Welchen Einfluss hat das Groupthinksyndrom bei Gruppenentscheidungen?


Hausarbeit, 2003

16 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Gliederung:

1. Problemstellung

2. Definitionsmerkmale der sozialen Gruppe

3. Die Variablen des Entscheidungsverhaltens

4. Der gruppendynamische Prozeß des Groupthink
4.1 Darstellung des Groupthink-Syndroms
4.2 Auswirkungen des Groupthink auf das Entscheidungsverhalten
4.3 Lösungen zum Vermeiden des Groupthink-Syndroms

5. Resumee und Diskussion der Ergebnisse

A. Literaturverzeichnis

1. Problemstellung

Jeder Mensch ist in seinem täglichen Leben mit dem Phänomen Gruppe konfrontiert. Auf der einen Seite kann er selbst Mitglied einer Gruppe sein, und auf der anderen Seite kann er bei der Beobachtung seines Umfelds verschiedenste Gruppen entdecken. Beispiele hierfür lassen sich endlos finden - alleine schon in der Freizeit, auf einer Party, im Berufsleben oder auf dem Weg zur Mensa zum gemeinsamen Mittagessen.

Gruppen sind somit für jeden und zu jeder Zeit allgegenwertig. Aus dieser Tatsache heraus hat nun schon jeder einmal, egal ob von alltagswissenschaftlicher oder wissenschaftlicher Seite, Erfahrungen mit Gruppen gemacht. Dabei konnte bestimmt festgestellt werden, daß sie „sehr komplex, sehr verschieden sind und interessanter, als sie auf den ersten Blick erscheinen“ (Mills 1976, S. 23).

Desweiteren ist bestimmt jedem aufgefallen, daß innerhalb einer Gruppe eine gewisse Gruppendynamik und ein Gruppendruck auf den einzelnen einwirkt, was sich insbesondere bei Entscheidungen äußern kann.

Diese Hausarbeit hat es sich zum Thema gemacht genau hier anzusetzen. Der Fokus der Arbeit richtet sich auf das sogenannte Gruppendenken oder auch Groupthink-Syndrom, „was sich auf die durch Gruppendruck ausgelöste Beeinträchtigung von mentaler Effizienz, Realitätsbewertungen und moralischen Beurteilungen“ (Janis 1972, S. 9, zit. n. Auer-Rizzi 1998, S. 677) bezieht.

Bevor man sich hingegen dem Kernthema dieser Arbeit zuwendet, erscheint es sinnvoll, dem Leser einen Überblick über den Begriff der Gruppe zu geben (Kapitel 2). Es wird ein Versuch unternommen, den Begriff soziologisch zu beleuchten. In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß eine vollständige Diskussion nicht durchgeführt werden kann, da sonst der Rahmen der Arbeit bei weitem überschritten wird. Daraus resultierend richtet sich der Schwerpunkt auf die soziale Gruppe. Kapitel 3 befaßt sich schließlich mit den Variablen des Entscheidungsverhaltens. Dieser Teil hat aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll dem Leser lediglich eine kurze Vorstellung zu dieser Thematik vermitteln und konzentriert sich aus diesem Grund nur auf spezielle Teilaspekte. Anschließend wird in Kapitel 4.1 das Groupthink-Syndrom thematisiert und erklärt. Kapitel 4.2 fokussiert dann die Auswirkungen auf das Entscheidungsverhalten, bevor letztendlich in Kapitel 4.3 Lösungen zum Vermeiden des Gruppendenkens vorgestellt werden. Kapitel 5 liefert eine abschließende Betrachtung der Zusammenhänge.

Ziel dieser Arbeit ist es, dem Leser einen Einblick in die Wirkungsweise des Gruppendenkens in Entscheidungssituationen zu geben. Er soll die Gefahren und den Umgang mit diesem Phänomen erkennen und lernen. Da sich jedes Individuum im täglichen Leben in solchen Entscheidungsprozessen, sei es im privaten oder im geschäftlichen Bereich wiederfinden kann, deutet dies nochmals auf die Relevanz des Themas hin.

2. Definitionsmerkmale der sozialen Gruppe

Bei der Betrachtung, was sich genau hinter dem Phänomen der Gruppe verbirgt, läßt sich schnell erkennen, daß es mehrere Möglichkeiten und Definitionsansätze gibt, um dieses besondere soziale Gebilde zu erklären bzw. zu beschreiben. Jedoch hat sich nach der Jahrhundertwende in den Sozial- und Humanwissenschaften eine „relativ eindeutige und weitgehend akzeptierte Verwendung des Gruppenbegriffs“ (Schäfers 1999, S. 20) entwickelt. Die entsprechende Definition kann folgendermaßen lauten: „Eine soziale Gruppe umfaßt eine bestimmte Zahl von Mitgliedern (Gruppenmitgliedern), die zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels (Gruppenziel) über längere Zeit in einem relativ kontinuierlichen Kommunikations- und Interaktionsprozeß stehen und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit (Wir-Gefühl) entwickeln. Zur Erreichung des Gruppenziels und zur Stabilisierung der Gruppenidentität ist ein System gemeinsamer Normen und eine Verteilung der Aufgaben über ein gruppenspezifisches Rollendifferenzial erforderlich“ (ebenda, S. 20-21).

Eine andere, doch sehr ähnliche Definitionsmöglichkeit der sozialen Gruppe ist die Auffassung, von einem sozialen System zu sprechen, „dessen Sinnzusammenhang durch unmittelbare und diffuse Mitgliederbeziehungen sowie durch ihre relative Dauerhaftigkeit bestimmt ist“ (Neidhardt in Schäfers 1999, S. 135).

Anhand dieser beiden Definitionen lassen sich dann bestimmte Definitionsmerkmale einer Gruppe erkennen. Es wird die Unmittelbarkeit der Mitgliederbeziehungen zum Ausdruck gebracht. Genauer gesagt ist damit der ‘face to face’-Kontakt der verschiedenen Gruppenmitglieder gemeint. Jedes Gruppenmitglied kann mit den restlichen Mitgliedern direkt in Kontakt treten und Interaktion betreiben. Die Wahrnehmung ist somit wichtiger Bestandteil (vgl. ebenda). Hier liegt ein Unterscheidungspunkt vieler Definitionen vor, da manche Wissenschaftler die Existenz von Gruppen an konkreten Mitgliederzahlen ausmachen. Es herrscht in der Literatur nämlich lediglich Einigkeit, „daß eine Person alleine noch keine Gruppe konstituiert“ (Crott 1979, S. 213). Es herrscht ferner auch Einigkeit darüber, daß es eine obere Grenze geben muß. Jedoch schwanken die Angaben doch sehr erheblich in Abhängigkeit des betrachteten Autors. Ein Konsens ist zukünftig auch in dieser Frage bestimmt schwer zu erreichen (vgl. ebenda).

Die Diffusität der Mitgliederbeziehungen zielt darauf ab, daß zwar ein spezifisch zu verfolgendes Gruppenziel seitens der Mitglieder existiert, dies jedoch nicht das einzige ist, denn innerhalb einer Gruppe gibt es mehrere Ziel- und Zwecksysteme, die Platz für Gefühle und offene Kommunikationen ermöglichen. Dieser Raum für Emotionen und offene Gespräche ist darüber hinaus bis zu einem gewissen Grad sogar erwünscht, jedoch kann eine Gruppe „nicht alle Erfahrungen, Argumente und Leidenschaften ihrer Mitglieder gleichermaßen zulassen“ (Neidhardt 1979, S. 647). Trotzdem spielt Sympathie und Antipathie zwischen den Gruppenmitgliedern bspw. bei Gruppenentscheidungen oder bei der Art und Weise der Interaktion immer eine signifikante Rolle (vgl. Tyrell 1983, S. 78-79).

Die Dauerhaftigkeit einer Gruppe fokussiert den Tatbestand, daß Gruppen auf die Anwesenheit ihrer Gruppenmitglieder angewiesen sind. Es soll aber gleichzeitig darauf hingewiesen werden, daß sie auch noch nach dem Auseinandergehen der Mitglieder weiter bestehen bleiben und nicht zerfallen - entweder ist man Bestandteil einer Handballmannschaft oder nicht (vgl. Neidhardt in Schäfers 1999, S. 136-137). Daraus folgt, daß Gruppen nicht auf eine einzelne Interaktion begrenzt sind, sondern daß man Gruppen auch angehören kann, „wenn man nicht bei jedem Gruppentreffen dabei ist“ (Tyrell 1983, S. 82).

Wird der Aspekt der Dauerhaftigkeit nochmals herausgegriffen, so läßt sich sofort erkennen, daß sich daraus über die Zeit ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln kann. Denn „wo interaktive Verdichtung sich zur Gruppenbildung konsolidiert und dabei mehr herauskommt als nur ein lockeres Netzwerk persönlicher Verbindungen, da entwickelt sich im Gruppenprozeß die Vorstellung von Zugehörigkeit [des einzelnen] und Zusammengehörigkeit, eventuell eine Art Wir-Gefühl“ (Tyrell 1983, S. 82). Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl muß sich dann über die Phasen der Trennung hinaus bewähren (vgl. ebenda, S. 83).

Aufgrund dieses Wir-Gefühls entstehen dann Gruppengrenzen zur Umwelt. Dies läßt sich durch das besondere Verhältnis der Mitglieder untereinander erklären. Alle Gruppenmitglieder zeichnen ganz bestimmte und gruppenindividuelle Dinge aus, die sie miteinander verbinden (Gruppenidentität) und gegenüber Dritten abgrenzen und im Gegenzug genauso gut von Dritten auch ausgrenzen können. Die entstandene Systemgrenze befindet genau darüber, wem die Exklusivität einer bestimmten Gruppe zuteil wird bzw. wem sie verwehrt bleibt (vgl. ebenda, S. 82-83). Somit kann an dieser Stelle die Feststellung getroffen werden, daß Gruppenbildung immer auch etwas ausschließt und die Gruppe sich umgekehrt auch von der Umwelt abhebt.

Bei näherer Betrachtung verschiedener Gruppen läßt sich ferner feststellen, daß jede Gruppe ein eigenes inneres System erschaffen hat. Dieses System umfaßt u.a. die Rollendifferenzierung der Mitglieder, die gruppenspezifische Normenausbringung und hierachischen Entscheidungsmechanismen. Die Entwicklung dieses besonderen Systems ist abhängig von spezifischen Außenweltfaktoren (z.B. externer Handlungsdruck, Vorhandensein handlungsrelevanter Ressourcen oder Mitgliedschaftsalternativen in andere attraktive Gruppen). Welche Wirkungsweise diese Faktoren auf die Gruppe haben, läßt sich pauschal nicht eindeutig sagen, da nämlich eine gewisse Verbindung zwischen den Innenweltbedingungen und den Außenweltfaktoren besteht, je nachdem auf welche inneren Strukturen diese äußeren Faktoren treffen. Eine Gruppe ist folglich von zwei Seiten determiniert und steht in einer Austauschbeziehung zu ihrer Umwelt. Um sich diese Wirkungsweisen der Strukturbildung von Gruppen zu verdeutlichen kann man bspw. die Auswirkungen von Mitgliedschaftsalternativen auf die Gruppe betrachten. Ist es für ein Gruppenmitglied leicht einen Wechsel in eine andere attraktive Gruppe zu realisieren, so ergibt sich innerhalb der Eigengruppe ein hoher Bedarf an Konsensus und ein ebenso hoher Legitimationsbedarf bei der Führerschaft, um letztendlich das Abwandern eines bestimmten Gruppenmitglieds zu vermeiden. Betrachtet man hingegen den gegensätzlichen Fall, so kommt man zu dem Ergebnis, daß sich ausbeuterische Beziehungen herausbilden können (vgl. Neidhardt in Schäfers 1999, S. 137-139), da ein besagter Gruppenwechsel nicht leicht zu realisieren ist bzw. ein Wechsel nicht stattfinden kann.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Welchen Einfluss hat das Groupthinksyndrom bei Gruppenentscheidungen?
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Soziologie der Gruppe
Note
2,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
16
Katalognummer
V12615
ISBN (eBook)
9783638184564
ISBN (Buch)
9783656206880
Dateigröße
443 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Groupthinksyndrom, Gruppensoziologie, Entscheidungen
Arbeit zitieren
Jens Grauenhorst (Autor:in), 2003, Welchen Einfluss hat das Groupthinksyndrom bei Gruppenentscheidungen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12615

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