Wie das System journalistische Autonomie begründet


Referat (Ausarbeitung), 2008

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Komplexität

Das Funktionssystem Journalismus

Selbst- und Fremdreferenz

Autopoiesis

Autonomie

Öffentlichkeit

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Silke Dormeier schreibt in ihrem Buch „Wissensvermittlung im Hörfunk“: „Die Kommunikationsprobleme zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit führten zu der Forderung, Wissenschaft zu popularisieren. Wissenschaftsjournalisten sind seitdem beauftragt, der Öffentlichkeit wissenschaftliche Informationen zu vermitteln. Dabei wird nicht nur über Wissenschaft berichtet, sondern direkt aus der Forschung informiert.“[1]

Journalismus wird regelmäßig mit Forderungen aus der Gesellschaft konfrontiert. Ziel dieser Hausarbeit ist es, den Journalismus aus Sicht der Systemtheorie zu betrachten, die in ihm ein eigenständiges System sieht, das nach eigenen, selbstentwickelten Routinen funktioniert.

In einem ersten Schritt möchte ich eine Einführung in die Systemtheorie bieten. Unsere moderne Gesellschaft ist sehr komplex, doch die Systemtheorie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Gesetzmäßigkeiten aufzeigen und die Gesellschaft in einzelne, organisierte Teilbereiche zu unterteilen. Anschließend soll gezeigt werden, welche Rolle der Journalismus in dieser Denkschule zugewiesen wird.

Wie sich das System Journalismus abgrenzt und anhand welcher Routinen es die Vorgänge in der Gesellschaft erfasst, wird im darauffolgenden Kapitel ausführlich erläutert. Da es sich, wie bereits erwähnt, bei Journalismus um ein eigenständiges System handelt, muss es sich selbst erhalten – dem Begriff der „Autopoiesis“ kommt hierbei eine wichtige Rolle zu. Es handelt sich dabei ursprünglich um einen Begriff aus der Biologie, der erst in der jüngeren Vergangenheit in Modelle der Journalismusforschung übernommen worden ist.

Journalismus kann nicht komplett losgelöst vom Rest der Gesellschaft agieren, schließlich will niemand mit Nachrichten konfrontiert werden, die für ihn keinerlei Bedeutungswert haben. Es soll daher erläutert werden, wie autonom der Journalismus ist und was aus Sicht der Systemtheorie von Forderungen wie der zu Beginn zitierten zu halten ist.

Abschließend möchte ich unter dem Stichwort „Öffentlichkeit“ zeigen, welche Bedeutung den zuvor behandelten Begriffen letztlich zukommt, wenn Journalismus als Leistungssystem für die Öffentlichkeit betrachtet wird.

Komplexität

Horst Pöttker schreibt in seinem Aufsatz „Öffentlichkeit – Aufklärung – Integration“: „Vormoderne Gesellschaften werden hauptsächlich durch die Ähnlichkeit ihrer Teile zusammengehalten […].“[2] Sozialgeschichtlich gesehen hat sich dieser Zustand jedoch mit dem Aufkommen einer modernen Gesellschaftsstruktur stark verändert. Da sich die Gesellschaft spätestens mit der Industrialisierung und der Auflösung der klassischen Ständegesellschaft zu einem komplexen Gebilde entwickelt und ausdifferenziert hat, ist damit einhergehend auch die Zahl der einzelnen „Subsysteme“ bzw. „Teilgesellschaften“ gestiegen. „Ungefähr Mitte des 19. Jahrhunderts kann man den Übergang zu einer funktionalen Differenzierung ansetzen, der Unterteilung von Gesellschaft in funktional ungleiche und autonome Teilsysteme.“[3]

Die Systemtheorie ist eine Theorie, die sich mit den Gesetzmäßigkeiten von Systemen befasst. „Die Ausgangsfrage der funktional-strukturellen Systemtheorie lautet bekanntermaßen, wie soziale Ordnung, die als hoch unwahrscheinlich gilt, überhaupt ermöglicht wird. Die Antwort lautet: durch Systembildung.“[4] Die Systemtheorie eignet sich auf der Makroebene, wenn beispielsweise die Gesellschaft als Ganzes betrachtet werden soll. Sie lässt sich aber auch auf der Mikroebene anwenden, beispielsweise für die Untersuchung von Gesetzmäßigkeiten in Organisationen und Unternehmen, in letzterem Fall also Teilbereichen des Systems Wirtschaft. Definieren lässt sich der Begriff „System“ als „eine geordnete Menge von Elementen mit eindeutig definierten Eigenschaften […], die relational verknüpft sind und materielle und/oder geistige Objekte sein können.“[5]

Unter Elementen versteht die Systemtheorie allerdings nicht Personen, sondern Kommunikation, weshalb Kohring den Begriff des „sozialen Systems“ als „Sinnzusammenhang[6] beschreibt. Die Kommunikation „als Basiselement sozialer […] Systeme“[7] verhilft dem System zu seinem Sinn (für Kohring ist der Begriff „Handlungen“ gleichbedeutend mit dem Begriff „Kommunikation“[8] ).

Dieser Sinn besteht darin, „aus einem prinzipiell unbegrenzten Möglichkeitsvorrat von Ereignissen eine Auswahl (Selektion) zu treffen und auf diese Weise Komplexität zu reduzieren. Die spezifische Art dieser Selektionen macht dann den Unterschied dieses Systems zu seiner Umwelt aus.“[9]

Das System entscheidet also, welche Ereignisse es aus seiner Umwelt für wichtig erachtet. Diese Selektion stellt den Sinn und gleichzeitig die Grenzziehung des Systems zu seiner Umwelt dar, wodurch eine Differenz zwischen innen und außen begründet wird: „Mit Hilfe dieser Unterscheidung von System und Umwelt kann dann bestimmt werden, was zum System gehört und was zu seiner Umwelt.“[10]

Die Möglichkeit, durch interne Kommunikation eine solche Grenzziehung zu vollziehen und damit die Komplexität der Umwelt zu reduzieren, bringt es mit sich, dass die Komplexität im System selbst steigt. „Ein solches System kann so intern seine eigene spezifische und hochselektive Komplexität aufbauen. Grundbedingung dafür ist aber, dass es in der Lage ist, seine Grenzziehung zur Umwelt aufrechtzuerhalten, da es ansonsten mit dieser eins wäre.“[11]

Die innere Komplexität durch herausgebildete Strukturen wie z.B. einer strikten Arbeitsteilung führt dazu, dass das System selbst effizient die Vorgänge in seiner Umwelt verarbeiten kann. Von dieser Komplexität hängt es ab, ob und in welchem Maße das System in der Lage ist, „das Problem der (Um-)Weltkomplexität in Systemprobleme zu übersetzen und es sozusagen nur noch in seiner eigenen Sprache auszudrücken.“[12]

Das Funktionssystem Journalismus

Wie bereits oben gezeigt, sind wir heute Teil einer komplexen Gesellschaft, die von der Systemtheorie als eine Ansammlung vieler verschiedener Systeme betrachtet wird. Es ist daher erforderlich, dass diese einzelnen Systeme voneinander wissen, d.h. dass ein Austausch von Wissen über die Vorgänge in den Systemen stattfindet.

[...]


[1] DORMEIER, Silke: Wissensvermittlung im Hörfunk, Tübingen, 2006, S.134.

[2] PÖTTKER, Horst: Öffentlichkeit – Aufklärung – Integration. In: EURICH, Claus (Hrsg.): Gesellschaftstheorie und Mediensystem. Interdisziplinäre Zugänge zur Beziehung von Medien, Journalismus und Gesellschaft. Münster, 2002, S.27.

[3] KOHRING, Matthias: Die Funktion des Wissenschaftsjournalismus. Ein systemtheoretischer Entwurf. Opladen, 1997, S.250.

[4] KOHRING, Matthias: Autopoiesis und Autonomie des Journalismus. Zur notwendigen Unterscheidung von zwei Begriffen. In: Communicatio Socialis, Heft 1/2001, 34. Jg., S.79.

[5] FISCHER-WINKELMANN, Wolf F.: „Systemansatz“ und „Systeme“. In: LÜCK, Wolfgang (Hrsg.): Lexikon der Betriebswirtschaft, Landsberg am Lech, 1990³, S.1115.

[6] KOHRING, Matthias (2001), a.a.O., S.82.

[7] GÖRKE, Alexander: Programmierung, Netzwerkbildung, Weltgesellschaft. Perspektiven einer systemtheoretischen Journalismustheorie. In: LÖFFELHOLZ, Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch,

Wiesbaden, 2004, S.235.

[8] vgl. KOHRING, Matthias (1997), a.a.O., S.249.

[9] KOHRING, Matthias (2001), a.a.O., S.82.

[10] KOHRING, Matthias (1997), a.a.O., S.246.

[11] KOHRING, Matthias (2001), a.a.O., S.81.

[12] KOHRING, Matthias (1997), a.a.O., S.245-246.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Wie das System journalistische Autonomie begründet
Hochschule
Technische Universität Dortmund  (Institut für Journalistik)
Veranstaltung
"Was versteht die Wissenschaft unter Journalismus? Theoretische Konzeptionen zwischen Handlungs- und Systemtheorie" im SS 2008
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
14
Katalognummer
V126568
ISBN (eBook)
9783640329328
ISBN (Buch)
9783640331178
Dateigröße
427 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
System, Autonomie
Arbeit zitieren
Christian Spöcker (Autor:in), 2008, Wie das System journalistische Autonomie begründet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126568

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