Wie viel Religion ist erlaubt?

Kopftuchverbot für Lehrerinnen


Seminararbeit, 2008

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Kopftuch und seine Mehrdeutigkeit

3. Zur Kopftuchdebatte
3.1 Argumente für ein Kopftuchverbot
3.2 Argumente gegen ein Kopftuchverbot
3.3 Aktuelle Gesetzesgrundlagen der einzelnen Bundesländer

4. Deutschland auf dem Weg zu einer Parallelgesellschaft?

5. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nach dem Wohnhausbrand in Ludwigshafen am dritten Februar 2008 wurde aktuell wieder einmal der interkulturelle Diskurs zwischen Deutschen und Muslimen angefacht. In diesem Kulturkampf steht in regelmäßigen Abständen auch das Kopftuch, für viele Deutsche als das Zeichen des Islams geltend, zur Debatte. Die Diskussion bewegt sich dabei immer um die Frage des Tolerierungs- beziehungsweise Integrationsgrades der anderen Kultur. Die Frage, wie viel Ausübung des eigenen Glaubens sollte gestattet werden, gewinnt dabei an Aktualität, wenn ein zunehmender Trend des Kopftuchtragens beobachtet werden kann. Der größte Streitpunkt wird dabei dann erreicht, wenn das Kopftuch mit öffentlichen Ämtern in Berührung gerät. Deshalb erreichte das erste Urteil in der Kopftuchdebatte bei Lehrerinnen 2003 ein enorm hohes Medieninteresse. Seitdem wurde mehrfach vor Gericht von Musliminnen für ihr Kopftuch gestritten. Der aktuellste Fall betrifft die Grund- und Hauptschullehrerin Doris Graber, der ein Tragen des Kopftuches während des Schuldienstes durch den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim am 18.03.2008 verboten wurde, obwohl sie bereits mehrere Jahre ohne Beanstandung damit unterrichtet. Somit rückt die Rolle des Lehrers, die es neu zu bewerten gilt, immer wieder in den Mittelpunkt. Dass das Thema nicht an Aktualität verloren hat, sieht man an regelmäßigen Äußerungen in den Medien zur sogenannten Kopftuchdebatte.

Mit der vorliegenden Arbeit soll erarbeitet werden, ob ein Kopftuchverbot zur Integration in die deutsche Gesellschaft beiträgt oder im Gegenteil eine Radikalisierung der Aufspaltung bewirkt. Dazu wird zunächst der Symbolgehalt des Kopftuches zu klären sein. Hier werden die Probleme der verschiedenen Gesetze und Gesetzesgrundlagen Anklang finden unter dem Einbezug des Gerichtsurteils des Bundesverfassungsgerichtes von 2003. Im daran anschließenden Teil werden die wichtigsten Argumente für beziehungsweise gegen ein Kopftuchverbot sowie die damit verbundene momentane Situation der einzelnen Ländergesetze vorgestellt. Auf dieser Grundlage wird dann die Frage nach einer Integration oder Ausgrenzung der muslimischen Kultur durch ein Kopftuchverbot diskutiert. In einer abschließenden Betrachtung werden die gewonnenen Ergebnisse noch einmal zusammengefasst.

2. Das Kopftuch und seine Mehrdeutigkeit

Der Grund, warum die Debatte um ein Kopftuchverbot bei Lehrerinnen überhaupt so kontrovers geführt wird, liegt in der Vielzahl an möglichen Symbolaussagen des Kopftuches selbst. Oft wird dabei von Befürwortern eines Verbotes dieses ungerechtfertigter Weise auf ein politisches Symbol, das für die Unterdrückung der Frau steht, reduziert.

In einer 2004 geführten Allensbach-Umfrage antworteten 93 Prozent der Deutschen, dass sie zuerst an die Unterdrückung der Frau denken, wenn sie das Wort Islam hören.1 Für das Bundesverfassungsgericht war 2003 diese Reduktion allerdings nicht zulässig, da dem Kopftuch eine objektive Mehrdeutigkeit zugesprochen werden muss besonders auf der Basis neuerer Forschungsergebnisse2. Welche Einzelaspekte dabei die objektive Mehrdeutigkeit des Kopftuches kennzeichnen, wird im Folgenden zu zeigen sein. Erst damit kann deutlich dargestellt werden, worin der Konflikt der Diskussion besteht.

Ein erster Grund für die Entscheidung zum Kopftuch wird meist aus einem Traditionsbewusstsein motiviert. Die Zugehörigkeit zu einer religiös-kulturellen Tradition ist dabei ebenso von Bedeutung wie die Wahrung dieser kulturellen Identität. Das Motiv der religiösen Überzeugung grenzt sich dem entgegen ausdrücklich von ersterem ab. Hierbei entscheiden sich die Träger des Kopftuches aus innerer Überzeugung bewusst für ihren Glauben und stellen sich gegen die reine Nachahmung aus Tradition. Für die zweite Gruppe besagt die Verschleierung die geschlechtsspezifische Gleichberechtigung gegenüber dem Mann, da die Weiblichkeit durch eine Verhüllung nicht mehr zur Schau getragen wird und so die Persönlichkeit im Vordergrund steht. Der dritte Anlass das Kopftuch zu tragen geschieht aus Protest und ist in einigen Punkten an Grund zwei angelehnt. Hierbei steht das politische Engagement im Vordergrund, das den Protest gegen die Diskriminierung deutlich machen soll. Persönlichkeit statt Weiblichkeit und eine Abkehr von Äußerlichkeiten werden ebenso angestrebt wie eine Abgrenzung zu nicht-muslimischen Gesellschaften,3 verbunden mit einer Identitätsschöpfung

in der eigenen Glaubensgemeinschaft. Eine weitere Begründung wird immer wieder von Kopftuchgegnern in ihrer Argumentation angeführt, ist aber die heute am wenigsten zutreffende. Diese meint das Kopftuch als politisches Symbol, als das es gegen den westlichen Materialismus und Hedonismus und für eine islamisch definierte Gesellschaft steht. Hierbei wird es auch als Unterdrückungsmittel (vornehmlich der Frau) gebraucht.4 Ein letztes Motiv sieht das Kopftuch als Bekenntnissymbol im innertürkischen Kulturkampf, bei dem es sich um die Bewahrung, Weiterentwicklung und auch Überwindung bestehender muslimischer Traditionen handelt.5

Diese Ausführungen machen deutlich, dass keine eindeutige Zuordnung des Kopftuches vorgenommen werden kann. Diese Vieldeutigkeit spricht daher gegen ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen. Allerdings wurde auch sichtbar, dass das Kopftuch keine bloße Kopfbedeckung darstellt, sondern vielmehr ein „bewusst vorgetragenes Zeichen von Religionszugehörigkeit und Religionsausübung“6 ist. Aus diesem Grund tritt ein Konflikt der Rechtsgrundlagen ein, unter dem ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen diskutiert werden muss. Dabei tritt das Grundrecht der Glaubensfreiheit der Lehrerin (positive Glaubensfreiheit des Lehrers) in Konflikt mit der weltanschaulich-religiösen Neutralitätspflicht des Staates, dem elterlichen Erziehungsrecht sowie der negativen Glaubensfreiheit der Schüler.7 Das Recht auf Gleichberechtigung der Geschlechter wird dabei, je nach Auffassung des Kopftuches als Symbol der Gleichberechtigung oder Unterdrückung, auf beiden Seiten als Argument angeführt. Das BVerfG legte 2003 in dieser Diskussion den Fokus darauf, dass das Toleranzgebot Ländersache sei und ebnete so den Weg für bundeslandspezifische Gesetzesregelungen, wobei im Urteil betont wurde, dass die positive Glaubensfreiheit der Lehrerin zugunsten der negativen Glaubensfreiheit der Schüler sowie dem elterlichen Erziehungsrecht beschränkt werden kann.8

Die Frage, die dabei aber undiskutiert bleibt, stellt zur Debatte, ob schon das bloße Tragen des islamischen Kopftuches eine Verletzung der negativen Glaubensfreiheit der Schüler und des elterlichen Erziehungsrechts darstellt.

[...]


1 vgl. Widmann, Michael: Das Kopftuch. Gefahr für die plurale Gesellschaft?, Augsburg 2005, S. 7.

2 vgl. BVerfG, 2 BvR 1436/02 (Entscheidung Fereshta Ludin) vom 24. September 2003, Randnummer 52.

3 vgl. Jessen, Frank und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Das Kopftuch - Die Entschleierung eines

Symbols?, Sankt Augustin, Berlin 2006, S. 9-10.

4 vgl. Jessen 2006, S. 11.

5 vgl. Bielefeldt, Heiner: Zur aktuellen Kopftuchdebatte in Deutschland. Anmerkungen aus der

Perspektive der Menschenrechte, o.A. 2004, S. 9.

6 vgl. VBE Bundeshauptvorstand: Kopftuch im Unterricht, Fulda 2003, S. 2.

7 vgl. BVerfG, Pressemitteilung 71/2003 vom 24. September 2003.

8 vgl. BVerfG, 2 BvR 1436/02, Randnummer 15.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Wie viel Religion ist erlaubt?
Untertitel
Kopftuchverbot für Lehrerinnen
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Einführung in die Angewandte Ethik
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V125706
ISBN (eBook)
9783640312993
ISBN (Buch)
9783640316847
Dateigröße
422 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Religion, Kopftuchverbot, Lehrerinnen
Arbeit zitieren
Kathleen Grünert (Autor:in), 2008, Wie viel Religion ist erlaubt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125706

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