Die Adjektivstellung im Spanischen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Adjektivklassen
2.1. Adjetivos calificativos
2.2. Adjetivos relacionales
2.3. Adjetivos adverbiales

3. Adjektivstellung
3.1. Die Problematik
3.2. Alternierende prä-/ postnominale Stellung
3.3. Stellungsprototypen und ihre Abweichungen
3.3.1. Postnominale Stellung
3.3.2. Pränominale Stellung
3.4. Eine weitere Facette der alternierenden prä-/ postnominalen Stellung

4. Tendenzielle Regelhaftigkeit – Regelhafte Tendenzialität

5. Anhang

6. Literatur

1. Einleitung

Auf der Suche nach Antworten zu den Fragen, wodurch das Stellungsverhalten des attributiven Adjektivs gelenkt wird, worin sich dabei Beschränkungen kristallisieren und inwiefern die Stellung an sich Konsequenzen für die Gesamtbedeutung des aus Adjektiv und Substantiv gebildeten Konzepts impliziert, werden diese Seiten, die es sich zur namentlichen Aufgabe gemacht haben, das Phänomen der Adjektivstellung im Spanischen einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen, den Spuren jener Besonderheit aller romanischen Sprachen folgen, die einem attributiven Adjektiv in seiner syntaktischen Realisierung generell die Stelle vor oder nach dem Substantiv reserviert hält. Ein konsultierender Blick in diverse Standardwerke der spanischen Grammatik[1] genügt um – auf dem Hintergrund der distributiven Situation, dass nämlich manche Adjektive eher die prä-, andere eher die postnominale Stellung zu favorisieren scheinen und sich sogar bisweilen der einen oder der anderen Stellung völlig entziehen, während wiederum andere Adjektive alternierend in beiden Positionen anzutreffen sind – festzustellen, dass man sich inmitten einer mittlerweile vieldiskutierten Thematik[2] befindet, die bis dato eines einheitlichen Konsens entbehrend noch nicht erschöpfend geklärt zu sein scheint.

Obwohl sich das Stellungsphänomen primär auf syntaktischer Ebene ereignet, wird ein Erklärungsmodell, das lediglich von dieser Ebene aus zu argumentieren versucht, höchstens zu unvollständigen Ergebnissen führen. Dieser Eindimensionalität entgegenwirkend, schlossen sich Argumentationen aus historischer, logischer, stilistischer, lexikalischer und semantischer Sichtweise an, wobei je nach linguistischer Schule einzelnen Faktoren unterschiedliche Gewichtung beigemessen wurde. Es soll hier keine Diskussion über linguistische Teilkomponenten oder Schulen entfacht werden, zumal dies bereits an anderer Stelle geschehen ist[3].

Indem folgende Überlegungen eine Art synthetische Zusammenführung des Ansatzes Violeta Demontes (1982; 1999) und den kognitiven Orientierungen von Nicole Delbecque (1990) und Hans-Ingo Radatz (2001) darstellen, soll in dieser Arbeit der Versuch eines Mittelweges unternommen werden, entlang welchem einige der Faktoren Anklang finden werden, die grundlegend zur Erhellung der eingangs gestellten Fragen beitragen, beginnend bei einer Charakterisierung der Wortklasse Adjektiv, um dann, erst in einem nächsten Zug, den Aspekt der Stellung in die Diskussion einzugliedern.

2. Adjektivklassen

Auf lexikalisch-semantischer Ebene lässt sich das gesamte Adjektivinventar grob in drei Typen einteilen, wobei ein Großteil von den calificativos und den relacionales[4] abgedeckt wird. Ein erstes, distinktives Merkmal besteht in ihrer Art der Eigenschaftszuweisung[5]: erstere beschreiben eine wesentliche Eigenschaft (un tigre viejo), letztere verweisen auf eine ganze Gruppe von Eigenschaften, beschreiben also nicht lediglich, sondern klassifizieren ihr Bezugssubstantiv (un tigre bengalí). Daneben, die kleinere Klasse der adverbiales, die in ihrer äußeren Erscheinung den calificativos ähneln, jedoch, wie die relacionales, keine Eigenschaft im eigentlichen Sinne beschreiben. Tatsächlich sind sie überhaupt nicht Träger von Eigenschaften und modifizieren ein Substantiv nur insofern, als sie eine in diesem bereits vorhandene Eigenschaft auf eine gewisse Art und Weise hervorheben (un verdadero tigre) oder in Raum und Zeit fixieren (el último tigre).

2.1. Adjetivos calificativos

Zu dieser Gruppe zählen generell all jene Adjektive, die unter Berücksichtigung verschiedener lexikalisch-semantischer Parameter[6] folgende Eigenschaften beschreiben: Dimension (adjetivos de dimensión), Geschwindigkeit (adjetivos de velocidad), physische Eigenschaft (adjetivos de propiedad física), Farbe (adjetivos de color), Alter (adjetivos de edad), Wertung (adjetivos de valoración (evaluativos)), menschliche Eigenschaften oder Fähigkeiten (adjetivos de aptitudes y (pre-) disposiciones humanas). Eine derartige Strukturierung erweist sich insofern als nützlich, als dass zwar, global betrachtet, beinahe alle calificativos eine Modifizierung durch Grad-, Intensivierungs- oder Komparativadverbien (muy largo, extremadamente largo, más largo que) erlauben und Polaritätspaare (z.B. Antonyme: largo-corto) bilden, sich diese Merkmale allerdings in den einzelnen Subkategorien verschiedenartig manifestieren. Der entscheidender Faktor ist, inwiefern ein Adjektiv den für diese Klasse prototypischen synkategorematischen Gehalt aufweist.

Die meisten calificativos sind synkategorematische Adjektive (largo, rápido, ligero, viejo, bueno, inteligente etc.), was soviel heißt, als dass ihre Bedeutung relativ ist. Vergleicht man beispielsweise die entsprechende Interpretation von alto in un hombre alto gegenüber una casa alta kann erahnt werden, dass der implizierte Sinngehalt beider Konstellationen eine gewisse, durch den Kontext bedingte Flexibilität – oder eben Relativität – aufweist, zumal Menschen in ihrer Körpergröße normalerweise nicht an die erdenklichen Höhenmaße eines Hauses heranreichen. Die Bedeutung eines synkategorematischen Adjektivs ist demnach relativ, nie vollkommen aus sich selbst zu erschließen und fordert deshalb stets eine kontextuelle Bezugsgröße. Noch deutlicher illustriert sich die Situation an einer Gegenüberstellung mit einem kategorematischen Adjektiv. In una casa alta es un edificio alto muss die Tatsache, dass es sich um una casa alta handelt, nicht notwendigerweise für das Hyperonym edificio zutreffen, wohingegen in una casa blanca es un edificio blanco keinen Zweifel aufkommen lässt, dass, wenn etwas als una casa blanca bezeichnet wird, es gleichzeitig auch un edificio blanco sein muss – die Bedeutung eines kategorematischen Adjektivs ist nicht abhängig von seinem jeweiligen Bezugssubstantiv; sie ist absolut.[7]

Kategorematischen Gehalt besitzen alle Farb- und Formadjektive (una casa blanca). Diese bilden weder polare Paare, noch lassen sie Graduierungen zu. Muy rojo stellt gewiss eine denkbare und grammatikalisch korrekte Konstruktionen dar, weist aber sinngemäß nicht über einen bestimmten Grad an Intensität innerhalb ihrer selbst hinaus, also nicht auf eine andere Farbe oder ein impliziertes Extrem, wie es bei den Antonymen blando-duro oder alto-bajo geschieht.[8]

Vorhandene Polarität ist bei vielen calificativos jedoch nicht immer so deutlich abzulesen, wie am Beispiel der Dimensionsadjektive, die eben aus diesem Grund, zusammen mit ihrem entschieden synkategorematischen Gehalt als prototypische Vertreter der Klasse gelten. Als äquipollente Antonyme bezeichnet man die Adjektive, die eine physische Eigenschaft beschreiben (unter Ausschluss der Formadjektive).[9] Bei diesen Adjektiven gibt es keine unmarkierte, in der Regel positive Form zur Bildung von beispielsweise Fragen: sofern nicht besonders motiviert, gebraucht man konventionell ¿Cómo es de largo? und nicht ¿Cómo es de corto?, um die Länge eines Gegenstandes zu erfragen. Obwohl man kaum bestreiten wollte, dass es sich bei dulce und agrio doch irgendwie um Gegensatzpaare handelt, gibt es hier keine unmarkierte Form, da beide Adjektive eine positive Bedeutung haben und es ihnen an einer speziellen Gradrichtung fehlt: man könnte sich auch salado als Opposition von dulce vorstellen.

Indessen erschließt sich die Frage der Polarität bei den Wertungsadjektiven nur in solch allgemeinen Formen, wie in bueno-malo oder lindo-feo, wobei allerdings die Negation des einen Pols nicht grundsätzlich die Sanktion des anderen Pols bedeutet: no lindo muss nicht heißen feo und umgekehrt. Genaugenommen kann diese Feststellung prinzipiell auf alle bisher angeführten Antonympaare ausgeweitet werden, denn das Fehlen der positiven Variante wird lediglich in einer Verneinung mit negativem Präfix bewirkt. Unter den calificativos ist dies ein privilegiertes Kennzeichen der Adjektive, mit welchen vorzüglich menschliche Eigenschaften und Fähigkeiten beschrieben werden (sensible-insensible, tranquilo-intranquilo). In unmittelbarer Konsequenz gibt es in dieser Klasse keine polaren Paare und Graduierungen erfolgen mittels lexikalischer Einheiten.

2.2. Adjetivos relacionales

Bereits das morphologische Bild dieser Adjektive – keine Urformen, sondern zumeist substantivische Derivate – in Kombination mit der grundlegenden Tatsache, dass eine völlig andere Art von Eigenschaftszuschreibung[10] stattfindet, suggeriert einen von den calificativos gänzlich divergierenden Adjektivtypus. Dieser Eindruck gewinnt an Kontur, wenn man in einer kurzen Rekapitulation der im letzten Abschnitt diskutierten und für die calificativos als wesentlich ermittelten Charakteristika, jetzt im Hinblick auf die relacionales zur Kenntnis nehmen wird, dass diese sich von jenen hauptsächlich in diesen Punkten sehr stark unterscheiden.

Beginnend bei der in erster Linie substantivischen Abstammung der relacionales (constitución-constitucional), weisen sie auch frappierende Ähnlichkeiten zu dieser Wortkategorie auf, weshalb sie oft als quasi-nominale- oder Pseudoadjektive bezeichnet werden.[11] Es liegt in der Natur dieser Adjektive, die Zugehörigkeit ihres Bezugssubstantivs zu einer bestimmten, in etwa nationalen (una tortilla española), politischen (un partido liberal) oder wissenschaftlichen (un instituto lingüístico), Gruppe zu signalisieren. Dabei funktioniert die Modifikation gleichsam wie bei einem Substantiv, das Teil einer Kompositstruktur bildet, was so viel besagt, als dass diese Adjektive, zusammen mit dem von ihnen bezeichneten Substantiv, ein neues Substantiv, d.i. ein neues Konzept, hervorbringen (diccionario manual-Handwörterbuch).[12]

[...]


[1] vgl. z.B. Gili y Gaya (31951); Lapesa (1975); Alarcos Llorach (1994).

[2] Einen etwaigen Eindruck von der gewaltigen Masse an Forschungsliteratur zum Thema bietet die Zusammenfassung und weitere Referenzen in Demonte (1999: 191, 213-215 [Bibliographie]).

[3] Eine gute Einführung in die Heterogenität diverser Ansätze bietet das Kapitel 1.1. Tendenzen in der bisherigen Forschung zur Adjektivstellung, in: Radatz (2001), 3-20.

[4] Die in dieser Arbeit favorisierte Klassifizierung wird sich maßgeblich an dem Eintrag der Gramatica Descriptiva von Violeta Demonte (1999: 129-215) orientieren. Obwohl deutsche Entsprechungen existieren – etwa Qualitäts- oder Relationsadjektiv –, wird die spanische Terminologie als standardisierte Bezeichnung, besonders der Hauptklassen – calificativos, relacionales, adverbiales – beibehalten.

[5] Zur Eigenschaftsproblematik von Adjektiven, vgl.: Radatz (2001), 55f; Demonte (1999), 137ff.

[6] Diese Einteilung basiert auf den von Robert Dixon (1977/ 1982) durch interlinguale Vergleiche semantischer Konzepte extrahierten semantischen Universaltypen, vgl. Radatz (2001), 41-44/ 83f; Demonte (1999), 175.

[7] Welches Beispiel sehr häufig in der Literatur zur Erläuterung der Unterscheidung zwischen synkategorematischem und katekorematischem Gehalt verwendet wird, ist das des Elefanten (zurückgehend auf Martin (1986)), vgl. Radatz (2001): 54; Demonte (1999), 144f: un elefante es cuadrúpedo versus un elefante es pequeño.

[8] vgl. Demonte (1999), 174.

[9] vgl. Demonte (1999), 179.

[10] Es kann hier nur unter Vorbehalt von Eigenschaften die Rede sein, vgl. Anm. 5.

[11] vgl. Radatz (2001), 93; Demonte (1999), 139.

[12] vgl. Radatz (2001), 56/97; Demonte (1999), 182/187; Delbecque (1990), 357. Bezeichnend ist hierbei der Vergleich zum Deutschen, da viele Ausdrücke, die im Spanischen mit einem relacional gebildet werden, als zusammengesetztes Nomen übersetzt werden können: vaso coronario-Herzkranzgefäß, texto constitucional-Verfassungstext, corteza terrestre-Erdrinde u.a.m., vgl. speziell Radatz ebda.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Adjektivstellung im Spanischen
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V125995
ISBN (eBook)
9783640314348
ISBN (Buch)
9783640317882
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit ist sehr gelungen, vor allem weil sie erkennen lässt, dass eine intensive Auseinandersetzung mit der Problematik stattgefunden hat, die dann auch zu einer selbstständigen, kritisch reflektierten Darstellung geführt hat. Gesamtaufbau und Strukturierung im Detail sind klar und überzeugend, und auch die Formulierungen sind angemessen und präzise. Schließlich ist es recht gut gelungen, die Schwierigkeiten hinsichtlich der Vereinbarkeit der verschiedenen Ansätze in der benutzten Literatur zu bewältigen. Sehr schön ist auch, wie Einzelaspekte in den Fussnoten aufgegriffen und vertieft werden.
Schlagworte
Adjektivstellung, Spanischen
Arbeit zitieren
Sarah Poppel (Autor:in), 2008, Die Adjektivstellung im Spanischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125995

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