Die Möglichkeiten der sprachlichen Vermittlung von Werten in der Werbung

Eine vergleichende Analyse französischer und deutscher Werbeanzeigen


Magisterarbeit, 2002

124 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung

1 Werbung
1.1 Definition
1.2 Bedingungen der Marktkommunikation
1.3 Textsorte „Werbeanzeige“
1.3.1 Formaler und inhaltlicher Aufbau
1.3.2 Sprache
1.3.3 Bild-Text Relation
1.4 Werbung als Spiegel gesellschaftlichen Wandels
1.5 Kritik an der Werbung

2 Überzeugungsstrategien in der Werbung
2.1 Menschenbilder und Werbung
2.1.1 Der homo oeconomicus
2.1.2 Der homo sociologicus
2.1.3 Der „psychological man“
2.1.4 Das Menschenbild im Marketing
2.2 Überzeugungsstrategien
2.2.1 Beeinflussungstechniken in der Werbung
2.2.2 Kritik und Zusammenfassung
2.3 Werbung und Werte
2.3.1 Definitionen
2.3.2 Die Funktion von Werten in der Werbung

3 Analyse: Die Möglichkeiten der sprachlichen Vermittlung von Werten in der werbung – Vergleich französischer und deutscher Werbeanzeigen
3.1 Isotopie
3.1.1 Das Isotopiekonzept von Greimas
3.1.2 Die Bedeutung des Isotopiekonzeptes für die Analyse von Werbeanzeigen
3.2 Vorgehensweise
3.3 Stilmittel auf Textebene
3.3.1 Intertextualität
3.3.2 Ansprache des Lesers
3.3.3 Varietäten
3.4 Stilmittel auf Satzebene
3.4.1 Rhetorische Figuren
3.4.2 Sprachspiele
3.5 Stilmittel auf Wortebene
3.5.1 Hochwertwörter
3.5.2 Schlüsselwörter
3.5.3 Plastikwörter
3.5.4 Neologismen
3.5.5 Fremdsprachige Elemente

4 schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Anhang

Anhangsverzeichnis

Liste der französischen Anzeigen

Liste der deutschen Anzeigen

BIBLIOGRAPHIE

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Umgangssprachliche Hochwertwörter

Tabelle 2: Hochwertende Bezeichnungen

Tabelle 3: Hochwertwörter, die Werte verstärken

Tabelle 4: Schlüsselwörter

Tabelle 5: Plastikwörter

Tabelle 6: Plastikwörter, die kontextabhängig verschiedene Werte vermitteln

0 Einleitung

„On sait ... que les consommateurs achètent, non de simples objets matériels, mais aussi des rêves auxquels ceux-ci servent de support : non seulement des oranges mais aussi de la santé, non un produit de beauté, mais de l’espoir, non une automobile ou un billet d’avion, mais du prestige.“[1]

Das Thema „Werbung und Werte“ wurde bisher schon unter verschiedenen Aspekten untersucht.[2] Daß Werbung an Wertvorstellungen der Konsumenten appelliert, ist allgemein bekannt. Doch wie werden Produkte und Werte miteinander verbunden? Auf welche Weise wird dem Betrachter einer Werbeanzeige suggeriert, ein bestimmtes Produkt erfülle seinen Wunsch nach Freiheit, Vergnügen oder Sicherheit? Diese Arbeit widmet sich einem Gesichtspunkt, der bisher – soweit der Autorin bekannt – noch nicht bearbeitet wurde. Es soll darum gehen zu untersuchen, mit welchen sprachlichen Mitteln die Werbung versucht, Produkte mit bestimmten Werten zu verbinden, um auf diese Weise Kaufargumente zu liefern.

Auf gesättigten Märkten, die von immer mehr Produkten überschwemmt werden, die sich im Grunde kaum voneinander unterscheiden, muß ein Anbieter andere Wege finden, sein Produkt im Bewußtsein der Nachfrager zu verankern, als nur den objektiven Produktnutzen anzupreisen. Er muß versuchen, an Emotionen und Werte des potentiellen Kunden zu appellieren. Doch der Wert, mit dem ein bestimmtes Produkt verbunden wird, erfüllt auch für den Konsumenten einen nicht zu unterschätzenden Zweck: er dient seiner Positionierung in der sozialen Gruppe. Der Kunde macht durch den Kauf und Gebrauch eines bestimmten Produktes seine Zugehörigkeit zu einer Gruppe (etwa durch Statussymbole wie Autos oder durch Markenkleidung) deutlich und grenzt sich gleichzeitig von anderen Gruppierungen ab. Um die Wirkungsweise von Werten zu verstehen und für das Marketing nutzbar zu machen, ist der Einfluß von Werten auf das Konsumentenverhalten schon in betriebswirtschaftlichen Werken untersucht worden.[3] Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, mit welchen sprachlichen Mitteln in der Werbung Werte und Produkte miteinander verbunden werden. Zu diesem Zweck wurden jeweils 25 französische und deutsche Anzeigen der Jahre 2001 und 2002 aus den Zeitschriften Expansion, Télérama und Spiegel untersucht. Es handelt sich um Anzeigen der Firmen Renault, Peugeot und Citroën. Die Anzeigen wurden im Hinblick auf folgende Fragen kontrastiv untersucht:

- Mit welchen sprachlichen Mitteln können Werte vermittelt werden?
- Lassen sich Verallgemeinerungen darüber anstellen, ob bestimmte sprachliche Mittel tendenziell zur Vermittlung bestimmter Werte verwendet werden?
- Inwiefern kann ein sprachlicher Ausdruck für verschiedene Werte stehen? (d.h. Inwiefern ist die Wirkung der einzelnen sprachlichen Mittel voneinander abhängig?)

Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: im ersten Teil werden Grundlagen zum Thema Werbung erläutert, d.h. zum Wesen der Werbung, ihren Funktionen, Aufbau, sprachlichen Merkmalen und zur Entwicklung verschiedener Werbestile. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Überzeugungsstrategien der Werbung. Ausgehend von dem Menschenbild, welches der Werbung zugrunde liegt, werden die verschiedenen Verfahren, die in der Werbung zur Steuerung des Konsumentenverhaltens angewandt werden, erläutert. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Werte, die in ihrem Wesen und ihrer Nutzung für werbliche Ziele näher bestimmt werden sollen. Teil 1 und 2 bilden somit die Grundlage für die linguistische Analyse französischer und deutscher Werbeanzeigen, die im dritten Teil erfolgt.

Zu den einzelnen Ergebnissen werden Beispiele aus (wenn möglich) den Anzeigen beider Länder angeführt. Die Zahlen in Klammern hinter den Beispielen verweisen auf die Nummer der Anzeige im Anzeichenkorpus.[4]

Mit der Gegenüberstellung von Anzeigen aus zwei Ländern soll außerdem untersucht werden, ob das gleiche Produkt in verschiedenen Ländern für unterschiedliche Werte steht – was eine Erklärung dafür liefern würde, warum ein Unternehmen in verschiedenen Ländern unterschiedliche Werbekampagnen betreibt.

Die Gestaltung der Werbeanzeigen wird Aufschluß über die Relevanz bestimmter Werte in beiden Ländern geben. In dieser Arbeit soll es allerdings nicht primär darum gehen, aufzuzeigen, welche Werte in der Werbung vermittelt werden, sondern wie sie kommuniziert werden. Da es sich nicht um eine quantitative, sondern eine qualitative Analyse handelt, werden sämtliche Ergebnisse gleichwertig – ohne Rangordnung – aufgelistet. Ziel dieser Arbeit ist es, die Möglichkeiten der Vermittlung von Werten aufzuzeigen.

Der Gültigkeit dieser Arbeit sind gewisse Grenzen gesetzt: zum einen werden Werte meist über subtile sprachliche Mechanismen vermittelt, die für Nicht-Muttersprachler häufig schwer zu erkennen sind. Zum anderen wirkt Werbung nicht auf jeden Betrachter in genau gleicher Weise, gewisse subjektive Einschätzungen werden sich deshalb nicht vermeiden lassen. Beiden Problemen wurde aber insofern entgegengetreten, als daß während einer Pilotstudie als auch im Verlauf der gesamten Untersuchung immer wieder eine Gruppe von französischen und deutschen Muttersprachlern befragt wurde, um die Ergebnisse zu überprüfen. Außerdem werden sich durch die Anzahl der untersuchten Anzeigen gewisse Tendenzen feststellen lassen.

1 Werbung

1.1 Definition

„In allgemeiner Form umfaßt die Werbung, als sozialpsychologisches und soziologisches Phänomen, alle Formen des Versuchs der bewußten Beeinflussung von Menschen im Hinblick auf jeden beliebigen Gegenstand. Werbung kann aus wirtschaftlichen, politischen oder kulturellen Gründen betrieben werden.“[5]

Wie aus obiger Definition hervorgeht, handelt es sich bei der Werbung um ein gesellschaftliches Phänomen, d.h. Werbung und gesellschaftliche Entwicklung stehen in einem Wechselverhältnis zueinander.[6]

Werbung ist eine Form der Massenkommunikation. Das heißt, sie wird mit Hilfe technischer Verbreitungsmittel einer breiten Masse von Empfängern übermittelt. Dabei besteht eine zeitliche und räumliche Distanz zwischen Sender und Empfänger der Botschaft. Im Hinblick auf das Übertragungsmedium kann man unterscheiden zwischen Fernseh-, Rundfunk-, Print- und seit einigen Jahren auch Internetwerbung.

Der Informationsaustausch verläuft in nur eine Richtung, vom Sender zum Empfänger. Werbung ist also eine monologische Kommunikationsform. Der Sender erhält kein Feedback vom Empfänger.[7] Es wäre falsch, anzunehmen, man könnte vom Kaufverhalten des Konsumenten direkt auf die Wirkung der Werbung schließen, da nicht nur sie, sondern auch die Persönlichkeit des Verbrauchers und sein Umfeld Einfluß auf sein Kaufverhalten haben.

Ziel der Werbung ist es, den Empfänger der Werbebotschaft in einer Weise zu beeinflussen, daß er im Sinne des Werbetreibenden handelt. Wichtig ist hier folgendes: die Werbung versucht, den Konsumenten zu beeinflussen, man sollte nicht pauschal davon ausgehen, daß ihr das auch gelingt. Das wohl bekannteste Modell, welches die Wirkungsweise von Werbung erklärt, ist die 1898 von Lewis entwickelte AIDA – Formel[8], welche sich in vier Stadien gliedert. Sie stehen für die psychologischen Zustandsphasen, die ein Konsument von der Wahrnehmung der Werbebotschaft bis zum Kauf des Produktes durchläuft:

A – Attention (Aufmerksamkeit)

I – Interest (Interesse)

D – Desire (Wunsch)

A – Action (Handlung)

Von dieser Formel existieren auch andere, leicht abgewandelte bzw. erweiterte Variationen wie IADA (Interesse wird hier nicht als Folge, sondern Voraussetzung für Aufmerksamkeit gesehen) und AIDCA (C = gain confidence).[9] Einschränkend muß zu diesen Modellen gesagt werden, daß eine Kettenreaktion, wie sie hier beschrieben wird, nur idealtypisch sein kann. Nicht jede Stufe wird immer in gleicher Weise aktiviert. Je nach Persönlichkeit des Empfängers können einzelne Phasen stärker ausgeprägt sein. Außerdem bestehen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Stufen, z.B. bedingen Interesse und Aufmerksamkeit sich gegenseitig und es ist nicht eindeutig zu bestimmen, welche Reaktion zuerst wachgerufen wird.

Um Interesse auf sich zu ziehen und den Wunsch nach einem Produkt zu wecken, bedient sich die Werbung verschiedener Überzeugungsstrategien. Diesem Punkt widmet sich ausführlich Kapitel zwei dieser Arbeit.[10]

„[Werbung] bildet Vorstellungen im Bewußtsein der Rezipienten, sie entwickelt das spezielle Image eines Produktes, ohne das dieses kaum eine Chance hätte, gekauft zu werden. Ihr Ziel ist es in erster Linie, Identifikationsmöglichkeiten anzubieten – zur Identifikation mit dem von ihr erzeugten Image des Produktes – und zum Konsum anzuregen.“[11]

Aufgabe der Werbung ist es – zumindest heute – nicht einfach nur, ein Produkt zu nennen und seinen objektiven Nutzen anzupreisen. Sie übermittelt eine Botschaft, einen emotionalen Zusatznutzen, ein Versprechen, das über die Produktqualität hinausgeht. Sie verspricht dem Konsumenten, er werden durch den Gebrauch eines Produktes erfolgreicher sein – im Beruf und beim anderen Geschlecht, sein Leben werde an Qualität gewinnen, da er sich ein Stückchen Freiheit oder Abenteuer kaufen könne etc.

Ein Unternehmen verfolgt mit seiner Werbung ökonomische und außerökonomische Ziele. Zu den ökonomischen Zielen zählen: Umsatz- und Gewinnsteigerungen und der Ausgleich saisonaler und konkurrenzbedingter Schwankungen. Außerökonomische Ziele, d.h. Bekanntmachung eines Produktes, Entwicklung einer Produkteinstellung beim Konsumenten und Bedürfnisweckung, tragen mittelbar zur Erreichung der ökonomischen Ziele bei. Bei der Wirtschaftswerbung unterscheidet man zwischen Absatz- und Imagewerbung. Während bei der Absatzwerbung der direkte Kaufappell im Vordergrund steht, also ökonomische Ziele verfolgt werden, ist es Ziel der Imagewerbung, einen Hersteller, eine Marke oder ein Produkt überhaupt im Gedächtnis der Konsumenten zu verankern, mit einem bestimmten Image zu verbinden und ihn so in einem zweiten Schritt zum Kauf eines Produktes zu bewegen.[12]

Zentes nennt als Aufgaben der Werbung: Information, Überzeugung, Veranlassung und Unterhaltung.[13] Letztere ist sicher eine Erscheinung der letzten Jahre. Inzwischen gibt es Preisverleihungen und Fernsehshows für die besten Werbespots der Welt. Schließlich erreicht ein Hersteller auch dadurch, daß seine Werbung als unterhaltsam oder amüsant wahrgenommen wird, einen Imagegewinn. Dem Konsumenten dient Werbung neben der Unterhaltung auch der Vermittlung von Informationen, emotionalen Konsumerlebnissen und Normen für das Kaufverhalten.[14]

1.2 Bedingungen der Marktkommunikation

Zu einer ersten Interpretation der Kommunikationsform „Werbung“ bietet sich die Laswell-Formel: „Wer sagt was über welchen Kanal zu wem mit welcher Wirkung?“[15] an. In dieser Formel sind die wichtigsten Bestandteile und Einflußgrößen von Werbung enthalten. Eine Erweiterung dieser Formel stellt das Modell von Schweiger/Schrattenecker dar, das einige wichtige Komponenten des Kommunikationsumfeldes mit einschließt. Es zeigt, daß Konsumenten nicht nur dem Einfluß eines Werbetreibenden, sondern auch seiner Konkurrenten und anderer Institutionen wie z.B. Verbraucherschutzverbänden ausgesetzt sind, die die Möglichkeiten der Einflußnahme des Werbenden einschränken. Des weiteren wird deutlich, daß sich Verbraucher nicht allein auf der Grundlage einer Werbeanzeige oder eines Fernsehspots für den Kauf eines Produktes entscheiden, sondern in persönlichen Kontakt zu anderen Verbrauchern wie auch Meinungsführern treten, die maßgeblichen Einfluß auf die Kaufentscheidungen ausüben können. Außerdem werden Verbraucher beeinflußt von anderen marketingpolitischen Instrumenten wie Preis-, Distributions- und Produktpolitik, von der allgemeinen wirtschaftlichen Lage sowie von sozialen Leitbildern, Erwartungen etc.[16] Es wird also deutlich, daß der Konsument keineswegs so leicht zu beeinflussen ist, wie oftmals behauptet wird.[17]

Zu den gesellschaftlichen Bedingungen, denen sich die Werbung stellen muß, zählen im einzelnen[18]:

- rechtliche Bestimmungen: z.B. das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, welches die Irreführung der Umworbenen sowie die Ausnutzung von Gefühlen verbietet. Insbesondere der letzte Punkt wird von Werbetreibenden immer wieder unterlaufen.
- die öffentliche Meinung: Sie hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluß darauf, in welchem Maße sich die Bevölkerung der Werbung überhaupt aussetzt und wie sie sie aufnimmt.
- Wertorientierungen: Unter Wertorientierungen sind charakteristische Idealvorstellungen einer sozialen Gruppe zu verstehen, die die Handlungen des Einzelnen beeinflussen können.[19] Für die Werbung sind grundlegende Entwicklungen von Bedeutung.
- Trends: Erlebnis- und Genußorientierung, Gesundheits- und Umweltbewußtsein sind Trends, die die Werbung aufgreift, um Produkte zu positionieren.

1.3 Textsorte „Werbeanzeige“

1.3.1 Formaler und inhaltlicher Aufbau

Eine Werbeanzeige läßt sich grob untergliedern in einen Bild- und einen Textteil.

Beim Anzeigentext unterscheidet man traditionell zwischen Schlagzeile, Fließtext, Slogan und Produktnamen.[20]

Die Schlagzeile (Headline) ist das zentrale Textelement, das die Aufmerksamkeit des Lesers wecken soll. Dazu werden auffällige sprachliche Strategien angewandt: Wortspiele, rhetorische Figuren, ungewöhnliche Interpunktion u.a. Sie thematisiert in der Regel den Zusatznutzen des Produktes. Dieser kann in einer Produkteigenschaft, einer besonderen Verwendungssituation oder einem Verbrauchsaspekt, einem besonderem Nutzen für den Konsumenten oder in der Verbindung des Produkts mit allgemeinen Wertvorstellungen bestehen.

Der Fließtext (Copy, Textbody, Body Copy):

„Seine Funktion ist es, den in der Schlagzeile thematisierten Aufhänger als Text-Thema aufzugreifen und in einer stilistisch und semantisch kohärenten Form auszuführen bzw. das Bildmotiv der Anzeige sprachlich auszuformulieren oder mit weiteren Angaben zu ergänzen.“[21]

Der Fließtext dient dazu, Kaufargumente zu liefern und die Funktionsweise des Produktes zu erläutern. Besonders in den letzten Jahren verzichtet die Werbung immer öfter auf den Fließtext.

Der Slogan, der über einen relativ langen Zeitraum hinweg in (fast) jeder Anzeige eines Herstellers auftaucht, dient zur Identifikation des Produktes, der Marke oder des Herstellers. Deshalb bezieht er sich nicht auf den Inhalt einer speziellen Anzeige, sondern umschreibt eher allgemein positive Aspekte eines bestimmten Produktes. Er übernimmt eine imagebildende Funktion, indem er im Bewußtsein des Verbrauchers fest mit einem Produkt (einer Marke, einem Hersteller) verbunden wird. Deshalb kommen Anzeigen oft auch völlig ohne Schlagzeile und Fließtext aus. Die Erwähnung des Slogans reicht aus, um das Produkt und die damit verbundenen Assoziationen im Bewußtsein des Konsumenten wachzurufen. Auch der Slogan bedient sich daher ausgewählter sprachlicher Mittel.

Der Produktname nimmt eine lexikalische Zwischenstellung zwischen Eigennamen und Appellativen ein. Zwar identifiziert er wie ein Eigenname einzelne Objekte, gleichzeitig steht er jedoch wie ein Appellativum für eine ganze Klasse von Gegenständen. Er dient der Identifikation von Produkten (und damit auch der Differenzierung von Erzeugnissen der Konkurrenz). Produktnamen sollen dem Konsumenten direkt oder unter Umständen auch unterschwellig Informationen oder Assoziationen vermitteln. Schon allein der Klang eines Produktnamens vermittelt dem Verbraucher bestimmte Konnotationen. So hat jede Produktgattung eine bestimmte Form bevorzugter Namenstypen. Chemische Produkte wie z.B. Arzneimittel klingen häufig kompliziert, weisen griechisch-lateinische Wortbestandteile auf, die darauf verweisen sollen, daß diese Produkte Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen sind. Güter des täglichen Gebrauchs werden dagegen mit kurzen, einprägsamen Namen versehen. Teure Güter wie z.B. Autos wiederum bekommen wohlklingende Namen, die dem Produkt einen besondere Ausstrahlung verleihen oder Buchstaben-Zahlen Kombinationen, die auf fortschrittliche Technologie verweisen sollen.[22]

Weitere mögliche Textbausteine sind:

ADDS (Additions), d.h. Hinzufügungen zu Produkt- und Markennamen wie z.B. registriertes Markenzeichen® oder Trademark™. Sie dienen dazu, den Rechtsstatus des Namens zu klären und werden als Beweis für besondere Produktqualität angesehen.

Claims (Abbinder) ziehen ein Fazit der Aussage des Fließtexts. Im Unterschied zum Slogan werden sie nicht in jeder Anzeige eines Herstellers wiederholt.

Inserts (Einklinker) sind Einschübe an nicht zentralen Stellen mit aktuellem Ort- und Zeitbezug, also z.B. Informationen zu Preisen, Sonderaktionen, Öffnungszeiten einzelner Verkaufsstellen, besonderen Veranstaltungen etc.

Antwort-Coupons zum Ausschneiden.

Bildtexte sind erläuternde Unterschriften zu Bildern oder Textbausteine, die in Bilder integriert sind.

Die Werbebotschaft besteht aus drei Komponenten[23]:

- Basisbotschaft: Sie definiert und grenzt das Produkt von anderen ab.
- Nutzenbotschaft: Sie stellt dem Konsumenten den besonderen (über den Gebrauchsnutzen hinausgehenden) Nutzen eines Produktes vor. Das Produkt erreicht somit einen Verkaufsvorteil.
- Nutzenbegründung: Der Leser soll mit Hilfe von Argumenten vom Nutzen des dargestellten Produktes überzeugt werden.

1.3.2 Sprache

Da es in dieser Arbeit nicht darum gehen soll, Merkmale der Werbesprache an sich zu beschreiben und derartige Untersuchungen auch schon mehrfach vorliegen[24], sollen an dieser Stelle nur einige generelle Bemerkungen zur Sprachverwendung in der Werbung gemacht werden. In Teil 3, der die Ergebnisse dieser Studie beinhaltet, werden die sprachlichen Mittel, die Werte vermitteln sollen, näher erläutert.

Baumgart definiert Werbesprache als „Resultat einer auf Verhaltenssteuerung abzielenden Sprachplanung“[25]. Werbesprache hat keine Sprecherwirklichkeit. Sie ist artifiziell und dient einem ganz bestimmten Zweck: auf die Anzeige bzw. den Fernsehspot und damit auf das Produkt aufmerksam zu machen. Dazu bedient sie sich der Mittel der Alltagssprache, verwendet diese aber so häufig bzw. in ungewöhnlicher, verfremdeter Weise, daß sie auffallen muß.

Einige grundlegende Merkmale der Werbesprache sind nach Conen[26]

- auf Wortebene: Verwendung von Wörtern verschiedener Varietäten (Fachwörter, jugendsprachliche Elemente), Hochwertwörter, Neologismen, Fremdwörter, bestimmte Konnotationen und Assoziationen hervorrufende Wörter, rhetorische Figuren;
- auf Satzebene: unvollständige Sätze, vorwiegend Aussagesätze (besonders Imperativ-, Interrogativ-, Konditional-, Final- und Kausalsätze), rhetorische Figuren;
- auf Textebene: Persuasion, Einsatz von Konnotation und Assoziation.

1.3.3 Bild-Text Relation

Obwohl es sich hier um eine linguistische Arbeit handelt, kann der Bildteil bei einer Interpretation der Werbegestaltung nicht völlig außer acht gelassen werden.

Das Bild nimmt in der heutigen Werbung (Fernseh- wie Printwerbung) einen immer höheren Stellenwert an. Das liegt vor allem daran, daß ein Bild schneller wahrgenommen werden kann als ein Text. Bei der vorherrschenden Informationsüberflutung und im Besonderen der massiven Präsenz der Werbung ist es extrem wichtig, daß eine Anzeige in kürzester Zeit, d.h. in Bruchteilen von Sekunden, Aufmerksamkeit erregen kann. Diese Funktion wird vor allem vom Bild übernommen. Erst wenn diese Hürde genommen ist, wendet sich der Leser (eventuell) dem Anzeigentext zu. Das Bild kann (wie die Sprache allerdings auch) eine Atmosphäre schaffen, in die ein Produkt eingebettet wird. Ein Vorteil des Bildes besteht vor allem darin, daß es leichter akzeptiert wird als ein Text. Der Verbraucher ist eher geneigt, etwas zu glauben, was er auch sieht. Auf diese Weise kann die bildliche Darstellung eines Sachverhalts wie ein Beweis aufgefaßt werden bzw. wie ein Versprechen:

„Bild und Text in der Werbung ergänzen sich auf wunderbare Weise: Während der Text noch affirmative und persuasive Appelle sendet, zeigt das Bild den Konsumenten bereits in dem glücklichen Zustand, in den ihn der Erwerb der Ware versetzt hat.“[27]

Auch Farben spielen eine wichtige Rolle in der Werbung, da sie große Symbolkraft besitzen. Sie können Assoziationen hervorrufen und uns ein Produkt sympathisch machen.

Dennoch hat das Bild die Sprache nicht völlig aus der Werbung verdrängen können. Über die relative Bedeutung beider Bestandteile der Werbung bestehen unterschiedliche Ansichten. Baumgart beispielsweise vertritt die Ansicht, das Bild sei auf die Sprache angewiesen und komme nicht ohne sie aus. Im Gegensatz dazu wäre eine Werbeanzeige ohne Bilder möglich, schließlich rege nicht ein Bild, sondern der Text den Konsumenten zum Kauf eines Produktes an.[28] Dagegen spricht, daß es heutzutage immer mehr Werbung gibt, die nur mit Bild und Produkt-, Marken- oder Herstellernamen, aber ohne weiteren Text auskommt. Kroeber-Riel weist dem Bild größere Überzeugungskraft zu, denn „Bilder sind besser zur Verhaltenssteuerung geeignet, weil ihre Wirkungen vom Empfänger im allgemeinen weniger durchschaut und kontrolliert werden.“[29]

Tatsächlich sind die Beziehungen zwischen Bild und Text vielfältiger Natur. Sie können sich gegenseitig veranschaulichen, präzisieren bzw. erläutern – je nachdem, welches der beiden Elemente im Vordergrund der Anzeige steht. Ist das Bild mehrdeutig, kann es durch den Text monosemiert werden und umgekehrt (gleichwertiges Verhältnis Bild – Text). Das Bild kann als emotionale Komponente dienen und Assoziationen wecken (textdominante Werbung).[30] In neuerer Zeit gewinnt bilddominante Werbung an Bedeutung, d.h. Sprache wird teilweise nur noch dazu verwendet, den Produktnamen und eventuell den Slogan zu nennen.

1.4 Werbung als Spiegel gesellschaftlichen Wandels

„Werbekonzepte und -dokumente stehen in einem Wechselverhältnis zu gesellschaftlichen Normen, Werten und Vorstellungen, die letztlich die Gestalt und die Sprache der Werbung bestimmen.“[31]

Die Gestaltung von Werbeanzeigen hat sich im Laufe ihrer Entwicklung ständig verändert und den Bedingungen des Marktes angepasst. Kloss unterscheidet für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fünf verschiedene Werbetypen[32]:

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Konsumgütermarkt durch Güterknappheit gekennzeichnet. Auf einem solchen Anbietermarkt reichte es aus, Produkte in Werbeanzeigen zu zeigen ohne extra auf qualitative Eigenschaften derselben einzugehen. Funktion der Werbung war der bloße Hinweis auf die Existenz eines Produktes.

Mit dem wirtschaftlichen Wachstum wandelte sich der Anbieter- zum Käufermarkt. Die Werbung bediente sich jetzt der rationalen Argumentation, aber auch emotionaler Appelle, um Präferenzen für Produkte zu fördern.

Die eingetretene Marktsättigung in den sechziger Jahren führte zur Herausbildung eines dritten Werbetyps. Dieser versuchte, Produkte mit Images und Leitbildern zu verbinden und auf diese Weise eine Nachfrage zu schaffen. Rationale Argumentation allein war nicht mehr ausreichend, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen.

Zur Zeit läßt sich die Existenz zweier Werbetypen erkennen: Werbung der vierten Art dient quasi als Selbstzweck. Diese Art der Werbung kommt häufig ohne das beworbene Produkt aus, versucht vielmehr, ein bestimmtes Lebensgefühl zu vermitteln. Dahinter steht der Gedanke, daß ein Unternehmen, welches sich diese – meist kostspielige – Werbung leisten kann, auch qualitativ wertvolle Produkte produzieren muß. Andernfalls würden sich die Werbeausgaben wegen ausbleibender Käufer schließlich nicht rentieren.

Werbung der fünften Art hat das Ziel, zu provozieren und dadurch auf sich aufmerksam zu machen. Stellvertretend hierfür sei die Werbung von Benetton genannt, die immer wieder für Diskussionen sorgt.

Werbung wird vielfach als „Spiegel der Gesellschaft“ bezeichnet.[33] In der Kritik verschiedener Seiten wird hingegen oft unterstellt, daß nicht die Gesellschaft die Werbung, sondern die Werbung die Gesellschaft zu beeinflussen versuche.[34] Specht kritisiert, die Werbung habe „zu einer Ausweitung der Bedürfnisse, zur Steigerung des Verlangens nach ihrer Befriedigung, aber auch zur Entstehung einer Konsumentenmentalität beigetragen.“[35]

Die Frage ist also: „Ist Werbung statt ‘Spiegel der Gesellschaft’ nicht eher ein ‘Spiegel der politischen und ökonomischen Ziele’ ihrer Auftraggeber?“[36] Die Wahrheit liegt wahrscheinlich zwischen beiden Positionen. Natürlich zeigen sich in der Gestaltung der Werbebotschaften die Interessen der Anbieter, doch müssen sich diese wiederum auf die Meinungen und Bedürfnisse der Verbraucher einstellen, um überhaupt akzeptiert zu werden.

„Sosehr Werbebotschaften beanspruchen, kollektiven Vorstellungen Ausdruck zu geben, bleiben sie doch immer Kunstprodukte, die durch einen hohen, von Individuen geleisteten Bearbeitungsgrad so geformt sind, daß sie eben beides miteinander verschmolzen dokumentieren: Absatzinteressen der Auftraggeber und Akzeptanzdruck des anvisierten Kollektivs. Insofern stellen Werbebilder und -botschaften hochsensible Quellen mit geradezu prismatischen Eigenschaften dar. In ihnen treffen, akkumulieren oder negieren sich Intentionen und Einstellungen von Sendern und Empfängern, kreuzen und überlagern sich Reflexe aus der Gesellschaft mit Impulsen in die Gesellschaft, kommen Selbstverständnis und Code von Epochen und Zeiten in mancherlei Akzentuierungen, Verdichtungen, aber auch Ausblendungen zur Sprache und gewinnen Symbolmacht.“[37]

Lakaschus argumentiert, daß nicht nur die Werthaltungen einer Gesellschaft die Werbung beeinflußt, sondern daß umgekehrt auch die Werbung Werthaltungen verändern kann:

„Da Werbung ja den Menschen, wenn auch jeweils nur auf Einzelbereiche bezogen, Verhaltensvorgaben gibt (indem sie seine Entscheidungen im Konsumbereich beeinflußt), ist sie bereits ein wichtiger Faktor in einem Prozeß des Wertewandels. [...] Werte wandeln Werbung – und Werbung stellt einen mächtigen Einflußfaktor für die Entwicklung neuer Werte dar. Sie tut dies nicht bewußt – sie wirbt nicht für den Wertewandel – aber je sensibler sie sich auf den ‘Zeitgeist’ einstellt, desto erfolgreicher ist sie. Und weil sie erfolgreich sein möchte, verstärkt sie die Trends, die beginnen, für große Bevölkerungsgruppen wichtig zu sein.“[38]

An diesem Punkt stellt sich die Frage nach der Manipulationsmacht der Werbung. Ist es legitim, wenn die Werbung an unsere Wertvorstellungen appelliert, an Wünsche und Bedürfnisse, denen wir uns nicht entziehen können? Welche Haltung nehmen Kritiker der verschiedensten Seiten sowie Konsumenten der Werbung und ihren Methoden gegenüber ein?

1.5 Kritik an der Werbung

Die Einstellungen zum Thema Werbung, Information oder Manipulation in der Werbung, Überzeugen oder Überreden des Konsumenten, differieren je nachdem, aus welcher Disziplin die jeweiligen Kritiker kommen. Besonders von Seiten der Sozialkritiker ist immer wieder der Vorwurf zu vernehmen, die Werbung arbeite mit unlauteren Mitteln, um den Verbraucher im Sinne der Werbetreibenden zu beeinflussen. Der Konsument wird dabei als nahezu willenloses Wesen dargestellt, der sich den Manipulationsversuchen der Werbung nicht entziehen kann.[39] Dieser „Mythos der geheimen Verführer“[40] dürfte jedoch längst widerlegt sein. Werbung kann den Konsumenten nur zu Handlungen veranlassen, zu denen er prinzipiell ohnehin bereit ist.

„Alle kommunikativen werblichen Impulse treffen ja nicht auf ein völlig ‘meinungsloses’ Individuum, sondern auf einen bereits mit mannigfaltigen Meinungen und Einstellungssystemen behafteten und vorgeprägten Menschen. Nur wenn die werbliche Kommunikation den Wünschen, Wertvorstellungen und Zielen der Empfänger entspricht, kann sie unter bestimmten Voraussetzungen Erfolg haben.“[41]

Dieses Argument trifft nun auf erneute Kritik. Daß die Werbung menschliche Grundbedürfnisse ausnutzt, um Produkte zu verkaufen, erscheint abermals bedenklich, da sich der Konsument Appellen wie Identifikation mit einer Gruppe oder Anerkennung schwer entziehen kann.[42] Hier stellt sich die Frage nach dem Menschenbild, welches der Werbung zugrunde liegt. Handelt es sich beim Verbraucher um ein rational handelndes Wesen, welches Vor- und Nachteile einer Handlung abwägt und sich danach entscheidet oder wird er als psychologisch und sozial determiniert angesehen, in einer Weise, daß sein eigener Wille maßgeblich von inneren und äußeren Einflüssen determiniert wird, die er selbst schwer steuern kann? Dieser Frage soll im Kapitel 2.1 (Menschenbilder und Werbung) nachgegangen werden.

Zum Teil wird gefordert, die Werbung solle ihre Informationsfunktion stärker wahrnehmen und somit zur Verbraucheraufklärung beitragen.[43] Derartige Forderungen widersprechen jedoch grundlegend dem Wesen und den Funktionen der Werbung. Sie dient eben nicht zur Erhöhung der Markttransparenz, sondern dazu, den Umsatz der Anbieter zu steigern.[44] Rein informative Werbung würde nicht die Aufgabe erfüllen, einer Marke oder einem Produkt ein spezifisches Image zu verleihen. Da sich viele Produkte in rein funktionaler Hinsicht gleichen, ist es für einen Hersteller wichtig, das Produkt mit bestimmten Assoziationen und Werten aufzuladen, um es im Bewußtsein der Verbraucher als einzigartig zu verankern. Außerdem wird kein Verbraucher annehmen, daß ihm in Anzeigen und Fernsehspots Produkte mit all ihren Vor- und Nachteilen präsentiert werden.

Der Verbraucher selbst bestreitet die Manipulationsmacht der Werbung. Werbung wird – je nach Geschmack und persönlicher Einstellung – als nützlich, unterhaltsam oder auch lästig empfunden; der Gedanke, von ihr beeinflußt zu werden, wird jedoch zurückgewiesen.[45] Der Konsument sieht sich selbst offenbar als autonomer an als die um sein Wohl besorgten Verbraucherverbände und Sozialkritiker.

Wirtschaftswissenschaftler wiederum stehen den Methoden der Werbung naturgemäß uneingeschränkt positiv gegenüber. Laut Kroeber-Riel werden Produkte in den Medien zu Konsumerlebnissen, die so einen Beitrag zur emotionalen Lebensqualität der Konsumenten leisten. Diese Erlebnisse stellen keinen Zusatznutzen dar, sondern haben die gleiche konstitutive Bedeutung wie die funktionale, objektive Qualität der Produkte.[46]

2 Überzeugungsstrategien in der Werbung

2.1 Menschenbilder und Werbung

Bevor das Problem der Überzeugungsstrategien der Werbung erörtert werden kann, ist es notwendig, der Frage nachzugehen, welches Menschenbild der Werbung zugrunde liegt. Die Antwort auf diese Frage kann erste Hinweise darauf geben, wie Konsumenten angesprochen werden. Unter einem Menschenbild wird hier folgendes verstanden:

„Der Begriff Menschenbild wird auf die von Raum und Zeit unabhängigen Eigenschaften des Menschen an sich angewandt. Man spricht auch von der Natur des Menschen, womit man die phänotypischen Eigenarten der Spezies möglichst vollständig erfassen will. Dabei ist es zumindest für analytische Zwecke möglich, zwischen rein physiologischen und kulturell erworbenen Attributen des Menschen zu unterscheiden. [...] Wichtig sei dabei ‘zugleich das Zusammenspiel von Natur und Kultur’.“[47]

Zunächst sollen bekannte Menschenbilder und ihre Anwendbarkeit auf die Erklärung des Konsumentenverhaltens erläutert werden.

2.1.1 Der homo oeconomicus

Der homo oeconomicus ist ein Gedankenkonstrukt der Wirtschaftswissenschaften, ein Verbraucher, der rational Vor- und Nachteile, Nutzen und Kosten jeder Handlung abwägt, der immer über vollständige Informationen verfügt.

„Der homo oeconomicus weiß alles, kann alles, ist unendlich schnell und ohne jede Emotion. [...] Zwar ist unklar, warum er noch entscheiden muß, da er doch schon alles weiß; den meisten Wirtschaftswissenschaftern gilt er dennoch als Inbegriff des rationalen Menschen.“[48]

Bereits hier wird klar, daß das Bild des homo oeconomicus für die Werbewirtschaft nur in begrenztem Maße zur Erklärung menschlichen Verhaltens herangezogen werden kann. Zwar informieren sich Verbraucher besonders vor dem Kauf langlebiger Güter ausführlich über das bestreffende Produkt, doch kann bei dem heutigen Warenüberfluß niemand über vollständige Informationen verfügen. Da sich außerdem viele Produkte in ihrem objektiven Nutzen gleichen, entscheidet der Konsument häufig nach anderen als rein nutzenbezogenen, rationalen Gründen.

2.1.2 Der homo sociologicus

„Am Schnittpunkt des einzelnen und der Gesellschaft steht homo sociologicus, der Mensch als Träger sozial vorgeformter Rollen. Der Einzelne ist seine sozialen Rollen, aber diese Rollen sind ihrerseits die ärgerliche Tatsache der Gesellschaft.“[49]

Die Soziologie versucht, das Verhalten des Menschen im Hinblick auf sein Verhältnis zu anderen zu erklären. Grundlegend dafür ist die Erkenntnis, daß Menschen in Gesellschaft anderer ein verändertes Verhalten an den Tag legen. Gruppen üben auf unterschiedliche Weise Einfluß auf das Verhalten von Menschen aus.

Zum einen richten Gruppen an ihre Mitglieder bestimmte Rollenerwartungen. Jeder Mensch nimmt im Laufe seines Lebens verschiedene Rollen ein. So kann jemand gleichzeitig Sohn, Vater, Beamter und Mitglied in einem Sportverein sein. Die Umwelt hat für jede dieser Rollen Normen und Werturteile etabliert, nach denen sich der Mensch richten wird, wenn er nicht sozialen Sanktionen ausgesetzt sein möchte. In diesem Zusammenhang übernehmen Produkte verschiedene Funktionen.[50] Mit dem Kauf und Konsum bzw. der Zur-Schau-Stellung bestimmter Produkte (z.B. Statussymbole) kann der Verbraucher seine Zugehörigkeit zu einer Gruppe signalisieren.[51]

Zum anderen werden Menschen stark von Bezugsgruppen beeinflußt. Man unterscheidet hier zwischen Mitgliedschaftsgruppen (d.h. Gruppen, in denen der Betreffende selbst Mitglied ist), Leitbildgruppen (Gruppen, denen der Betreffende gern angehören möchte) und Meinungsführern (Personen, die einen tatsächlichen oder vermeintlichen Informationsvorsprung besitzen).[52] Ursächlich für den starken Einfluß dieser Gruppen ist das Bedürfnis des Menschen nach Liebe und Anerkennung.[53] Auch in der Werbung werden diese Möglichkeiten der Einflußnahme genutzt, indem beispielsweise berühmte Persönlichkeiten Produkte anpreisen. Das Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit versucht die Werbung insofern für sich zu nutzen, als daß sie bestimmte Produkte, z.B. Statussymbole, als Erkennungszeichen einer Gruppe darstellt.

2.1.3 Der „psychological man“

Der „psychological man“[54] ist sich der Gründe seines Handelns nicht bewußt und agiert gemäß seiner unbewußten Triebe und Motive. Radikale Gegner der Werbung werfen ihr vor, sie würde diese Seite des Menschen ausnutzen und versuchen, an die unbewußten, unerfüllten Wünsche der Konsumenten zu appellieren, um diese unbemerkt zu beeinflussen.

Bei der Betrachtung dieser Menschenbilder sollte man nicht vergessen, daß es sich um theoretische Konstrukte verschiedener Disziplinen handelt. Keiner dieser Erklärungsversuche strebt danach, den Menschen in seiner Ganzheit zu erklären. Vielmehr geht es darum, das Verhalten von Menschen prinzipiell zu erklären und für die jeweilige Disziplin handhabbar zu machen. Jedes Bild hat seinen eigenen Gültigkeitsbereich (bestimmte Situationen, Voraussetzungen, Bedingungen). Die beschriebenen Menschenbilder stellen Idealtypen dar, der reale Mensch ist eine Mischung aus den verschiedenen Menschenbildern.

2.1.4 Das Menschenbild im Marketing

Die Ökonomie kann – zumindest im Bereich der Werbung – die Erkenntnisse anderer Disziplinen nicht außer acht lassen. Würden ihren Überlegungen das Bild des homo oeconomicus zugrunde liegen, könnte die Werbung mit rationaler Argumentation auskommen, Appelle an Werte und Emotionen wären überflüssig. Tatsächlich unterliegt jedoch jede Kaufentscheidung emotionalen Einflüssen, Informationssuche und Auswahl der Alternativen werden stark vereinfacht. Kloss beschreibt das Menschenbild im Marketing wie folgt:

„Die Wirkungsmodelle im Marketing gehen davon aus, daß der Mensch auf Reize reagiert, d.h. es gibt strenggenommen gar keine freie Entscheidung des Konsumenten. Eine Entscheidung, die auf freiem Willen basiert, ist in den Modellen nicht vorgesehen. Der Mensch reagiert passiv und ist durch Reize fremdbestimmt. Das Menschenbild, das den Wirkungsmodellen im Marketing zugrunde liegt, ist also zunächst einmal nicht sehr optimistisch im Hinblick auf die Entscheidungsfreiheit des Menschen in seiner Rolle als Konsument.“[55]

Die Werbung bedient sich der Erkenntnisse der Soziologie und der Psychologie, um Konsumenten anzusprechen. Sie appelliert an Emotionen, an Werte, an die Wünsche und Ängste der Verbraucher.

Erich Fromm spricht vom „Homo consumens“[56]. Damit bezeichnet er den modernen Konsumenten, der sich über sein Eigentum und seinen Konsum definiert: „Ich bin, was ich habe und was ich konsumiere.“[57] Der homo consumens ist die Verkörperung des haben-orientierten Menschen, der meint, Werte kaufen und besitzen zu können, statt sie zu verinnerlichen. Hier wird deutlich, warum Werte in der Werbung so wichtig sind: Durch den Kauf bzw. Konsum eines Produktes, das für einen bestimmten Wert steht, macht sich der Konsument diesen Wert zu eigen. Produkte werden so dargestellt, als könnten sie die heimlichen Wünsche, die unbefriedigten Bedürfnisse der Konsumenten zufrieden stellen.[58] Wird dem Verbraucher beispielsweise in der Werbung suggeriert, ein bestimmtes Auto sei ein Ausdruck von Individualität, wird der Käufer dieses Wagens vermutlich – zumindest in seinen eigenen Augen – zum Individualisten. Der Betrug müßte eigentlich auffallen, denn paradoxerweise können die mit einem Produkt verbundenen Werte dem Charakter dieser Waren völlig widersprechen. Ein Beispiel dafür ist eben die Verbindung des Wertes „Individualität“ mit der Massenware Auto.[59]

2.2 Überzeugungsstrategien

Nach Aristoteles gibt es drei Mittel zum Überzeugen:

„Sie sind zum einen im Charakter des Redners angelegt, zum anderen in der Absicht, den Zuhörer in eine bestimmte Gefühlslage zu versetzen, zuletzt in der Rede selbst, indem man etwas nachweist oder zumindest den Anschein erweckt, etwas nachzuweisen. Durch den Charakter geschieht dies, wenn die Rede so dargeboten wird, daß sie den Redner glaubwürdig erscheinen läßt. Den Anständigen glauben wir nämlich eher und schneller, grundsätzlich in allem, ganz besonders aber, wo es eine Gewißheit nicht gibt, sondern Zweifel bestehen bleiben. [...] Mittels der Zuhörer überzeugt man, wenn sie durch die Rede zu Emotionen verlockt werden. Denn ganz unterschiedlich treffen wir Entscheidungen, je nachdem, ob wir traurig oder fröhlich sind, ob wir lieben oder hassen. [...] Durch die Rede endlich überzeugt man, wenn man Wahres oder Wahrscheinliches aus jeweils glaubwürdigen Argumenten darstellt.“[60]

Die Mittel des Überzeugens, Ethos, Pathos (emotionale Techniken) und Logos (rationale Argumentation), werden auch in der Werbung angewandt.[61]

2.2.1 Beeinflussungstechniken in der Werbung

Walter Becker unterscheidet drei verschiedene Beeinflussungstechniken, die in der Werbung angewendet werden: Aktivierungstechniken, emotionale und kognitive Techniken. Oft ist es allerdings nur schwer möglich, die einzelnen Techniken voneinander zu trennen, da sie sich gegenseitig überschneiden und voneinander Gebrauch machen.

2.2.1.1 Aktivierungstechniken

„Unter Aktivierung versteht man einen mehr oder weniger ausgeprägten Zustand der Wachheit oder inneren Spannung, der die Aufmerksamkeit und Verarbeitung von Umweltreizen und Informationen determiniert.“[62]

Mit Hilfe bestimmter Reize soll die Fähigkeit und die Bereitschaft der Konsumenten, Werbebotschaften aufzunehmen, verstärkt werden. Diese Reize können emotionaler (Darstellung von Kindern, erotische Abbildungen etc.), kognitiver (Auslösung von Widersprüchen, Überraschung, gedanklichen Konflikten etc.) und physischer (Farben, Lautstärke etc.) Art sein.

2.2.1.2 Emotionale Techniken

Emotionale Techniken rufen Gefühlsregungen beim Konsumenten hervor, d.h. sie sprechen seine Wünsche, Bedürfnisse und Ängste an. Auf diese Weise kann das analytische Denken beim Kunden umgangen werden. Er ist sich der Beeinflussung seiner selbst durch die Werbung weniger bewußt.

Becker unterscheidet zwischen emotionaler Konditionierung, sozialen Appellen, Angstappellen und der Reaktanzsteuerung.

Emotionale Konditionierung [63]: Dabei wird ein natürlicher Reiz (d.h. ein Reiz, der angeborene Reaktionen auslöst, z.B. das Kindchenschema), von dem man annimmt, daß er bei der Zielgruppe positive Reaktionen hervorruft, mit einem neutralen Reiz (z.B. dem Markennamen) verbunden. Im Idealfall ruft der neutrale Reiz nach einer gewissen Zeit die gleiche Reaktion wie der natürliche Reiz hervor. Emotionale Konditionierung liegt zum Beispiel dann vor, wenn ein Marken- bzw. Produktname wiederholt mit positiven Reizen, z.B. Bildern oder Worten genannt wird. Der Konsument erhält so automatisch eine positive Einstellung zum Produkt (sofern ihn der Reiz anspricht). Diese Technik wird beispielsweise beim Slogan genutzt.

Soziale Appelle [64]: Die Werbestrategen machen sich das menschliche Grundbedürfnis nach sozialem Kontakt und sozialer Akzeptanz auf verschiedene Weise zunutze:

a) Bedürfnis nach sozialem Kontakt: Bei der Slice-of-Life-Technik werden zufriedene Produktverwender in realitätsnahen Situationen dargestellt. Die Life-Style-Technik stellt das beworbene Produkt (im Gegensatz zur Slice-of-Life-Technik) als konstituierenden Teil des Lebensstils einer bestimmten Gruppe dar. Die dargestellten Produktverwender sollten der Zielgruppe die Möglichkeit bieten, sich mit ihnen zu identifizieren. Die Werbung suggeriert dem potentiellen Käufer damit, sein Kontaktbedürfnis könne mit dem Kauf des Produktes befriedigt werden, da er dann einer bestimmten Gruppe zugehörig sei.
b) Bedürfnis nach sozialer Akzeptanz: Die Werbung kommt diesem Bedürfnis nach, indem sie auf die Zufriedenheit anderer Käufer des Produktes verweist (sozialer Beweis). Ein solcher Beweis versichert dem Käufer die Zustimmung anderer zu seiner Kaufentscheidung. Ähnlich wirkt die Testimonial-Technik, bei der Prominente oder (angebliche) Experten für ein Produkt werben.
c) Soziale Normen: Durch Hinweise auf Normen, soziale Belohnungen oder Bestrafungen, die mit der (Nicht)Befolgung dieser Normen einhergehen, kann die Werbung Druck auf das Konsumentenverhalten ausüben. Ein Beispiel dafür ist der Aufbau von Waren zu Statussymbolen und Prestigeobjekten, die dem Wunsch des Konsumenten nach sozialer Anerkennung (Belohnung) nachkommen.

Angstappelle [65]: Sie können sehr wirksam sein, wenn sie dem Konsumenten Möglichkeiten anbieten, eine bestimmte Angst zu besiegen (z.B. den Abschluß einer Versicherung als Antwort auf die Angst vor Unsicherheit). Allerdings muß darauf geachtet werden, daß nicht zu starke Angstgefühle ausgelöst werden, die das Produkt oder die Marke beim Verbraucher unter Umständen mit negativen Emotionen in Verbindung bringen.

Reaktanzsteuerung [66]: Ein Problem der Werbung ist, daß sich die Verbraucher ihrer Beeinflussungsabsicht in bestimmtem Maße bewußt sind. Deshalb kann beim Konsumenten Widerstand (Reaktanz) in Bezug auf eine Werbung auftreten. Die Beeinflussungsabsicht der Werbung kann beispielsweise durch zweiseitige Argumentation, die nicht nur Vor-, sondern auch scheinbare Nachteile eines Produktes aufzeigt, verschleiert werden.

2.2.1.3 Kognitive Techniken

Kognitive Techniken sollen die Gedanken des Konsumenten in eine bestimmte Richtung zu lenken. Becker definiert kognitive Techniken folgendermaßen:

„Unter kognitiven Beeinflussungstechniken werden Maßnahmen der Verhaltenssteuerung verstanden, die primär gedankliche Prozesse und Prozesse der Informationsvermittlung und -verarbeitung beinhalten. [...] Sprachliche Techniken betreffen den formalen Aspekt der Kommunikation, während argumentative Techniken den logischen Kommunikationsaufbau beinhalten.“[67]

2.2.1.3.1 Sprachliche Techniken

Sprachliche Techniken zur Steuerung des Denkens sind Sprachrealismus, automatische Assoziation, Bewertungsautomatik und Doppelspeicherung.

Sprachrealismus [68]: Dieses Phänomen wird in der Werbung besonders bei der Entwicklung von Produktnamen genutzt. Die Werbetreibenden machen sich den Umstand zunutze, daß der Verbraucher dazu neigt, von einem Produktnamen auf einen realen Sachverhalt, z.B. die Produkteigenschaften, zu schließen. So wird in der Kosmetikbranche gern mit dem Präfix „Bio-“ geworben, weil es auf pflanzliche Bestandteile verweist.

Automatische Assoziation [69]: Hier bedienen sich die Werbenden der Sprach- und Denkgewohnheiten der Verbraucher. Wir verwenden eine einmal erlernte Sprache nicht nur automatisch, beim Hören bzw. Lesen bestimmter Wörter assoziieren wir auch ganz spontan andere Wörter damit. Deshalb kann in der Werbung etwas gesagt werden (Reizwort), um etwas anderes mitzuteilen (Primärassoziation).

Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel unterscheiden zwischen informativen und emotionalen Sprachformeln (Reizworten).[70] Während erstere beim Umworbenen sachbezogene Vorstellungen auslöst, ruft letztere gefühlsmäßige Vorstellungen im Zusammenhang mit der Ware hervor. Informative Sprachformeln sind beispielsweise Affixe wie „vita-“, „-fit“ oder „-med“.[71] Emotionale Sprachformeln lassen den Assoziationen des Einzelnen viel Spielraum, sollten jedoch bei allen einen gleichartigen Gefühlswert hervorrufen. Sie sind deshalb für die Ansprache eines breiten, heterogenen Publikums geeignet. Beispiele hierfür sind Worte wie Freiheit, Reichtum oder Jugend.

Bewertungsautomatik [72]: Viele Wörter einer Sprache sind automatisch mit bestimmten Wertungen behaftet, derer sich die Sprecher dieser Sprache nicht (mehr) bewußt sein müssen. Die Werbetreibenden machen sich diesen Umstand zunutze, indem sie beispielsweise den Produktnamen mit bestimmten Werten aufladen. Die Bewertungsautomatik kann auf zweierlei Weise eingesetzt werden:

a) Eigenschafts-Technik

Bei der Eigenschafts-Technik wird ein Produkt mit einem Wert verbunden, dieser aber wie eine objektive Eigenschaft der Ware dargestellt. Beispiele hierfür sind Hochwertwörter wie „elegant“, „zeitlos“ etc.

„Wir können also feststellen, daß man mit Hilfe von Eigenschaftswörtern ein doppeltes Versteckspiel treiben kann. Erstens: Man versteckt die Wertung in der grammatikalischen Form einer Sachaussage ... und zweitens: Man versteckt die Wertung in einem sachlich klingenden Eigenschaftswort.“[73]

Zur Verstärkung der Wirksamkeit dieser Technik gibt es drei Möglichkeiten:

- Man wählt Adjektive, die einerseits als Sachaussage, andererseits als Wertung verstanden werden können.
- Man wählt Eigenschaftswörter, die gleichzeitig zu ihrer sachlichen Bedeutung eine versteckte wertende Komponente enthalten.
- Indem man zwei Eigenschaftswörter, d.h. ein rein sachbezogenes und ein rein wertendes miteinander kombiniert, erreicht man, daß die Wertung vom Konsumenten akzeptiert wird, da sie in eine Sachaussage integriert ist.

b) Einfärb-Technik

Bei diesem Verfahren werden Gegenstände sprachlich so eingefärbt, daß sich bestimmte Wertungen zwangsläufig ergeben müssen. Beispiele hierfür sind Euphemismen, Entkonkretisierungen und Hochwertwörter.[74]

Doppelspeicherung [75]: Dem menschlichen Gehirn stehen zwei Systeme der Informationsverarbeitung zur Verfügung: das Sprach- und das Bildverarbeitungssystem. Die Werbung kann beide Systeme nutzen, um ihre Botschaften möglichst fest im Bewußtsein der Verbraucher zu verankern, indem sie ein Produkt abbildet und gleichzeitig beschreibt. Um die Vorstellungsleistung beim Konsumenten zu aktivieren, wird in der Werbung meist bildhafte Sprache verwendet. Ein stilistisches Mittel dazu ist beispielsweise die Metapher.

Aufgabe der sprachlichen Techniken ist es, dem Verbraucher indirekt etwas mitzuteilen. Der Vorteil für den Werbenden liegt darin, daß er für die Vorstellungen, die er bei dem potentiellen Kunden absichtlich hervorgerufen hat, nicht gerade stehen muß.

2.2.1.3.2 Argumentation

„Argumentieren heißt Behauptungen begründen. Mit Argumenten will man den Gesprächspartner von der Wahrheit oder Richtigkeit seiner Behauptungen überzeugen. Ob aber Behauptungen ausreichend plausibel werden oder nicht, hängt von den mehr oder weniger zwingenden Folgebeziehungen ab, die zwischen den begründenden und den zu begründenden Sätzen bestehen.“[76]

In der Alltagskommunikation werden zwei Arten von Argumentationsverfahren verwendet: Die Enthymemargumentation und die Beispielargumentation.

Nach Toulmin verläuft die Enthymemargumentation folgendermaßen: Um eine Behauptung (Konklusion, Schlußfolgerung – K) beweisen zu können, bezieht man sich auf Daten (D). Daten müssen, damit sie zu Argumenten werden können, von allen an der Argumentation Beteiligten anerkannt werden. Der Weg von den Daten zur Schlußfolgerung wird durch die Schlußregel (SR) definiert, sie bildet quasi die Brücke von den Daten zur Konklusion. Die Schlußregel muß nicht explizit gemacht werden. Sie wird durch die Stützung (S) abgesichert, die ebenfalls implizit bleiben kann. Die Schlußfolgerung kann durch Ausnahmebedingungen (AB) eingeschränkt werden.[77] Schematisch kann man die Argumentation folgendermaßen abbilden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

aufgrund von S

Bei der Beispielargumentation unterscheidet man zwischen dem induktiven und dem illustrativen Beispiel. Letzteres dient meist zur Verstärkung der enthymematischen Argumentation. Das induktive Beispiel dient dazu, vom Argument zur Konklusion überzuleiten, d.h. es wird vom Besonderen auf das Allgemeine durch Hinzuziehen des induktiven Beispiels geschlossen.[78]

Um ihr Ziel zu erreichen, wählen die Werbetreibenden Argumente, von denen sie wissen, daß der Konsument ihnen zustimmen wird. Auf diese Weise kann die Selektionsbarriere, die der Verbraucher aufgebaut hat, durchbrochen werden.[79]

Werbung argumentiert meist einseitig (d.h. es werden nur die Vorteile eines Produktes genannt), obwohl zweiseitige Argumentation unter bestimmten Voraussetzungen wirksamer sein kann. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn Gegenargumente allgemein bekannt sind. Dadurch, daß man sie in die Werbung mit einbezieht, kann man gleich positive Argumente liefern, die sie widerlegen. Zweiseitige Argumentation gilt auch bei Zielgruppen mit höherer Bildung als effektiver, weil so der Eindruck einer wirklichen Argumentation erweckt wird.

Der Nutzen eines Produktes kann nach Karmasin folgendermaßen begründet werden[80]:

- zweckrational / instrumentell: Behauptungen werden durch die bildliche Darstellung der Wirkungsweise des Produktes bewiesen.
- wertrational: Die Werbung appelliert an allgemein gültige Normen und Werte.
- expressiv: Behauptungen gewinnen dadurch an Glaubwürdigkeit, daß sie von Personen mit (vermeintlichem) Informationsvorsprung, also Prominenten oder (angeblichen) Experten, vorgebracht werden.
- affektuell: Wenn der Nutzen eines Produktes nicht rational begründet werden kann, da es sich z.B. um ein besonderes Geschmackserlebnis handelt, wird dieses in einer besonderen Atmosphäre dargestellt, die einen Vorgeschmack auf den versprochenen Nutzen vermitteln soll.

Janich wählt eine andere Einteilung. Sie unterscheidet, je nachdem, worauf die Argumente gerichtet sind, zwischen produkt-, sender- und empfängerbezogenen Argumenten[81].

Produktbezogene Argumente sind:

- Verweis auf die Herkunft des Produktes
- Nennung von Produkteigenschaften
- Beschreibung bzw. Demonstration der Wirkungsweise des Produktes
- Beschreibung bzw. Demonstration typischer oder besonderer Verwendungs-situationen
- Beweise durch Warentests
- marktbezogene Argumente (Preis, Beschaffungssituation etc.)
- Vergleiche mit Produkten der Konkurrenz (vergleichende Werbung)

Senderbezogene Argumente sind:

- Verweise auf Tradition und Erfahrung
- Beweise durch Autoritäten

Empfängerbezogene Argumente sind:

- Appelle an überindividuelle Werte
- emotionale Aufwertung des Produktes

Natürlich ist auch diese Einteilung nicht zu starr aufzufassen. Die emotionale Aufwertung von Produkten könnte man beispielsweise nicht nur den empfänger-, sondern auch den produktbezogenen Argumenten zuordnen.

2.2.2 Kritik und Zusammenfassung

Nicht einleuchtend ist bei Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel und bei Becker die strikte Trennung von Aktivierungstechniken auf der einen und emotionalen und kognitiven Techniken auf der anderen Seite. Emotionale und kognitive Techniken nehmen vielmehr eine zweifache Funktion wahr, nämlich erstens die der Aktivierung und zweitens die der emotionalen bzw. der gedanklichen Steuerung des Konsumenten.

Es darf nicht vergessen werden, daß die Trennung von emotionalen und kognitiven Techniken aus rein didaktischen Gründen erfolgt. Kognitive Techniken dienen oftmals ebenfalls zur Auslösung von Emotionen und auch die Argumentation kommt nicht immer ohne Berufung auf Gefühle, Bedürfnisse und Normen aus. Diese können in der Werbung beispielsweise als Argumente in Form des Zusatznutzens von Produkten dienen.

In den Modellen der Autoren tauchen Werte nicht auf. Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel scheinen Werte und Normen gleichzusetzen, wenn sie beispielsweise „Jugendlichkeit“ als Norm bezeichnen.[82] Zwar können Werte wie Normen gruppenspezifisch sein, sie unterliegen jedoch keinem Gruppenzwang.[83] Prinzipiell gehören jedoch Appelle an Werte zu den emotionalen Appellen, da sie eine soziale wie emotionale Komponente besitzen.

[...]


[1] Marcus-Steiff, zit. n. Roos, J.-J. 1981: 114

[2] Vgl. Bau, A. 1995; Bergler, R. 1987, Carlberg, P. 1995; Cölfen, H. 1999; Gries, R./Ilgen, V./ Schindelbeck, D. 1995; Katholische Erwachsenenbildung Rheinland-Pfalz 1998; Karmasin, H. 1998, Lakaschus, C. 1983; Strümpel, B./Scholz-Ligma , J. 1992; Windhorst, K.-G. 1985

[3] Vgl. z.B. Karmasin, H. 1998; Meffert, H. 2000; Windhorst, K.-G. 1985

[4] Vgl. Listen der französischen und deutschen Anzeigen im Anhang

[5] Zentes, J. 1992: 454

[6] Vgl. Kap.1.4

[7] Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. 1999: 566 f.

[8] Vgl. Beeskow, W. et al. 1983: 580f.

[9] Vgl. Beeskow, W. et al.: 580f.

[10] Vgl. auch Kap. 1.5

[11] Baumgart, M. 1992: 28

[12] Vgl. Jung, H. 1999: 629

[13] Vgl. Zentes, J. 1992: 454

[14] Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. 1999: 583

[15] Vgl. Jung, H. 1999: 628

[16] Vgl. Schweiger, G./Schrattenecker, G. 1995: 24

[17] Vgl. Kap. 1.5

[18] Vgl. Kroeber-Riel, W. 1988: 25 ff.

[19] Vgl. Kap. 2.3.1.1

[20] Die folgenden Ausführungen zum Aufbau des Anzeigentextes beziehen sich auf Janich, N. 2001: 43-60

[21] Janich, N. 2001: 47

[22] Vgl. Lötscher, A. 1991: 216

[23] Vgl. Jung, H. 1999: 631

[24] Vgl. (mit unterschiedlichen Untersuchungsschwerpunkten) Baumgart, M. 1992; Conen, D. 1985; Janich, N. 2001; Schmidt, G.J. 1989

[25] Baumgart, M. 1992: 29

[26] Vgl. Conen, D. 1985: 10

[27] Roos, J.-J. 1981: 192

[28] Vgl. Baumgart, M. 1992: 29

[29] Kroeber-Riel, W./Meyer-Hentschel, G. 1982: 50

[30] siehe dazu ausführlich Janich, N. 2001: 191 ff.

[31] Cölfen, H. 1999: 11

[32] Vgl. Kloss, I. 2000: 38ff. Die ersten dokumentierten Werbemittel stammen aus dem Jahr 3000 v. Chr. Da es sich hier um eine synchrone Betrachtung handelt, wird auf eine ausführliche Darstellung der Geschichte der Werbung verzichtet.

[33] Vgl. Cölfen, H. 1999: 11

[34] Vgl. Helle, H. J. 1972: 77

[35] Specht, K. G. 1972: 28

[36] Bau, A. 1995: 7

[37] Gries, R./Ilgen, V./Schindelbeck, D. 1995: 17f.

[38] Lakaschus, C. 1983: 19

[39] Vgl. Mayer, H. 1990: 2

[40] In seinem gleichnamigen Buch beschreibt Vance Packard die vermeintliche Allmacht der Werbung über das Bewußtsein der Verbraucher.

[41] Schrader, J. 1991: 131

[42] Vgl. Carlberg, P. 1995: 6

[43] Vgl. Specht, K.G. 1972: 30

[44] Vgl. Janich, N. 2001: 38

[45] Vgl. Mayer, H. 1990: 3

[46] Vgl. Kroeber-Riel, W. 1988: 68f.

[47] Kaletsch, S. 1998: 35 Hervorhebung im Original

[48] Kappler, E. 1992: 1325 Hervorhebung im Original

[49] Dahrendorf, R. 1974: 20 Hervorhebung im Original

[50] Vgl. Kap. 2.3.3

[51] Vgl. Kloss, I. 2000: 71

[52] Ders.: 71f.

[53] Vgl. Maslow, A. H. 1999: 70 ff.

[54] Vgl. Dahrendorf, R. 1974: 15; Karmasin, H. 1998: 25

[55] Kloss, I. 2000: 48

[56] Fromm, E. 1976: 175

[57] Ders.: 36

[58] Vgl. Kap. 2.3.2

[59] Vgl. Katholische Erwachsenenbildung 1998: 288

[60] Aristoteles 1999: 12 f.

[61] Vgl. Schweiger,G./Schrattenecker, G. 1995: 185 ff.

[62] Becker, W. 1999: 9

[63] Vgl. Becker, W. 1999: 15 ff.

[64] Ders.: 19 f.

[65] Vgl. Becker, W. 1999: 28 ff.

[66] Ders.: 30 ff.

[67] Ders.: 33

[68] Vgl. Kroeber-Riel, W./Meyer-Hentschel, G. 1982: 158 ff.

[69] Ders.: 161 ff.

[70] Ders.: 164

[71] Becker, W. 1999: 37

[72] Vgl. Kroeber-Riel, W./Meyer-Hentschel, G. 1982: 166 ff.

[73] Kroeber-Riel, W./Meyer-Hentschel, G. 1982: 168

[74] Vgl. Becker, W. 1999: 39

[75] Vgl. Kroeber-Riel, W./Meyer-Hentschel, G. 1982: 171 ff.

[76] Schwitalla, J. 1976: 22

[77] Vgl. Toulmin, S. 1996: 89 ff.

[78] Vgl. Janich, N. 2001: 89 f.

[79] Vgl. Drabczynski, M. 1998: 15

[80] Vgl. Karmasin, H. 1998: 411 ff.

[81] Vgl. Janich, N. 2001: 95 ff.

[82] Vgl. Kroeber-Riel, W./Meyer-Hentschel, G. 1982: 146

[83] Vgl. Windhorst, K.-G. 1985: 36; Vgl. auch Kap. 2.3.1

Ende der Leseprobe aus 124 Seiten

Details

Titel
Die Möglichkeiten der sprachlichen Vermittlung von Werten in der Werbung
Untertitel
Eine vergleichende Analyse französischer und deutscher Werbeanzeigen
Hochschule
Universität Leipzig  (Insititut für Romanistik)
Note
1,8
Autor
Jahr
2002
Seiten
124
Katalognummer
V126142
ISBN (eBook)
9783640322473
ISBN (Buch)
9783640320608
Dateigröße
850 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Möglichkeiten, Vermittlung, Werten, Werbung, Eine, Analyse, Werbeanzeigen
Arbeit zitieren
MA Maria David (Autor:in), 2002, Die Möglichkeiten der sprachlichen Vermittlung von Werten in der Werbung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126142

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