Fußballsprache - Eine linguistische Untersuchung der aktuellen Presseberichterstattung


Masterarbeit, 2008

90 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Fußballsprache als ein Gebilde aus drei Teilbereichen

2.Gesellschaftliche und geschichtliche Einflüsse und Entwicklungen
2.1 Die „Geburtsstunde“ des Fußballs in Deutschland und der Beginn des Fußball-Vokabulars
2.2 Entstehung der Fachsprache durch die Popularität des Fußballs

3. Warum Fußball eine Fachsprache ist
3.1 Drei grundlegende semantische Prinzipien
3.1.1 Metonymie
3.1.2 Metapher
3.1.3 Simplifizierende Abstraktion

4. Fußballsprache als Komplex aus drei Teilbereichen
4.1 Wechselwirkung der fußballsprachlichen Teilbereiche

5. Einflüsse anderer (Fach-)Sprachen auf die Fußballsprache
5.1 Einfluss von Anglizismen
5.2 Einfluss von Fachsprachen anderer Sportarten
5.3 Einfluss von Fachsprachen von Musik, Theater und Spielen
5.4 Einfluss von Kriegsbegriffen und der Fachsprache des Militärs
5.5 Einfluss der Fachsprache des Fachbereichs Technik

6. Die Beeinflussung der Fußballsprache durch die Gemeinsprache
6.1 Die Beeinflussung der Gemeinsprache durch die Fußballsprache

7. Geschichte und Entwicklung der Fußball-Berichterstattung in der Presse
7. 1 Die (Fußball-)Sprache der Presseberichterstattung
7.2 Unterscheidung von Positions-, Tabellen- und Spielsprache innerhalb der Sprache der Presseberichterstattung
7.2.1 Positionssprache
7.2.2 Tabellensprache
7.2.3 Spielsprache
7.3 Inhalte der Berichterstattung
7.4 Merkmale des Stils der Reportsprache
7.4.1 Metaphern und Beiwörter
7.4.2 Worthülsen als „Klassiker“
7.4.3 Zwischen „Verbrüderung“ und Distanzierung von Sportler, Redakteur und Rezipient
7.4.4 Monotonie
7.4.5 Superlativische, hyperbolische Ausdrucksweise
7.5 Zusammenfassende Überlegungen zu den stilistischen Merkmalen der Reportsprache
7.6 Die Kritik an der Fußballberichterstattung
7.6.1 Übermäßiger Gebrauch von Metaphern und Fremdwörtern
7.6.2 Fußballspiele als „Ersatzkriege“

8. Erklärungen und Relativierungen der Kritik -Begrenzte Autonomie und Zeitdruck vs. Versuche der Vermeidung von Monotonie

9. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Einleitung

„Die schönste Nebensache der Welt“, „Volkssport Nummer eins“ oder „König Fußball“, der immense Beliebtheitsgrad des Fußballsports ist nicht nur in den zahlreichen liebevollen Umschreibungen durch Fußballinteressierte zu erkennen, sondern ebenfalls durch die Entwicklung einer eigenen (Fach-)Sprache dieser Sportart. (Fragwürdige) Metaphern, (befremdliche) Wortneubildungen und andere sprachliche Erscheinungsformen haben durch Expertenanalysen, Fandiskussionen sowie Äußerungen der Aktiven auf dem Spielfeld im Laufe der Zeit ein manchmal undurchdringbares „Sprachknäuel“ gebildet, das vor allem durch die Printmedien immer größere Verbreitung erfahren hat. Die Faszination des scheinbar so einfach zu begreifenden Sports findet dabei in der Kommunikation nur selten eine entsprechende und lapidare Äußerungsform.

Diese Arbeit versucht, einen Blick auf die Entwicklung der Sprache rund um das runde Leder zu werfen. Der Fokus ist hier auf die sprachliche Entwicklung der Presseberichterstattung gerichtet, die die Fußball-Kommunikation, die Fußballsprache am intensivsten beeinflusst und verbreitet hat. Die zarten (sprachlichen) Anfänge der Fußballberichterstattung, die mit der wachsenden Popularität dieser Sportart einher gingen, sollen bis zum heutigen Tag nachgezeichnet werden. Eine Analyse der aktuellen Fußballberichterstattung in verschiedenen Zeitungen bildet dabei den Kern dieser Arbeit, ordnet ein und bewertet die fußballsprachliche Entwicklung und die aktuelle Fußballsprache der Presse bis zum heutigen Tag.

Diese Analyse zeigt auf, ob und wie die vorher recherchierten und formulierten Beobachtungen zur Fußballsprache wiederzufinden und welche Veränderungen der Reportsprache gegebenenfalls auffällig sind. Da die genutzten Zeitungen willkürlich und frei ausgewählt wurden, soll und kann kein repräsentatives bzw. allgemeingültiges Ergebnis die Zielsetzung sein. Vielmehr werden die in der Arbeit festgestellten Merkmale der Fußballsprache, speziell die der Reportsprache, anhand von konkreten Beispielen überprüft und etwaige Veränderungen, Entwicklungen und Tendenzen erkannt und festgehalten werden.

Die analytischen Anteile der jeweiligen Kapitel erheben, ebenso wenig wie die Schlussbemerkung, den Anspruch, die Sprache der Fußballberichterstattung in all ihren Facetten zu erfassen. Dies wäre allein schon deshalb vermessen, weil „klassische“ Spielberichte nur zu einem geringen Teil in die Untersuchung mit einbezogen wurden.

1. Fußballsprache als ein Gebilde aus drei Teilbereichen

In der Forschung treten viele Bezeichnungen auf, die sich für eine genauere Bezeichnung des differenzierten Kommunikationstypus „Reden und Schreiben über Fußball“ anbieten würden. Um die Frage, worum es in dieser Arbeit eigentlich tatsächlich gehen soll, ob Sportsprache, Fußball-Reportersprache, Fußballdeutsch oder Fußballjargon, zusammenfassend zu beantworten, wird der Untersuchungsgegenstand „Fußballsprache“ heißen. Es gibt keine Gewähr dafür, dass diese wenig spektakuläre Bezeichnung die exakteste oder die beste Begriffsbezeichnung ist; meiner Ansicht nach ist sie jedoch für diese Arbeit am geeignetsten. Der Begriff „Fußballsprache“ soll als die Gesamtheit alles Gesprochenen und Geschriebenen über den deutschen Volkssport Nummer eins beinhalten und dabei auf der einen Seite als Spezifizierung der Sportsprache und auf der anderen Seite als Überbegriff von den drei Teilbereichen Sportjargon, Sprache der Sportberichterstattung und Sach- und Regelsprache des Sports, verstanden werden.

Diese Einteilung der Sportsprache nach Dankert[1] geht von einem fortwährenden Prozess innerhalb und zwischen diesen drei Bereichen (siehe Kapitel 4. und 4.1) aus, der in letzter Instanz das Gesamtgebilde dieser Fachsprache ausmacht.

Das Verhältnis zwischen der von Dankert beschriebenen Sportsprache und der Fußballsprache ist wie folgt zu beschreiben: Fußballsprache ist eine spezifische Erscheinungsform der Sportsprache, wobei beide jedoch über nahezu gleiche Strukturen verfügen. Dementsprechend belegt Dankert seine These der drei „Eckpfeiler“ der Sportsprache mit konkreten Beispielen aus den vorher genannten Bereichen (Sprache der Sportberichterstattung und Sach- und Regelsprache).

So ist die Fußballsprache als eine Erscheinungsform der übergeordneten Sportsprache zu sehen, die anderen beiden Teilgebiete, Fußballjargon und Fußball-Reportersprache, als konstitutive Teile der Fußballsprache. Diese These wird in einem späteren Teil der Untersuchung noch genauer untersucht.

Zu den Einflussfaktoren der Fußballsprache und auch zu den beeinflussten Faktoren durch die Fußballsprache gehören die spezifischen Sprechmuster der Fernseh- und Radioreporter, die Kommunikation zwischen den fußballerisch Aktiven (z.B. bei Mannschaftsbesprechungen oder Taktik-Diskussionen) oder aber auch die Sprache von und zwischen den Fußballinteressierten und Fans. In der vorliegenden Arbeit wird das Hauptaugenmerk aber auf die Komponente „Sprache der Fußballberichterstattung in der Presse“ gerichtet.

2.Gesellschaftliche und geschichtliche Einflüsse und Entwicklungen

Bevor nun die Hauptthematik, die Sprache der Fußballberichterstattung der Presse, behandelt wird, ist zunächst zu klären, wie diese Fachsprache (Fußballsprache) entstanden ist, wie es zum Beispiel zu den zahlreichen speziellen Fachbegriffen und anderen herausragenden Merkmalen dieses Sprachtypus kommt. Welche Instanzen und Einflussfaktoren sind an der Entstehung, Entwicklung und Etablierung des Fachwortschatzes beteiligt? Werden sie durch Fans, Sportler, Funktionäre oder die Presse geprägt, konventionalisiert oder normativ gesetzt? Welchen Anteil hat dabei die gesellschaftliche und historische Entwicklung und auch die Entwicklung des Fußballsports in Deutschland?

2.1 Die „Geburtsstunde“ des Fußballs in Deutschland und der Beginn des Fußball-Vokabulars

Zwischen dem Ende des 19. und dem Anfang des 20. Jahrhunderts griff die Fußballbegeisterung von Großbritannien, vorwiegend aus England, dem so genannten „Mutterland des Fußballs“, auf den Rest des europäischen Kontinents über. In England entstand der Fußball in der Form, wie wir ihn heute kennen und häufig im Fernsehen oder in den Stadien sehen, vor allem in Public Scholls, den Schulinternaten, in denen überwiegend die Söhne der Adeligen und des gehobenen Bürgertums erzogen wurden. Dort wurde die Basis für „vernünftige Ballspiele“ gelegt.

„Zum einen mit der Absicht, die Jungen zu disziplinieren, zum anderen, um die Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern zu verbessern; darüber hinaus sollten Loyalität und Selbstaufopferung des einzelnen gegenüber der Institution als moralische Werte vermittelt werden.“[2]

Weiterhin sollten die Schüler auf diese Weise von unmoralischem Zeitvertreib ferngehalten und es sollten ihnen Werte wie Teamgeist und Disziplin näher gebracht werden[3].

Der erste Fußballverein wurde 1855 in Sheffield gegründet und nur acht Jahre später der erste Fußballverband weltweit, die Football Association (FA). Dies stellte neben der „Geburtsstunde des modernen Fußballs[4] gleichzeitig auch den Beginn der weltweiten Verbreitung des Fußballspiels dar. Während im „Mutterland des Fußballs“ 1871 der heute immer noch so prestigeträchtige FA-Pokal sowie ein erstes Ligasystem eingeführt wurden und mit einem torlosen Unentschieden gegen das benachbarte Schottland sogar ein erster Ländervergleich ausgespielt wurde, ebneten die globalen Handelsbeziehungen, vor allem über den Seeweg, den Weg für die schnelle Verbreitung der Sportart in andere Länder.

Der Ausbau des Eisenbahnsystems sowie der durch die englischen Arbeitergewerkschaften erkämpfte freie Samstagnachmittag sorgten mit dafür, dass sich der Fußball auch langsam in den weniger elitären Bevölkerungsschichten durchsetzte und auch einen regelmäßigen Vergleich zwischen den Mannschaften aus den geografisch weiter auseinander liegenden Teilen Englands erlaubte. Eine logische Folge davon war ein wachsender Zuschauerzuspruch und damit einhergehend auch die Herausbildung erster kommerzieller Strukturen.

Auch in Deutschland hielt der Fußball schnell Einzug. Zwar verliefen die Entwicklung und die Verbreitung zunächst eher schleppend, doch im Laufe der Jahre etablierte sich die heutige Bundesrepublik als einer der Fußball-Großmächte.

1872 gilt als das Jahr, in dem das runde Leder erstmalig auch auf deutschem Boden über den Rasen geschossen wurde. Britische Aristokraten vertrieben sich als Touristen zunächst meist in Kurorten, wie z.B. Bad Homburg oder Baden-Baden ihre Zeit unter anderem mit Fußball, und auch englische Kaufleute brachten auf ihren Besuchen die Fußball-Begeisterung sowie ein hohes Interesse an sportlichem Vergnügen mit nach Deutschland. Schließlich versuchten auch in Deutschland lebende Arbeiter, Ingenieure, Techniker und Studenten über diese Sportart gesellschaftlichen und sozialen Anschluss zu finden. Dies sorgte zusätzlich für Verbreitung dieser Sportart.

Die Möglichkeit, sich über diesen Mannschaftssport gesellschaftliche Reputation zu erwerben, trieb die Popularität des Fußballs weiter voran[5]. Nachdem Fußballer zuvor als „Paradiesvögel“ galten, wurde im Jahr 1900 dann sogar der Deutsche Fußballbund (DFB) in Leipzig ins Leben gerufen und es folgte die erstmalig ausgetragene Deutsche Meisterschaft 1903. Allerdings zog diese noch kein großes Zuschauerinteresse nach sich. Auch die Zeitungen hatten (noch) kein gesteigertes Interesse an dieser sportlichen Veranstaltung.

Im Jahr 1908 wurde die erste Deutsche Nationalmannschaft präsentiert. Im gleichen Jahr erfolgte die Anerkennung des Fußballsports als Olympische Disziplin, was mit dazu führte, dass er auch bald in den Schulunterricht integriert wurde. Während dieser Zeit neigte sich der erste Weltkrieg (1914 bis 1918) dem Ende zu und die Militarisierung der wilhelminischen Gesellschaft wirkte sich auf den Fußball deutlich aus. Wie an anderer Stelle dieser Arbeit (Kapitel 5.4) noch dargestellt wird, bedient sich der Fußball-Wortschatz bis heute noch vorzugsweise militärischer Ausdrücke, wie z.B. Verteidiger, Flanke, Sturm, um die sportlichen Positionen oder das Spiel zu beschreiben. Als aktuelles Beispiel sei hier folgender Satz der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) angeführt: „Zwei Minuten später durfte Dzeko eine Flanke unbedrängt zum 2:0 einköpfen.[6]

Wie in Kapitel 5.1 noch ausführlicher behandelt wird, dominierte in Deutschland vor allem im frühen Entwicklungsstadium vorwiegend das englische Fachvokabular die Kommunikation rund um den Fußball. Aufgrund der Tatsache, dass der Fußball seine spezifischen Fachausdrücke aus England mit sich brachte, verwundert das nicht. Laut Magnusson fiel die Einführung des Fußballspiels „in eine Zeit des gesteigerten Nationalismus, die Epoche nach dem deutsch-französischen Krieg[7]. Diese Phase war vor allem durch Bestrebungen der Sprachreinigung geprägt, was sich auch in der langfristigen Anfeindung und Kritik an der Fußballsprache durch die sehr national eingestellte Turnvereinigung zeigt. Auch bei zahlreichen anderen Sprachwissenschaftlern, die sich auf Wahrung und Erhaltung der deutschen Sprache fixiert hatten, riefen die zahlreichen englischen Begriffe innerhalb des Gesamtkomplexes Fußballsprache große Skepsis und damit verbundene Kritik hervor. Einer dieser Kritiker war Konrad Koch. Er ließ schon früh in der „Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins“ verlauten:

Mit dem Spiele(…) haben sich leider von drüben auch eine Anzahl englischer Ausdrücke bei uns eingeschlichen. Und (…) so hört man auf recht vielen Spielplätzen ein widerwärtiges Kauderwelsch, das unserem köstliche Spiele in den Augen echt vaterländisch gesinnter Männer Eintrag tun muss.[8]

Der Allgemeine Deutsche Sprachverein beauftragte Koch in der Folge, diesen immer zahlreicher aufkommenden Anglizismen und englischen Fachbegriffen durch deutsche Übersetzungen zu entsprechen, in der Hoffnung, dass diese schnell von „Fußball-Deutschland“ übernommen würden. Das von Koch 1875 verfasste und 62 Paragrafen umfassende Regelheft markiert nicht nur den Beginn des Fußballspiels in Deutschland, sondern stellt auch den Ausgangspunkt der damit verbundenen Sprache dar. Neben Ordnungsvorschriften und Spielregeln enthielt das Regelheft auch die ersten Begriffsdefinitionen.

Im Zuge der oben genannten Verdeutschungsversuche war Konrad Koch schon früh bewusst, dass die Berichterstatter der Presse im Hinblick auf die Gestaltung der Fußballsprache, mitsamt des dazugehörigen Fachvokabulars, einen besonders großen Einfluss besaßen. Damit die deutschen Entsprechungen sich gegen die englischen Ursprungsbegriffe durchsetzen konnten, war es also folgerichtig fast unverzichtbar, dass diese auch von der Presse genutzt und somit verbreitet wurden[9].

Dies geschah in der Folgezeit zumindest teilweise und Kochs Bemühungen, nicht nur die Begriffe des direkten Fußball-Regelwerkes, sondern auch die der zwischenmenschlichen Kommunikation der Spieler sowie die Interaktion zwischen Lehrern, Übungsleitern und dem Nachwuchs zu beeinflussen, gelang immerhin partiell. So wurde auf der Basis von Kochs Verdeutschungsliste (siehe Abbildung Kapitel 5.1) mit Einverständnis des Deutschen Fußballbundes im Jahr 1904 ein Blatt mit dem Titel „Deutsche Ausdrücke für das Fußballspiel“ entworfen und mit der Bitte, „sich von den englischen Ausdrücken ganz frei zu machen und die folgenden, von dem Zentralausschusse zur Förderung der Volks- und Jugendspiele anerkannten Verdeutschungen anzuwenden[10] und unter den Fußballvereinen zu verteilen. Begriffe des heutigen Fußball-Sprachschatzes, wie Mittelstürmer, Ecke, Abstoß, Freistoß, Tor, Halbzeit[11], Schiedsrichter oder Schuss, fanden erst durch Koch den Weg in die deutsche (Fußball-)Sprache. Hier einige aktuelle Beispiele aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ):

Aber ein Tor von Ribery in der 41. Minute brachte die Wende.

„(…) erzielten die Treffer für die in der zweiten Halbzeit wie entfesselt aufspielenden Münchner.

„(…), sein Schuss konnte von einem Wolfsburger Verteidiger noch abgeblockt werden.“[12]

Dennoch waren nicht alle Versuche Kochs erfolgreich. So wurden Wortschöpfungen, wie „Spielkaiser“ nie übernommen und stattdessen im Laufe der Zeit durch andere Bezeichnungen (Spielführer, Kapitän) ersetzt oder aber sie konnten sich bis heute nicht gegen die englischen Ursprungsbezeichnungen durchsetzen (Foul, fair). Diese Begriffe sind auch heute noch ein fester Bestandteil des Pressevokabulars:

Zu allem Überfluss sah KSC- Kapitän Maik Franz die Gelb-Rote Karte.

Danach wurde die Partie aufgrund zahlreicher Fouls extrem hektisch.[13]

Manche Begriffe, wie zum Beispiel Torwächter, fanden zunächst noch ihren Platz im Fachvokabular, wurden aber weitgehend aus der Fußballsprache verdrängt. Daran änderte auch die Phase des ersten Weltkriegs wenig, die zwar zusätzlich zu einer radikalen Ächtung der Sportanglizismen geführt hat[14], letztlich aber nicht verhindern konnte, dass Anglizismen unverändert im deutschen Fußball-Sprachschatz zu finden sind (siehe auch Kapitel 5.1).

Heute sorgen lediglich FIFA[15] -Beschlüsse noch vereinzelt und unregelmäßig für einen Eingriff in das Fußball-Fachvokabular, wie bei der Umbenennung des Linienrichters zum Schiedsrichter-Assistenten. Ein ähnlicher Versuch, „unmittelbar in die Entwicklungsgeschichte der fußballsprachlichen Begriffe einzugreifen[16], wurde bis zum heutigen Tag nicht wiederholt. Es bleibt festzuhalten, dass aktuell im Vergleich zum Entwicklungsbeginn viele Begriffe aus dem Englischen nicht mehr in der deutschen Fußballsprache zu finden sind. Der Hauptteil der Eindeutschung oder die Verwendung des englischen Fachvokabulars war während des ersten Quartals des 20. Jahrhunderts[17] die Folgeerscheinung der Entwicklung des Fußballs zum Volkssport in Deutschland.

2.2 Entstehung der Fachsprache durch die Popularität des Fußballs

Jede Tageszeitung hat heutzutage einen Sportteil, seit dem Jahr 2001 sogar die Wochenzeitschrift DIE ZEIT. Auch die TV-Anstalten kommen schon seit Jahren nicht mehr um das Thema „rundes Leder“ herum. So entfielen im Jahr 1999 neun Prozent der gesamten Sendezeit auf den Sport und vor allem den Fußball, der damit auf Rang vier hinter Information, Fiktion und Unterhaltung lag[18]. Allein aufgrund dieser Tatsachen ist unbestreitbar, dass der Sport, vor allem wegen seiner Medienwirksamkeit, in der Gesellschaft mittlerweile tief verankert ist. Das symbiotische Verhältnis von Medien und Sport zeigte sich in der jüngsten Vergangenheit beispielsweise wiederholt auch bei der Zähigkeit bei den Verhandlungen um die Senderechte beim TV-Fußball. Dies ist nicht weiter verwunderlich, wenn man die Summe der Gelder, die vor allem durch den Fußball fließen, bedenkt:

Zahlten ARD und ZDF für die Übertragung der Bundesliga-Saison 1965/66 640000 DM an den DFB, erhalten die Bundesligavereine gemäß dem Ende April 2000 zwischen der Kirch-Gruppe und dem DFB geschlossenen Vertrag bis 2004 jährlich 750 Mio DM.[19]

Bis zum heutigen Tag steigt die Summe für den Erwerb der Fußball-Übertragungsgelder weiter an.

Bei der aktuellen, durch die Medien vorangetriebenen Allgegenwärtigkeit des Sports im Allgemeinen und des Fußballs im Besonderen ist folgende Tatsache nicht überraschend:

Schlägt man in einer Zeitung den Sport-, speziell den Fußballteil auf, erlebt die Mannschafts- oder Taktik-Besprechung einer Fußballmannschaft, schaut eine Fußballübertragung im TV oder hört eine Liveübertragung im Radio an, so wird schnell deutlich, dass hier zahlreiche Wendungen und Begriffe auftauchen, die in einem anderen Zusammenhang als dem Fußballsport häufig unverständlich bleiben (können). Laut Hans-Rüdiger Fluck gehört die Fußballsprache zu jener „bislang nicht fixierbaren Zahl von primär sachgebundenen Sprachen“, die als Subsysteme der Gemeinsprache anzusehen sind[20], deren Entwicklung immer von gesellschaftlichen Entwicklungen begleitet wird[21]. Das Hauptaugenmerk im Bezug auf die Entwicklung des Fußballs innerhalb der Gesellschaft liegt vor allem auf der konstant ansteigenden Bedeutung des Sports im 20. Jahrhundert. Die Entwicklung des Erlebens des Fußballs und des Sports im Allgemeinen vollzog eine Wandlung vom reinen Erleben und Zuschauen zum interessierten Verfolgen und diskutieren. Zudem stieg das Interesse, gemessen an den Zuschauerzahlen, im Laufe der Zeit rapide an. Eine Folge ist das ansteigende Sach- bzw. Sportverständnis in der heutigen Gesellschaft, wie es kaum in einem anderen Bereich von öffentlichem Interesse der Fall ist.

Ebenso ist, zumindest zu großen Teilen, die Sportsprache in der Gesellschaft allgegenwärtig und ihr Einfluss auf die Gemeinsprache im 20. Jahrhundert zusätzlich noch größer geworden.

Fast überall in der Welt hat sich Fußball zum populärsten Sport entwickelt und demzufolge hat das Medien- und Zuschauerinteresse längst Schwindel erregende Höhen erreicht. Diese Aussage belegen einige Daten und Fakten des bislang weltweit letzten und medial größten Fußballereignisses, der Fußball Weltmeisterschaft im Jahr 2006 in Deutschland:

- Zu den 64 WM-Spielen kamen im Durchschnitt 52.491 Zuschauer in die neu gebauten oder umgebauten WM-Arenen.
- Insgesamt wurden von staatlicher Seite und durch die Betreiber der Arenen rund 1,38 Milliarden Euro investiert.
- die Mitglieder – und Vereinszahlen innerhalb des DFB erreichten im Januar 2007 einen neuen Rekordstand: Es wurde 6.490.008 Millionen Mitglieder und 26.000 Vereine gezählt[22]. Zum Vergleich: In seinem Gründungsjahr 1900 hatte der DFB lediglich rund 3.000 Mitglieder, die sich auf 86 Vereine aufteilten.
- Insgesamt berichteten über 14.000 Medienvertreter aus aller Welt über die Spiele aus Deutschland. Allein Fernsehanstalten aus 205 Ländern waren darunter vertreten.
- Das Eröffnungsspiel im ZDF (Deutschland – Costa Rica) erreichte die höchste Quote eines WM-Eröffnungsspiels seit Beginn der Quotenmessung. In Spitzenzeiten wurde das Spiel in Deutschland von 22,4 Millionen Zuschauern verfolgt. Damit erreichte das Programm mehr als 27 Prozent der Bevölkerung zuzüglich Radioübertragungen.
- Das Halbfinalspiel Deutschlands gegen Italien erreichte die höchste je in Deutschland gemessene Zuschauerreichweite. 29,66 Millionen Zuschauer sahen das Spiel, in der Spitze sogar 31,31 Millionen und das, obwohl schätzungsweise über 10 Millionen Deutsche das Spiel nicht vor dem heimischen Fernseher, sondern auf Veranstaltungen sahen. Der Marktanteil der Fernsehübertragung stieg auf bis zu 91,2 %.
- Knapp über eine Million Menschen aus 195 Ländern hatten sich in der ersten zweimonatigen Verkaufsphase um die 812.000 Eintrittskarten beworben. 8,7 Millionen gültige Kartenbestellungen gingen ein, von denen 6,25 Millionen aus Deutschland stammten. Damit kamen auf jede Eintrittskarte der ersten Verkaufsphase über zehn Bewerber.
- Die offiziellen Kartenpreise stiegen auf bis zu über 600 Euro für das Finale, wobei auf dem Schwarzmarkt Finalkarten für mehrere tausend Euro den Besitzer wechselten. Insgesamt rechnete das Organisationskomitee der Weltmeisterschaft mit Gesamteinnahmen von 200 Millionen Euro[23]

Doch nicht nur medial, finanziell und organisatorisch war die Weltmeisterschaft laut FIFA-Präsident Blatter die beste der Geschichte[24]. Ebenso zeigte sich das begeisterungsfähige wie gastfreundliche Publikum in Deutschland als ein würdiger Gastgeber des Turniers. Durch die vielen Fan-Feste und Public-Viewing-Bereiche entstand in Deutschland das Gefühl eines vierwöchigen Volksfestes, an dem die Bevölkerung aktiv teilnahm.

Doch nicht erst seit der WM 2006 ist die Feststellung Dankerts, dass sich „am Gespräch über den Sport nicht nur die Sportler und der engere Hof der Sportfans“ beteiligen, sondern auch „ein sehr weit gezogener Kreis von Laien[25], zutreffend. Somit kann davon ausgegangen werde, dass der „fest normierte Kanon[26] von Begriffen, der den Ablauf samt der Spielregeln eines Fußballspiels festlegt, aufgrund dieser immensen Popularität zumindest zu weiten Teilen geläufig ist. Ein Teil des Fußball-Fachwortschatz ist also allgemein vertraut.

3. Warum Fußball eine Fachsprache ist

Sie [die Fachsprache] ist gekennzeichnet durch einen spezifischen Fachwortschatz und spezielle Normen für die Auswahl, Verwendung und Frequenz gemeinsprachlicher lexikalischer und grammatischer Mittel (…)[27].

Dieses Zitat belegt, dass eine Fachsprache als Mittel einer optimalen Verständigung über ein Fachgebiet unter Fachleuten in erster Linie durch einen bestimmten Fachwortschatz anzusehen ist. Ein weiterer entscheidender Faktor bei der genauen Einordnung ist laut Feinäugle auch die Motivation zur Entwicklung spezieller Fachbegriffe:

Während bei diesen [Fachtermini der Fachsprache] für einen Gegenstand oder Begriff eine fehlende Bezeichnung gefunden werden muss, um Kommunikation über eine Sache zu ermöglichen, geht es bei den Sondersprachen darum, durch die Vereinbarung anderer Bezeichnungen anstelle der vorhandenen die Kommunikation über eine Sache auf einen bestimmten Personenkreis, der an der Vereinbarung teilhat, einzuschränken.[28]

Es ist also zu bestimmen, ob der Wortschatz der Fußballsprache entstand, um die Neuerungen und zahlreichen Geräte und Verfahren genau benennen zu können und so den gegenseitigen Kenntnis- und Erfahrungsstand miteinander teilen und darüber diskutieren zu können, oder ob die Sprache des Fußballs einem subkulturellen Kreis eher dazu dienen soll, sich mittels eben dieser speziellen Ausdrucksform als „Kenner“ bewusst von den Laien abzuheben.

Betrachtet man unverzichtbare sach- und regelsprachliche Begriffe, wie Stutzen, Fünfmeterraum oder Eigentor (aktuelles Beispiel aus der Westdeutschen Zeitung: „Da auf der anderen Seite Martin Demichelis (55.) ein Eigentor unterlief (…).[29] ) und im Gegensatz dazu emotional geprägte Wendungen, wie Kiste für Tor oder Klebe für Schuss, lässt sich feststellen: In der Fußballsprache finden sich Begriffsformen beider oben genannter Bereiche. Darüber hinaus gibt es auch Mischformen, die zwar eher salopp formuliert sind, aber nicht von jedem Laien verstanden, allerdings auch heutzutage eher selten in den Printmedien verwendet werden, wie zum Beispiel Bogenlampe für einen Torschuss mit stark abfallender, tückischer Flugkurve. Dieses Beispiel belegt, dass die Fußballsprache Elemente aus den Bereichen der Fach- und Sondersprache beinhaltet. Daher ist eine eindeutige Zuordnung der Fußballsprache in einen der beiden Bereiche auf den ersten Blick recht problematisch, aber nicht unmöglich.

Einer der drei Teilbereiche des hier behandelten Sprachtypus, der Fußballjargon, weist Merkmale der Sondersprache auf. Daher werden bestimmte Wendungen aus diesem Bereich von Kennern auch benutzt, um sich als eben solcher zu erkennen zu geben. Allerdings ist es in vielen Fällen anzuzweifeln, ob Jargonbegriffe, wie zum Beispiel Schlappen oder Schluffen[30] als Umschreibungen für Fußballschuhe, zur Abhebung und Ausgrenzung von Fußballlaien geprägt wurden.

Die in diesen Metaphern mitschwingende Ironie darf nicht darüber hinwegsehen lassen, dass sie in der privaten Kommunikation nicht zur ironischen Distanzierung, sondern im Gegenteil zur Akzentuierung einer intimen Vertrautheit mit dem Fußballspiel dienen.[31]

Dieses Zitat belegt die These, dass zahlreiche Begriffe aufgrund der starken emotionalen Bindung zur betreffenden Sportart Fußball kreiert wurden.

Obwohl ein Fachwortschatz zumeist als zwangsläufig ausgrenzend für den Nicht-Fachmann empfunden wird, tendiert die Fußballsprache deutlich dazu, eine Fachsprache zu sein. Das Interesse der Sprecher von Sondersprachen, egal ob es primäres oder nebenläufiges Ziel ist, sich als Wissende und Könner zu profilieren und dementsprechend von den Unwissenden abzuheben, ist nicht uneingeschränkt auf die Fußballsprache übertragbar. Einige Jargonwörter stehen als synonyme Variationen von sach- und regelsprachlichen Begriffen (Staubsauger für den defensiven Mittelfeldspieler vor der Abwehr, Kasten für Tor, Pille für Ball) und sollen „Abneigung, Humor oder Ironie zum Ausdruck[32] bringen. Allerdings hat der größere Anteil der Jargonbegriffe ebenso wie die Fachbegriffe von Sach- und Regelsprache, nicht die vorrangige Bestimmung, den Kreis der „Fachmänner“ einzugrenzen und abzuheben, sondern bestimmte Sachverhalte und Abläufe des Fußballspiels genau und prägnant zu bennen und zu beschreiben. Die Tatsache, dass heute diejenigen, denen die Fußballsprache in keiner Weise bekannt ist, die absolute Minderheit bilden, bestärkt dieses Ergebnis noch zusätzlich. Sie belegt, dass eine Abgrenzung von den Fußball-Laien in der Vergangenheit weder gelungen noch gewollt war.

Sondersprache wäre als Zuordnungsbegriff absolut unpassend, da er in einem Missverhältnis zu der vor allem heutzutage häufig ausufernden Berichterstattung der Massenmedien steht und man sich der Konfrontation mit der Fußballsprache aktuell kaum entziehen kann. Die Behauptung, dass Zeitungen und Fachzeitschriften ihre Auflagen mit dem Sprachtyp Sondersprache erhöhen wollen, ist schwierig zu belegen. Aus diesen Gründen soll die Fußballsprache im Folgenden, unter dem spezifischen Merkmal eines bestimmten Fachwortschatzes, den Fachsprachen zugeordnet werden.

3.1 Drei grundlegende semantische Prinzipien

Aus der Tatsache, dass von allen Sportarten vor allem der Fußball ein vielschichtiges und umfangreiches Phänomen ist, das aus zahlreichen unterschiedlichen Teilhandlungen besteht, ergibt sich ein erhöhter Bedarf an Differenzierung und Benennung von Bezeichnungen innerhalb dieses thematischen Komplexes. Wie schon Burkhardt betont, ist „nur auf der Basis der besonderen Lexik und Phraseologie sowie der Spezialbedeutungen (…) eine treffende, ökonomische und zugleich gruppenintegrative Kommunikation über Sportereignisse möglich“.[33]

In diesem Zusammenhang differenziert er zwischen drei semantischen Prinzipien, auf die nun in der Folge näher eingegangen wird.

3.1.1 Metonymie

Bei dem „wohl wichtigsten Begriffsbildungsprinzip der Fußballsprache“ verschiebt sich „die Bedeutung eines Wortes innerhalb desselben Erfahrungsrahmens oder, beim Fußball, derselben Spielsituation auf neue bzw. weitere Elemente (…)[34].

Dieser Vorgang des „Mitdenkens“ der jeweiligen Spielsituation soll nun durch einige von Burkhardt angeführte Beispielsätze der Begriffe Tor und Elfmeter illustriert werden, die heutzutage durchaus in zahlreichen Presseberichten genauso wiedergefunden werden könnten und absolut geläufig sind:

- Oliver Kahn steht im Tor. Oliver Kahn steht unmittelbar vor dem metaphorisch als Tor bezeichneten Gestänge und versucht zu verhindern, dass der Ball in vollem Umfang hinter dessen Grundlinie gerät.
- Das Tor fiel in der 60. Minute. In der 60. Minute gelangte der Ball in vollem Umfang hinter die Grundlinie des metaphorisch als Tor bezeichneten Gestänges, so dass ein Spielpunkt gewonnen wurde.
- Michael Ballack schoss ein Tor. Michael Ballack trat den Ball so, dass er in vollem Umfang hinter die Grundlinie des metaphorisch als Tor bezeichneten Gestänges gelangte, sodass ein Spielpunkt gewonnen wurde.
- Der Schiedsrichter gab Elfmeter. Der Schiedsrichter entschied, dass wegen einer Regelwidrigkeit im Strafraum der Ball von einem elf Meter von der Grundlinie entfernten mit Kreide markierten Punkt aus in Richtung Tor getreten werden muss.
- Das war Elfmeter. Es gab eine Spielsituation, in der der Schiedsrichter wegen einer Regelwidrigkeit im Strafraum hätte entscheiden müssen, dass der Ball von einem elf Meter von der Grundlinie entfernten mit Kreide markierten Punkt aus in Richtung Tor getreten werden muss.
- Der Elfmeter wurde von Michael Ballack mühelos verwandelt. Michael Ballack hatte keine Mühe, den Ball, der auf einem elf Meter von der Grundlinie entfernten, mit Kreide markierten Punkt lag, so zu treten, dass er in vollem Umfang über die Grundlinie des Tores gelangte und so ein Spielpunkt erzielt wurde.[35]

Anhand dieser Beispiele ist zudem ebenfalls zu erkennen, dass die Metonymie ein Mittel der sprachökonomischen Verkürzung ist. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Tatsache, dass jeweils ein Wort, welches das wichtigste Element der betreffenden Spielsituation bezeichnet, dazu verwendet wird, verwandte Spielelemente oder die gesamte Spielsituation zu bezeichnen. Daher können beispielsweise alle Bezeichnungen für Standardsituationen[36] neben der konkreten Spielsituation zusätzlich noch den vor der Ausführung ruhenden Ball, die Situation, die zur betreffenden Entscheidung des Schiedsrichters führte oder aber auch den Ball in seiner Flugbahn, bezeichnen. Beispiele, wie das folgende, belegen in diesem Zusammenhang, dass einige Formulierungen und Begriffe wie Direktabnahme, Fallrückzieher oder Kopfball, nur dann Sinn ergeben, wenn man sie in dem betreffenden Zusammenhang in ihrem metonymischen Sinn versteht:

„,Aus dem Spiel heraus hatte Aachen kaum eine Torchance, aber das Verhalten bei Standardsituationen war schlimm‘, gab Trainer Rudi Bommer zu. Drei Gegentore fielen nach Eckbällen und Freistößen der Aachener.“[37]

3.1.2 Metapher

Dem, laut Burkhardt, „zweiten wichtigen Prinzip der Sportsprache im Allgemeinen und der Fußballsprache im Besonderen[38], verdanken einige Phraseologismen und viele Neubedeutungen bereits vorhandener Begriffe ihre Entstehung. Basierend auf dem Grundsatz, dass Metaphern Verstöße gegen die „normalen“ semantischen Prädikationsregeln der Sprache sind, formuliert Burkhardt bezüglich der Wechselbeziehung zwischen Metaphern und Fußballsprache eine treffende Definition:

Einer Sache oder einer Person A, auf die referierend Bezug genommen wird, wird gegen die Regel, aber ebenso gegen das Weltwissen zugesprochen, unter einen Klassenbegriff B zu fallen, unter den sie eigentlich nicht gehört. Für den Rezipienten der Metapher besteht dadurch die Möglichkeit, die Sache oder Person A nach dem Modell von B zu betrachten und (sich) zu fragen, in welchen Merkmalen die Gemeinsamkeit beider besteht, die für den Sprecher bzw. Schreiber der Grund dafür war, die Metapher zu verwenden. In solcher Interpretation werden die Gemeinsamkeiten hervorgehoben, die Unterschiede aber ausgeblendet. Usuell gewordene Metaphern werden als neue Teilbedeutungen lexikalisiert und müssen dann natürlich nicht jedesmal im aktuellen Kontext neu entschlüsselt werden.[39]

Da der Fußballsport von Beginn an nach dem Schema von Sieg und Niederlage sowie Angriff und Verteidigung verstanden und auch konzipiert war, verwundert es nicht, dass die zentrale Metapher dieser Sportart sich aus Krieg und Kampf zusammensetzt. Dies soll, ebenso wie die anderen Felder, die als „Metaphernspender“ gängig sind, in den Kapiteln 5. bis 5.5 genauer beleuchtet und erklärt werden.

3.1.3 Simplifizierende Abstraktion

Die vereinfachende Abstraktion als Sprachphänomen findet vor allem innerhalb des Fußballjargons häufig Verwendung und bezeichnet eine (gewohnheitsbedingte) Tendenz, basale Substantive oder Verben mit abstrakter Bedeutung anstelle von verfügbaren, semantisch konkreten und eindeutigen Begriffen zu nutzen. So werden die Fußballschuhe nicht selten als Treter, Latschen oder Schluffen bezeichnet. Das Fußballtor wird mit Kiste oder Kasten umschrieben und der Ball ist die Kirsche oder die Pille. Bekanntestes Beispiel hierfür ist der Ausspruch des ehemaligen Bundesliga-Profis Lothar Emmerich, der folgenden, grammatikalisch äußerst fragwürdigen Satz prägte: „Gib mich die Kirsche“.

4. Fußballsprache als Komplex aus drei Teilbereichen

Es bleibt also wie in Kapitel 2.1 beschrieben festzuhalten, dass die Fachsprache durch einzelne Personen kaum und nur geringen Einfluss erfahren hat. Sie wurde vielmehr geprägt durch langwierige Prozesse und eine zuweilen undurchsichtige Entwicklung.

In den 1960er Jahren versuchte Harald Dankert den komplizierten und verwobenen Komplex der allgemeinen Sportsprachen unter besonderer Berücksichtigung der Fußballsprache in seine einzelnen Teile zu zerlegen.

Als ersten von drei Teilbereichen benennt Dankert die Basis, die Sach- und Regelsprache. Diese beinhaltet die Bezeichnungen für die unabdingbaren und essentiellen Sachverhalte und Gegenstände (z.B. Spielpositionen, Spielausrüstung oder Regelwerk), die den ordnungsgemäßen Ablauf der jeweiligen Sportart nach der ihr vorgegebenen Gesetzmäßigkeit gewährleistet. Dieser Teilbereich ist jedoch für die Fußballsprache keinesfalls allumfassend. Dankert erstellt daher ein Profil des Sportjargons, der ebenso als gegebener Teilbereich der Fachsprache zu gelten hat. Dieser Bereich enthält Begriffe und Wendungen, die zumeist in privater Kommunikation entstanden sind. Darunter wird Kommunikation zwischen Sportlern, deren Umfeld und Sportinteressierten verstanden. Häufig suggerieren sie die Verbundenheit und Zuneigung der Sprechenden zur jeweiligen Sportart und sind dementsprechend stark emotional geprägt. Besonders in der Fußballsprache ist zu erkennen, dass die genutzten Begriffe und Wendungen zunächst als gern gebrauchte Varianten gelten, im Laufe der Zeit aber auch unverzichtbare Präzisierungen von Begriffen der Sach- und Regelsprache bereitstellen.

Öffentliche Kommunikation ist, laut Dankert, folgerichtig der dritte Einflussfaktor der Sportsprache. Hiermit bezieht er sich vorwiegend auf die Sprache der Sportberichterstattung der Presse und bezeichnet diesen Teilbereich als Reportsprache. Diese Einteilung nahm übrigens Armin Burkhardt im Jahr der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 noch exakt genauso vor[40], betont aber, dass sich in der Praxis die lexikalischen Bereiche kaum und schwerlich voneinander abtrennen lassen:

[...]


[1] Harald Dankert: Sportsprache und Kommunikation. Untersuchungen zur Struktur der Fußballsprache und zum Stil der Sportberichterstattung. Tübingen 1969

[2] Tony Mason, Großbritannien, in: Christiane Eisenberg (Hrsg.), Fußball, soccer, calcio. Ein englischer Sport auf seinem Weg um die Welt, München 1997, 24f.

[3] vgl. Kurt Hoffmeister: Fußball. Der Siegeszug begann in Braunschweig. Braunschweig 2004, S. 5f.

[4] vgl. Armin Burkhardt: Anglizismen in der Fußballsprache. In: Der Sprachdienst 52, H. 2, S. 57

[5] Christiane Eisenberg: Fußball in Deutschland 1890-1914. Ein Gesellschaftsspiel für bürgerliche Mittelschichten, in: Geschichte und Gesellschaft 20 (1994) Seite 189ff.

[6] http://www.faz.net/s/RubBC20E7BC6C204B29BADA5A79368B1E93/Doc~E5C041

[7] Gunnar Magnusson: Konrad Koch – Der deutsche Fußballvater und Sprachreformer in Braunschweig. In: Wissenschaftliche Zeitschrift des Braunschweiger Landesmuseums 4/1997, S. 105-119, hier: S.109. Zitiert in: Armin Burkhardt: Anglizismen in der Fußballsprache. In: Der Sprachdienst, S. 57-69, hier: S. 60.

[8] Konrad Koch: Deutsche Kunstausdrücke des Fußballspiels. In: Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Jg. 6. Braunschweig 1903; Sp. 169, zitiert in: Armin Burkhardt: Anglizismen in der Fußballsprache. In: Der Sprachdienst, S. 57-69, hier: S. 61.

[9] vgl. Koch: Deutsche Kunstausdrücke, Sp. 170. Zitiert in: Armin Burkhardt: Anglizismen in der Fußballsprache. In: Der Sprachdienst, S. 57-69, hier: S. 61.

[10] vgl. Friedrich Wappenhans: Die neue Fußballtafel des Sprachvereins. In: Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, 1905, Sp. 67/68. Zitiert in: Armin Burkhardt: Anglizismen in der Fußballsprache. In: Der Sprachdienst, S. 57-69, hier: S. 64.

[11] Alle Begriffe entnommen: Koch: Deutsche Kunstausdrücke. Zitiert in: Armin Burkhardt: Anglizismen in der Fußballsprache. In: Der Sprachdienst, S. 57-69, hier: S. 62.

[12] Beispiele entnommen: http://www.faz.net/s/RubBC20E7BC6C204B29BADA5A79368B1E93/Doc~E5C041

[13] Beispiele entnommen: Rheinische Post, 29. Oktober 2008, Seite D1.

[14] Ralf Pätzold /Lutz Pätzold : Die Leibesübungen am Ende des 19. Jahrhunderts in Braunschweig und ihr Bild in der lokalen Tagespresse, S. 331. Zitiert in: Armin Burkhardt: Anglizismen in der Fußballsprache. In: Der Sprachdienst, S. 57-69, hier: S. 64.

[15] Fédération Internationale de Football Association, dt.: Internationale Föderation des Verbandsfußballs

[16] Dankert: Sportsprache, S.12.

[17] Vgl. Stefan Gerneth / Dieter Schaufer /Jörg Wolf: Zur Fußballsprache. In: Linguistik und Didaktik. 2. Jg. München 1971; S. 206

[18] vgl. Peter Schlobinski: Sportberichterstattung. Zur Inszenierung von Sportereignissen in den Massenmedien. In: Der Deutschunterricht H. 2, S. 51-60, hier S. 51.

[19] vgl. Schlobinski: Sportberichterstattung. Zur Inszenierung von Sportereignissen in den Massenmedien. In: Der Deutschunterricht H. 2, S. 51-60, hier S. 51.

[20] Hans-Rüdiger Fluck: Fachsprachen. Einführung und Bibliographie. Tübingen 1991, S.11.

[21] Norbert Feinäugle, (Hg.): Fach und Sondersprachen. Arbeitstexte für den Unterricht. Stuttgart 1984, S.10.

[22] www.dfb.de

[23] http://www.faz.net/s/Rub906784803A9943C4A3399622FC846D0D/Doc~E127609A2CA65496B9A743022E2F1549E~ATpl~Ecommon~Scontent.html

[24] http://www.handelsblatt.com/news/printpage.aspx?_p=300934&_t=ftprint&_b=1100410

[25] Dankert: Sportsprache, S. 1.

[26] Dankert: Sportsprache, S. 2.

[27] Wilhelm Schmidt: Charakter und gesellschaftliche Bedeutung der Fachsprachen. In: Sprachpflege 18 (1969), S.17. Zitiert in: Fluck: Fachsprachen, S.14.

[28] Feinäugle (Hg.): Fach- und Sondersprachen, S.1.

[29] Beispiel entnommen: http://www.wz-newsline.de/index.php?redid=335525

[30] Entnommen: Dankert: Sportsprache, S.22.

[31] Dankert: Sportsprache, S.22.

[32] Klaus-Dieter Ludwig: Sportsprache und Sprachkultur. Zum Gebrauch von Fremdwörtern und Sprachbildern in Sportberichten. In Erika Ising (Hg.): Sprachkultur – warum, wozu? Leipzig; 1977, S. 55.

[33] Armin Burkhardt: Sprache und Fußball. Linguistische Annäherung an ein Massenphänomen. In: Muttersprache 116, S. 53 – 73, 2006, S. 59.

[34] Armin Burkhardt: Sprache und Fußball. Linguistische Annäherung an ein Massenphänomen. In: Muttersprache 116, S. 53 – 73, 2006, S. 60.

[35] alle Beispiele entnommen: Armin Burkhardt: Sprache und Fußball. Linguistische Annäherung an ein Massenphänomen. In: Muttersprache 116, S. 53 – 73, 2006, S. 60.

[36] Standardsituation: Spielsituation in einem Mannschaftssport, die sich aufgrund einer vorherigen Spielunterbrechung ergibt und wegen des relativ gut vorhersehbaren Ablaufs besonders dazu eignet, im Training geübt zu werden. Im Fußball werden in diesem Zusammenhang vor allem der Freistoß und der Eckstoß genannt, Standardsituationen ergeben sich aber auch beim Einwurf, Abstoß, Strafstoß/Elfmeter oder beim Anstoß.

[37] Kicker Sportmagazin 74, 12.9.2005, S. 68., zitiert in: Armin Burkhardt: Sprache und Fußball. Linguistische Annäherung an ein Massenphänomen. In: Muttersprache 116, S. 53 – 73, 2006, S. 61.

[38] Armin Burkhardt: Sprache und Fußball. Linguistische Annäherung an ein Massenphänomen. In: Muttersprache 116, S. 53 – 73, 2006, S. 61.

[39] Armin Burkhardt: Sprache und Fußball. Linguistische Annäherung an ein Massenphänomen. In: Muttersprache 116, S. 53 – 73, 2006, S. 61.

[40] vgl. Armin Burkhardt: Sprache und Fußball. Linguistische Annäherung an ein Massenphänomen. In: Muttersprache 116, S. 53 – 73, 2006

Ende der Leseprobe aus 90 Seiten

Details

Titel
Fußballsprache - Eine linguistische Untersuchung der aktuellen Presseberichterstattung
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
90
Katalognummer
V126767
ISBN (eBook)
9783640327782
ISBN (Buch)
9783640327904
Dateigröße
859 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fußballsprache, Eine, Untersuchung, Presseberichterstattung
Arbeit zitieren
Niklas Frielingsdorf (Autor:in), 2008, Fußballsprache - Eine linguistische Untersuchung der aktuellen Presseberichterstattung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126767

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