Finanzielle Nachhaltigkeit und Wirkungen von Mikrofinanzen


Hausarbeit, 2008

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Mikrofinanzen in der Entwicklungspolitik
2.1 Versagen der staatlichen Entwicklungsbanken
2.2 Bereitstellung von Mikrofinanzen durch private Akteure
2.3 Formalisierung und Kommerzialisierung des Mikrofinanzsektors

3 Evaluation von Nachhaltigkeit
3.1 Makroebene
3.2 Programmebene

4 Nachhaltigkeit von Mikrofinanzen
4.1 Financial Sustainability
4.2 Outreach
4.3 Repayment Rate
4.4 Social Impacts

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mikrofinanzen unterscheiden sich in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich vom der sonstigen Entwicklungszusammenarbeit. Während letztere oft mit einem beson-deren Legitimationsdruck zu kämpfen hat, gelten insbesondere kleine Kredite als er-folgreiches Mittel zu Armutsbekämpfung. Die Vereinten Nationen erklärten 2005 zum Jahr der Mikrofinanzen und 2006 wurde Muhammed Yunus für seine Pionier-leistungen mit der Grameen Bank in Bangladesch mit dem Friedensnobelpreis ge-ehrt.

Doch es sind Anekdoten, die weitgehend das Bild von Mikrofinanzen bestimmen – auch bei Praktikern der Entwicklungszusammenarbeit. Auf der Seite ihrer Fürspre-cher sind es insbesondere die Geschichten der armen Frauen von Südamerika über Bangladesch bis Indonesien, die mit kleinen Krediten ihren Unternehmergeist ent-decken und dem Gefängnis von Armut und Unterdrückung entkamen. Auf der ande-ren Seite wird dramatisch beschrieben, wie ebensolche sich aus Angst vor sozialen Sanktionen immer mehr verschulden – alles zum Vorteil der Großbanken, die die Armen dieser Welt als Kunden entdecken und sich in Entwicklungsländern Marktan-teile sichern. Ein solch Aufsehen erregendes Instrument hochzujubeln ist aber ebenso falsch wie es als neoliberales Teufelszeug zu brandmarken. Diese Polarisierung des Diskurses ist gefährlich, weil sie den vernünftigen Einsatz von Mikrofinanzen ver-hindert. Es besteht also dringender Bedarf zur wissenschaftlichen Evaluation, um Praktikern und politischen Entscheidern der Entwicklungszusammenarbeit die drin-gendste Frage zu beantworten: Wie wirken Mikrofinanzen als Instrumente des sozia-len Wandels mit dem Ziel der Armutsbekämpfung?

Darüber hinaus gibt es im aktuellen Diskurs eine lebhafte Auseinandersetzung in-wieweit die marktförmige Bereitstellung von Mikrofinanzdienstleistungen möglich und sinnvoll ist. Können finanziell kostendeckend wirtschaftende Organisationen ei-nen sozialen Wandel in großem Umfang und unabhängig von externen Gebern errei-chen? Geht das Streben nach Unabhängigkeit mit einer Abkehr von den ursprüngli-chen sozialen Zielen einher?

Die Methodik zur Beantwortung dieser Fragen soll hier systematisch vorgestellt werden, ohne dabei die Fragen selbst zu beantworten. Es wird zunächst dargestellt, welche Rolle Mikrofinanzen und insbesondere Kleinkredite in der Entwicklungspoli-tik nach dem zweiten Weltkrieg gespielt haben und woher in diesem Bereich die be-sondere Skepsis gegenüber externer Unterstützung rührt. Im Folgenden wird das Konzept zur Evaluation von Nachhaltigkeit nach Stockmann als systematische Me-thode vorgestellt und in Bezug auf Mikrofinanzen erläutert. Es folgt eine genaue Be-trachtung der Dimensionen finanzieller und sozialer Nachhaltigkeit in diesem Be-reich: Financial Sustainability, Repayment Rate, Outreach und Social Impacts 1.

2. Mikrofinanzen in der Entwicklungspolitik

Mikrofinanzen sind speziell gestaltete Finanzdienstleistungen, die Unternehmen und Haushalten verfügbar gemacht werden, die vorher noch keinen Zugang zum Finanz-system hatten. Dabei bezieht sich der Terminus nicht nur auf Klein- und Kleinstkre-dite, sondern deckt auch Sparkonten, Girodienstleistungen und Versicherungspolicen ab (Gulli, 1998: 15). In dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt auf Mikrokrediten, da sie die am weitesten verbreitete Form sind und sich von den anderen Finanzdienstleistungen dadurch unterscheiden, dass sie Zugang zu Investitionskapital verschaffen. Damit soll erreicht werden, dass die Zielgruppe mit Tätigkeiten im informellen Sektor den Weg aus der Armut schafft. Hervorzuheben ist, dass Mikrofinanzinstitute (MFI)2 oft verschiedene Produkte und zum Teil auch ergänzende Bildungsmaßnahmen anbieten.

Im Anschluss wird die Rolle von Mikrokrediten als entwicklungspolitisches Instru­ment dargestellt. Es wird verdeutlicht, warum Skepsis gegenüber der Abhängigkeit von Fördergeldern – insbesondere staatlichen – herrscht und weshalb ein besonderes Augenmerk, neben den armutsreduzierenden Wirkungen, auf der finanziellen Ko-stendeckung liegt.

2.1 Versagen der staatlichen Entwicklungsbanken

In den 1940ern und 1950ern erlangte die Entwicklungstheorie durch die politischen Unabhängigkeit vieler ehemaliger Kolonien eine neue Bedeutung. Diese basierte weitgehend auf den Annahmen der klassischen Ökonomie3 und setzte Entwicklung mit ökonomischem Wachstum gleich. Entsprechend galten Kapitalakkumulation und -investition als die Grundlage für steigende Einkommen Wachstum und fortschrei-tende Arbeitsteilung. In diesem Kontext wurden subventionierte Kreditprogramme für bestimmte Sektoren und Bevölkerungsschichten zu einem favorisierten entwick-lungspolitischen Instrument (Kargbo, 2006: 45-46). Dies galt insbesondere für die Bemühungen einer aktiven Entwicklung von Agrarsektoren. Große staatliche Land-wirtschaftsbanken wie die Reserve Bank of India hatten dabei die Aufgabe der Geldmittelallokation. Diese formellen Institutionen vergaben subventionierte Kredi-te, mit denen Landwirte zum Beispiel durch den Erwerb von Düngemitteln, Geräten oder zusätzlichem Ackerland ihre Produktivität verbessern sollten um die ‚Grüne Revolution’ voran zu treiben. So sollten sowohl die Erträge und Einkommen der Bauern als auch die Nachfrage nach Arbeitskräften durch den Agrarsektor gesteigert werden.

Es wurden dabei Subventionen an die Banken gezahlt, um sie für die höheren Risi-ken und Transaktionskosten zu entschädigen, die mit der Erschließung der ländlichen Märkte verbunden war. Insbesondere sollten aber die Zinsen niedrig gehalten wer-den, um die arme Zielgruppe zu erreichen. Man ging davon aus, dass die Armen zu arm sind, um marktgerechte Zinssätze zahlen zu können. Die Effizienz der Finanzin-stitute litt aber unter den hohen Zuschüssen. Noch problematischer war allerdings, dass die günstigen Kredite4 eine gewaltige Nachfrage hervorriefen. Diese führte da-zu, dass sie nicht mehr die erwünschten Zielgruppen erreichten, sondern privilegierte Bürger ihren Einfluss nutzten, um sich den Zugang zu ihnen zu verschaffen.

Ende der 1970er kam massive Kritik an den beschriebenen subventionsfinanzierten Kreditprogrammen auf und man kam zu dem Schluss, dass die Armen ohne subven-tionierte Kreditzinsen besser erreicht worden wären. Marktgerechte Zinsen müssen nicht abschreckend auf die armen Kreditnehmer wirken, sondern haben einen wich-tigen Rationierungseffekt: Nur wirklich Gewinn versprechende Unternehmen sind auch bereit, angemessene Zinsen zu bezahlen; sie können sie sich dann aber auch lei-sten (Kirkpatrick & Munzele Maimbo, 2002: 293-296). Letztendlich bestehen auch für Banken keine Anreize, Einlagen zu generieren und auf Rückzahlungen zu beste-hen, wenn regelmäßig günstiges Geld von staatlicher Stelle zufließt. Zudem macht ihre Staatsnähe sie anfällig für politische Instrumentalisierung. Armendáriz de Aghi-on und Morduch sehen in diesem Versagen staatlicher Entwicklungsbanken den Hauptgrund für den ersten Paradigmenwechsel im Mikrofinanzbereich (Armendáriz de Aghion & Morduch, 2005: 8-11).

2.2 Bereitstellung von Mikrofinanzen durch private Akteure

In den 1980ern bis Mitte der 1990er waren die Hauptakteure semiformelle MFI. Es handelte sich hierbei oft um Nichtregierungsorganisationen und Unternehmungen mit sozialer Ausrichtung, deren primäre Zielgruppe arme Frauen ohne Vermögen waren. Sie konzentrierten sich auf den informellen Sektor5, wo es eine große Nach-frage nach Finanzierungsmöglichkeiten für kleine und kleinste Unternehmen gab. Doch wurde diese Nachfrage vom formellen Finanzsektor nicht bedient. Neben den hohen Transaktionskosten in Entwicklungsländern6 gibt es noch zwei grundlegende Probleme bei der Kreditvergabe an Arme. Zum einen können sich Finanzinstitute nicht ausreichend Informationen über die Kreditnehmer verschaffen, die es erlauben, gute von schlechten Kreditnehmern zu unterscheiden. So subventionieren die guten Kreditnehmer die schlechten und werden mit höheren Zinsen belegt als es ihrem Ri-siko angemessen ist und werden aus dem Markt gedrängt (adverse Selektion). Zum anderen kann der Kreditgeber nicht kontrollieren, wie verantwortungsvoll der Agent mit dem geliehenen Geld umgeht und welche Anstrengungen er unternimmt, es tat-sächlich gewinnbringend zu verwenden wenn es erst einmal ausgezahlt ist (ex ante moral hazard). Im Weiteren ist auch schwierig überprüfbar, ob Investitionsgewinne realisiert werden und dass diese dann auch zur Schuldentilgung genutzt werden (ex post moral hazard). Diesen Probleme werden normalerweise durch die dingliche Be-sicherung von Krediten und Auskünfte von Informationssystemen wie der deutschen SCHUFA gelöst. Die Armen haben aber kein Vermögen, das als Sicherheit dienen könnte und die Informationssysteme sind in Entwicklungsländern nicht oder nur schlecht ausgebaut (Armendáriz de Aghion & Morduch, 2005: 36-37).

Diesen Herausforderungen begegneten MFI durch innovative Praktiken bei der Kre-ditvergabe an Arme. Sie liehen an Selbsthilfegruppen, um die gegenseitige Überwa-chung zu gewährleisten und durch eine ‚soziale Besicherung’ ein Wohlverhalten zu fördern. Dabei steigen diese Effekte noch dadurch, dass nicht alle Mitglieder der Gruppe gleichzeitig einen Kredit erhalten, sondern ein Teil erst bei erfolgreicher Rückzahlung den Zugang zu Kapital erhält. Die Ratenzahlungen werden oft öffent-lich und in sehr kurzen Abständen durchgeführt. Eine andere Herangehensweise ist die graduelle Steigerung der Kreditsummen bei guter Rückzahlungsmentalität, die es dem Kreditgeber erlaubt, bei geringem Risiko Informationen über die Kunden zu sammeln. Durch diese Praktiken aber auch durch ihre soziale und kulturelle Nähe zu den armen Kunden konnten die Transaktionskosten und Risiken soweit gesenkt wer-den, dass eine Kreditvergabe an arme Bevölkerungsschichten möglich wurde. Der Gründer der Grameen Bank in Bangladesh, Muhammed Yunus, erkannte diese Me-chanismen bereits frühzeitig. Aufgrund der Vorreiterstellung wird diese Form der Bereitstellung von Mikrokrediten durch private Akteure als das ‚Grameen Modell’ bezeichnet.

2.3 Formalisierung und Kommerzialisierung des Mikrofinanzsektors

Seit Ende der 1990er ist zunehmend Kritik an den MFI aufgekommen. Insbesondere wurde die mangelnde Flexibilität der Verleihpraktiken mit Gruppenkrediten, festen Aus- und Rückzahlungsdaten sowie graduell ansteigenden Kreditsummen angeführt. So erreiche man nicht die Ärmsten der Armen, da sie nicht in Gruppen aufgenom-men werden und die standardisierten Kreditprodukte nicht nachfragen. Es setzte sich die Vorstellung durch, dass die ökonomisch aktiven Armen individuelle und vielfältige Finanzdienstleistungen nachfragen. Dazu gehören flexiblere Geschäftskredite ebenso wie Sparkonten, Bildungsdarlehen und Versicherungsprodukte (Kirkpatrick & Munzele Maimbo, 2002: 293-296).

Ein weiteres Argument zur Formalisierung des Mikrofinanzsektors ist die große Nachfrage und die Annahme, dass diese nur nachhaltig zu befriedigen sei, wenn die Refinanzierung marktförmig geschieht. Das bedeutet, dass Kapital an den Finanz-märkten aufgenommen oder durch Spareinlagen verfügbar wird. Das Erzielen von Gewinnen wird in diesem Ansatz nicht im Konflikt mit der Armutsminderung gese-hen. Vielmehr wird angenommen, dass so Anreize für kommerzielle Anbieter entste-hen, die Armen nachhaltig mit Investivkapital zu versorgen und eine breite Palette an darüber hinausgehenden Finanzdienstleitungen bereit zu stellen. Das Mikrofinanz-versprechen besteht also darin, dass in Mikrofinanzen investierte Produktionsfakto-ren (Arbeit und Kapital) gleichzeitig zu sozialem Wandel und Profit führen. So soll eine wirksame Armutsbekämpfung ohne laufende externe Unterstützung durch För-dergelder, Subventionen oder Spenden möglich sein (Cull, Demirgüç-Kunt, & Morduch, 2007: 107).

Die Geschichte der Mikrofinanzen umfasst also zwei wesentliche Paradigmenwech-sel. Dies ist zunächst die Abkehr von der staatlichen Subventionierung der Kapital-kosten, gefolgt von Innovationen durch die Zivilgesellschaft. Der zweite Paradig-menwechsel war dann die zunehmende Marktorientierung. Dieser zweite Wandel ist allerdings noch nicht abgeschlossen, sondern ist durchaus umstritten.

3. Evaluation von Nachhaltigkeit

Nach der Definition der OECD ist eine Evaluation „eine möglichst systematische und objektive Bewertung des Entwurfs, der Durchführung und der Ergebnisse eines laufenden oder abgeschlossenen Projektes, eines Programms oder eines Politikentwurfs. Sie soll die Relevanz und Zielerreichung, entwicklungsbezogene Effizienz, Effektivität, Wirkung und Nachhaltigkeit bestimmen. Eine Evaluierung sollte glaubwürdige und nützliche Informationen bereitstellen, die es Gebern wie Empfängern ermöglicht, in ihren Entscheidungsprozessen entwicklungspolitische Folgerungen zu berücksichtigen.“ (zitiert nach: Caspari, Kevenhörster, & Stockmann, 2003: 7)

[...]


1 Es werden in diesem Bereich bewusst die englischen Fachbegriffe verwendet, da es sich bei Mikro-finanzaktivitäten in der Regel um Programme der internationalen Entwicklungszusammenarbeit han-delt und Englisch hier als Verkehrssprache dient.

2 Im Folgenden wird die allgemein gebräuchliche Abkürzung verwendet.

3 Basierend beispielsweise auf Adam Smith, Thomas Malthus, David Ricardo und John Stuart Mill.

4 Bis hin zur negativen Kreditverzinsung, also Zinsen unterhalb der Inflationsrate.

5 Unter informellem Sektor wird hier der nicht regulierte Markt verstanden, auf dem Dienstleistungen und Waren (z.B. handgeflochtene Körbe) selbstständig angeboten werden. Er kann in Entwicklungs-ländern einen hohen Anteil an der wirtschaftlichen Gesamtproduktion und –beschäftigung ausmachen.

6 Beispielsweise Kosten durch unzureichende Infrastruktur oder Vielosprachigkeit.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Finanzielle Nachhaltigkeit und Wirkungen von Mikrofinanzen
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar: Qualitätsmanagement in der Entwicklungszusammenarbeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V126134
ISBN (eBook)
9783640315116
ISBN (Buch)
9783640318506
Dateigröße
755 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finanzielle, Nachhaltigkeit, Wirkungen, Mikrofinanzen
Arbeit zitieren
Sven Grantz (Autor:in), 2008, Finanzielle Nachhaltigkeit und Wirkungen von Mikrofinanzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126134

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