanzausgleich ist zentraler Bestandteil des föderalen Systems in Deutschland.“29 Ziel des Finanzausgleichs ist es, den Ländern durch eine aufgabengerechte Finanzausstattung ihre staatliche Selbständigkeit zu ermöglichen. Die Basis der wesentlichen Elemente des Finanzausgleichs bildet Art. 107 GG, der auf die Sicherstellung einer angemessen ausgeglichenen Finanzlage der Länder abstellt. Man unterscheidet zwischen dem LFA i. e. S., der den Ausgleichsmechanismus der Länder untereinander bezeichnet und dem LFA i. w. S., der darüber hinaus das gesamte finanzielle Ausgleichsystem zwischen Bund und Ländern bezeichnet. Das primäre Steuerverteilungssystem gliedert sich in die vertikale und die horizontale Steuerverteilung. Die vertikale Steuerverteilung beschreibt die Verteilung der Steuereinnahmen auf verschiedene Ebenen (Leistungen des Bundes an die Länder) und unterscheidet zwischen der Ertragshoheit nach Trennsystem (vgl. Art. 106 GG) für die bestimmten Ebenen zuzurechnenden Bundes-, Landes- und Gemeindesteuern und der Ertragshoheit nach Verbundsystem für die auf Bund, Länder und Gemeinden zu verteilenden Gemeinschaftssteuern (Einkommen-, Lohnsteuer, Zinsabschlag).30 Als flexibles Element im vertikalen Finanzausgleich ist die Umsatzsteuerverteilung zu sehen, die sich nach der Wiedervereinigung stark zu Gunsten der Länder und zu Lasten des Bundes verschoben hat.31 Die horizontale Steuerverteilung (Ausgleich unter den Länden) erfolgt grundsätzlich nach dem örtlichen Aufkommen (vgl. Art. 107 Abs. 1 GG), für die Zerlegung der Lohn- und Körperschaftsteuer und des Zinsabschlags gelten gesonderte Prinzipien (vgl. Art. 107 Abs. 1 GG i. V. m. Zerlegungsgesetz).32

3.1.1 Veränderungen durch die horizontale Umsatzsteuerverteilung 33

Die horizontale Umsatzsteuerverteilung unter den Ländern ist Bestandteil des Länder-finanzausgleichs im engeren Sinne und dabei dem horizontalen Finanzausgleich zuzuordnen. Die größte praktische Bedeutung kommt dabei dem Umsatzsteuer-Vorwegausgleich zu, der zunächst nach Steuerkraftgesichtspunkten erfolgt. Diese mittels linear progressivem Tarif ermittelten sog. Ergänzungsanteile (vgl. Art. 107 Abs. 1 S. 4 GG i. V. m. § 2 Finanzausgleichsgesetz (FAG)) dienen der Auffüllung der steuerschwachen Länder, sofern ihre Steuereinnahmen weniger als 97 v. H. des Länderdurchschnitts betragen. Dieser Zuschuss kann jeweils bis zur Höhe des Betrages, der zur Erreichung des Durchschnitts der Steuern der Länder nach dem Aufkommen erforderlich ist und insgesamt bis zu 25 v. H. des gesamten Länderanteils an der Umsatzsteuer gewährt werden.34 Vor dem Inkrafttreten der Änderungen zum 01.01.2005 stellte die Grenze von 92 v. H. (neu: 97 v. H.) eine Mindestgarantie dar, die dafür sorgte, dass Differenzen bis zu diesem Betrag durch die Ergänzungsanteile zur Umsatzsteuer ausgeglichen wurden. Die daraus entstehenden marginalen Grenzabschöpfungsquoten von 100 v. H.35 ließen bei den betroffenen Ländern keinerlei Anreizwirkung entstehen, selbständig für die Steigerung ihrer Steuereinnahmen zu Sorge zu tragen.36 Abb. 3 stellt die Wirkungen der Umsatzsteuerverteilung für 2005 dar, Ordnungskriterium sind die Zahlen vor der Umsatzsteuerverteilung. Daraus wird deutlich, dass vor allem Mecklenburg-Vorpommern als neues Bundesland durch die Umsatzsteuerverteilung und insbesondere den Umsatzsteuer-Vorwegausgleich einen weitgehenden Ausgleich der eigenen Finanzschwäche erfährt. Ein möglicher Nordstaat hätte eine Finanzkraft, die in der Mitte anzusiedeln wäre.

3.1.2 Veränderungen durch den Länderfinanzausgleich i. e. S.

Die Umverteilung durch den LFA i. e. S. zielt durch Ausgleichszahlungen reicher Länder und Zuweisungen an ärmere Länder auf eine Verringerung der unangemessenen Unterschiede in der Finanzkraft37 der Länder im Rahmen der bundesstaatlichen Solidargemeinschaft ab. Ziel ist kein vollkommener Ausgleich, sondern vielmehr eine Angleichung der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet. Ob ein Land ausgleichspflichtig oder -berechtigt ist, richtet sich nach dem Verhältnis seiner FKM (=Summe aller ausgleichsrelevanten Landes- und Gemeinde-einnahmen) zur AMZ (=länderdurchschnittliche Finanzkraft). So sind finanzstarke Länder, deren FMK ihre AMZ übersteigt, zur Zahlung von Ausgleichsbeträgen verpflichtet. Umgekehrtes gilt für finanzschwache Länder. Die Ausgleichsbeträge oder -zuweisungen werden entsprechend den progressiven Tarifabstufungen in § 10 FAG berechnet. Die bisherige Anpassung auf mindestens 95 v. H. der durchschnittlichen Finanzkraft ist im Rahmen der Neuregelungen des FAG entfallen. Weiterhin wird jedoch ein Prozentsatz für die zu leistenden Ausgleichsbeträge zugrunde gelegt, der eine Übereinstimmung von Zuweisungen und Zahlungen erreicht, vgl. § 10 Abs. 2 S. 2 FAG. So erfolgt eine Bestimmung der effektiven Abschöpfungsquoten erst im Finanzausgleich.

3.1.3 Veränderungen bei den Bundesergänzungszuweisungen (BEZ)

Allgemeine BEZ zur ergänzenden Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs können vom Bund ergänzend zum Finanzausgleich leistungsschwachen Ländern gem. Art. 107 Abs. 2 S. 3 GG i. V. m. § 11 Abs. 1 FAG gewährt werden. Als leistungsschwach im Sinne dieser Regelung gelten Länder, deren Summe aus Finanzkraftmesszahl (FKM) und Ausgleichszuweisungen nach § 10 FAG weniger als 99,5 v. H. der Ausgleichsmesszahl (AMZ) des Ausgleichsjahres beträgt. Die Länder können frei über die Verwendung der gewährten Mittel verfügen. Man unterscheidet in allgemeine BEZ und Sonderbedarfs-BEZ. Die vorgenannten allgemeinen BEZ werden finanzschwachen Ländern gewährt, deren durchschnittliche Finanzkraft nach Durchführung des LFA, basierend auf dem bundesstaatlichen Solidarprinzip noch immer unterdurchschnittlich ist. Daraus resultiert eine mangelnde Anreizwirkung für die betroffenen Länder, da im Zweifelsfalle immer der Bund den allgemeinen Finanzbedarf reguliert. Vielmehr hätten positive Bemühungen eine Verringerung der vertikalen Transfers aus der Bundeskasse zur Folge, was dazu führen würde, dass die Länder die bislang aus Ergänzungszuweisungen erhaltenen Mittel selbständig erwirtschaften müssten. Sonderbe-darfs-BEZ dienen der Finanzierung spezifischer Sonderlasten, z. B. starken infrastrukturellen Nachholbedarfs aufgrund der Wiedervereinigung (§ 11 Abs. 3 FAG) oder struktureller Arbeitslosigkeit in den nBL (§ 11 Abs. 3a FAG) sowie überdurchschnittlich hoher Kosten politischer Führung in dünn besiedelten Gebieten (§ 11 Abs. 4 FAG). So erhalten allein die möglichen Nordstaat-Länder Bremen, Schleswig Holstein und Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2005 BEZ gem. § 11 Abs. 3 bis 4 FAG i. H. v. ca. 2,765 Mrd. EUR. Im Jahr 2004 hat das Gesamtvolumen aller Bundesergänzungszuweisungen ca. 15,1 Mrd. EUR betragen.38 Der Stadtstaat Bremen zeigt recht anschaulich die Fehlanreize solcher Zuweisungen, bei denen z. B. überproportionale Ausgaben für politische Führung durch den Bund beglichen werden.39 Wenngleich nach dem FAG eine Verpflichtung seitens der begünstigten Länder besteht, ihre finanzielle Lage zu verbessern und die Zuweisungen ausschließlich zur Schuldentilgung aufzuwenden, scheint dies hier nicht gelungen, da Bremen inzwischen einen weit höheren Schuldenstand aufweist als noch im Jahr 1993.40 Die Finanzierung lastet folglich auf den ausgleichspflichtigen Ländern.41

3.1.4 Fehlanreize des Länderfinanzausgleichs i. e. S.

Im Rahmen des LFA i. e. S. ist vor allem die Problematik der Grenzbelastungen aus ökono-mischer Sicht kritisch zu betrachten, die sowohl Nettozahler als auch Nettoempfänger trifft. Dabei wird die Höhe der Grenzbelastungen von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Für finanzschwache Länder ist vor allem die garantierte relative Finanzkraft i. H. v. 99,5 v. H. des Länderdurchschnitts für die Abschöpfung zusätzlicher Steuereinnahmen maßgeblich. Realisiert wird diese über den Umsatzsteuer-Vorwegausgleich, die Zuweisungen im horizontalen Finanzausgleich sowie die allgemeinen BEZ. Für die finanzstarken Länder hingegen resultiert die marginale Belastung insbesondere auf dem progressiven Umverteilungstarif. Aus diesen Grenzbelastungen können sich nun wirtschafts- und finanzpolitisch gesehen erhebliche Fehlanreize ergeben. So erscheint es für ein Land aus fiskalischer Sicht wenig attraktiv, durch eine Verbesserung der Standortqualität und damit einhergehende Ansiedlung neuer Unternehmen zusätzliche Steuereinnahmen zu generieren, da diese durch den Finanzausgleich abgeschöpft werden.42 Die finanzschwachen Ländern partizipieren somit an jedem zusätzlich generierten Steuereuro und haben wenig Anreiz, eigene Anstrengungen zur Stärkung der Finanzkraft zu unternehmen. So wird eine zunehmende Finanzschwäche durch einen höheren Beitrag der finanzstarken Länder ausgeglichen, die Anpassung an die durchschnittliche Finanzkraft ruft kein Bestreben nach einer selbständigen Steigerung der Steuereinnahmen hervor.43 Negative Entwicklungs-tendenzen für das regionale Wirtschaftswachstum und den sich zunehmend verschärfenden Standortwettbewerb sind die Folge. Als Resultat werden keine neuen Arbeitsplätze geschaf-fen, es erfolgt keine Entlastung des Sozialsystems, zusätzliche Steuereinnahmen bleiben aus und auch das Investitionsvolumen stagniert. Mit diesen negativen Tendenzen eng verbunden bzw. sie sogar weiter verschärfend ist die aus dem Finanzausgleich resultierende Verschie-bung investiver hin zu konsumtiven Staatsausgaben, die durch die einwohnerzentrierte Steuerzerlegung zusätzlich begünstigt wird. Diese ergibt sich aus der Erhöhung der Opportu-nitätskosten durch die zunehmende Abschöpfung zukünftiger Steuermehreinnahmen staatlicher Investitionen. Negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung aller am horizontalen Finanzausgleich teilnehmenden Länder sind die Folge. Doch vor allem die Entwicklung der finanzschwachen Länder leidet darunter.44

3.2 Die besondere Problematik der Stadtstaaten

Stadtstaaten umfassen im Unterschied zu Flächenstaaten nur das Gebiet einer Stadt, sind jedoch auf Bundesebene den Flächenstaaten gleichgestellt. Staatliche und gemeindliche Tätigkeit sind, wie z. B. in Hamburg. nicht getrennt.45 Für einen möglichen Nordstaat sind die Stadtstaaten Hamburg und Bremen von Bedeutung.

Im Rahmen der Überlegungen zur Neuordnung des LFA ist die Bevorzugung der drei Stadtstaaten durch die sog. „Einwohnerveredlung“ einer der zentralen Punkte. Sie geht auf den Finanzwissenschaftler Popitz zurück, der zugleich als „Urvater“ des Finanzausgleichs gilt und soll der Tatsache Rechnung tragen, dass der Finanzbedarf der Bevölkerung pro Kopf in städtischen Siedlungsbereichen höher ist als im ländlichen Bereich. In Abgrenzung zur gemeindlichen Einwohnerwertung basiert sie nicht auf Finanzbedarfsaspekten sondern auf der strukturellen Andersartigkeit. Diese drückt sich in der länderübergreifenden Leistungserbringung, z. B. in den Bereichen Ausbildung, Kultur, Verkehrsinfrastruktur etc., aus. Da ein kommunaler Ausgleich wie in den Flächenländern nicht erfolgt, wird gestaffelt nach Einwohnerzahl eine entsprechende prozentuale Wertung zugrunde gelegt, man simuliert eine höhere als die tatsächliche Einwohnerzahl.46

Da es bislang keinen praktikablen anderen Ansatz gibt, wurden Klagen gegen diese fiktive Ausgabenbelastung von den Verfassungsgerichten abgewiesen und die Einwohnerveredlung als verfassungsgemäß erachtet. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 11.11.1999 jedoch deutlich gemacht, dass sich ein möglicher Mehrbedarf der Stadtstaaten „nach Maßgabe verlässlicher, objektivierbarer Indikatoren als angemessen erweisen“47 muss. Ferner ist dem Gesetzgeber eine umgehende Überarbeitung der Regelungen des Finanzausgleichs auferlegt worden.48

Eine Abschaffung der sog. „Einwohnerveredlung“ bei den Schlüsselzuweisungen im Rahmen einer Reform des Finanzausgleichs hätte auf die Finanzen der meisten Städte und Gemeinden Norddeutschlands drastische Auswirkungen. Ein Wegfall dieser Regelung hätte z. B. zur Folge, dass der Finanzbedarf einer Stadt wie Hamburg mit 1.746.395 Einwohnern dem der Gemeinde Norderstedt mit 71.842 Einwohnern gleichgesetzt würde. Ohne diese Einwohner-gewichtung hätte 2005 im Ergebnis Bremen 0,351 Mrd. EUR weniger gehalten, Hamburg hätte 1,040 Mrd. EUR mehr gezahlt.49

Darüber hinaus stellt der dem LFA i. e. S. vorgelagerte Steuerausgleich eines der Probleme der Stadtstaaten dar. Sowohl Hamburg als auch Bremen verfügen über leistungsfähige wirtschaftliche Agglomerationen, mit denen sie Arbeitnehmer50 aus dem Umland anziehen. Während das Einkommen in den Stadtstaaten erwirtschaftet wird, erfolgt die Zuteilung über das Wohnsitzprinzip. Die daraus resultierenden deutlichen Finanzverlagerungen werden ebenfalls über die Einwohnergewichtung im LFA abgegolten. In der Folge tragen im Sinne des Solidarprinzips auch die Länder die Kosten für die Finanzierung zusätzlicher Leistungen, die nicht wie das direkt benachbarte Umland an der überregionalen Leistungserbringung partizipieren.51 Als Beispiel sei hier die Metropolregion Hamburg angeführt, wo ca. 145.000 Arbeitsplätze direkt und indirekt vom Hafen abhängen. In Hamburg selbst sind es ca. 124.000, also fast 12% aller Arbeitsplätze. Rund 33.000 dieser Arbeitsplätze werden von Pendlern aus dem Umland besetzt. Nimmt man Pendler und hafenabhängige Arbeitsplätze zusammen, erwirtschaften ca. 54.000 Beschäftigte Einkommen in Hamburg, das sie in Schleswig-Holstein und Niedersachsen der Besteuerung unterwerfen.52

3.3 Auswirkungen durch den Nordstaat

Ein möglicher Nordstaat, in diesem Falle bestehend aus den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen hätte ca. 14,9 Millionen Einwohner auf einer Fläche von ca. 87.763 km253, deren BIP pro Kopf sich auf 26.310 EUR belaufen würde. (vgl. Abb. 4). Bezogen auf die Fläche läge er somit an Platz 1, hinsichtlich der Bevölkerung nur knapp hinter Nordrhein-Westfalen und hätte darüber hinaus das fünfthöchste BIP aufzuweisen.54 Die eigentlichen Auswirkungen durch einen Nordstaat ergeben sich jedoch hinsichtlich der Regelungen des LFA. Die kumulierte FKM der vorgenannten Länder beläuft sich derzeit auf 35,068 Mrd. EUR, die Zuweisungen gem. § 10 Abs. 1 FAG betragen 931,715 Mio. EUR, was in der Summe aus Zuweisungen durch den Finanzausgleich und vorgelagerter Steuerverteilung zu Zahlungen von insgesamt ca. 36 Mrd. EUR führt. Durch eine Fusion der genannten Länder käme es zu einem Wegfall der sog. Einwohnerveredlung (vgl. dazu unter 3.2) für Hamburg und Bremen. Statt des bisherigen Stadtstaatenfaktors von 1,35 zum Ausgleich der für das Umland erbrachten Leistungen würden diese nunmehr durch den kommunalen Finanzausgleich abgegolten und damit internalisiert.55 Der Partizipation an den in Hamburg und Bremen erwirtschafteten Einkommen entgegen dem Wohnsitzprinzip stehen die geringeren Anteile an den Steuern der Länder gegenüber. So erfolgt ebenfalls eine Internalisierung hinsichtlich der bisherigen Minderbeträge Mecklenburg-Vorpommerns, Niedersachsens und Schleswig-Holsteins (vgl. BMF/V A 4) bei der Verteilung der Umsatzsteuer, deren Fehlbeträge an 97 v. H. des Durchschnitts zukünftig durch Hamburg und Bremen ausgeglichen werden. Die Ergänzungsanteile zum Ausgleich der Minderbeträge gem. § 2 Abs. 1 FAG entfallen jedoch nicht, da die ermittelten Landessteuern des Nordstaats pro Einwohner unter denen der Ländergesamtheit je Einwohner liegen. Dies hätte eine Veränderung hinsichtlich des Länderanteils an der Umsatzsteuer zur Folge. Während sich die kumulierten Länderanteile auf 12,240 Mrd. EUR belaufen, würde der Anteil des Nordstaats nurmehr 11,001 Mrd. EUR betragen, was einem Minus von 1,239 Mrd. EUR entspräche.56 Die FKM sinkt entsprechend auf 33,829 Mrd. EUR. Gemäß § 10 FAG erfolgt ein progressiver Ausgleich des Fehlbetrages der FKM (vgl. Abb. 5, Zeile 15.5.) zur AMZ (vgl. Abb. 5, Zeile 15.6.) i. R. d. LFA. Es ergibt sich ein Wert i. H. v. 646,722 Mio. Mrd. EUR, der deutlich hinter dem bisherigen zurück bleibt. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass durch den Wegfall der Einwohner-veredlung bereits ein Betrag i. H. v. 1.238 Mrd. EUR57 zu kürzen ist, was zu einer Verringe-rung der Summe aus FKM und Ausgleichszuweisungen um 1,523 Mrd. EUR führt. Eine Zusammenlegung zu einem Nordstaat und die sich daraus ergebende flächenmäßige Veränderung hätte die Senkung der Ausgleichszahlungen zwischen den Bundesländern zur Folge. Dies würde zugleich eine zunehmende Internalisierung bestehender Zahlungsströme zwischen den Ländern bei gleich bleibendem Ausgleichsniveau mit sich bringen.58 Daraus ergibt sich eine Bedeutungsabnahme des LFA, die unter den vorgenannten Gesichtspunkten anzustreben ist. Dies hätte eine Beseitigung der unter 3.1.4 dargestellten Fehlanreize zur Folge, da die Grenzbelastung finanzstarker Länder durch die Reduzierung des Transfervolumens im LFA abnimmt.59 Im besten Falle würden daraus wieder Anreize zur Pflege und Schaffung von Steuereinnahmequellen sowie die Motivation zur Selbsthilfe erwachsen.

3.4 Veränderungen bei den Verwaltungskosten

Durch die Fusion der Nordstaaten werden vor allem durch Synergien und positive Skaleneffekte bedingte effizientere Verwaltungsstrukturen erwartet, großes Einsparpotential bietet dabei u. a. der Wegfall der Länderparlamente. Darüber hinaus bedürfte es für ein zukünftiges Land auch nur noch einer gemeinsamen Landesverwaltung, bisher gibt es fünf Landesverwaltungen. Dies birgt jedoch auch den nicht zu vernachlässigenden Effekt größerer Komplexität, die die Effizienz für die Bürger zunehmend schwierig nachvollziehbar und somit auch überwachbar macht. So bleibt die Befürchtung, dass aufgrund der neuen Größe Ineffizienzen und ein gewisser Grad der Unflexibilität unvermeidbar sind.60 Beispiele für eine Zusammenarbeit bilden neben den Kooperationen in der Metropolregion Hamburg die unter 2.3 genannten Fusionen der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass Bereiche wie z. B. Polizei oder Bildung in ihrem bisherigen Personalumfang bestehen bleiben müssen. Darüber hinaus lässt der Beamtenstatus zahlreicher öffentlich Bediensteter keine Einsparungen zu. Die in Abb. 6 dargestellte Modellrechnung soll exemplarisch mögliches Einsparpotential hinsichtlich der Personalausgaben der Länder und Gemeinden darstellen, wenngleich greifbare Einsparungen in diesem Kontext kaum dargestellt werden können. Diese vorsichtige Schätzung lässt bei einem Gesamtvolumen der Personalausgaben der Länder und Gemeinden von 24,234 Mio. EUR lediglich ein Einsparpotential i. H. v. 1,025 Mio. EUR erkennen. Darüber hinaus gibt es keine konkreten Zahlen hinsichtlich der Kosten einer Neugliederung und der damit einhergehenden Umstrukturierungen. Auch soll an dieser Stelle auf die weiterhin zu leistenden Zahlungen für Zinsen und Sozialleistungen nicht näher eingegangen werden.

Doch auch Bezug nehmend auf die unter 2.2 dargestellte Forderung nach einem stärker wett-bewerbsorientierten Föderalismus spielt mehr Effizienz in der öffentlichen Verwaltung eine große Rolle. So ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis öffentlicher Leistungen vor allem in Hinblick auf einen sich zunehmend verschärfenden Standortwettbewerb in weitere Überlegungen einzubeziehen. Je günstiger eine öffentliche Leistung angeboten werden kann, desto größer dürfte das Interesse eines potentiellen Investors sein, sich an diesem Standort anzusiedeln. Durch die im Rahmen einer Fusion entstehenden Kostenvorteile ist davon auszugehen, dass die entstehende Haushaltsentlastung entweder zugunsten der Preise öffentlicher Güter oder aber zugunsten der Menge der angebotenen Güter umgelegt wird.

Darüber hinaus würden nicht nur die unter 3.1.3 genannten Bundesergänzungszuweisungen sondern auch die diesen zugrunde liegenden überproportionalen Kosten der politischen Führung, wie z. B. in Bremen entfallen, da diese aus einer dünnen Besiedlung und mangelnder Größe der betroffenen Länder resultieren.61 So ist gem. eines älteren Gutachtens ab einer Einwohnerzahl von 5 Mio. davon auszugehen, dass die Bereitstellung von öffentlichen Leistungen zu positiven Skaleneffekten führt62 und somit eine günstigere Bereitstellung öffentlicher Leistungen pro Bürger möglich ist.

4 Zusammenfassung und Ausblick

Aus den vorgenannten Ausführungen lässt sich zunächst ableiten, dass die Präferenzen der Bevölkerung, zumindest was eine Fusion der beiden Länder Hamburg und Schleswig-Holstein angeht, kein Hindernis darstellen. Zu den Argumenten für eine Fusion zählen sicherlich auch die zu erwartenden positiven Skaleneffekte aufgrund des Einsparpotentials bei der staatlichen Aufgabenerfüllung, z. B. durch den Wegfall der Länderparlamente sowie insgesamt effizientere Verwaltungsstrukturen. Diese beschränken sich jedoch weitgehend auf die Bereiche der politischen Führung und allgemeinen Verwaltung und sind darüber hinaus nicht unmittelbar im Zuge des Zusammenschlusses zu realisieren. Die geschätzten Einsparungen sind zudem als verschwindend gering einzuschätzen (vgl. Abb. 6). Dem stehen deutliche Einbußen im Rahmen des Finanzausgleichs entgegen, die u. a. durch den Wegfall der Einwohnerveredlung für die beiden Stadtstaaten bedingt sind. So reduziert sich die Summe aus Finanzkraftmesszahl und Ausgleichszuweisungen um 1,523 Mrd. EUR gegenüber den Einzelstaaten (vgl. Abb. 5). Auch die Länderanteile an der Umsatzsteuer sinken, u. a. durch die Reduzierung der Ergänzungsanteile, um 1,238 Mrd. EUR. Letztlich ist zu erwarten, dass im Falle einer Fusion Bundesergänzungszuweisungen wegen überdurchschnittlich hoher Kosten politische Führung i. H. v. ca. 175 Mio. EUR wegfallen. Sowohl das BIP pro Kopf (vgl. Abb. 4) wie auch die Finanzkraft pro Kopf (vgl. Abb. 3) würden weit unter den bisherigen Werten, vor allem für Hamburg und Bremen liegen. Daraus lässt sich die Schlussfolgerung ableiten, dass generell die Größe eines Landes nicht zwangsläufig positiv mit dem Pro-Kopf-Einkommen korreliert. Nichtsdestotrotz ist mittelfristig ein Zusammenschluss unter bestimmten Bedingungen als lohnenswert anzusehen. So ist in einem Land unter gemeinsamer politischer Führung eine effizientere und wachstumsfreundlichere räumliche Allokation privater und öffentlicher Investitionen zu erwarten. Die Beseitigung der Ländergrenzen würde sich vor allem auf den Agglomerationsraum Hamburg positiv auswirken und zu einer Stärkung der dortigen Wachstumskräfte beitragen.63 Um die entstehenden Nachteile aus dem Finanzausgleich zu regulieren ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Zusammenschluss die Verhandlung mit dem Bund über eine entsprechende Änderung des FAG, um eine Gleichstellung mit den derzeitigen Regelungen zu erreichen.

Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass vor allem aus finanzieller Sicht unter dem derzeitigen Gesetzesstand keine Anreizwirkung für einen Zusammenschluss entsteht, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein erhalten weiterhin BEZ und die Einwohnerzahlen der Stadtstaaten werden für den LFA aufgewertet. Die Kostenersparnis aus einer Fusion ist nur schwer quantifizierbar und wird als nur gering erachtet. Darüber hinaus würde mit einem Zusammenschluss ein Stimmenverlust im Bundesrat einhergehen, statt bisher neunzehn Stimmen würden dem Nordstaat nur noch sechs Stimmen zustehen, was einen deutlichen Gewichtsverlust gegenüber den verbleibenden Bundesländern bedeuten würde. Einer der Gründe, die eine Fusion jedoch unvermeidbar erscheinen lassen, ist die Tatsache, dass gebündelt mehr Kräfte erwachsen, um einen Strukturwandel zu vollziehen und den neuen Anforderungen des Wettbewerbs im Zuge der Globalisierung gerecht zu werden. Mit Blick auf den Willensbildungsprozess und die bereits deutlichen Anzeichen, ist in naher Zukunft wohl eine bilaterale Einigung zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein als wahrscheinlich anzunehmen64, nicht aber eine multilaterale aller norddeutschen Länder.

[...]


1 Vgl. Hermann Lüdemann, http://www.spd-net-sh.de/kiel/fischer/index.php?mod=content&menu=1709&page _id=3362

2 Vgl. Mantell in Bilstein (1999) S. 135.

3 Vgl. u. a. Hamburger Abendblatt vom 22.05.2006, http://www.abendblatt.de/daten/2006/05/22/565416.html

4 Vgl. Handelskammer Bremen (2004) S. 6.

5 Vgl. Art. 20 Abs. 1 GG.

6 Vgl. Handelskammer Bremen (2004) S. 6.

7 Vgl. Handelskammer Bremen (2004) S. 7.

8 Vgl. Kühne et. al. (2005) S. 2 ff..

9 Vgl. Arndt et. al. (2000) S. 5.

10 Vgl. Schnorbus (1996) S. 14.

11 Vgl. Elsner (2002) S. 19.

12 Im Wiener Kongress (1815) wurde das staatsbündische Prinzip festgelegt, aus dem der Deutsche Bund hervorging; die Souveränität der Einzelstaaten blieb jedoch erhalten.

13 Vgl. u. a. Arndt et. al. (2000) S. 20 und 37.

14 Vgl. Feld (2004) S. 62 f.

15 Vgl. Röbke (1996) S. 58.

16 Vgl. etwa Lammers (2000) S. 1.

17 Vgl. etwa Hamburger Abendblatt (1996) Nr. 53 und 59 oder aber Die Welt (1996) Nr. 40 und 298.

18 Vgl. UVNord Pressemitteilung vom 28.01.2005.

19 Vgl. u. a. Christen, Hamburger Abendblatt vom 11.02.2005.

20 Vgl. Diekmann (1999) S. 619-621; Lammers (1999) S. 429-434.

21 Vgl. Hamburger Abendblatt vom 05.04.2005.

22 Vgl. u. a. Christen, Hamburger Abendblatt vom 22.05.2006.

23 Vgl. Ottnard/Linnartz (1998) S. 647-659.

24 Berthold/Drews/Thode (2001) S. 13.

25 Vgl. http://www.hanse-office.de, 11.07.2006; Siedenburg (2005) S. B.

26 Vgl. http://www.dataport.de/dataport/publikationen/pressemitteilungen/030827-staatsvertragsunterzeichnung .html, 11.07.2006.

27 Vgl. http://www.ham-online.de/details.php?id=107

28 Vgl. Hamburger Abendblatt vom 03.01.2006 und 14.03.2006.

29 Bösinger (1999) S. 1.

30 Vgl. Scherf (2000) S. 29.

31 Vgl. Scherf (2000) S. 51.

32 Vgl. Scherf (2000) S. 32; BMF (2005) S. 12.

33 nach dem Gesetzesstand ab 01.01.2005.

34 Vgl. § 2 Abs. 1 FAG (2005); Scherf (2000) S. 55.

35 d.h. jeder selbständig zusätzlich eingenommene Euro substituierte einen Euro aus der Umsatzsteuerverteilung.

36 Vgl. Ebert/Meyer (1999) S. 106-114.

37 alle ausgleichserheblichen Einnahmen eines Bundeslandes; vgl. BMF (2002) S 31.

38 Vgl. BMF (2004) S. 76.

39 Bremen hat in den Jahren 1994 bis 2004 Sonder-BEZ i.H.v. ca. 8,5 Mrd. EUR zur Beseitigung einer extremen Haushaltsnotlage erhalten. Vgl. http://finanzen.bremen.de/de/detail.php?gsid=bremen53.c.3365.de, 11.10.2006; vgl. dazu auch Abb. 5.

40 Vgl. Diekmann (1999) S. 619-621.

41 Berthold/Drews/Thode (2001) S. 17 f..

42 Vgl. Scherf (2000) S. 84 f.

43 Vgl. Berthold/Drews/Thode (2001) S. 14; Ebert/Meyer (1999) S. 106-114.

44 Vgl. Berthold/Drews/Thode (2001) S. 14.

45 Vgl. Art. 4 der Hamburgischen Verfassung vom 06.06.1952, http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/senat/reden-und-dokumente/verfassung-pdf,property=source.pdf.

46 Vgl. Söllner (2001) S. 25-29.

47 BVerfG, 2 BvF 2/98 vom 11.11.1999, Absatz-Nr. (1 - 347),

http://www.bverfg.de/entscheidungen/fs19991111_2bvf000298.html, 11.10.2006.

48 Vgl. Baretti et. al. (2001) S. 17; Scherf (2000) S. 121 f.

49 Eigene Berechnung auf Grundlage von BMF/V A 4, vgl. Abb. 5.

50 Sog. ‚Pendler’, die täglich mindestens eine Gemeindegrenze überschreiten müssen, um von ihrem Wohnort an ihren Arbeitsplatz zu gelangen.

51 Vgl. dazu u. a. BAW (2004) S. 5.

52 Vgl. http://www.hamburg-port-authority.de/index.php?option=com_content&ta=view&id=38&Itemid=247& lang=german, 23.06.2006.

53 Vgl. http://www.statistik-portal.de/Statistik-Portal/de_jb01_jahrtab1.asp, abgerufen am 19.10.2006, Stand 12.10.2006.

54 eigene Berechnung, basierend auf den Werten von Abb. 4.

55 Vgl. Ottnad/Linnartz (1998) S. 647-659.

56 Vgl. Zeile 10.3. der Tabelle „Auswirkungen des Nordstaates auf den Finanzausgleich“.

57 Die nicht zuzurechnenden Ergänzungsanteile in Zeile 10.1. werden in Zeile 10.2. über die Restverteilung nach Einwohnern den Bundesländern zugeschrieben, somit fließt ein Teil des Geldes wieder zurück an den Nordstaat.

58 Vgl. Lammers (1999) S. 429-434.

59 Vgl. Ebert/Meyer (1999) S. 106-114.

60 Vgl. Vesper (2004); Lammers (2000) S. 6 f..

61 Vgl. Ottnad/Linnartz (1998) S. 647-659.

62 Vgl. Bundesministerium des Inneren: „Neugliederung des Bundesgebietes“ (1975) S. 56 ff. 1975.

63 Vgl. u. a. Lammers (2000).

64 Vgl. dazu u. a. Büttner/Hauptmeier (2006) S. 17-22.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Finanzielle Auswirkungen durch einen Nordstaat
Hochschule
Universität Hamburg  (Department für Wirtschaft und Politik)
Veranstaltung
Finanzwissenschaft
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
31
Katalognummer
V127275
ISBN (eBook)
9783640334162
ISBN (Buch)
9783640334124
Dateigröße
918 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finanzielle, Auswirkungen, Nordstaat
Arbeit zitieren
Jean Knödel (Autor:in), 2006, Finanzielle Auswirkungen durch einen Nordstaat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127275

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