Feministische Identitätspolitik - Zur Handlungsfähigkeit postsouveräner Subjekte


Hausarbeit, 2009

28 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

VORWORT

EINLEITUNG

GLIEDERUNG

1 Feminismus und Identität
1.1 Das Universalsubjekt „Frau/en“ und dessen Ausschlüsse
1.2 Reaktionen und Alternativen

2 Exkurs: das Subjektmodell der Moderne
2.1 Paradox des modernen Subjekts

3 Poststrukturalismus
3.1 feministische Kritik

4 Macht, Sexualisierung, Widerstand

5 Die Unmöglichkeit der Re-Präsentation
5.1 Nicht-konforme Identitäten

6 Geschlecht, Macht, Performativität
6.1 Subversion durch Travestie

7 FAZIT

8 LITERATUR

VORWORT

Obgleich der Begriff Identität in aller Munde ist, bleibt er meist diffus. Darüber was Identität eigentlich ist und wie sie zustande kommt, gibt es verschiedene Meinungen, die nicht ausschließlich fachspezifisch sind.

Ist die (Selbst-)Verortung in sozialen Kategorien eine Konstante menschlichen Seins? Und wie verhält es sich mit einer der für diese „prominenteste“ Kategorie, der Geschlechtidentität?

In vielen Bereichen wird die Entwicklung eines Individuums bis heute als ungebrochene, im Regelfall kontinuierlich aufstrebende Bewegung zu einer eindeutigen und ‚gefestigten Identität’ gesehen. Anstatt Rollenmodelle in ihrer Gemachtheit zu reflektieren, können sie vor diesem Hintergrund nur als gegeben hingenommen werden: Habitus, Erscheinung oder Begehrensstrukturen, die abseits des (hetero)normativen Rahmens stehen, können so nur als zu korrigierende Abweichungen von einer ‚normalen’ Entwicklung interpretiert werden.

Insbesondere in den letzten drei Jahrzehnten verbreiteten sich allerdings neue Ansätze zur Konzeptionalisierung von Geschlechtsidentität. Die Philosophiewissenschaftlerin Christine Hauskeller beispielsweise gibt zu bedenken: „Menschen kommen eben nicht als Subjekte zur Welt, vielmehr sie werden zu solchen, zu geschlechtlich bestimmten, erst im Prozess der Vergesellschaftung.“[1] Muss Identität, insbesondere geschlechtliche, mithilfe von Normierungspraktiken erst hergestellt werden, kann sie zumindest als unsicher und abhängig von verschiedenen Machstrukturen gelten.

Was also steckt hinter jenem Schlüsselbegriff der Identität? „Identität gilt als Wahrheit des Selbst“[2], schreibt die Politikwissenschaftlerin Isabell Lorey. Und der Philosoph Michel Foucault bindet das Funktionieren von Machtverhältnissen als solches an die Kategorisierung von Individuen und deren Fesselung an ihre Identität. Hat ‚die Identität’ ‚die Natur’ als das „innerste Wesen“[3] historisch kontingenter Erzählungen abgelöst?

EINLEITUNG

Gegen Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts standen die sozialen Bewegungen vor einem existenziellen Problem, denn „Identität“ als zentralen Topos der Politik zu begreifen war in Verruf geraten. Galt Identität lange Zeit als Bedingung für Politik, so waren – nicht zuletzt durch die Popularisierung poststrukturalistischer Ideen (zum Beispiel durch Michel Foucault) oder den Ansatz der Dekonstruktion (Jacques Derrida) – nun deren Konstruktionsmechanismen und Effekte von Identitätspolitik in den Blick geraten.

Auch große Teile des Feminismus verlagerten die Betrachtung des Geschlechts von der Differenz hin zur Frage der Macht. Die Einsicht, dass soziale Kategorien nicht nur deskriptiv, sondern immer schon Teil von Machtstrukturen und dementsprechend ausschließend sind, spielte dabei eine große Rolle.

Die zum Beispiel mediale Konstruktion stereotyper Weiblichkeiten blieb bis in die Neunziger Jahre das Hauptinteresse feministischer Ansätze. Die Zweite Frauenbewegung thematisierte ihr Subjekt „Frau/en“[4] meist über eine Opferrolle, in die die patriarchalische Gesellschaftsordnung Frauen per se zwinge. Für diese einschränkende Setzung wurde die Bewegung vor allem von nicht-weißen Frauen, von Frauen unterpriviligierter sozialer Schichten oder marginalisierter Sexualitäten kritisiert. Mit Ansätzen postkolonialer Theorie schließlich ist diese Kritik zum Begleiter feministische Theorie geworden.

Insbesondere Judith Butler thematisierte „Frau/en“ als Subjekt des Feminismus als eine Kategorie, die einerseits Ausschlüsse provoziere und andererseits Teil jener Machtstrukturen bleiben müsse, die sie abschaffen wollte.

Die Pattsituation zwischen Notwendigkeit und Ablehnung von Repräsentationspolitik und einem entsprechenden ‚Universalsubjekt’ traf die feministische Theorie und Praxis besonders hart. Denn: „Wird mit der Dekonstruktion von Frauen nicht nur jegliche Grundlage für Politik, sondern gleichzeitig auch eine Analyse der gesellschaftlichen Situation von Frauen zunichte gemacht, also feministische Politik und Forschung obsolet?“[5] Diese Frage von Isabell Lorey fasst die Ängste vieler Feminist_innen[6] zusammen und verweist gleichzeitig auf die Tragweite der Identitätsproblematik für soziale Bewegungen.

Butlers Kritik evozierte Angst vor einer Partikularisierung des Feminismus und vehemente Ablehnung, da man das Modell eines handlungsfähigen Subjektes in Frage gestellt sah, aber auch Zustimmung von zumeist poststrukturalistisch geprägten Feminist_innen. Diese meinten, das Ende einer auf die „Frau/en“ gerichteten Emanzipationspolitik könne auch der Anfang einer ganz anderen Politik sein.

GLIEDERUNG

Im Folgenden werde ich die feministische Debatte um Identität nachzeichnen und Hintergründe aufzeigen (1., 1.a, 1.b). Im zweiten Kapitel folgt ein Exkurs zur Beschaffenheit und zum Paradox des modernen Subjekts (2., 2.a). Im darauf folgenden Kapitel (3.) gehe ich auf Strukturalismus und Poststrukturalismus als wichtigste theoretische Einflüsse und deren, auf die (De)Konstruktion von Subjekten bezogene philosophische und linguistische Ideen ein; mit einer kurzen Ausführung über die feministische Kritik am Poststrukturalismus (3.a) schließe ich das Kapitel ab. Im vierten Kapitel erläutere ich mit Hilfe von Foucaults Genealogie der Macht die Konstituierung des postmodernen Subjektes im Dreieck von Macht, Unterdrückung und Widerstand (4.). Es folgt ein Teil über die Unmöglichkeit der Re-Präsentation (5.) und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten nicht-konformer Identitäten (5.a). Im letzten Kapitel (6., 6.a) versuche ich unter Bezugnahme auf Butlers Perfomativitätskonzept die vorhergehenden Ansätze und Ideen auf die Frage nach Möglichkeiten feministischer Politik und Geschlechtsidentität als maßgeblich für den Subjektivierungsprozess zurück zu beziehen und abschließend einen Ausblick zur Identitäts- als „Geschlechterproblematik“ zu geben. Das Fazit (7.) fasst den Gedankengang der Arbeit noch einmal zusammen.

1 Feminismus und Identität

Im deutschsprachigen Raum setzte eine kritische Diskussion über feministische Identitätspolitik Anfang der Neunziger Jahre mit der Veröffentlichung von Judith Butlers Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity unter dem deutschen Titel Das Unbehagen der Geschlechter[7] ein. Hierin weist Butler die ursächliche Verbindung der Kategorie Gender als Geschlechtsidentität mit einem biologischen Geschlecht zurück und benennt, in Anlehnung an poststrukturalistische Ideen, die Essentialisierung der Zweigeschlechtlichkeit als Herrschaftsstrategie. Geschlechtsidentität ist demnach nicht gegeben, sondern durch Handeln („doing gender“) hergestellt. Jede_r Einzelne trägt damit auch zur Stabilisierung und Reproduktion der Geschlechterdifferenzen und -hierarchien bei. Insbesondere durch feministische Politik, die für sich in Anspruch nimmt die Interessen der „Frau/en“ zu vertreten, wird nach Butler das Zwangssystem der Zweigeschlechtlichkeit aufrechterhalten. Zudem ginge der ‚Wir’-Gestus immer schon mit Ausschlüssen einher. Die Einsicht in die Unhaltbarkeit universalistischer Kategorien und gleichzeitige Anerkennung ihrer Unverzichtbarkeit für politisches Handeln bewirkte eine Bewegung weg von der bloßen Repräsentationspolitik und hin zur Frage der Macht. „Der fundamentale Zwiespalt feministischer Politik“, wie Paulus schreibt, „bildet einen Hintergrund für Butlers Dekonstruktion des Bewegungssubjektes ‚Frau’, der Geschlechtsidentität als Grundlage einigender Politik und den ‚Wir’-Kategorien emanzipatorischer Bewegungen.“[8]

Butlers vehemente Zurückweisung der Kategorie „Frau/en“ als im Kern essentialistisch, sorgte für viel Widerspruch in der Frauenbewegung, die ihre Grundlagen zum gemeinschaftlichen Handeln gefährdet sah. Besonders die Infragestellung des Körpers, als welche die Problematisierung des biologischen Geschlechts verstanden wurde, wurde in der kritischen Rezeption aufgegriffen und als Gefährdung des politischen Projekts gedeutet. Leiblichkeit galt bis dato als Referenzpunkt feministischer Konzepte und Schnittstelle gemeinsamer Erfahrungen. Die Kategorie „Frau/en“ jedoch, so die Gegenposition, resultiere nicht aus gleichen Erfahrungen, sondern entstehe als Kohärenzeffekt verschiedener Regulierungsverfahren innerhalb der binären Struktur. Erfahrung existiere nicht vor dem Wissen und eine ‚unmittelbare’ Erfahrung mit sich selbst kann es darum nicht geben.

Dass Körper so sind, wie wir sie erfahren, meint auch Hauskeller, ist eine Folge unserer diskursiven Konstruktion von Körpern. Die Gemeinsamkeiten von Frauen ergeben sich vielmehr aus den Konstitutionsregeln moderner Gesellschaften. Butler fragt in diesem Zusammenhang: „Inwiefern stellt ‚Identität’ eher ein normatives Ideal als ein deskriptives Merkmal der Erfahrung dar?“[9] Die Frauenbewegung mit ihrem Bezug auf das Sex/gender -Modell – das als Argument für den sozialen Ursprung der Benachteiligung von Frauen dienen sollte –stützt demnach die Illusion einer gemeinsamen essentialistischen Erfahrungswelt.

Die Kritik an eben jenem Modell ist ein zentraler Punkt im Unbehagen der Geschlechter. Einerseits, meint Butler, gehe der Differenzierung von sex und gender die Annahme der Zweigeschlechtlichkeit voraus und diese sei nicht haltbar. Die Unterscheidung zwischen einem kulturellen und einem biologischen Geschlecht und die Behauptung eines Zusammenhangs zwischen beiden verweist immer auf einen Kern „natürlicher“ Geschlechtlichkeit. Nach konstruktivistischen Ansätzen ist die Unterscheidung in „weiblich“ und „männlich“ aber per se eine kulturelle Setzung. Sex existiert nicht, weil alles gender ist.

Gerade hinter der sex/gender -Differenzierung steckt demnach ein Konzept dass, wie es bei Antje Hornscheidt, Gabriele Jähnert und Annette Schlichter heißt, einen „dem sozialen Geschlecht vorgängigen, kulturell unschuldigen Körper erst produziert“[10]. Auch die Slawistin Christa Ebert führt aus, dass nach Butler „das (rhetorische) Festhalten an der Geschlechterdifferenz ( ) dem Festschreiben der Machtverhältnisse“[11] diene. Der diskursive Produktionsprozess von Geschlechtsidentität indes wird verhüllt. Nur im Rahmen von metaphysischem Ursprungsdenken ist eine vordiskursive, körperliche Sexuiertheit denkbar.

Der Philosoph und poststrukturalistische Denker Michel Foucault wies darauf hin, dass die juridischen Machtregime Subjekte, die sie repräsentieren zuerst auch produzieren. Weil die Subjekte jenen Strukturen, die sie regulieren, unterworfen sind, werden sie in Übereinstimmung mit ihnen produziert und reproduziert. Wenn dem so ist, schreibt Butler, „ist jene Rechtsformation von Sprache und Politik, die die Frauen als ‚Subjekte’ des Feminismus repräsentiert, selbst eine Diskursformation und der Effekt einer gegebenen Variante der Repräsentationspolitik.“[12] Butlers entmutigendes Urteil lautet: „Das feministische Subjekt erweist sich als genau durch dasjenige politische System diskursiv konstituiert, das seine Emanzipation ermöglichen soll.“[13]

Folgt man dieser Argumentation, sind Feminismus und Frauenbewegung nicht nur ein fester Bestandteil der heterosexuellen Matrix, sondern reproduzieren diese ununterbrochen.

Im Kontext der Frauenbewegung ging es fortan nicht mehr (ausschließlich) um die Repräsentation eines Subjektes „Frau/en“, sondern darum, die Kategorie des identischen Subjekts selbst zu problematisieren[14], das nicht zuletzt auch dem Universalsubjekt „Frau/en“ Legitimität verlieh.

1.1 Das Universalsubjekt „Frau/en“ und dessen Ausschlüsse

Ein folgenreicher Vorwurf an den Feminismus war der, mit Identitätspolitik knallharte Ausschlüsse zu betreiben.

Wie bereits angedeutet, spielen bei den Auseinandersetzungen um feministische Identitätspolitik Differenzen unter Frauen eine zentrale Rolle. Die unhintergehbare Kategorie „Frau/en“, die „mit den sexistischen Unterdrückungsmechanismen, die sich in der Kategorie ‚Frau’ treffen“[15], wie Paulus schreibt, in der Kontinuität einer westliche Feminismus-Debatte universalisiert wird, ließe „[s]trukturelle Diskriminierungen, wie etwa Rassismus, Ethnozentrismus, klassenspezifische Benachteiligungen, Homophobie und Heterosexismus sowie Normativitäten von ‚Leistungsfähigkeit’, die Frauen mit Behinderungen oder alte Frauen marginalisieren“[16] unberücksichtigt. Feministische Repräsentationspolitik erscheint vor diesem Hintergrund als äußerst prekär. Lediglich partikulare Interessen einer bestimmten Gruppe werden vertreten. Die Annahme, Frauen bewegten sich per se abseits der Herrschaftsverhältnisse, wurde so ad absurdum geführt. Neben dem Ausschluss vieler Positionen aus der feministischen Politik, bleiben auch die priviligierten Positionen, beispielsweise der Sprecherinnen, unbeachtet. Paulus verweist auf den von der Psychologin Birgit Rommelspacher geprägten Begriff „Dominanzkultur“[17], mit dem sie die Verstrickung und Nutznießerschaft Weißer deutscher Frauen in und von Herrschaftsverhältnissen aufzeigte.[18]

In den Achtziger und Neunziger Jahren protestierten in den USA jene, die nicht selbstverständlich unter den vereinnahmenden Gestus des Feminismus fielen; beispielsweise Schwarze Frauen oder Lesben. Die Kritik an der feministischen Repräsentationspolitik und der fehlenden Sensibilität für Machtstrukturen abseits des Patriarchats tauchte auch in Deutschland auf. Hier wurden kritische Stimmen von Migrantinnen oder Women of Colour laut. Die Auseinandersetzung kreiste dabei ganz konkret um die Frage, für wen feministische Repräsentationspolitik Freiräume zu schaffen in der Lage war und wer andersherum ausgegrenzt blieb. Dem Feminismus wurde laut der Philosophiewissenschaftlerin Cornelia Klinger unterstellt, „auf der Rückseite seiner Selbstkonstituierung sein ‚verworfenes Anderes’ zu produzieren.“[19] Das Dilemma der Frauenbewegung und feministischen Politik war offenbar geworden: Einerseits galt Repräsentationspolitik zur Artikulation politischer Interessen als unumgänglich. Andererseits ging sie immer auch mit Ausschlüssen einher – denn eine universale Kategorie kann nie all das beschreiben, was sie benennt.

Lorey bewertet dies positiv. Für die ist dies Indiz dafür, dass Zuschreibungen umgedeutet, reformiert oder verschoben werden können.[20] Trotz „historischer Kontingenz der Konstitutionsprozesse besteht die Möglichkeit zur Erfindung und Kreation anderer Weisen“[21], schreibt Lorey.[22]

1.2 Reaktionen und Alternativen

Selbstverständlich war es nicht nur Judith Butler, die eine Debatte über die Möglichkeit von und Alternativen zu feministischer Politik anstieß, sondern eine ganze Reihe weiterer Feminist_innen. Butlers Unbehagen der Geschlechter jedoch galt als Stein des Anstoßes.

Im Nachhinein wird die Problematisierung von Identität im Kontext der Frauenbewegung häufig für eine Parzellisierung derselben verantwortlich gemacht. Die Kritik an den Grundfesten feministischer Politik sei ein Grund für die Abschwächung der Radikalität der Bewegung gewesen.[23] Vehemente Ablehnung kam hier vor allem von Vertreter_innen des Gleichheits- und des Differenzansatzes. Zwar war man sich einig, dass das aus der Aufklärung stammende Konzept des autonomen, transzendentalen Subjekts der Lebensrealität der meisten Frauen nicht entspricht. Der bürgerliche, Weiße Mann wurde zum Richtwert erhoben, Frauen waren dabei keine ‚Größe’. Die Kritik am Universalismus des autonomen Subjekts führte innerhalb des Feminismus zu verschiedenen Konsequenzen.

Die Vertreter_innen des Gleichheitsansatzes gehen von gleichen Potentialen von Menschen zweier biologischer Geschlechter aus. Differenzen seien eigentlich Hierarchien und gesellschaftlich bedingt. Der Differenzansatz dagegen stellt eine grundsätzliche Wesensverschiedenheit zwischen Männern und Frauen fest; die männliche Vorherrschaft jedoch soll gebrochen werden. Die Politikwissenschaftlerin Nancy Fraser fasst die verschiedenen Blickwinkel folgendermaßen zusammen:

First, there is the familiar but still very important humanist universalistic position, which seeks recognition of women’s full humanity. Second, there is the difference approach, which seeks recognition of women’s distinctiveness. Then you get reactions against that as too marginalising and reifying insofar as if washes our important kinds of difference.[24]

(De)konstruktivistische und poststrukturalistische Ansätze der ‚dritten Richtung’, denen auch Butler zuzurechnen ist, gehen von der Geschlechterdichotomie als kultureller Setzung und Normierung aus und rücken deren Herstellung in den Mittelpunkt. Während deren Kritiker_innen Theoriebildung und generell eine Frauenbewegung ohne das Bewegungssubjekt „Frau/en“ nicht für möglich hielten, sahen Andere genau hier die Möglichkeit für eine Revision der vereinheitlichenden und ausschließenden Repräsentationspolitik. Und somit auch zur Hinterfragung einer Kategorie „Frau/en“. Die Angst des Feminismus um die Einheitlichkeit seines Subjekts der politischen Handlungsfähigkeit widerspricht der Theorie der (de)konstruktivistisch und poststrukturalistisch geprägten Thoretiker_innen, die die Ganzheit unablässig durch Differenz gestört sahen, diametral. Zu dieser Befürchtung stellt sich auch die Frage, ob sich unter dem Begriff Feminismus jemals eine kohärente Einheit sammelte.[25]

Winkler schlägt eine Koalitionspolitik als Alternative vor. Das einzige, was Frauen gemeinsam sei, so meint die Autorin, sei die Differenz[26]. Die Differenz solle auch die Motivation für eine gemeinsame Politik zwischen Frauen oder Frauen und anderen bilden. Auch die Soziologinnen Sabine Lang und Birgit Sauer betonen, die Absage an eine universalistische Identitätspolitik bedeute keineswegs das Ende von Politik. Am Beispiel des Feminismus führen sie aus: „Die Konsequenz aus der Kritik an der Kategorie ‚Frau/en’ und damit an Identitätspolitik ist gerade nicht, Identitätspolitik aufzugeben ( ).“[27] Zwar gebe es für Emanzipationsbewegungen momentan keine Möglichkeit, ohne sie politisch zu agieren. Allerdings könne man Identitätspolitik auch „strategisch positional“[28] betreiben. Die Autorinnen zitieren abschließend den Soziologen Stuart Hall, der als politisches Paradigma vorgibt „Identität in der Differenz zu leben“[29]. Dabei soll das Bewusstsein über unvermeidbare Differenzen konzeptionell mit einbezogen werden, und Bezeichnungsprozesse vorläufig und kontrollierbar bleiben. Auch Butler geht davon aus, dass Identität nicht zwangsläufig die Grundlage von Politik sein muss. Sie schreibt: „Vielleicht stellt sich paradoxerweise heraus, dass die Repräsentation als Ziel des Feminismus nur dann sinnvoll ist, wenn das Subjekt Frau(en) nirgendwo vorausgesetzt wird.“[30]

Die befürchtete ‚Entpolitisierung’ könnte also auch als Anfang einer neuen Politik gedeutet werden. Butler plädierte nachdrücklich dafür, auch die Geschichte des Feminismus als Konstrukt von Zuschreibungen, Identitäten und Ausschlüssen zu akzeptieren und die Frage nach dem Einfluss innerhalb der Frauenbewegung, also wie und welche Frauen repräsentiert werden, zu stellen.[31] Der Versuch der Dekonstruktion von Identitätspolitik kann demnach auch, wie Lorey das formuliert, bedeuten, den Anspruch auf „die Repräsentation einer kollektiven, eigentlichen Identität in Frage zu stellen und Konstitutionsprozesse von kollektiven wie individuellen Subjekten zu beschreiben und zu analysieren.“[32] Die veränderte Fragestellung, wie der Geschlechterdifferenz Bedeutung zu kommt und wie Herstellungsprozesse ablaufen, zielt auf das Eröffnen neuer Handlungsoptionen und die Endgrenzung geschlechtlicher Identitäten.

Butler schlägt ein subversives Identitätsmodell vor. Mit diesem sollen, so schreibt Paulus, „kategoriale Festschreibungen, die zu Ausgrenzungen führen, unterlaufen werden“[33]. Aus Ansätzen von Foucault und Derrida zieht sie ihren Subjektbegriff und die daraus resultierende Möglichkeit der Handlungsfähigkeit durch Bedeutungsverschiebungen.

Aus diesen Ausführungen lassen sich Kernpunkte eines Streits ablesen, der sich um mehr als nur das Subjekt des Feminismus dreht. Während in den Neunziger Jahren die Grenze der Butler-Kritiker_innen, so schreiben Hornscheidt, Jähnert und Schlichter, zwischen den Konzepten „Feminismus“ und „Poststrukturalismus“ verlaufen sei[34], könnte eine weiterführende Frage die nach den Interdependenzen zwischen beiden sein. Gerade vor dem Hintergrund der Verkennung des Feminismus als reine Bewegungspolitik abseits der Theorie beziehungsweise des, den Feminist_innen aus dem akademischen Umfeld häufig entgegengebrachten Vorwurfs der ‚Nicht-Existenz’[35] – beispielsweise das aus der Marxistischen Tradition heraus im Kapitalismus als „Nebenwiderspruch“[36] disqualifizierte Geschlechterverhältnis – scheint mir dies ein wichtiger Punkt zu sein.

Eine der strittigsten Fragen blieb aber weiterhin die nach den Implikationen postmodernen Wissens für ein Konzept des Politischen. Für eine Entwicklung in diese Richtung war zuallererst die Kritik am modernen Modell eines autonomen, transzendentalen und selbstbestimmten Subjekts ausschlaggebend.

[...]


[1] Hauskeller (2000), 91

[2] Lorey. In: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 107

[3] Lorey. In: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 107

[4] Ich unterscheide nicht zwischen einem Kollektiv- ‚Frauen’ und einem einzelnen Subjekt ‚Frau’, da die Subjektwerdung als Frau gemeinsame Vorstellungen, Rollenmodelle usw. voraussetzen.

[5] Lorey. In: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 93f

[6] Ich benutze die Schreibweise „Unterstrich i“, da sie, anders als das „große I“ eine Lücke lässt, die auf Möglichkeiten außerhalb der Zweigeschlechternorm verweist. Ich denke, es ist eine angemessene, wenn auch dem Lesefluss nicht zuträgliche, Variante. Ich beziehe mich auf die von Steffen Kitty Hermann entwickelte Modell Vgl. dazu: Performing the Gap. Queere Gestalten und geschlechtliche Aneignung, Internet: http://gender-killer.de/wissen%20neu/texte%20queer%20kitty.htm (10.11.08)

[7] Butler: Das Unbehagen der Geschlechter (1991)

[8] Paulus (2001), 2

[9] Butler (1991), 38

[10] Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 10

[11] Ebert, Christa: ‘Die Seele hat kein Geschlecht’. Studien zum Geschlechterdiskurs in der russischen Kultur (2004), 57

[12] Butler (1991), 16f

[13] Butler (1991), 17

[14] Entgegen mancher Verlautbarungen hatte auch Butler weder im Sinn die „Frau/en“ abzuschaffen, noch verkündet sie den Tod des Subjekts. Lorey schreibt, im Gegenteil erkenne sie vielmehr „ein hegemoniales, bürgerlich-‚männliches’ Subjektverständnis in ihrer Subjektkritik an.“ Lorey. In: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 103. Dieses Subjektverständnis nämlich ist so dominierend, dass es die Position erst konstituiert, von der aus gesprochen werden kann.

[15] Paulus (2001), 47

[16] Paulus (2001), 47

[17] Der ganze Titel von Rommelspachers gleichnamigen Buch lautet: Dominanzkultur. Texte zu Fremdheit und Macht (1994).

[18] Vgl. Paulus (2001), 49

[19] Klinger. In: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 27

[20] Vgl. Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 102

[21] Lorey. In: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 110

[22] Neues Wissen konstituiere auch neue Erfahrungen und so würden ‚selbstverständliche’ Praktiken sichtbar und nur das Wissen um deren Konstruiertheit ermögliche es, „Erfahrungen als Erfahrungen zu benennen und zu erfahren.“ In: Lorey. In: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 110

[23] Vgl.: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 94ff

[24] Fraser, z.n.: Paulus (2001), 36

[25] Andersherum ist es ebenso kritisch zu betrachten, ‚das Patriarchat’ als monolithischen Block der Unterdrückung den Frauen als passiven Opfern entgegenzusetzen. Selbstverständlich sind Frauen in verschiedensten Formationen an Ausgrenzung und Unterdrückung beteiligt.

[26] Winkler. In: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 29

[27] Lang/ Sauer. In: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 97

[28] Lang/ Sauer. In: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 97

[29] Hall, z.n. Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 97

[30] Butler, z.n. Hauskeller (2000), 91

[31] Interessant in diesem Zusammenhang ist Loreys Vorschlag, die Dynamik der Frauenbewegung nach Benedict Anderson als ‚imagined community’, eigentlich bezogen auf die ‚Erfindung der Nation’, zu fassen. Denn auch die Wesenheit der „vorgestellten Gemeinschaft“ Frau/en müsse durch verschiedene Praktiken immer wieder hergestellt werden. Vgl. Lorey. In: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 100

[32] Lorey. In: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 101

[33] Paulus (2001), 5

[34] Vgl.: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 12

[35] Cornelia Klinger weist in ihrem Text darauf hin, dass sich der Feminismus zu anderen (anerkannten) Theorien verhalte, wie weiblich zu männlich im Geschlechtermodell des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan. Klinger in: Hornscheidt/ Jähnert/ Schlichter (1998), 22

[36] Vgl. dazu: Neusüß, Christel: Die Kopfgeburten der Arbeiterbewegung oder Die Genossin Luxemburg bringt alles durcheinander (1985)

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Feministische Identitätspolitik - Zur Handlungsfähigkeit postsouveräner Subjekte
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Veranstaltung
Fragwürdige Identitäten? Herstellung des Selbst und ihre wissenschaftlichen Verhandlungen
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
28
Katalognummer
V126309
ISBN (eBook)
9783640323029
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Feministische, Identitätspolitik, Handlungsfähigkeit, Subjekte
Arbeit zitieren
Sonja Vogel (Autor:in), 2009, Feministische Identitätspolitik - Zur Handlungsfähigkeit postsouveräner Subjekte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126309

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Feministische Identitätspolitik - Zur Handlungsfähigkeit postsouveräner Subjekte



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden