Die Entwicklung des Naturschutzes in Schleswig-Holstein anhand der Quellenauswertung der Zeitschrift "Die Heimat" von 1891 bis 1949


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2002

37 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Leserschaft der „Heimat“

3. Die Autoren

4. Naturschutzgebiet Wattenmeer

5. Naturdenkmäler

6. Natur und Volksweisheiten

7. Die Entwicklung der staatlichen Förderung des Vereinswesens

8. Naturdenkmalpflege in Schleswig-Holstein

9. Heimatschutzbau

10. Vom Ersten Weltkrieg beeinflusster Naturschutz

11. Naturschutz während der Weimarer Republik

12. Naturschutz im Nationalsozialismus

13. Naturschutz in Nachkriegsdeutschland

14. Zusammenfassung

15. Quellen- und Literaturverzeichnis

16. Anhang

1. Einleitung

Der „Verein zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig-Holstein, Hamburg und Lübeck“ wurde 1890 unter dem Namen „Die Heimat“ gegründet. Sein Entstehen

„ist im Zusammenhang zu sehen mit der Formierung bildungsbürgerlichen Widerstandes gegen den raschen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturwandel am Ende des 19. Jahrhunderts, wo in Deutschland – zwischen Reichsgründung und Erstem Weltkrieg – der entscheidende Übergangsschritt vom Agrar- zum Industriestaat vollzogen wurde.“[1]

Seit Januar 1891 erscheint die ebenfalls als „Die Heimat“ betitelte Monatsschrift des Vereins fast durchgehend bis heute und ist damit die über den längsten Zeitraum veröffentlichte Heimatzeitschrift Schleswig-Holsteins.[2] Lediglich in der Zeit vom April 1943 bis Juli 1947 war die Publikation der Zeitschrift eingestellt worden, bedingt durch den Zweiten Weltkrieg und dessen Folgeerscheinungen.[3]

Aufgrund der damit fast vollständigen zeitlichen Abdeckung vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart hinein ist „Die Heimat“ eine ausgezeichnete Quelle zur Überprüfung sich verändernder Tendenzen und Meinungen innerhalb von historischen und somit auch sozio-kulturellen Entwicklungen. Innerhalb der Fragestellung nach der Entstehung und dem Fortgang des Naturschutzgedankens in Theorie und Praxis in Deutschland soll versucht werden, anhand der Zeitschrift „Die Heimat“ beispielhaft das Verhältnis zur Überregionalität des deutschen Naturschutzes und etwaige Tendenzen des regionalen Naturschutzes in Schleswig-Holstein im Zeitraum von 1891 bis 1949 aufzuzeigen. Die Jahrgänge von 1891 bis 1949 wurden dementsprechend unter dem Aspekt des Naturschutzes ausgewertet und die Aufsätze bzw. Artikel hervorgehoben, die entweder direkt oder auch im weitesten Sinn mit dem Thema Naturschutz korrespondiert haben (siehe Anhang). Diese wurden aufgrund ihrer inhaltlichen Schwerpunkte in selbstgewählte Kategorien untergeordnet, die dem Kerngedanken des Textes entsprechen oder auch nur einem sekundären Aspekt des Naturschutzes nahe kommen (u. a. „Naturdenkmalpflege (allgemein)“, „Naturdenkmal (groß/klein/winzig)“, „Botanik“, „Ornithologie“ usw.).

Im Folgenden soll anhand einzelner ausgewählter Texte im Rahmen einer fortlaufenden Chronologie die Entwicklung des Naturschutzes in Schleswig-Holstein schlaglichtartig beleuchtet werden. Unterstützend herangezogen wurde dabei die Dissertation von Jörn Christiansen, die die Gesamtanalyse der Zeitschrift behandelt, jedoch nur ausgesprochen spärlich auf das Thema Naturschutz eingeht. Eine Veröffentlichung zur Auswertung über das Phänomen Naturschutz in der Zeitschrift „Die Heimat“ gibt es bislang nicht.

Die Jahrgänge von 1899, 1903 bis 1906, 1914, 1921, 1923, 1930, 1936, 1939 und 1940 sowie 1943, von dem lediglich Heft 1 für Januar bis März erschien, konnten kein verwertbares Material unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes vorweisen. Während der Jahre 1944 bis 1946 war die Zeitschrift eingestellt worden. Erst ab August 1947 wurde „Die Heimat“ erneut herausgegeben, allerdings bis Ende 1948 lediglich als vierseitiges Mitteilungsheftchen. Ab Januar 1949 erreichte sie von Neuem den gewohnten Umfang und erschien wieder regelmäßig monatlich.

In den Inhaltsangaben auf den ersten Seiten der Jahrgangsbände finden sich die für den Naturschutz bedeutsamen Rubriken seit 1891 unter den Namen „Landeskunde“ und „Naturkunde“. Nur in den Jahrgängen von 1909 und 1910 kam die kleine Rubrik „Aus der heimatlichen Bewegung“ hinzu, in der ebenfalls verwertbares Material zu entdecken ist.

Ab 1911 kommt zusätzlich zur „Landes- und Naturkunde“ die für die Naturschutzfrage bedeutende Rubrik „Natur- und Heimatschutz“ hinzu, wahrscheinlich aus dem Grund, weil 1910 die Naturdenkmalpflege in die Satzungen des Vereins aufgenommen wurden.[4]

Ausgesprochen häufig kommt es zur Mehrfachnennung von Artikeln innerhalb dieser Rubriken – ein Merkmal dafür, dass selbst die Herausgeber der Zeitschrift mitunter Schwierigkeiten hatten, einzelne Artikel mit primärer oder sekundärer Naturschutzthematik einer übergeordneten Rubrik zuzuordnen.

Ab 1949 wurde „Natur- und Heimatschutz“ durch „Naturschutz“ ersetzt, vermutlich vorrangig deswegen, weil der Heimatbegriff durch die Ideologie des Nationalsozialismus einen besonders für die Nachkriegsjahre üblen Beigeschmack erhalten hatte und eher gemieden wurde. Dass die Zeitschrift selbst ihren Namen unverändert hat beibehalten können liegt vielleicht darin begründet, dass die eigentlichen Ziele des Vereins sich seit 1890 - und damit bereits lange vor den Nazis existent - nicht groß verändert hatten und somit auch nicht der Zensur der Alliierten unterlag, die Zeitschrift als politisch-ideologisches Machwerk einer eventuell überlebenden Dritte-Reich-Denkweise zu verbieten.

Ferner ist zu bemerken, dass „gemessen an dem dezidierten Satzungsanspruch [des Vereins] ... auffallend (ist), daß das Thema „Naturschutz“ schon rein quantitativ fast durchweg den kleinsten Raum unter den Themen der Zeitschrift einnimmt.“[5]

2. Die Leserschaft der „Heimat“

Es erscheint wichtig danach zu fragen, wer mit der „Heimat“ erreicht werden sollte. Christiansen spricht dabei von einer berufsständischen Zeitschrift der Volksschullehrerschaft, einer Berufsgruppe, die sich besonders Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit großer Intensität der Heimatforschung gewidmet hatte.[6]

Während beispielsweise die Zeitschrift „Schleswig-Holstein“ ihre populäre Tendenz betont, geschaffen worden zu sein für alle, bei denen „die Liebe zur Heimat lebendig ist“[7] und sich richtet an „alle, den gebildeten Laien, den schlichten Menschen auf dem Lande wie in der Stadt“,[8] scheint „Die Heimat“ eine breite Popularität immer nur angestrebt zu haben, wurde sie doch lediglich von ihren Vereinsmitgliedern maßgeblich aus dem mittleren Bildungsbürgertum getragen.[9] Sie ist und war nicht über den Zeitschriftenhandel oder einem anderen Weg als den der Vereinsmitgliedschaft zu erwerben.

Der „Heimat“ gehören und gehörten Einzel- wie korporative Mitglieder an, wobei Letztere in der Hauptsache Schulen sind/waren. Die Voraussetzungen zum Beitritt des Vereins sind/waren minimal und bestehen vornehmlich aus der Verpflichtung, einen geringen jährlichen Mitgliedsbeitrag zu entrichten, in dessen Preis die Vereinszeitschrift inklusive ist. Theoretisch wie praktisch steht jedem die Möglichkeit offen, Vereinsmitglied zu werden und die Zeitschrift zu erhalten.

Allerdings scheint es nie eine große Nachfrage in breiten Bevölkerungsschichten gegeben zu haben, Mitglied zu sein und die Zeitschrift zu erwerben. Die Mitgliederwerbung fand hauptsächlich im Bereich der berufsständischen Organe der Lehrerschaft statt: Um die Jahrhundertwende waren 75-80 % der Mitglieder Lehrer, während die Mitgliederzahlen zwischen 1100 und etwa 3200 schwankten, und der Durchschnitt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts etwa bei 1800 Mitgliedern lag.[10]

Dass der Schwerpunkt der Lehrerschaft sich auch bei den Verfassern und den Inhalten der Aufsätze und Artikel der Zeitschrift widerspiegelt, wird im Folgenden noch an Beispielen weiter ausgeführt.

3. Die Autoren

Die aus den 56 vorhandenen Jahrgängen ausgewerteten Artikel mit primärer (Naturdenkmalpflege (allgemein), Naturdenkmal (groß/ klein/ winzig), Naturschutz, Heimatschutz) oder sekundärer Nähe (Knicks, Wattenmeer/ Halligen, Botanik, Tierwelt, Ornithologie) zum Thema Naturschutz belaufen sich auf 117, inklusive der Kleinstbeobachtungen mit Texten von nur wenigen Zeilen, die von mir in die elf gewählten übergeordneten Kategorien eingeteilt wurden (siehe Anhang). Diese 117 Artikel stammen von 65 verschiedenen Autoren, die sich wie folgt auf unterschiedliche Berufsgruppen zurückführen lassen:

- Lehrer und Rektoren: 35 Autoren = 53,85 %
- Höhere Beamte (Universität, Justiz, Verwaltung): 15 Autoren = 23,07 %
- Architekten und Ingenieure: 4 Autoren = 6,15 %
- Naturwissenschaftler: 4 Autoren = 6,15 %
- Ärzte: 3 Autoren = 4,62 %
- Landwirte: 2 Autoren = 3,08 %
- Handwerker (hier: Maler): 1 Autor = 1,54 %
- Kaufmännischer Angestellte: 1 Autor = 1,54 %

Dies bestätigt zum einen die These vom Schwerpunkt der Lehrerschaft im Speziellen und des mittleren Bildungsbürgertums im Allgemeinen als Träger der Zeitschrift „Die Heimat“. Es zeigt zudem den aktiven Kern der Mitglieder auf. Bestätigt wird dieses Verhältnis durch die Aufschlüsselung der Mitarbeiter der Zeitschrift nach Berufen für die Jahre 1891 bis 1943, die frappierend ähnliche Ergebnisse mit nur geringen Schwankungen im Prozentbereich aufweist.[11]

Zum anderen ist für die Fragestellung des Naturschutzes ausgesprochen interessant zu sehen, dass die Initiative für den Gedanken des Naturschutzes vom Bildungsbürgertum ausgegangen ist und vom gleichen Publikum konsumiert wurde. Das in den Artikel häufig erst erwünschte, später geforderte Interesse für den Naturschutz in der breiten Masse wurde dementsprechend nicht durch die „Heimat“ an das Volk weitervermittelt, sondern vielmehr in den eigenen Kreisen gefestigt und intensiviert. Die Mehrzahl der „einfachen“ Bevölkerung, wie Land- und Industriearbeiter oder Tagelöhner, hatten wahrscheinlich nie oder ausgesprochen selten einmal die Möglichkeit die „Heimat“ zu lesen, wenn sie sich denn überhaupt dafür interessierten. Das dürfte zumindest für eine größere Prozentzahl recht unwahrscheinlich gewesen sein, da der alltägliche persönliche Überlebenskampf in der damaligen Zeit für die breiten Bevölkerungsschichten sehr viel primärer war. Lediglich wenige unter den vermögenderen Bauern werden die Zeitschrift gelesen haben.[12]

Das Naturschutzinteresse aus den eigenen Kreisen heraus weiter zu vermitteln und es heranwachsenden Generationen schmackhaft zu machen lag in den Händen der Lehrerschaft. Die Tatkraft und endgültige Etablierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts hingegen oblag den höheren Beamten, denn nur sie waren in den Positionen, Gesetze und Erlasse durchzusetzen und den „Naturschutz von oben“ zu fördern - dem Privatmann als lobendes Beispiel voranzugehen.

Im ersten Moment erscheint es auffällig, dass von 65 Autoren lediglich vier Verfasser Naturwissenschaftler waren. Dies ist allerdings für die Zeit bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nicht weiter verwunderlich: Der Naturschutz war, ebenso wie der Heimatschutz, aus dem er hervorgegangen ist, maßgeblich durch den Ästhetikbegriff und somit durch Geistes- und Kulturwissenschaftler geprägt und stand damit im relativen Gegensatz zum uns heute bekannten, naturwissenschaftlich geprägten Natur- und Umweltschutz. Die Auseinandersetzung mit einzelnen Artikeln im Folgenden wird dies weiter bestätigen.

[...]


[1] Christiansen 1980, S. 15.

[2] Siehe Christiansen 1980, S. 19. Im Jahr 2003, dem 110. Jahrgang der Zeitschrift, fand eine Umbenennung statt. Seit dem Heft 1/2/110. Jg. heißt sie „Natur- und Landeskunde. Zeitschrift für Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg“. Siehe Zölitz-Möller 2003, S. 37-40.

[3] Der Zeitschrift wurde zum Druck kein Papier mehr zugeteilt. Siehe Christiansen 1980, S. 22.

[4] Siehe Christiansen 1980, S. 106.

[5] Christiansen 1980, S. 107.

[6] Siehe Christiansen 1980, S. 9 f.

[7] Edert 1949, S. 2.

[8] Ohne Autor: Kieler Nachrichten vom 26.08.1974, S. 7. Zitiert wird der neue Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes, Werner Schmid, in einem Artikel zur Verleihung der Lornsenkette an Prof. Christian Degn.

[9] Siehe Christiansen 1980, S. 15.

10 Siehe Christiansen 1980, S. 24.

[11] Siehe Christiansen 1980, S. 136.

[12] Siehe Christiansen 1980, S. 135.

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung des Naturschutzes in Schleswig-Holstein anhand der Quellenauswertung der Zeitschrift "Die Heimat" von 1891 bis 1949
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Mittlere und Neuere Geschichte)
Veranstaltung
Die Geschichte des Naturschutzes in Schleswig-Holstein
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
37
Katalognummer
V126139
ISBN (eBook)
9783640328239
ISBN (Buch)
9783640328772
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Aufsatz basiert auf einer Hausarbeit an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Note: 1,0) aus dem Jahr 2002, geschrieben am Institut für Mittlere und Neuere Geschichte und korrespondierend mit dem Seminar für Europäische Ethnologie/Volkskunde. Er ist geringfügig aktualisiert bzw. ergänzt.
Schlagworte
Naturschutz, Die Heimat, Schleswig-Holstein
Arbeit zitieren
M.A. Carsten Sobik (Autor:in), 2002, Die Entwicklung des Naturschutzes in Schleswig-Holstein anhand der Quellenauswertung der Zeitschrift "Die Heimat" von 1891 bis 1949, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126139

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