Kompetenzdarstellung bei Professionen und Nicht-Professionen

Möglichkeiten und Risiken


Seminararbeit, 2009

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Notwendigkeit der Kompetenzdarstellung

2. Schwierigkeiten der Kompetenzdarstellung

3. Professionen und Kompetenzdarstellung
3.1 Expertenschaft
3.2 Professionen
3.3 Der Professionelle als Kompetenzdarsteller
3.4 Kompetenzvermutungen bei Professionen

4. Wie schaffen Nicht-Professionen Kompetenzvermutungen
4.1 Professionalisierung der Nicht-Professionen
4.2 Indirekte Kommunikation und Vertrauen

5. Zusammenfassung

1. Notwendigkeit der Kompetenzdarstellung

Schon seit Marx frühen Kapitalismusanalysen wissen wir, dass der Mensch, sofern er frei von umfangreichen Sachkapital ist, „statt Waren verkaufen zu können, worin sich seine Arbeit vergegenständlicht hat, vielmehr seine Arbeits-kraft selbst, die nur in seiner lebendigen Leiblichkeit existiert, als Ware feilbieten muß “ (Marx 1962, 183. Hervorhebung durch den Autor). Wie auf einem Markt Waren angeboten werden, so muss der Arbeiter seine Arbeitskraft einem Ar-beitgeber nicht nur zur Verfügung stellen, sondern diese auch entsprechend bewerben bzw. anpreisen, damit er eine, seinen Fähigkeiten, Fertigkeiten ent-sprechende, optimale Beschäftigungsmöglichkeit erlangen kann. Mit dem Kapi-talismus geht somit eine Notwendigkeit der Selbst-Vermarktung einher.

Aufgegriffen und weiterentwickelt wurde Marx Verständnis der Ware Arbeits-kraft Anfang der der 1990er Jahre von dem Chemnitzer Soziologen G. Günter Voß und dem Münchener Soziologen Hans J. Pongrartz. Sie stellen die These auf, dass Erwerbstätige zum Unternehmer ihrer Selbst werden müssen. Dies hat eine lebhafte Debatte in Wissenschaft und Öffentlichkeit ausgelöst (vgl. Pongratz/Voß 2001, 42). Ausgangspunkt für die Entwicklung des Konzeptes des sogenannten Arbeitskraftunternehmers war der Ende des 20. Jahrhunderts zu beobachtende Strukturwandel von Wirtschaft und Gesellschaft. Hauptan-nahme der Arbeitskraftunternehmerthese ist, dass ein grundlegender Wandel der von Marx beschriebenen „Ware Arbeitskraft“ einsetzt. Dabei entstehe ein mehr als bisher aktiver und selbstkontrollierter Leittypus von Arbeitskraft. Hin-tergrund des aktuellen Übergangs seien tiefgreifende Veränderungen der be-trieblichen Arbeitskraftsteuerung und -nutzung. Dies meint, dass die bisher vor-herrschende möglichst strikte Steuerung von Arbeitskraft im Betrieb (etwa nach tayloristischen Prinzipien) zum Hindernis von Rationalisierung wird; stattdessen werde nun tendenziell die Verantwortlichkeiten von Mitarbeitern erhöht, um Fle-xibilität und Innovation freizusetzen. Aus dem bisher überwiegend eher reakti-ven Arbeitnehmer entstehe ein neuer in jeder Hinsicht stärker selbstgesteuerter Typus den man mit drei Begriffen charakterisieren kann: verstärkte Selbstkont-rolle, erweiterte Selbstökonomisierung und Selbstrationalisierung (vgl. Pong-ratz/Voß, 131ff).

Ohne weiter über Unterschiede der beiden Ansichten zu diskutieren, soll fest-gehalten werden, dass sowohl nach Marx als auch nach Voß/Pongrartz ein Zwang des Arbeitnehmers oder des Arbeitskraftunternehmer besteht, sich und seine Arbeitskraft offensiv zu vermarkten. Der Strukturwandel und die Entgren-zung und Pluralisierung der Arbeit haben allerdings dazu geführt, dass sich der Charakter der Arbeit in vielen Bereichen und Branchen grundlegend verändert hat (vgl. Wagner 2001, 365ff). Gefragt ist meist nicht mehr die starke Hand des Arbeiters, die dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird, welcher sie nach seinen Vorstellungen und nach strikter Planung einsetzt und ständig kontrolliert. Der Idealtypus des Arbeiters „Schmidt“, den Taylor als „ready-made, competent man“ bezeichnet (Taylor 1998, iii) scheint überholt zu sein. Gefragt ist heute (und in Zukunft vielleicht noch mehr) der Experte, der eigenständig und selbst-kontrolliert komplexe Problemstellungen löst. Was ihn von einem einfachen Ar-beiter unterscheidet, welcher nur einfache Befehle in einfache Handlungen um-setzt, wird in der Arbeits- und Organisationspsychologie als Kompetenz be-schrieben. Kompetenz bezeichnet nach diesem Verständnis „die Motivation und Befähigung einer Person zur selbständigen Weiterentwicklung von Wissen und Können auf einem Gebiet, so dass dabei eine hohe Niveaustufe erreicht wird, die mit Expertise charakterisiert werden kann“ (Bergmann 2000, 21).

2. Schwierigkeiten der Kompetenzdarstellung

Mit steigender Kompetenz und Expertise wird es für den Arbeitgeber allerdings schwieriger, di]e Kompetenz des Arbeitnehmers zu beurteilen. Die Kompetenz des Arbeiters Schmidt mag an seinem Körperbau und an seiner Tüchtigkeit recht schnell beurteilt werden können, vielleicht sogar auf den ersten Blick. Die Kompetenz eines Experten dagegen, kann meist nur bei entsprechender Ei-genexpertise und oft nur über einen längeren Zeitraum der Beobachtung er-kannt werden. Der Wandel der Arbeit und die Schwierigkeit der Kompetenzzu-rechnung erfordern daher, dass Erwerbstätige nicht mehr „primär ihr latentes Arbeitsvermögen verkaufen, sondern (inner- oder überbetrieblich) vorwiegend als Auftragnehmer für Arbeitsleistung handeln - d.h. ihre Arbeitskraft weitge-hend selbstorganisiert und selbstkontrolliert in konkrete Beiträge zum betriebli-chen Ablauf überführen, für die sie kontinuierlich funktionale Verwendungen (d.h. „Käufer“) suchen müssen“ (Pongratz/Voß, 144). Im Vordergrund steht nicht mehr ein nur gelegentliches (meist im Falle der Arbeitslosigkeit) passives Zur-Schau-Stellen der eigenen Arbeitskraft, sondern die strategische und dauerhafte Vermarktung des eigenen Arbeitsvermögens. Ein zentraler Punkt ist die Überzeugung des Auftraggebers von der eigenen Kompetenz, einen gewis-sen Auftrag zufriedenstellend ausführen zu können. Dies gilt im betrieblichen Kontext, wie von Pongratz und Voß erläutert, jedoch bisweilen noch deutlicher in relativ losen Auftragsbeziehungen, wie etwa Berater-Klienten-Verhältnissen. Hier ist die Zeit, die Kompetenz des Experten zu beurteilen, besonders kurz und die Expertise regelmäßig asymmetrisch zu Gunsten des Beraters verteilt, an-sonsten wäre die Beauftragung eines Experten kaum nötig. In Bereichen in de-nen Berater-Klienten-Verhältnisse vorherrschen, ist der Experte daher gezwun-gen, nicht nur kompetent zu sein, sondern auch Kompetenzvermutungen bei seinen Kunden zu schaffen.

An diesem Punkt steht der Experte vor einem Problem. Wie soll er Kompetenz-vermutungen bei seinen Kunden erzeugen und diese damit von sich überzeu-gen. Gerade in Konkurrenzsituationen steht der Experte vor einer großen He-rausforderung, denn hier muss er seine Kompetenz höher darstellen, als die seiner Wettbewerber. Er bewegt sich hier auf einem gesellschaftlich schmalen Grat, denn er läuft stets Gefahr, bei übertriebener Selbstpreisung Irritationen bei seinen Kunden hervor zu rufen (vgl. Kühl 2008, 38). Nicht umsonst gilt das Sprichwort „Bescheidenheit eine Zier“. Preist sich beispielsweise ein Anwalt offensiv als „besten Anwalt der Stadt“, wird er mit dieser Aussage bei potentiel-len Kunden eher Zweifel an seiner Kompetenz als Vertrauen in seine Kompe-tenz hervorrufen. Hierbei ist es zweitrangig, ob er tatsächlich der beste Anwalt der Stadt ist oder ob er sich nur selber als solchen ansieht oder auch nur vor-gibt, sich als solchen anzusehen. Allein die Mitteilung der Kompetenz verur-sacht Misstrauen bei potentiellen Kunden (vgl. Kühl 2008, 38). Sich selbst offen eine bestimmte Kompetenz zu zuschreiben, ist daher immer mit der Gefahr verbunden, die Kommunikation in eine ungewollte und für beide Interaktions-partner unangenehme Richtung zu lenken und sich so der Basis eines erfolg-reichen Kundengespräches zu berauben. Nur in wenigen Situationen ist über-triebenes Selbstlob geduldet bzw. sogar erwünscht. Als Beispiel hierfür können Bewerbungsverfahren im Berufskontext oder auch private Kontaktanzeigen ge-nannt werden. Wer hier bescheiden ist, ist regelmäßig zum Scheitern verurteilt. Ihm bleibt sein Traumjob oder sein Traumpartner meist verwehrt. In den meis-ten sozialen Interaktionen besteht dagegen die implizite Norm, sich selber nicht mit bestimmten Qualitätsurteilen zu belegen, sondern diese Beurteilungen an-deren zu überlassen. Als Beispiel für solche externen Qualitätszuweisungen können Lobeshymnen oder Festreden genannt werden, in denen eine Person oft überschwänglich gepriesen wird. Würde eine Person sich selber auch nur annähernd so lobeshaft darstellen, man würde sie sehr wahrscheinlich für überheblich halten oder sie überhaupt nicht ernst nehmen. Schon an diesen einfachen Beispielen erkennt man die Schwierigkeiten, die dieses Phänomen mit sich bringt. Die bloße (wenn auch in einigen Fällen wahrheitsgemäße) Zur-schaustellung der eigenen Kompetenz kann daher in den seltensten Fällen die gewünschten Kompetenzvermutungen bei Klienten, Kunden oder Arbeitgebern hervorrufen.

Die Frage ist daher: wie können Kompetenzvermutungen erzeugt werden ohne in die Selbstlobfalle zu geraten?

3. Professionen und Kompetenzdarstellung

Professionalität oder die Inszenierung von Professionalität spielen dabei eine zentrale Rolle, denn Professionalität wird meist mit Kompetenz gleichgesetzt. Diese Kompetenzvermutungen gegenüber Professionen basieren dabei selten auf dem Vertrauen in eine bestimmte Person oder auf Erfahrungen basierend auf Interaktionen zwischen Klienten und „Professionellen“, sondern eher auf Rollenmustern die von „Institutionen“ gestützt werden, welche über die eigentli-che Kommunikation hinaus gehen. Im Folgenden soll daher erläutert werden, inwiefern Professionalität die Voraussetzung für eine Kompetenzdarstellung sein kann, welche die Gefahr der Selbstlobfalle überwindet. Zunächst sollen die Begriffe der Expertenschaft sowie der Profession erläutert werden. Beide Be-griffe werden in der der Professionssoziologie überwiegend synonym verwen-det. Es gibt allerdings auch nicht-wissenschaftliche Expertenrollen, die meist in Beratungssituationen auftreten (vgl. Mieg 2003, 21). Deshalb lohnt es sich, bei-de Begriffe einzeln zu erschließen, um so die Besonderheit klassischer Profes-sionen besser erkennen zu können.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Kompetenzdarstellung bei Professionen und Nicht-Professionen
Untertitel
Möglichkeiten und Risiken
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Veranstaltung
Karrieremanagement
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
21
Katalognummer
V126481
ISBN (eBook)
9783640323807
ISBN (Buch)
9783640321735
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kompetenz, kompetenzdarstellung, Profession, Beruf, Selbstlob, Indirekte Kommunikation, Darstellungskompetenz, Kompetenzdarstellungskompetenz
Arbeit zitieren
BA Nils Pollmeyer (Autor:in), 2009, Kompetenzdarstellung bei Professionen und Nicht-Professionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126481

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