Andreas Bodenstein zu Karlstadt und Martin Luther

Ein Vergleich zweier Reformatoren


Hausarbeit, 2008

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Karlstadt und sein Verhältnis zu Luther bis 1521
2.1 Luthers Lehrer und Bewunderer
2.2 Der gemeinsame Kampf
2.3 Erste Differenzen

3 Luther auf der Wartburg – Karlstadt neuer Anführer?
3.1 Der Vorwurf des subjektiven Verständnisses
3.2 Karlstadts Rolle in der Wittenberger Bewegung
3.2.1 Karlstadts Neuerungen
3.2.2 Die Ankunft der Zwickauer Propheten
3.3 Luther verurteilt Karlstadt

4 Karlstadt in Orlamünde
4.1 Die Pfarrei unter Karlstadt
4.2 Der Beginn der Streitschriften
4.3 Die Vertreibung Karlstadts auf Initiative Luthers

5 Der Abendmahlstreit zwischen Karlstadt und Luther
5.1 Kontroverse Theorien – Realpräsenz oder Symbolik
5.1.1 Luthers Theorie der Realpräsenz
5.1.2 Karlstadts Abendmahlslehre
5.2 Der Streit
5.3 Die Auswirkungen

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

Ablage:

1 Einleitung

Martin Luther ist bekannt als der große Reformator und Widersacher der römisch-katholischen Kirche. Doch wie verhielt sich Luther gegenüber seinem engsten sozialen Umkreis? Anhand seines Verhältnisses zu Andreas Bodenstein aus Karlstadt versucht diese Arbeit Martin Luther genauer zu erfassen. Seine Person ist dem heutigen Publikum eher als Verursacher und brutaler Agitator der Wittenberger Unruhen bekannt. Jochen Horst spielt in dem 2003 erschienen Film „Luther“ einen Bodenstein, der sich gänzlich gegen die Ansichten Luther stellt und von diesem als schlechter Geist vertrieben wird. Doch wie sehr gibt diese Interpretation der Drehbuchautoren Camille Thomasson und Bart Gavigan die wahre Person Karlstadts wieder? Ich werde mich mit der Beziehung zwischen Andreas von Bodenstein, auch Karlstadt genannt, und Luther derart auseinandersetzen, dass ich nicht nur Luthers Biographen „befrage“, sondern vielmehr ein neutrales und unverfälschtes Bild dieser sozialen Interaktion aufzeigen werde.

Ich werde zunächst die erste Begegnung der beiden Protagonisten und den gemeinsamen Kampf gegen die katholische Kirche erörtern. Der Abschnitt über die Hintergründe der Entzweiung wird aufgrund der differierenden Forschungsansichten schwer zu greifen sein. Bei den Untersuchungen ist deutlich geworden, dass der Lutherhistoriker das Bild Karlstadts als Sündenbock präsentiert. Dieser einseitigen Darstellungsweise wird meine Arbeit entgegenwirken. Ich werde daher versuchen einen Überblick der Ursachen für den Streit zu liefern – wobei ich mehr auf die Karlstadthistoriker eingehen werde. Ein plausibles Ergebnis verlangt einen kurzen Nachweis der einzelnen Theorien anhand einschlägiger Quellen. Leider wird die Quellenarbeit aufgrund des äußerst begrenzten Rahmens nur einen geringen Teil einnehmen können. Die beiden großen, schriftlich ausgetragenen Diskussionen über die Feier der Eucharistie und dem subjektiven, beziehungsweise objektiven Bibelexegese, können leider nur kurz erläutert werden, ohne jedoch die einzelnen Schriften genauer zu inspizieren.

Ich werde meine Arbeit nahezu chronologisch aufbauen, um auf die Weise einen nachvollziehbaren Abriss der Ereignisse zu liefern.

2 Karlstadt und sein Verhältnis zu Luther bis 1521

Der Folgende Abschnitt soll das frühe Verhältnis Andreas Bodensteins zu Martin Luther aufzeigen. Der 1486 im fränkischen Karlstadt am Main bei Würzburg geborene Andreas Rudolf Bodenstein „machte nach Studien in Erfurt, Köln und Wittenberg (1499 – 1505; 1501 Baccalareus artium; 1505 Magister artium) schnell Karriere an der kursächsischen Universität (1510 Priesterweihe und Promotion zum Doktor der Theologie; 1511 Theologieprofessor in Wittenberg).“[1] Karlstadt und Luther begegneten sich auf diesem Weg erstmals in Wittenberg.

2.1 Luthers Lehrer und Bewunderer

Seit September 1516 vertrat Martin Luther in öffentlichen Disputationen die These, „daß man das im Neuen Testament zu findende Wort Gottes nicht durch philosophische Spekulationen verfälschen und pervertieren dürfe.“[2] Dieser Angriff traf den überzeugten Scholastiker Karlstadt. Der 13. Januar 1517 ist für Karlstadt der entscheidende Wendepunkt in seiner frühen theologischen Entwicklung. An diesem Tag sei er nach Leipzig gereist, um sich dort eine Ausgabe der Schrift Augustins „Opera Omnia“ zu kaufen. In der Folge exzerpierte er nahezu ausschließlich aus dieser Schrift. Er beabsichtigte Luther genau mit der Schrift zu widerlegen, die es ihm zuvor ermöglichte gegen die Scholastik vorzugehen. Bei genaueren Studien gewinnt Karlstadt für sich die Erkenntnis, dass er „in tausend scholastischen Überzeugungen getäuscht sei – ein Esel in der Mühle, ein Blinder am Stein, […] [dass er] völlig gedankenlos bisher geredet habe.“[3] Die erste Gemeinsamkeit Karlstadts mit Luther war, „dass er auch die Scholastik des Thomas und Scotus zwar sehr gründlich studirt, aber auch bald als unfruchtbar und unbefriedigend erkannt hatte und ein eifriger Anhänger der damals so weit verbreiteten Mystik geworden war.“[4] Hierbei bahnte sich aber zugleich das Problem des späteren „Reformationsführers“ Karlstadt, denn „…seine Mystik [wurzelte] weniger im Herzen und Gefühle, wie bei Luther, als im Verstande und in der Erkenntnis…“[5] – eine undenkbare Konstellation für einen, der die Massen bewegen sollte.[6]

Karlstadts 151 Thesen „Über Natur, Gesetz und Gnade“ vom April 1517 stoßen auf enormes Lob seitens Luthers, was Luthers Brief an den Nürnberger Reformationsanhänger Christoph Scheurl (6.5.1517) eindeutig belegt. Barge charakterisiert Luthers Denken über Karlstadt während dieser Zeit sehr treffend, indem er behauptet, dass Luthers Lob „über wohlwollende Anerkennung weit hinaus [geht], aus seinen Worten spricht nicht nur die Freude, dass ein einstiger Gegner für seine Anschauungen gewonnen sei, sondern der Respekt vor einer großen geistigen Leistung.“[7] Luther wird in seinen Schriften dieses Jahres noch häufig Karlstadts Thesen zitieren.

Es bleibt festzuhalten, dass Karlstadt Luthers Anschauungen vorangetrieben hat.[8] Luther übertrifft jedoch Karlstadt an reformatorischem Verhalten – er ist der Frontmann der Bewegung. „Mit Luther verband Karlstadt seit der Veröffentlichung seiner 151 Thesen treue Bundesgenossenschaft.“[9] Außerdem wurden „ihre Namen [oft] zusammen genannt, und die verehrungsvollen Ausdrücke, in denen Luther wiederholt von Karlstadt in seinen Briefen spricht, lassen auf einen regen geistigen Gedankenaustausch zwischen beiden schließen.“[10]

2.2 Der gemeinsame Kampf

Karlstadt und Luther unterstützten sich gegenseitig in ihren reformatorischen Aktionen. Der gemeinsame Feind schweißte sie zusammen und offenbarte sogleich die Unterschiede der beiden Freunde. Die Schrift „Obelisci“ des Ingolstädter Theologen Johannes Eck leitete einen heftig geführten Streit ein. „Carlstadt wurde Luther’s erster öffentlicher und erklärter Anhänger und tüchtigster Vorkämpfer in Schrift und Wort (gegen Eck), und Luther spendete dafür seinem Genossen wiederholt das entschiedenste Lob und den unzweideutigsten Beifall.“[11] „Der Streit sollte in einer öffentlichen Disputation entschieden werden. Diese fand im Juni und Juli 1519 auf der Leipziger Pleißenburg statt.“[12]

In der Disputation erwies sich Eck als besserer Redner und ordnete seine Gedanken logischer und schneller als Karlstadt, dieser ließ sich verunsichern und „schlug immer wieder in Büchern nach und raschelte mit Zetteln.“[13] Er wollte einfach nichts behaupten, was er nicht mit Büchern belegen konnte. „Als sich die Disputation festfuhr, trat schließlich Luther auf den Kampfplatz“[14], um Karlstadt, seinen Freund und Mitstreiter, zu verteidigen. Es gelang Eck Luther dahin zu lenken, dass er genügend Beweise hatte, um sowohl ihn, als auch Karlstadt als Ketzer bloßzustellen. Als mittelfristiges Ergebnis dieser Disputation gilt die Veröffentlichung der Bannandrohungsbulle „Exsurge domine“ vom 15.6.1520. In ihr wurde neben Luther auch Karlstadt angesprochen. „Die ‚literarische Schlacht’ verstärkte sich im Anschluß an die Leipziger Disputation und […] zwischen Karlstadt und Eck weitet sich die Dimension des Phänomens schlagartig aus.“[15]

Ungefähr ein Jahr später (am 4.5.1521) wurde Luther, in Folge des Wormser Edikts, auf die Wartburg „entführt“ und Karlstadt wurde vom Kurfürsten Friedrich III. von Sachsen (der Weise) aufgefordert nach Dänemark ins Exil zu gehen. Sehr interessant ist jedoch Zorzins These hinsichtlich des Beginns der folgenden, offensiv geführten Krisenjahre, dass es „…wahrhaft rührend [sei], zu sehen, wie Luther 1521 darunter leidet, wenn Carlstadt sich und seiner Sache durch schlechte, unhaltbare Vertheidigung Blößen gibt, und wie er noch kurz vor dem Ausbruche des ersten Streites (September 1521) um des Anstoßes der Schwachen willen sich scheut, Carlstadt öffentlich entgegenzutreten.“[16]

2.3 Erste Differenzen

Sowohl Goebel als auch Simon, sehen den Grund für die Differenzen zwischen Karlstadt und Luther im tieferen Verständnis der Schrift verankert – ihre Grundauffassungen seien einfach zu verschieden gewesen:

„Der wahre Grund und die eigentliche Ursache des ganzen Streites zwischen Carlstadt und Luther liegt in ihrer verschiedenen Stellung zur heiligen Schrift und in dem daraus hervorgehenden verschiedenen Reformationsverfahren; sie wahren in ihren Principien und in ihren Maximen verschieden…“[17]

„Martin Brecht hat in Aufnahme der Überlegungen Bubenheimers und Credners darauf hingewiesen, dass […] bereits 1520 erhebliche theologische Differenzen zwischen Luther und Karlstadt auch im Schriftverständnis bestehen.“[18]

[...]


[1] Kaufmann, Thomas: Reformatoren, Göttingen 1998, S. 59

[2] Bubenheimer, Ulrich: Andreas Rudolf Bodenstein von Karlstadt. Sein Leben, seine Herkunft und seine innere Entwicklung, in: Joestel, Volkmar (Hg.): Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt. Schwärmer und Aufrührer?, 1. Aufl., Wittenberg 1980, im Folgenden als: Bubenheimer: Karlstadt. Sein Leben, S. 12

[3] Karlstadts 151 Thesen „Über Natur, Gesetz und Gnade“ vom 26.4.1517, entnommen aus: Barge, Hermann: Andreas Bodenstein von Karlstadt (Bd.1), Leipzig 1905, S. 74

[4] Goebel, M.: Andreas Bodenstein, von Carlstadt, nach seinem Charakter und Verhältnis zu Luther, in: Theologische Studien und Kritiken 14 (1841), im Folgenden als: Goebel: Carlstadt, nach seinem Charakter und Verhältnis zu Luther, S. 91

[5] Goebel: Carlstadt, nach seinem Charakter und Verhältnis zu Luther, S. 91

[6] Karlstadts Denkweise und die Unvereinbarkeit mit dem Dasein eines erfolgreichen Reformators erläutert Goebel ausführlich am Beispiel „Karlstadt und Luther“ auf den Seiten 91f des Aufsatzes: Goebel, M.: Andreas Bodenstein, von Carlstadt, nach seinem Charakter und Verhältnis zu Luther, in: Theologische Studien und Kritiken 14 (1841)

[7] Barge, Herrmann: Andreas Bodenstein von Karlstadt (Bd. 1), Leipzig 1905, im Folgenden als: Barge: Karlstadt (Bd. 1), S. 83f

[8] Vergleiche hierzu Luthers Schriften vom Beginn des Jahres 1517

[9] Barge: Karlstadt (Bd.1), S. 89

[10] Ebd., S. 90

[11] Goebel: Carlstadt, nach seinem Charakter und Verhältnis zu Luther, S. 95

[12] Bubenheimer: Karlstadt. Sein Leben, S. 19

[13] Bubenheimer: Karlstadt. Sein Leben, S. 19

[14] Ebd., S. 19

[15] Zorzin, Alejandro: Karlstadt als Flugschriftenautor, Göttingen 1990, S. 171

[16] Ebd., S. 95

[17] Goebel: Carlstadt, nach seinem Charakter und Verhältnis zu Luther, S. 100

[18] Simon, Wolfgang: Karlstadt neben Luther. Ihre theologische Differenz im Kontext der „Wittenberger Unruhen“ 1521/22, in: Gudrun Litz, Heidrun Munzert, Roland Liebenberg (Hrsg.): Frömmigkeit – Theologie – Frömmigkeitstheologie. Festschrift für Berndt Hamm zum 60. Geburtstag, Leiden 2005, im Folgenden als: Simon: Karlstadt neben Luther. Ihre theologische Differenz, S. 324

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Andreas Bodenstein zu Karlstadt und Martin Luther
Untertitel
Ein Vergleich zweier Reformatoren
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Philosophisches Institut/ Historisches Seminar )
Veranstaltung
Proseminar "Martin Luther"
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V126665
ISBN (eBook)
9783640329359
ISBN (Buch)
9783640331208
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bodenstein, Karlstadt, Luther, Reformator, Reformatoren, Orlamünde, Reformation, Wittenberg, Abendmahlsstreit, Wittenberger Bewegung, Realpräsenz, Symbolik
Arbeit zitieren
Michael Gorissen (Autor:in), 2008, Andreas Bodenstein zu Karlstadt und Martin Luther, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126665

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