Gründe der serbischen Regierung für die Ablehnung des österreichischen Ultimatums am 25. Juli 1914

Ausbruch des Ersten Weltkriegs


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

20 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Gliederung

Einleitung

1.Geschichte der Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Serbien bis zum Ultimatum vom 23.Juli 1914
1.1 Bis 1903
1.2. Ab 1903 bis zur Julikrise
1.3 Attentat von Sarajevo

2. Das österreichische Ultimatum an Serbien
2.1 Ziele Österreich-Ungarns
2.2 Übergabe und Inhalt des Ultimatums
2.3 Antwort Serbiens

3. Innenpolitische Gründe Serbiens für die Ablehnung
3.1 Militärische Lage Serbiens nach den Balkankriegen
3.2. Stellung der „Schwarze Hand“ und ihre Beteiligung am Attentat
3.3 Der Prioritätsstreit und Auswirkungen auf das serbische Handeln

4. Einfluß des Auslandes auf die serbische Entscheidung
4.1 Einfluß anderer Staaten auf serbische Entscheidung
4.2 Russischer Einfluß

Zusammenfassung / Ergebnis :

Literaturverzeichnis:

Quellensammlungen :

Darstellungen

Einleitung

Als Serbien am 23.Juli 1914 die Forderungen, die Österreich-Ungarn nach dem Attentat von Sarajevo an sie gestellt hatte, zurückwies , hatten sie damit eine Entscheidung getroffen, die den Ausbruch des ersten Weltkrieges zur Folge hatte. Diese Konsequenz des serbischen Handelns war die Ursache dafür, daß die Vorgänge, die mit der östereichischen Begehrnote vom 23. Juli zusammenhängen, von großem Interesse für die Forschung war und ist.

Dies gilt auch für die Gründe für das serbische Handeln. Ihnen mußte, wie diese Arbeit zeigen wird, klar sein, daß die Nichterfüllung aller österreichischen Forderungen sehr wahrscheinlich einen Krieg mit der Doppelmonarchie nach sich ziehen wird. Somit war die Entscheidung über die Beantwortung dieser Note eine Frage um Krieg oder Frieden.

In dieser Hausarbeit soll nun erörtert werden, welche Ziele die serbische Regierung mit dieser Entscheidung verbunden hatte und was sie zu dieser Handlungsweise veranlasst hat. Weniger Raum wird dabei den südslawischen Plänen der Serben gegeben, zum Einen wegen des beschränkten Umfangs der Arbeit und zum Anderen, weil diese eine nur geringe Rolle in den 48 Stunden Bedenkzeit, die die Serben hatten, spielte und diese erst im späteren Verlauf des Krieges auf der Tagesordnung standen.

In dieser Arbeit wird zunächst die Vorgeschichte der Beziehungen beider Staaten analysiert, um historische Gründe für die spätere Haltung der serbischen Regierung zu finden, dann wird untersucht werden, welcher Art die gestellten Forderungen waren und welche Absicht man in Wien damit verband. Besonders interessant ist hierbei, ob die Serben überhaupt eine Wahl bei der Beantwortung gehabt haben. Dann wird erörtert, was für innenpolitische Gründe für und wider den Krieg sprachen. Zuletzt soll dann noch der Einfluß des Auslandes und insbesondere Rußlands auf die Serben dargestellt werden.

Diese Hausarbeit stützt sich im wesentlichen, neben den Akteneditionen, auf die Werke von Albertini, Fish Cornwall und Fay, da diese den Vorteil einer relativ neutralen Haltung zu diesem Thema haben. Den übrigen Werken ist zum Teil, angesichts der Bedeutung dieser Frage bezüglich der Kriegsschuld am Ersten Weltkrieg, eine einseitige Sichtweise zu eigen, was eine objektive Arbeit damit erschwert.

1.Geschichte der Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Serbien bis zum Ultimatum vom 23.Juli 1914

1.1 Bis 1903

Serbien war nach der historischen Niederlage auf dem Amselfeld am 15. Juni 1389 fast 400 Jahre unter türkischer Herrschaft geblieben. Erst im Jahre 1878 erlangte es wieder die Unabhängigkeit. Dieser serbische Staat war aber auf ein relativ kleines Gebiet beschränkt, der weitaus größte Teil der Serben lebte weiterhin unter osmanischer bzw. österreich-ungarischer Herrschaft. Deren Befreiung und Eingliederung in den serbischen Staat war schon seit dieser Zeit ein Ziel vieler serbischer Politiker, zunächst war man aber bis ca.1872 mit inneren Problemen beschäftigt.[1]

In Österreich-Ungarn war man schon zu Beginn der Unabhängigkeitsbestrebungen der Serben darüber besorgt gewesen, ob diese Bewegung und später dann das Entstehen eines serbischen Staates nicht die Ausdehnungsrichtung der Monarchie auf dem Balkan gefährden und vor allem dieser Staat nicht anziehend auf die eigenen Südslawen wirken könnte. Eine aktive Politik in dieser Region betrieb man aber erst, als der Balkan 1871, nach den Niederlagen in Deutschland und Italien, der einzig mögliche Expansionsraum für die Monarchie geworden war.[2]

Dank des Einsatzes der Wiener Regierung erreichte Serbien auf dem Berliner Kongress die volle Unabhängigkeit und eine Ausweitung ihres Staatsgebietes. Dies geschah nicht, wie verschiedentlich behauptet[3], aus einem Zuneigungsgefühl zwischen den beiden Staaten, sondern war einmacht- und handelspolitisches Kalkül der Donaumonarchie. Dies blieb so bis 1903, in dieser Zeit, nämlich 1885, verdankte es Serbien nur dem Eingreifen Österreich-Ungarns, das es nach einem verlorenen Krieg gegen die Bulgaren keinen Gebietsverlust erlitt.

Gleichzeitig aber hatte sich im serbischen Volk eine immer größere Abneigung gegen die Österreicher entwickelt, vor allem wegen deren Besetzung von Bosnien und der Herzegowina und handelspolitischer Schikanen wie mehrfacher Ausfuhrverbote serbischer Erzeugnisse, wenn man in Wien etwas an der Politik Serbiens auszusetzen fand .

1.2. Ab 1903 bis zur Julikrise

Am 11. Juni 1903 wurde der bis dahin regierenden Königs Aleksandar durch einige Offiziere, darunter der später so wichtige Dragutin Dimitrijevic, genannt Apis[4], grausam ermordet. Es gelangte der neue König Petar I aus dem Geschlecht der Karadjordjevic auf den Thron. Nun änderte sich die Politik Serbiens auf aussen- und innenpolitischer Ebene. Im Land selbst trat ein strikter Konstitutionalismus an die Stelle der eher autoritären Regierungsweise des vorherigen Königs, es wurden demokratische Prinzipien wie u.a. eine freie Presse und auch ein für die damalige Zeit sehr liberales Wahlrecht eingeführt.[5]

Die Regierung übernahm die stärkste Partei des Landes, die Radikalen, deren Gründer Nicolae Pasic Ende 1904 Ministerpräsident wurde. Diese Partei war prorussisch eingestellt und sah die Donaumonarchie als den Feind ihres Staates an. Ihre Politik war auf eine Vereinigung aller Serben ausgerichtet, was neben denjenigen in den verbliebenen osmanischen Gebieten auch die in Bosnien-Herzegowina und den Siedlungsgebieten von Serben in Österreich-Ungarn mit einschloß[6].

In der Außenpolitik gab es unter dieser neuen Regierung nun einen zunehmenden Widerstand gegen Österreich-Ungarn, welches den serbischen Markt beherrschte, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes behinderte und diese Stellung auch politisch ausnützte .Zugleich verstärkte sich nun der russische Einfluß auf Belgrad. Als die serbische Regierung es 1906 u.a. ablehnte, ihre Waffen in Österreich-Ungarn zu kaufen und zugleich begann, sich neue europäische Märkte zu eröffnen, versuchte die Donaumonarchie ihren kleinen Nachbarn mit der Verhängung von hohen Zöllen zum Einlenken zu zwingen, ein Mittel, das sie bei einigen früheren Konflikten ja schon angewandt hatten. Allgemein wurde nun erwartet, daß Serbien schnell nachgeben würde[7], diesem gelang es jedoch, neue Märkte in Europa zu gewinnen und sich so größtenteils ökonomisch von der Monarchie zu lösen. Zugleich war der Haß in der Bevölkerung Serbiens, die gewaltig unter dieser Auseinandersetzung zu leiden hatten, auf die Österreicher noch weiter gestiegen. Nun konnte sich auch das offizielle Serbien eine österreichfeindliche Politik erlauben, die serbische Nationalpropaganda gewann gewaltig an Schwung. Die sog. selbstständigen Radikalen, die sich von der Partei Pasics getrennt hatte, hatte großen Einfluß im Lande und auf die anderen südslawischen Bewegungen innerhalb der Donaumonarchie, es entstand dort allmählich ein südslawisches Bewußtsein, in dem Serbien Dank seinem Widerstehen in dem Zollkonflikt gegen Österreich-Ungarn ein besonderes Ansehen genoß.[8].

Ein weiterer Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen beiden Ländern war dann die Krise, die der Annexion Bosnien-Herzegowinas durch Österreich-Ungarn am 6. Oktober 1908 folgte. Diese wird verschiedentlich[9] zum Teil auch als Antwort der Donaumonarchie auf die erstarkte Rolle Serbiens im Zollkonflikt und der Südslawischen Bewegung gesehen. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, daß die Doppelmonarchie einen Zugang Serbiens zu Montenegro und dem Meer verhindert hatte. Dazu kam dann noch, daß in der gleichen Zeit in Agram (Zagreb) auch ein Hochverratsprozeß stattfand, der der Welt die Zusammenarbeit der österreich-ungarischen Serben mit dem serbischen Staat zu einem Umsturz beweisen sollte. In den nachfolgenden Prozess gegen den Historiker Friedjung 1909 in Wien konnte dann nachgewiesen werden, daß man massiv Dokumente gefälscht hatte, um Serbien zu diskreditieren. Die Folge war ein großer Ansehensverlust Österreichs in Europa[10].

In Serbien aber war man sehr empört über dieses Verhalten, man forderte in der Öffentlichkeit, auch angesichts einer unvermeidlichen Niederlage, einen Krieg gegen Österreich-Ungarn. Aber der scharfe Protest der Serben nutze nichts und auch die anderen Großmächte, besonders enttäuschend dabei für Serbien Rußland, kamen ihnen nicht zur Hilfe.

Am Schluß war Serbien, nach einer ultimativen Forderung Österreich-Ungarns nach Demobilisierung und gutnachbarschaftlichem Verhaltens, sogar gezwungen, am 31. März 1909 diese Loyalitätserklärung gegenüber Österreich abzugeben, in der sie auch die Annektion anerkannten.[11] Eine Folge aus der wenig hilfreichen Haltung der Großmächte war die Schaffung eines Bundes zwischen den Balkanstaaten Bulgarien, Serbien, Montenegro und Griechenland unter der Schirmherrschaft Rußlands. Dieses Bündnis war gegen das Osmanische Reich gerichtet, man wollte die damalige Schwäche des Landes zur Eroberung seines restlichen europäischen Gebietes nutzen. Als das Abkommen kurz vor dem Ausbrechen des Krieges dieser Staaten mit dem Osmanischen Reich bekannt wurden, richteten alle Großmächte, auch Rußland, einen Appell an diese Staaten, das sie vor einem Friedensbruch warnte. Die Balkanstaaten gingen jedoch nicht darauf ein und erklärten am 18. Oktober 1912 den Krieg.[12]

Dieser endete schon bald mit dem Sieg der Verbündeten Kurz darauf versuchte Bulgarien, was unzufrieden mit der Aufteilung der gewonnenen Gebiete war, mit einem Überraschungsangriff auf Serbien und Griechenland seine Position zu verbessern. Dieser 2. Balkankrieg endete nach einem Monat mit der Niederlage Bulgariens. In den Verhandlungen der Großmächte zur Regelung der Folgen der beiden Kriege zog Österreich-Ungarn wieder den Zorn Serbiens auf sich, da es vor allem seinen Bemühungen zu verdanken war, daß Albanien von den Mächten zum Staat erklärt wurde und Serbien weiterhin, obwohl seine Truppen schon die Adria erreicht hatten, vom Meer abgeschnitten blieb. Wien drohte im Verlauf dieser Krise Belgrad wieder ultimativ mit Krieg, um es zum Rückzug aus den nun albanischen Gebieten zu zwingen[13]. Da sich Rußland, nach anfänglicher Unterstützung des serbischen Standpunktes wieder nicht auf einen Krieg zu deren Unterstützung einlassen wollte, gab Serbien wieder nach und zog seine Truppen, unter heftigem Protest, zurück[14]. Trotzdem versuchten beide Seiten noch kurz vor der Julikrise ihre Beziehungen zu entspannen[15], was aber durch das Attentat von Sarajevo bedingt nicht erreicht werden konnte.

[...]


[1] Vgl Albertini, Vol.I, S.8-11. ; Vranesevic, S.354 ; Cassels, S.97.

[2] Vgl. Albertini,Vol. I S.11.

[3] Vgl. bsp Boghitschewitsch, Politik Serbien ,S.2f.

[4] Siehe Abs. 3.2

[5] Vgl. Dedijer, S.367 ; Vranesevic, S.363 ;Fay ,Bd 1, S.247.

[6] Vgl. Albertini, Vol I,S.140; Cassels, S.97f.

[7] Schließlich umfasste der Handel Serbiens mit Österreich 1905 bis zu 85,8% der Exporte und 58,3% der Importe , vgl. Sundhaussen ,S.352f.

[8] Vgl. Vranesevic, S.363-367; Fay,Bd. 1,S.248f.;

[9] Vgl. Vranesevic, S.370f.

[10] Vgl. Albertini Vol. I, S.297-300; Uebersberger, S.50f.

[11] Vgl. Vranesevic, S.370; .Albertini,Vol. I, S.291f. ;Dedijer,S.369f. BD Bd.5, Nr.782.

[12] Vgl. Fay,Bd.1, S.295-303; Balkan Wars, S.6-10.

[13] Vgl.ÖUA VII,Nr.8850; Rauchensteiner, S.24f.

[14] Vgl. Fay, Bd.1,S.303-306; Albertini, Vol I, S.471-486.

[15] Vgl. Cornwall, S.58; Giesl, S.465.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Gründe der serbischen Regierung für die Ablehnung des österreichischen Ultimatums am 25. Juli 1914
Untertitel
Ausbruch des Ersten Weltkriegs
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Hauptseminar „Die Kriegszieldebatten im Ersten Weltkrieg“
Note
2,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
20
Katalognummer
V126219
ISBN (eBook)
9783640322640
ISBN (Buch)
9783640320745
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Serbien, Österreich-Ungarn, Schwarze Hand, Erster Weltkrieg, Kriegsziele
Arbeit zitieren
M. A. Jochen Lehnhardt (Autor:in), 2001, Gründe der serbischen Regierung für die Ablehnung des österreichischen Ultimatums am 25. Juli 1914, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126219

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