Ausgangsbedingungen der Jesuitenmission in China von Mitte des 16. bis Anfang des 17. Jahrhunderts und die Entwicklung der Akkommodationsmethode als leitendes Prinzip der Mission


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

31 Seiten, Note: 3.0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Die Ausgangsbedingungen der Jesuitenmission in China
1. Erste Ansätze der christlichen Mission in China und die Isolation in der Yuan-Zeit
2. Die politischen Hintergründe der Chinamission
3. Selbstbild des klassischen Chinas zu Beginn der Jesuitenmission
4. Erste gescheiterte Versuche der Jesuiten
5. Der Kontext der Entwicklung der Missionsmethode

II. Der Beginn der Missionierung Chinas
1. Ankunft im „Reich der Mitte“
2. Der religiöse Boden in China Ende des 16. Jahrhunderts

III. Matteo Ricci und die Weiterentwicklung des Prinzips der Akkommodation
1. Das erste strategische Ziel: die Bekehrung des Kaisers
2. Äußere Anpassung der gesellschaftlichen Rolle: Gelehrter statt Priester
3. Anpassung des Christentums an die chinesischen Klassiker
4. Geheimhaltung der wahren Absichten

IV. Die Reaktion auf die Missionsmethode von Ricci
1. Kritik und innere Zerrissenheit
2. Vertrauensverlust und äußerer Widerstand

Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

Das Christentum in China hat eine lange Geschichte.1 Erste Versuche, das Land im Fernen Osten für den christlichen Glauben zu gewinnen wurden schon im siebten Jahrhundert unternommen. Die ers-ten Christen, die in China Fuß fassten waren Nestorianer.2 Sie hatten die christliche Religion über die Handelstrassen von Mesopotamien nach Ostasien gebracht. Neben anderen christlichen Orden war es aber vor allem die Jesuitenmission, die sich der Herausforderung des fernen Ostens und ins-besondere Chinas gestellt haben. Das Thema der jesuitischen Mission in China ist aus mindestens drei Gründen von besonderer Bedeutung und ist in der geschichtswissenschaftlichen Forschung vielfach und intensiv bearbeitet worden. Es wirft einerseits ein Licht auf die Geschicke und Proble-me der ansetzenden großen interkulturellen Begegnung zwischen dem asiatischen und dem europäi-schen Raum in der frühen Neuzeit. Andererseits können an der Entwicklung der jesuitischen Missi­on, markante Zeichen der Entwicklung des frühmodernen Katholizismus mit seinen prägenden Aus-wirkungen auf die gesellschaftliche Ordnung in Europa festgehalten werden. Daneben kann die Ge-schichte der Mission natürlich auch als Erzählung von Individualschicksalen gelesen werden, bzw. mikrologisch besondere Aspekte der missionarischen Tätigkeit einzelner Personen herausgearbeitet werden. Der Punkt an dem sich diese Fragestellungen fokussieren lassen ist die Entwicklung und der Streit um die Methode der Missionierung. Sie reflektiert die innerkirchliche Entwicklung, die Auseinandersetzung mit der fremdem Kultur und die Arbeit der einzelnen Missionare. In dieser Ar-beit soll der Schwerpunkt deshalb auf den Entwicklungen zu Beginn der jesuitischen Mission liegen um die Prinzipien und Probleme in der Ausarbeitung der so genannten Akkommodationsmethode klar darzustellen. Der Zeitraum, der hier also im Wesentlichen betrachtet wird, ist beschränkt auf die Jahre von Mitte des 16. bis Anfang des 17. Jahrhunderts (ca.1541-1630). Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Wirken des Jesuitenmissionars Matteo Ricci. Damit werden nur die Vorbedingungen der Konfrontation untersucht, die unter dem Namen „Ritenstreit" in der Geschichtswissenschaft ge-handelt wird und häufig im Mittelpunkt der Debatte steht. In den Quellenstudien ist die vorliegende Arbeit auf Grund der verwendeten Sprachen hauptsächlich auf Sekundärliteratur angewiesen gewe-sen. Vor allem die Ubersetzung von Briefen der Missionare und zum Teil von chinesischen Positio-nen dieser Zeit wurde dabei erschlossen. Zwei grundsätzliche Probleme der Quellenarbeit mussten weitestgehend in Kauf genommen werden. Die maBgebliche Literatur in der Forschung war lange Zeit geprägt von Autoren, die zum Teil sicher unbewusst eine Idealisierung der Mission zeichneten, beziehungsweise wurden die groBtenteils aus ordensinternen Dokumenten gewonnen Informationen sogar zusatzlich vor einem eigenen jesuitischen oder theologisch gefärbten Hintergrund aufgearbei-tet. „Even if the narrative never questioned the missionary's right to be in China, it could in its best moments reflect about its aims."3 Dazu kommt eine gewisse Einseitigkeit der Quellenbetrachtung, die der chinesischen Position wenig Raum einräumt. Durch die Integration auch neuerer Sekundarlite-ratur und vielfaltiger Quellen konnte diesen Problemen zum Teil begegnet werden.

Die Arbeit gliedert sich in vier Abschnitte. Zunächst werden die Ausgangsbedingungen der Jesui-tenmission in] China untersucht (Teil I). Hier soll der Kontext der Entwicklung der Missionsmethode erleuchtet werden. Erste Ansätze der christlichen Mission und die chinesischen Politik der Isolation in der Yuan-Zeit bilden den Rahmen. Sodann werden die politischen Hintergründe (in Europa) der Mission und das Selbstbild des klassischen Chinas kurz dargestellt. Die Beschreibung der Aus-gangslage endet mit dem Scheitern der Missionare auch auf das Festland Chinas vorzudringen. Im zweiten Teil wird das Vordringen der Mission in China untersucht, da sich hier die Akkommodati-onsmethode unter den Missionaren Valignano, Ruggieri und Ricci herauszubilden beginnt (Teil 2). Für das eigene Verständnis war es sinnvoll, kurz auf die Religiosität und Weltanschauungen in Chi­na einzugehen, die sich den Missionaren als Ausgangspunkt und möglicher Konfliktherd darboten. Daran schließt sich die ausführliche Betrachtung der Weiterentwickelung der Missionsmethode un-ter Matteo Ricci, die sich auf die Bekehrung „von oben nach unten“, eine äußere Anpassung der Rolle und eine innere Anpassung der Lehre erstreckte. (Teil 3). Im letzten Teil werden die Reaktio-nen auf die Missionsmethode von zwei Seiten her dargestellt. Einerseits wird die innerkirchliche Kritik und die Zerissenheit innerhalb des Ordens dargestellt. Andererseits wird auf die äußeren (aus Sicht der Jesuiten) Widerstände und den zunehmenden Vertrauensverlust in der chinesischen Ge-lehrtenschaft eingegangen (Teil IV). Abschließend werden im Schlussteil die wichtigsten Betrach-tungen zusammengefasst und ein Ausblick auf die weiteren Entwicklungen gegeben.

I. Die Ausgangsbedingungen der Jesuitenmission in China

1. Erste Ansätze der christlichen Mission in China und die Isolation in der Yuan-Zeit

Nach einem Edikt des Kaisers Taizong aus dem Jahre 638 wurde den ersten Christen in China, den Nestorianern, ungehinderte Bewegungsfreiheit im ganzen Reich gestattet.4 Damals begann eine kleine Blütezeit des Christentums, die fast zwei Jahrhunderte andauerte. Dennoch blieb der christli-che Glaube im Reich relativ unbekannt und fand keine besondere Verbreitung. Nachdem auf Grund der Expansion des Mongolenreiches unter Dschingis Khan und dessen Nachfolger auch die Bin-nenhandelswege in den fernen Osten bis nach Karakorum und Peking sich zu beleben begannen, konnten im 13. Jahrhundert auch die Franziskaner und Dominikaner Fuß fassen. In dieser Epoche der Kreuzzüge,5 die in geistiger, religiöser, kultureller und kommerzieller Hinsicht sehr aufgeschlos-sen war, nahmen die Europäer erstmals seit dem Untergang der Antike wieder einen höchst intensi-ven kulturellen Kontakt mit dem Vorderen Orient auf. Zwei wichtige Gründe gab es für das beson-dere Interesse der Christen bzw. Europäer mit den Mongolen in Beziehung zu treten. An erster Stel-le standen wirtschaftliche Interessen: es bestand die Möglichkeit wichtige Handelskontakte aufneh-men zu können, die einen günstigen Einkauf gewisser fernöstlicher Produkte ermöglichte. Zweitens hoffte man den Groß-Khan im Kampf gegen den Islam, der für die Christen stetig bedrohlicher wur-de, als mächtigen Verbündete gewinnen zu können. Papst Inozenz IV. und König Ludwig IX. von Frankreich schickten wiederholt Franziskaner und Dominikaner als Gesandte zu den Mongolen – die meisten Annäherungsversuche scheiterten aber. Dem Franziskanermönch Rubruk gelang es schließlich, bis nach Karakorum, der Hauptresidenz der Großkhane. vorzudringen.6 Die Versuche den Groß-Khan zu gewinnen blieben letztendlich erfolglos.7 Zwar hatte man versucht auch in die-sem Kontext die christliche Religion zu vermitteln. Aber es handelte sich nicht um ein systemati-sche Evangelisierung im eigentlichen Sinne. Vielmehr stellten sich solche Kontakte als ein Neben-strang der Kontaktnahme und Aufklärung verschiedener Art dar.

Im Jahre 1367 wurde die fremde mongolische Yuan-Dynastie aus China vertrieben und durch die chinesische Ming-Dynastie ersetzt. Nanjing wurde zur Hauptstadt ernannt8. Dieser Umbruch war kein friedlicher Regierungswechsel, sondern ein Aufstand des unterdrückten Volkes gegen die aus-beuterische mongolische Herrschaft. Die gewaltsame Beseitigung der Mongolen-Dynastie, die aus verschiedenen Gründen, darunter Korruption, Unterdrückung der Chinesische Bevölkerung und Machtkämpfen der Adelsfamilien, erfolgt war, hatte jedoch für die missionarischen Tätigkeiten der christlichen Glaubensbrüder eine sehr verhängnisvolle Auswirkung. Die chinesische Machtüberna-me bedeutete zugleich das Ende der Mission im Reich und so verschwand das Christentum fast völ-lig aus China. Das Reich der Mitte schloss sich von der Außenwelt ab und unterhielt lediglich noch Kontakte mit Japan. Bis zu Beginn des 15. Jahrhunderts begab sich China in die Isolation. Die erste portugiesische Gesandtschaft erschien 1517 in Kanton, aber erst 1557 erhielten die Portugiesen die Genehmigung sich in Macao niederzulassen. Von dort aus trieben sie Handel mit Japan, Indochina und Malaysia. Lediglich einmal im Jahr wurde eine kleine Delegation zugelassen um Handelsge-schäften in Kanton zu tätigen.

2. Die politischen Hintergründe der Chinamission

Die europäische Mission der Neuzeit war eng und untrennbar mit den Interessen der beiden Entde-ckernationen Portugal und Spanien verbunden. Alle Bemühungen zur Missionsarbeit gingen von diesen beiden damaligen Weltmächten aus. Beide hatten das Recht und die Pflicht in ihren Gebieten die christliche Mission durchzuführen und zu finanzieren, wobei Ostasien zum Gebiet des portugie-sischen Padroado gehörte.9 Die Missionspflicht war sozusagen eine mit dem Eroberungsprivilegien verbundene Patronagenpflicht, die sie gegenüber der katholischen Kirche zu erfüllen hatten. In den überseeischen Gebieten sollte für die Evangelisierung gesorgt, Kirchen gebaut, Missionare ausge-bildet und für deren Unterhalt gesorgt werden. Dieser Pflicht stand das Patronagenrecht gegenüber. Die Eroberer wählten das Missionspersonal aus und hatten das Recht die Bischöfe vorzuschlagen sowie den Zehnten zu erheben.10

In der Asienmission wirkte nur eine begrenzte Anzahl von Orden und Kongregationen. Darunter waren die Franziskaner, Dominikaner, Augustiner aber vor allem die Jesuiten. Diese Einschränkung lag vor allem daran, dass Portugal versuchte, das Eindringen anderer Handelsmächte in China und Japan entweder ganz zu verhindern oder sie wirksam zu kontrollieren. So mussten alle nichtportu-giesischen Missionare für die Einreise in den fernen Osten ein Visum bei der königlichen Kanzlei in Lissabon beantragen. Sie sollten die Fahrt von dort aus auf einem portugiesischen Schiff antreten und die Reiseroute über Goa und Macao nehmen.11 Gegen dieses Reisemonopol Portugals versuchte Rom im Verlauf der Geschichte mit verschiedenen Dekreten entgegen zu steuern. Auch durch die externe Konkurrenz wurde die Monopolstellung Portugals im Überseehandel mit China spätestens mit dem Ende des 16. Jh. eingeschränkt. Noch vor der Jahrhundertwende kamen von Manila aus die Spanier und ab 1601 die Holländer nach China. Sie gerieten sogleich in Konflikt mit den Portugie-sen, und es gelang ihnen, nach bewaffneten Auseinandersetzungen, die Monopolstellung zu beseiti-gen. 1635 kamen auch noch die Engländer hinzu.12

Daneben machten spanische Dominikaner, Augustiner und Franziskaner verschiedene Versuche, von Mexiko und von den Philippinen her nach China zu gelangen. Der Jesuitenorden,13 der den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf die Mission legte, war die erste christliche Missionsgesellschaft, die in China im Jahre 1583 erneut Fuß faste. Schon wenigen Jahre der Gründung des Ordens wurde China Ziel ihre missionarischen Ambitionen, und von dort aus sollte ganze Ostasien bekehrt wer-den.14

3. Selbstbild des klassischen Chinas zu Beginn der Jesuitenmission

Wie am Himmel der Polarstern so war auf der Erde der „Sohn des Himmels der Kaiser“, Zentrum der Welt. Sein Reich war das Reich schlechthin und er war der alleinige Mittelpunkt aller politi-schen Macht und Quelle aller Kultur und Zivilisationen. Die Ordnung des Reiches unterstand einer streng hierarchisch gegliederte Beamtenschaft, die als „Mandarine“15 bezeichnet wurden und meis-tens eine hochgebildete, kulturelle Elite darstellten. Sie wurden mittels einer strenger Beamtenprü-fung bestellt und ihr letzter Bezugspunkt war stets der Kaiser selbst: der Wohnsitz des Kaisers, das Mittelreich galt als Zentrum der bewohnten Welt.16 Mit zunehmender Entfernung davon verminder-te sich notwendigerweise der Grad der Kultur und Zivilisation des Auslandes.

Der Handel war für China ein Teil des Tributsystems und hatte nach chinesischer Auffassung keine eigenständige Bedeutung und war nur Begleiterscheinung eines politischen Aktes. Die Tributge-sandschaften regelten den Handel und die Diplomatie mit anderen Völkern. Es schien logisch, dass aus aller Welt Gesandtschaften, an den chinesischen Hof kamen, um sich dort zu bilden. Dabei wur-den Geschenke ausgetauscht. In dieses System ließen sich sogar Zahlungen an bedrohliche Nach-barn einbauen.17 Immer war die Erlaubnis zum Handel ein chinesischer Gnadenakt und ein An-spruch der Fremden zum Handel war für chinesische Begriffe undenkbar. Aus diesem Grund stand die chinesische Regierung (bis auf die großen Expeditionen Anfang des 15. Jh.) überseeischen Un-ternehmungen chinesischer Kaufleute ablehnend gegenüber. Die Fremden sollten schließlich nach China kommen. Die einzigen nicht tributpflichtigen Völker, die während der Ming-Dynastie noch Kontakte mit China hatten waren Portugal und Japan, sie wurden in China mit einigem Recht als Pi- raten bezeichnet.18 Chinesische Expansions- oder Missionsbestrebungen gab es im Gegensatz zum Islam und der christlichen Welt in dieser Zeit nicht. Lediglich der materielle Gesichtspunkt des Handels begründete die Außenkontakte.

Chinesische Händler standen an Initiative und Geschicklichkeit nicht hinter den Europäern zurück. Aber das Fehlen jeder Rechtssicherheit für private wirtschaftliche Unternehmungen war das größte Hindernis für die Entwicklung eines privatwirtschaftlich fundierten Wirtschaftssystems. Der Staat und seine privilegierten Beamten konnten jederzeit jedes Unternehmen zum erliegen bringen. Das Literaten-Beamtentum spielte auch für die Geschäftsleute eine Vorbildfunktion. Ungleich den euro-päischen Bürgern strebten sie nicht danach, ihr Leben unabhängig von der bürokratischen Schicht nach einem eigenen Standesethos zu formieren. Der bürokratische Staat betrachtete die Wirtschaft weitgehend als sein Monopol und war lediglich bereit, private Unternehmer gleichsam als seine Agenten zuzulassen.

Die Chinesen waren sich ihrer Überlegenheit über die Barbaren, so wurden die Europäer genannt, auf kulturellem Gebiet voll bewusst. Sie fühlten sich den „eroberungssüchtigen, anmaßenden, unge-bildeten“ Europäern weit überlegen. Dies erschwerte die missionarische Arbeit im Reich maßgeb-lich. Für die Ordensbrüder bedeutete dies, dass eine neue Missionsstrategie entwickelt werden musste, denn diese Völker der fernen Osten ließen sich nicht einfach durch Massentaufen zum Christentum bekehren.

4. Erste gescheiterte Versuche der Jesuiten

Nach der Gründung der Ming-Dynastie (1368), die gegenüber fremden Religionen weit weniger to­lerant als die vorige Mongolen-Herrschaft war, wurde das Reich vom Rest der Welt abgeschottet. So verschwand der ohnehin dünne Nachtrichtenstrom aus Asien nahezu völlig. In diese Phase wur-de von christlichen Gemeinden in China nichts mehr berichtet. Die in Macao einsetzende Jesuiten-mission von 1562, stellte daher einen völligen Neubeginn dar.19 Fast 200 Jahre hatte die Öffentlich-keit in Europa fast nichts mehr über das Reich der Mitte erfahren.

Schon Anfang der 16. Jahrhunderts wurden mehrmals Versuche unternommen, China zu missionie-ren, die zum Teil an Rom und zum Großteil an der Ausländerpolitik Chinas gescheitert waren. Meistens hatten die Missionare schlicht keine Einreisegenehmigung für das Reich erlangen kön-nen.20 Vergeblich versuchte auch der bereits in der katholischen Kirche anerkannter Ostasienmissio- nar und Jesuit Franz Xaver nach China zu gelangen. Seit 1541 war er als Missionar in Indien tätig, im Jahre 1549 ging er nach Südjapan, wo ihm klar wurde, dass die Missionierung Japans ohne die Missionierung Chinas kein Erfolg haben würde. China war zur damaligen Zeit für Japan die eigent-liche Quelle der Zivilisation und Kultur, das heißt eine Religion, die von China nicht akzeptiert wurde, war auch für die Japaner nicht annehmbar.21 So berichtete Xaver vor seine Abreise nach Chi­na in seinem Brief an Ignatius:

„Heute [...] gehen wir [...], zum Hof des Königs von China, das bei Jipon ist. Es ist ein äußerst großes Land und ist bewohnt von einem sehr begabten Volk und mit vielen Gelehrten. Nach der Kenntnis, die ich davon habe, widmen sie sich viel der Wissenschaft, und wer am Gelehrtesten ist, der ist der Vornehmste und hat mehr Geltung. das ganze Heidentum der Sekten, das in Jipon ist, kam von China“.22

Mit diesen Annahmen sah sich Xaver dazu veranlasst, am Ende seines Lebens die Herausforderung China als eigentliches Ziel seiner missionarischen Arbeit zu definieren. Im Sommer 1552 erreichte er die Insel Shangchuan, einen der ersten Stützpunkte der Portugiesen.23 Shangchuan, vor der Küste Chinas gelegen, war im 16. Jahrhundert eine der wichtigen Hafenstädte im Südosten Chinas. Dort wartete Xaver auf eine Einreisegenehmigung für das Festland, verstarb aber im gleichen Jahr seiner Ankunft auf der Insel ohne China überhaupt erreicht zu haben.24 Die Prinzipien der Missionsmetho-de für China, die in den Grundzügen von Franz Xaver formuliert wurden, spielten in den folgenden Jahrhunderten eine wesentliche Rolle für die Geschichte der Mission.

5. Der Kontext der Entwicklung der Missionsmethode

Neben dem Handelsinteressen war auch die Idee der Bekehrung von „Heiden“ in der neu entdeck-ten Welt eines der wichtigsten Vorhaben bei den Entdeckungsfahrten der Europäer. Die militärische Herrschaft sollte auch als Druckmittel für die Durchführung neuer Konversionen eingesetzt werden. Nach der Entdeckung der „neuen Welt“ stand das alte Europa vor vielfältigen großen Aufgaben, de-ren Lösung machtpolitische Konfliktlinien wiederspiegelte. Die „Alexandrinische Schenkung“, bei der Papst Alexander VI . 1493 die Katholisierung der neu entdeckten Gebiete an die Kolonialmäch-te Portugal und Spanien übertrug,25 verwandelte die Mission zu einem politischen Unternehmen, das als Legitimation für die Ausbeutung ganzer Völker diente.

[...]


1 Für einen Überblick zum Beispiel: Horner, Charles: Chinas Christian History. In: First Things: A Journal of Religi­on, Culture and Public Life, August, 1997, S. 41-46.

2 Vgl. Thöle, Reinhard: „Lehrkonsens erreicht. Die gemeinsame Erklärung zwischen der heiligen Apostolischen Ka-tholischen Kirche des Ostens und der Römisch-Katholischen Kirche in der Christologie vom 11. November 1994“, in: Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim, 46, 1995, S. 35f.

3 Claesson, Anna M.: The Friends of the Chinese: An Analysis of the Mission Narrative as Ideology and Utopia. Swe-

dish Missiological Themes, Vol 90, Nr. 3, 2002.

4 Teizong war der zweite Herrscher der Tang-Dynastie (618-907). In dem selben Jahr soll es in Chang`an (heute Xi`an) damalige Hauptstadt von China, ein christliche Gotteshaus gegeben haben. Es war das erste chinesische Viel-völkerimperium, das sich bis nach Innerasien erstreckte. Vgl. Grießler, Margareta: China. Alles unter dem Himmel, Sigmaringen, 1995, S. 154f.

5 Vgl. Runciman, Steven: Geschichte der Kreuzzüge, München, 1995, S. 53f

6 Vgl. Muldoon, James: Popes, Lawyers, and Infidels. The Church and the Non-Christian World 1250-1550, Liver­pool, 1979, S. 40f.

7 Rubruquis, Guilelmus de/Herbst, Hermann (Hrsg.):Der Bericht des Franziskaners Wilhelm von Rubruk über seine Reise in das Innere Asiens in den Jahren 1253 – 1255, Leipzig, 1925.

8 Vgl. Grießler 1995, S. 209f.

9 Im Vertrag von Tordesillas wurde die Rivalität der beiden Seemächte Portugal und Spanien beigelegt. Portugal er-hielt als Kroneigentum alle bis dahin noch nicht entdeckten und besetzten Gebiete der östlichen Hemisphäre zuge-sprochen und diesen das Handelsmonopol. Vgl. Widmaier, Rita: Der Briefwechsel mit den Jesuiten in China (1689­1714), Hamburg, 2006, S. 28f.

10 Vgl. Mayer, Johannes: Patronat in den Missionen, in: Lexikon für Theologie und Kirche, 7, 1998, Sp. 1484- 1486.

11 Vgl. Wiedmaier 2005, S. 29f.

12 Exportgüter waren: Tee, Seide und Porzellan, importiert wurden Wollstoffe und Silber. Da das Wertverhältnis von Gold und Silber in China 1 zu 10 und in Europa 1 zu 15 war, versorgte man sich mit Silber (später geschmuggelt aus Südamerika) und tauschte es gegen Gold.

13 Societas Jesu (Gesellschaft Jesu = Jesuiten) Sie wurde 1534 gegründet und 1540 vom Papst bestätigt. Die Gesell-schaft Jesu arbeitete bei der Missionierung Japans und Chinas im Auftrag Portugals. Vgl. Brockney, Liam M.: Jour­ney to the East. The Jesuit Mission to China, 1579-1724, Cambridge, 2007, S. 6f.

14 Vgl. Stücken, Christian: Der Mandarin des Himmels. Zeit und Leben des Chinamissionars Ignaz Kögler SJ (1680­1746), Sankt-Augustin, 2003, S. 19f.

15 Vom Lateinischen mandare, befehlen, ein über das Portugiesische gebildeter Begriff.

16 Höllmann, Thomas O.: Das Reich ohne Horizont: Berührungen mit dem Fremden jenseits und diesseits der Meere, in: Wolfgang, Bauer (Hrsg.): China und die Fremden. 3000 Jahre Auseinandersetzung in Krieg und Frieden, Mün-chen, 1980, S. 166f.

17 Vgl. Collani, Claudia von: Die Chinamission von 1520-1630, in: Venard, Marc (Hrsg.) Die Geschichte des Chris-tentums. Religion. Politik. Kultur, Bd.8, Freiburg, 1992, 933f.

18 Vgl. Ptak, Roderich: Portugal in China: kurzer Abriss der portugiesisch-chinesischen Beziehungen und der Ge-schichte Macaus im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert, Klemmerberg, 1982, S. 16f.

19 Vgl. Gründer, Horst: Welteroberung und Christentum, Gütersloh, 1992, S. 258f.

20 Spanische Franziskaner und Dominikaner in Mexiko, die seit 1519/21 unter spanischer Herrschaft stand versuchten bereits 1532/33 und erneut 1545 in China zu missionieren. Vgl. Collani 1992, S. 937.

21 Vgl. Demel, Walter: Als Fremde in China. Das Reich der Mitte im Spiegel frühneuzeitlicher europäischer Reisebe-richte, München, 1992, S. 3f.

22 Schurhammer Georg: Franz, Xaver, Sein Leben und Seine Zeit. Freiburg, 1973, Bd. 2, S. 583.

23 Die Portugiesen bekamen im Jahr 1522 die Erlaubnis, in Ningbo eine Handelsniederlassung zu errichten. Erst 1554 war es gelungen die Beziehungen zu China aufzunehmen und die Pacht einer Handelsenklave (Macao) erlaubt . Nach der Vereinbarung durfte die portugiesische Handelsdelegation nach Kanton zum Besuch der Handelsmessen. Um die Fremden möglichst weit vom Land zu halten wurde die Landenge zwischen Macao und China 1575 durch ein Mauer mit ein Tor verschlossen, das nur zu bestimmten Zeiten für Handel geöffnet wurde. Vgl. Ptak 1982, S. 45­54f.

24 Vgl. Schurhammer 1973, S. 597f.

25 Vgl. Collani 1992, S. 934.

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Details

Titel
Ausgangsbedingungen der Jesuitenmission in China von Mitte des 16. bis Anfang des 17. Jahrhunderts und die Entwicklung der Akkommodationsmethode als leitendes Prinzip der Mission
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Note
3.0
Jahr
2007
Seiten
31
Katalognummer
V125945
ISBN (eBook)
9783640324996
ISBN (Buch)
9783640325856
Dateigröße
679 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ausgangsbedingungen, Jesuitenmission, China, Mitte, Anfang, Jahrhunderts, Entwicklung, Akkommodationsmethode, Prinzip, Mission
Arbeit zitieren
Anonym, 2007, Ausgangsbedingungen der Jesuitenmission in China von Mitte des 16. bis Anfang des 17. Jahrhunderts und die Entwicklung der Akkommodationsmethode als leitendes Prinzip der Mission, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125945

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