Die Rolle des Erziehers bei Rogers


Hausarbeit, 2008

14 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Rogers‘ Grundhaltung zur Lehre und der Rolle des Lehrenden

2. Das Menschenbild in der Persönlichkeitstheorie Carl Rogers‘
2.1 Das Selbst und das Selbstkonzept
2.2 Tendenz zur Selbstaktualisierung
2.3 Kongruenz und Inkongruenz

3. Die Grundhaltung des Lehrenden
3.1 Der traditionell Lehrende
3.2 Der personenzentriert Lehrende
3.2.1 Die drei lernfördernden Qualitäten des Lehrenden
3.2.1.1 Bedingungslose positive Zuwendung
3.2.1.2 Einfühlendes Verstehen - Empathie
3.2.1.3 Echt-sein, Real-sein, Kongruenz

4. Die Aufgaben des Lehrenden

5. Ein politisches Problem

6. Rogers‘ Theorie in der schulischen Praxis – ein Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Rogers Grundhaltung zur Lehre und der Rolle des Lehrenden

Um zu einer angemessenen Beurteilung und Einordnung von Carl Rogers‘ Idee eines erfolgreichen Lehrens und Lernens zu kommen, bedarf es einiger Klärungen und näherer Erläuterungen. Insbesondere Rogers' Auffassung vom Menschen an sich, sein Menschenbild, spielen für das Verstehen seines Bildungsansatzes eine entscheidende Rolle. In dieser Arbeit soll also zunächst ein kurzer Abriss über die Anthropologie des Carl Rogers als Grundlage für die darauffolgende Darstellung des Bildungsverständnisses Carl Rogers‘ dienen. Die Illustration des Ansatzes einer erfolgreichen Lernerförderung nach Rogers wird hier die größte Beachtung finden. Abschließend soll eine kritische Untersuchung und Beurteilung versuchen eine neutrale und zeitgemäße Einordnung zu ermöglichen.

2. Das Menschenbild in der Persönlichkeitstheorie Carl R. Rogers

Rogers‘ Menschenbild beruht hauptsächlich auf dem humanistischen Vorbild. Dieses geht grundsätzlich zunächst vom Guten im Menschen aus. Rogers‘ Gedanken setzen sich also deutlich gegen die Vorstellungen von etwa Freuds Psychoanalyse, in der dieser Triebkräfte betont, die sowohl erzeugen und erhalten als auch zerstören können, ab. Nach Rogers ist die Natur des Menschen im Wesentlichen positiv. So strebt der Mensch nach Wachstum um sich zu einer gesunden, selbstbestimmten und reifen Persönlichkeit zu entwickeln. Würde er in diesem Streben nach Selbstverwirklichung so wenig wie möglich eingeschränkt und könne er seinem Wesen gemäß handeln, so sei der Mensch ein positiver und sozialer Organismus, dem man vertrauen könne. „Es ist meine Erfahrung gewesen, daß Menschen eine im Grunde positive Entwicklungsrichtung haben.“[1] Dieser Grundeinstellung bleibt er auch treu, wenn er von Individuen spricht, die kein positives sondern ein höchst asoziales Verhalten zeigen. Rogers tritt hier bereits möglichen Gegnern entgegen, die ihn als „naiven Optimisten“[2] bezeichnen könnten und beruft sich auf über 25 Jahre Therapieerfahrung. Diese Zeit habe ihm bewiesen, dass sich auch Klienten, deren Naturell vordergründig als störend und unsozial empfunden würde, sich in eine konstruktive und positive Richtung entwickelte, wenn er sie als „einzelne, separate Menschen mit ihrem eigenen Recht“[3] akzeptierte. Dennoch betont er auch hier noch einmal ausdrücklich, Missverständnissen vorbeugen zu wollen:

Ich habe kein euphorisches Bild von der menschlichen Natur. Ich weiß, daß Individuen aus Abwehr und innerer Angst sich unglaublich grausam, destruktiv, unreif, regressiv, asozial und schädlich verhalten können. Es ist dennoch einer der erfrischendsten und belebendsten Aspekte meiner Erfahrung, mit solchen Individuen zu arbeiten und die starken positiven Richtungsneigungen zu entdecken, die sich auf den tiefsten Ebenen bei ihnen wie bei uns allen finden.[4]

Zusammengefasst kann man sagen, dass Rogers von einem tiefen Respekt vor dem Menschen geleitet war, und diese Achtung war stets Fundament seiner daraus entwickelten Therapieformen, wie wir hier im Hinblick auf Erziehung und Bildung noch sehen werden. Damit bildet der phänomenologische Ansatz mit der Betonung von Wahrnehmungen, Gefühlen, subjektivem Selbstbericht, Selbstverwirklichung und dem Prozess der Veränderung einen deutlichen Gegensatz zu den psychoanalytischen Grundlagen wie Trieben, Instinkten, dem Unbewussten, Spannungsreduktionen und früher Charakterentwicklung.[5]

2.1 Das Selbst und das Selbstkonzept

Rogers persönlich betrachtete die Definition Selbst als ungenau und unzureichend und konnte dennoch nicht umhin, anzuerkennen, dass Klienten immer wieder über ihr Selbst sprachen. Unabhängige Kommentare wie „Ich frage mich, wer ich wirklich bin“ oder „ Ich mag es nicht, wenn jemand mein wirkliches Selbst kennt“[6] bestätigen diese Aussage. Daraufhin definierte Rogers das Selbst als eine

[…] organisierte, in sich geschlossene („consistent“) begriffliche Gestalt. Sie setzt sich zusammen aus den Wahrnehmungen der Charakteristika des ‚Ich’ (‚I’) oder ‚Mich’ (‚me’) und den Wahrnehmungen der Beziehungen des ‚Ich’ oder ‚Mich’ zu anderen sowie zu verschiedenen Aspekten des Lebens, zusammen mit den Bewertungen, die mit diesen Wahrnehmungen verbunden sind. Es ist eine Gestalt, die dem Bewusstsein zugänglich, aber nicht immer im Bewusstsein gegenwärtig ist.[7]

Das Selbst repräsentiert eine Art Gestalt oder Figur. Es wird als Einheit von verschiedenen Komponenten beschrieben, die miteinander in Beziehung stehen. Es steht somit für ein „organisiertes Wahrnehmungsmuster, das die Teile des Wahrnehmungsfeldes enthält, die vom Individuum als ‚selbst, ‚mein‘ oder ‚ich‘ bezeichnet werden.“[8] Das Wahrnehmungsfeld repräsentiert dabei laut Rogers das Gesamtsystem aller Wahrnehmungen und Bedeutungen und schließt ganz entscheidend auch die Bewertung dieser Erfahrungen mit ein. Hierbei spielen aber nicht nur die eigene Beurteilung sondern auch und besonders die Fremdbewertungen eine Rolle, und so entsteht in jedem Menschen ein Bild von sich selbst, das Selbstkonzept.

Das Selbstkonzept bezeichnet in etwa eine beständige Vorstellung von zusammengehörigen Wahrnehmungen. Denn obwohl sich das Selbst entwickelt und verändert, liegt ihm eine „vorgegebene, kohärente, integrierte und organisierte Qualität“[9] zugrunde:

Das Selbst-Konzept oder die Selbst-Struktur lässt sich umschreiben als eine organisierte Konfiguration von Wahrnehmungen des Selbst, die dem Bewusstsein zugänglich sind. Es setzt sich zusammen aus Elementen wie den Wahrnehmungen der Charakteristika und der Fähigkeiten der Person; den Wahrnehmungen und Vorstellungen vom Selbst in Bezug zu anderen und zur Umgebung; den Wertgehalten, die als verbunden mit Erfahrungen und Objekten wahrgenommen werden; und den Zielen und Idealen, die als positiv oder negativ wahrgenommen werden.[10]

2.2 Tendenz zur Selbstaktualisierung

Diese Theorie geht davon aus, dass jedes Lebewesen stetig nach der Entfaltung all seiner Potentiale strebt. Auf den menschlichen Organismus bezogen meint das ganz speziell die Verwirklichung des Selbst mit den Zielen Autonomie, Diversifikation des Selbst, ausgeprägtes Sozialverhalten, Kreativität und Offenheit für Erfahrungen. Rogers beschreibt diesen Instinkt wie folgt:

[…] Ob man dies eine Tendenz zur Entfaltung, einen Drang zur Selbstaktualisierung, oder eine sich vorwärts entwickelnde Gerichtetheit nennt, es handelt sich um die Haupttriebfeder des Lebens und ist letztendlich die Tendenz, von der die ganze Psychotherapie abhängt […].[11]

2.3 Kongruenz und Inkongruenz

Im frühen Kindesalter entwickelt sich eine Fähigkeit des Individuums sich selber zum Gegenstand der Wahrnehmung zu machen und somit auch Erfahrungen in entsprechender Weise mit dem Selbstkonzept abgleichen und symbolisieren zu können. Stimmen die Erfahrungen mit unserem Idealkonzept überein werden sie problemlos in das Selbst integriert. Ignoriert werden solche Erfahrungen, die nicht aufgenommen werden können, „weil es keine wahrgenommene Beziehung zur Selbst-Struktur gibt“ und schließlich die Erfahrungen, die geleugnet oder verzerrt symbolisiert werden, weil sie „mit der Struktur des Selbst nicht übereinstimm[en]“.[12] Ist dies der Fall, kommt es zu einer Inkongruenz von erlebtem, im Sinne von angeborenem, Selbst und erfahrenem Selbst. Überwiegt bei einem Organismus die Inkongruenz, führt das laut Rogers zu Persönlichkeitsstörungen und neurotischem Verhalten. Im positiven Fall, das heißt wenn die Erfahrungen mit dem Selbstkonzept im Ganzen überein stimmen, befände sich der Organismus in einer Art Idealform. Rogers bezeichnet diese Person als „fully functioning person“[13]. Die voll funktionsfähige Person beschreibt ein Art Idealform des menschlichen Organismus und gleichzeitige ein Extrem, das sich „hypothetisch am Ende des Aktualisierungsprozesses des Organismus entwickelt hätte“[14]. Dieser Soll-Zustand wäre die ganzheitliche Harmonie von Aktualisierungstendenz, Kongruenz und Bewusstsein[15].

3. Die Grundhaltung des Lehrenden

Nachdem zuvor das Menschenbild in der Theorie des Carl Rogers dargelegt wurde, ergibt sich daraus die Grundlage für seine Vorstellungen in der Erziehung dieses Menschen. Im Folgenden sollen Rogers Ideen, übertragen auf die Pädagogik, genauer untersucht und dargestellt werden. Er geht zunächst von einer Grundhaltung des Lehrenden aus, die auf seiner Theorie des Therapeuten im Klientengespräch basiert. Dabei steht der Klient – oder, bezogen auf die Pädagogik, der Schüler – im Mittelpunkt. Auch hier geht Rogers davon aus, dass der Mensch selbst am besten weiß, was für ihn gut ist und deshalb im Sinne seiner stets vorhandenen Aktualisierungstendenz nach Verbesserung seines Selbst strebt.[16] Rogers formuliert hierzu einmal:

‚Man kann dem Lernenden trauen.‘ Vertrauen, daß er den Wunsch hat, alles zu lernen, was das Selbst erhält oder erhöht; vertrauen, daß er die Hilfsmittel benutzt, die diesem Ziel dienen; vertrauen, daß er sich auf eine Weise selbst bewertet, die seinen persönlichen Fortschritt fördert; vertrauen, daß er wächst, vorausgesetzt, es steht ihm eine dem Wachsen günstige Atmosphäre zur Verfügung.[17]

[...]


[1] Rogers 1992: 42

[2] Pervin 2000: 175

[3] Rogers 1992: 42

[4] Rogers 1992: 42

[5] Vgl. Pervin 2000: 176

[6] Rogers, 1987: 27

[7] Rogers, 1959/1987: Übersetzung: Diether Höger n.d. Original, S. 200

[8] Pervin 2000: 176

[9] Ebd.

[10] Rogers 1981: 135

[11] Rogers 1992: 49

[12] Rogers 1981: 434

[13] Rogers 1987: 60

[14] Munk 1988: 47

[15] Vgl. Suter 1986: 106

[16] Vgl. Munk 1988: 11

[17] Rogers 1981: 372

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Rolle des Erziehers bei Rogers
Hochschule
Universität zu Köln  (Humanwissenschaftliches Institut)
Veranstaltung
Zur Erziehung des Erziehers
Note
1
Autor
Jahr
2008
Seiten
14
Katalognummer
V126088
ISBN (eBook)
9783640314805
ISBN (Buch)
9783640318278
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Erziehers, Rogers
Arbeit zitieren
Dana Knochenwefel (Autor:in), 2008, Die Rolle des Erziehers bei Rogers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126088

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