Kunst als Erkenntnis

Vergleich der Positionen von O. R. Scholz und S. A. Döring


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Oliver R. Scholz’ Position
2.1 Die Ausgangsposition
2.2 Die Erkenntnis
2.3 Die Künste und die kognitiven Ziele

3 Dörings Position
3.1 Die Ausgangsposition
3.2 Musils Theorie der dichterischen Erkenntnis
3.3 Musils Rechtfertigung des Erkenntnisanspruchs der Kunst
3.4 Naturalisierung des Kognitivismus in der Kunstphilosophie

4 Der Vergleich
4.1 Kunst vermittelt Erkenntnis
4.2 Ausbau des Erkenntnisbegriffs
4.3 Kunst als Erkenntnis

5 Schluss

6 Literatur

„Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang, die Erfahrung trügerisch, das Urteil schwierig.“ (Johann Wolfgang von Goethe)

1 Einleitung

Die Frage nach dem Sinn und der Funktion von Malerei, Romanen, Skulpturen und anderen Kunstwerke wird immer wieder gestellt, und klingt leichter als sie ist. In der folgenden Arbeit sollen die Positionen von Oliver R. Scholz und Sabine A. Döring verglichen werden, welche sich beide mit dem Thema der Funktion der Kunst, und ihrer Erkenntnis auseinandergesetzt haben. Die Art und Weise ihrer Argumentation, sowie die gesetzten Schwerpunkte sind sehr unterschiedlich, doch ihr Ziel scheint das selbe zu sein, nämlich die Beantwortung der Frage nach dem Erkenntnisanspruch der Kunst. Beide beginnen ihre Überlegungen nicht auf einem weißen Blatt, sondern beziehen sich auf bereits vorhandene Reflexionen. Scholz bezieht sich auf Nelson Goodman und Döring auf Robert Musil, was schon klar macht, dass beide einen sehr unterschiedlichen Weg gehen werden. Diese verschiedenen Vorgehensweisen sollen in der Folge dargestellt werden.

2 Oliver R. Scholz’ Position

2.1 Die Ausgangsposition

Oliver R. Scholz geht davon aus, dass jede angemessene Antwort auf die Frage, wozu es Kunst gibt, die kognitiven Seiten der Kunstwerke, sei es ein Roman, ein Gemälde oder anderes, berücksichtigen muss. „Wir schätzen Kunstwerke wesentlich deshalb, weil sie unsere kognitiven Fähigkeiten verfeinern, weil sie Erkenntnisse und Einsichten vermitteln, weil sie unser Verstehen der Wirklichkeit erweitern, in denen wir leben und die wir gestalten.“[1] Kunstwerke wecken nicht nur Fantasien und Gefühle, Funktionen die mit den kognitiven verknüpft sind, sondern die Ästhetik beschreibt und erklärt auch wie die Künste zum menschlichen Verstehen beitragen, womit die Ästhetik zum Teil der Erkenntnistheorie wird.

Scholz baut seine Überlegungen und seine Position auf denen von Ernst Cassirer und Nelson Goodman auf, die beide eine allgemeine Theorie der Symbole als Bindeglied zwischen Ästhetik und Erkenntnistheorie annehmen. Scholz Ausgangspunkt ist die Annahme, dass die Erkenntnistheorien zu eng und zu einseitig sind, und so den wahren kognitiven Leistungen des Menschen nicht gerecht werden. Erst wenn die Erkenntnistheorie alle kognitiven Leistungen des Menschen in allen Bereichen, sei es im Alltag, der Wissenschaft oder der Philosophie aber auch die durch die Kunst erfüllt sie ihren Zweck. Auch unabhängig von der menschlichen Erkenntnis durch die Kunst müsste die Erkenntnistheorie erweitert werden, da ihr Begriff definitiv zu eng gefasst ist.

2.2 Die Erkenntnis

Scholz beginnt mit der Darlegung der erkenntnistheoretischen Position. Die meisten Positionen gehen von zwei Bedingungen für Wissen eines Subjekts aus, nämlich:

(1) „p ist wahr.“
(2) „S glaubt, dass p.“[2]

Laut dieser Position beinhaltet der Wissensbegriff den Wahrheitsbegriff und den Begriff der Überzeugung. Genauso unumstritten ist es aber auch, dass die beiden Prämissen nicht ausreichen, denn Meinungen, die zufällig wahr sind, würden hier nicht ausgeschlossen werden, auch wenn es sich dabei nicht um Wissen handelt. Es muss demnach einen richtigen, zuverlässigen Weg geben, der die Meinung hervorgebracht hat, woraus folgt, dass eine dritte Bedingung für Wissen angeführt werden muss.

Scholz diskutiert anschließend drei Thesen.

(1) „Propositionales Wissen ist bei weitem nicht das einzige Ziel unserer kognitiven Bemühungen.“[3]

Da also propositionales Wissen nicht das einzige Ziel unserer kognitiven Bemühungen ist, darf sich die Erkenntnistheorie auch nicht ausschließlich hierauf festlegen, „sondern muss auch alle anderen kognitiven Ziele, Fähigkeiten und Leistungen berücksichtigen und im Zusammenhang untersuchen.“[4]

Laut Scholz geht es weder in Wissenschaften noch in der Philosophie darum gerechtfertigte Überzeugungen, also Wahrheiten anzuhäufen, oder Ansammlungen von wahren Sätzen zu bilden. Es geht demnach also auch nicht allein um die Vermehrung propositionalen Wissens. Philosophen suchen nach philosophischem Verstehen, das laut Scholz eher „einem Sichzurechtfinden in einem Labyrinth als dem Sammeln wahrer Sätze“[5] ähnelt und in den Wissenschaften werden Abweichungen von der Wahrheit in Kauf genommen.

(2) „Wahrheit ist ein zu enger Begriff.“[6]

Allein schon die Begriffe „Wahrheit“ und „Wissen“ sind laut dieser These zu eng gefasst. Das Wahrheitsprädikat kann bei nonverbalen Symbolen nicht benutzt werden. Scholz hält den Begriff der „Richtigkeit“ für besser gewählt.

Symbole, wie Worte, Bilder oder ähnliches können nicht wahr oder falsch sein, sie können hingegen richtig oder nicht richtig sein. Diese Formen der Richtigkeit fallen der Erkenntnistheorie zu, denn diese muss sie untersuchen.

(3) „Der Begriff des propositionalen Wissens ist ebenfalls zu eng.“[7]

Scholz sieht den Begriff des propositionalen Wissens als zu eng gefasst an, denn „er erfordert den Glauben an eine Proposition, deren Wahrheit und bestimmte Formen von Rechtfertigungen oder Verlässlichkeiten,“[8] womit nonverbale und nichtpropositionale kognitive Fähigkeiten aus der Erkenntnistheorie ausgeschlossen werden.

„Vor dem Hintergrund solcher Einsichten ist vorgeschlagen worden, ‚Richtigkeit’ und ‚Verstehen’ als Nachfolgebegriffe von ‚Wahrheit’ und ‚Wissen’ ins Zentrum der Erkenntnistheorie zu rücken.“[9] Wahrheit wird dann zu einem speziellen Fall von Richtigkeit. Noch drastischer ist der Austausch von „Wissen“ durch „Verstehen“. Der Verstehensbegriff ist sicherlich viel weiter als der in Scholz Augen zu enge Wissensbegriff, jedoch ist für ihn auch fraglich ob er in wirklich allen Kontexten die bessere Lösung wäre. Hieraus ergibt sich, dass er eher eine Neudefinition von „Wissen“ fordert, statt diesen Begriffsaustausch. „Der Wissensbegriff wäre dann in einem weitläufigen Netz von Begriffen für kognitive Fähigkeiten und Leistungen zu verorten.“[10]

Der Mensch strebt auf allen Ebenen nach einer Vervollkommnung seiner kognitiven Fähigkeiten, von niedrigeren Ebenen, wie der elementaren sensorischen Fähigkeiten der Diskrimination oder der Mustererkennung, bis hin zu höheren Ebenen, also „ zu expliziten Klassifikationen, zur Bildung und Festigung von Meinungen, zur Rechtfertigung von Meinungen und zu höheren Formen des Verstehens“[11].

Darüber hinaus muss sich die Erkenntnistheorie aber auch mit Hindernissen wie Schlussfehlern oder Trugwahrnehmungen auseinandersetzen, und genau hierbei sind die Künste unumgänglich.

2.3 Die Künste und die kognitiven Ziele

Die erste von Scholz betrachtete kognitive Fähigkeit ist die Unterscheidungsfähigkeit, also die Gabe, Details und Eigenschaften von Dingen, Personen oder Ereignisse voneinander unterscheiden zu können. Die Künste leisten laut Scholz hier Beträchtliches.

Menschen, Dinge, Situationen und Ereignisse bestehen aus einer unendlichen Vielzahl an Eigenschaften, so dass eine vollständige Aufzählung zum Scheitern verurteilt sein dürfte, denn in der Regel registrieren wir Menschen nur wenige der vorhandenen Eigenschaften. Zahlreiche Objekte haben einen eingeschränkten Zweck, und wir benötigen für deren Verwendung nur einige, aber nie alle Eigenschaften. Bei anderen Menschen, Dingen oder Situationen haben wir eine solche Routine in der Wahrnehmung, dass wir gar nicht mehr fähig sind alle Details wahrzunehmen. Auffallen würden in dem Fall nur gravierende Veränderungen, wenn diese nicht eintreten, dann findet bloß ein routinemäßiges Wiedererkennen statt, wo uns die Details verborgen bleiben.

„Kunstwerke und Darstellungsweisen eröffnen epistemische Zugänge zu Eigenschaften und Zügen von Gegenständen, Personen und Situationen, die uns normalerweise entgehen.“[12] Eine Art zu Malen trifft zum Beispiel eine Auswahl an Eigenschaften von den Dingen, die gemalt werden, und macht so Eigenschaften, die ansonsten unsichtbar zu bleiben drohen, sichtbar.

Schon bei elementaren Unterscheidungen tauchen begriffsartige Strukturen auf, bei welchen Symbolsysteme benutzt werden. „Die beiden grundlegenden Formen der Bezugnahme sind die Denotation und die Exemplifikation.“[13] Erstere ist eine zweiteilige Beziehung zwischen einem Symbol und dem Gegenstand, auf welches das Symbol sich bezieht. Unstrittig ist wohl der Begriff der verbalen Denotation, bei welchem man singuläre, leere und multiple Denotationen unterscheidet. Verbale Symbole, denotieren singulär, wenn sie auf einen einzelnen Gegenstand angewandt sind, während die, die multiple denotieren, sich ohne Unterscheidung auf jedes einzelne von vielen Dingen beziehen, und Symbole, die leer denotieren keinen Sachverhalt haben.

Von Goodman übernimmt Scholz nun, dass man diesen Begriff der Denotation nicht nur bei verbalen Symbolen nutzt, sondern auch auf nonverbalen Zeichen einsetzt. Übertragen bedeutet dies, dass ein Bild von einer gewissen Person, eine singuläre Denotation auf diese Person ist, während ein Bild von einem willkürlichen Tier im Lexikon multiple auf alle Tiere dieser Art denotieren würde, und ein Bild von einem Einhorn oder einer Elfe wäre leer.

Neben der wörtlichen Denotation existiert auch noch die metaphorische, bei welcher ein Symbol auf einen fremden Bereich denotiert, und es nicht wörtlich gebraucht wird. In unserem alltäglich benutzten Repertoire an Begriffen sind einige aus Dichtung und Literatur übergegangen. So ist die eigentlich singuläre Denotation von Don Juan, die auf die Person Don Juan verwies, zu einer Metapher für einen Frauenhelden geworden.

[...]


[1] Oliver R. Scholz. Kunst, Erkenntnis und Verstehen. Eine Verteidigung einer kognitivistischen Ästhetik. In: Bernd Kleimann und Reinhold Schmücker. Wozu Kunst? Die Frage nach ihrer Funktion. S.34.

[2] Oliver R. Scholz. Kunst, Erkenntnis und Verstehen. Eine Verteidigung einer kognitivistischen Ästhetik. In: Bernd Kleimann und Reinhold Schmücker. Wozu Kunst? Die Frage nach ihrer Funktion. S.36.

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] Ebd. S.37.

[6] Ebd.

[7] Oliver R. Scholz. Kunst, Erkenntnis und Verstehen. Eine Verteidigung einer kognitivistischen Ästhetik. In: Bernd Kleimann und Reinhold Schmücker. Wozu Kunst? Die Frage nach ihrer Funktion. S.38.

[8] Ebd.

[9] Ebd. S.38.

[10] Ebd. S.39.

[11] Ebd.

[12] Oliver R. Scholz. Kunst, Erkenntnis und Verstehen. Eine Verteidigung einer kognitivistischen Ästhetik. In: Bernd Kleimann und Reinhold Schmücker. Wozu Kunst? Die Frage nach ihrer Funktion. S.41.

[13] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Kunst als Erkenntnis
Untertitel
Vergleich der Positionen von O. R. Scholz und S. A. Döring
Hochschule
Universität des Saarlandes
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V126973
ISBN (eBook)
9783640333158
ISBN (Buch)
9783640333189
Dateigröße
448 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kunst, Erkenntnis, Vergleich, Positionen, Scholz, Döring
Arbeit zitieren
Luc Wildanger (Autor:in), 2007, Kunst als Erkenntnis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126973

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Kunst als Erkenntnis



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden