Holocaust-Erinnerung und israelisch-arabischer Konflikt

Wechselwirkungen in der israelischen Öffentlichkeit 2000 - 2006


Diplomarbeit, 2007

115 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

I. Kollektive Erinnerung, kollektive Identität und Geschichte
1. Kollektive Erinnerung und kollektive Identität
1.1. Kollektives Gedächtnis nach Maurice Halbwachs
1.1.1. Die kollektive Bedingtheit des Gedächtnisses
1.1.2. Erinnerungsfiguren – Konservatoren des Gedächtnisses
1.1.3. Kritische Anmerkungen
1.2. Jan Assmanns Theorie der Zweidimensionalität des kollektiven Gedächtnisses
1.2.1. Das kommunikative Gedächtnis
1.2.2. Das kulturelle Gedächtnis
1.3. Kollektive Identitätsbildung und ihre Dynamiken
1.3.1. Zur Funktion fundierender Erinnerungen bzw. Mythen
1.3.2. Bildung kollektiver Großidentitäten
1.3.3. Kollektive Identitäten im Konflikt
2. Geschichte der Widerpart des Gedächtnisses?
2.1. Halbwachs und Nora
2.2. Aleida Assmann – Eine vermittelnde Theorie
2.3. Geschichtlicher Kanon – Wenn Geschichte zur fundierenden Erinnerung wird
2.4. Darstellbarkeit der Shoah – Nachdenken über eine andere Art der Geschichtsschreibung
3. Exkurs: Geschichte und kollektive Erinnerung in der jüdischen Tradition – Der Erbe der Staates Israel
4. Fazit

II. Shoah-Erinnerung in Israel
1. Entwicklung der Shoah-Erinnerung
1.1. Erste Phase: Von Helden und Lämmern – Die Anfangsjahre
1.2. Zweite Phase: Ein Prozess und zwei Kriege – Beginn des öffentlichen Erinnerns
1.2.1. Der Eichmann-Prozess
1.2.2. Der Sechs-Tage-Krieg
1.2.3. Der Yom-Kippur-Krieg
1.3. Dritte Phase: Arafat der neue Hitler – Begin und die Inflation der Shoah-Vergleiche
1.3.1. Menachem Begin
1.3.2. Die Erste Intifada und der Golfkrieg
1.3.3. Oslo
1.4. Vierte Phase: Die Weltanschauung des „Neue Antisemitismus“ und gesellschaftliche Veränderungen in Israel
1.4.1. Die Zweite Intifada und die Theorien vom „Neuen Antisemitismus“
1.4.2. Eine Gesellschaft in Veränderung
2. Instrumentalisierte und manipulierte Erinnerung – Die Sicht der Neuen Historiker
2.1. Die Neuen Historiker – Das Shoah-Tabu wird aufgebrochen
2.2. Die hegemoniale Erinnerungsmatrix
2.2.1. Offiziell-israelische Geschichtsinterpretation
a: Zionistische Geschichtsinterpretation vor der Shoah
b: Israelisch-zionistische Geschichtsinterpretation nach der Shoah
c: Opfer-Identität, Projektion und die israelische Sicherheits-Doktrin
2.3. Erinnerungsagenturen
2.3.1. Historiker
2.3.2. Schulen
2.3.3. Feste und Orte der Erinnerung
2.3.4. Medien
2.3.5. Beispiel: Polenfahrten
2.4. Tuvia Frilings und Yehuda Bauer – Kritik an den Neuen Historikern
2.5. Dan Bar-Ons Konzept der israelischen Identität
2.5.1. Die monolithische Phase der Vergangenheit
2.5.2. Die Auflösung der monolithischen Identität in der Gegenwart
2.5.3. Schritte zu einer dialogischen kollektiven Identität
2.5.4. Die Situation nach dem Beginn der Zweiten Intifada

III. Zeitungsanalyse
1. Vorgehensweise
2. Die Jerusalem Post
3. Die Analyse
3.1. Gibt es ein breites Bekenntnis zu einer auf Abschreckung basierenden militärischen Sicherheitsdoktrin?
3.2. Opfer-Identität, Kritikabwehr und Feindwahrnehmung
3.3. Explizite Shoah- und Nazi-Vergleiche
3.4. Die Weltanschauung des „Neuen Antisemitismus“
4. Fazit – Kollektive Identität?

VI. Schlussfolgerung

Literaturverzeichnis

0. Einleitung

Am 18.04.2007 veröffentlichte die israelische Zeitung HaAretz einen Artikel, der die Instrumentalisierung der Shoah1 durch den israelischen Staat kritisiert. Der zentrale Vorwurf des Artikels besteht darin, dass Israel die Shoah in ein politisches Kapital umgewandelt hat und es jetzt im israelisch-palästinensischen Konflikt gegen die Palästinenser einsetzt. Israel habe eine Opferhierarchie geschaffen, an deren oberster Stelle die Juden stehen. Die Lehre aus der Shoah sei die „Sicherheit für die Juden“ (Hass 2007) mit der alle Maßnahmen gegen die Palästinenser gerechtfertigt werden. Wer es wagt daran Kritik zu äußern, werde als Antisemit gebrandmarkt. Auf diese Weise habe Israel ein System der Diskriminierung und Separation auf der Basis ethnischer Zugehörigkeit geschaffen (Hass 2007).

Zu diesem Artikel gab es ein Diskussionsforum2, in dem Leser ihre Meinungen zu dem Beitrag kundtun konnten. Der Artikel erhielt relativ wenig zustimmende Beurteilungen, die kritischen und ablehnenden Stimmen waren bei Weitem in der Mehrheit. Hier drei dieser Äußerungen:

„This woman stops at nothing in her hate toward Israel.“3

„(...) A pity for the Nazi regime she was not available to write on Der Sturmmer...

And a shame for Haaretz Editors, to provide her to destillate her venom from an Israeli based newspaper. (...) AM

ISRAEL HAI.“4

„Does Haaretz actually pay Amira Haas REAL money for this trash?!?“5

Das Thema der Instrumentalisierung der Shoah vor dem Hintergrund des israelisch-palästinensischen Konflikts ist, wie man am Beispiel dieses Artikels sehen kann, auch heute noch aktuell und führt immer wieder zu sehr heftigen und oft auch emotionalen und unsachlichen Auseinandersetzungen in der israelischen Politik und Öffentlichkeit. Einige Autoren gehen davon aus, dass die Erinnerung an die Shoah, so wie sie in Israel betrieben wurde und wird, einen starken Einfluss auf die Wahrnehmung des gegenwärtigen Konfliktes hat und sogar eines der primären Hindernisse für seine friedliche Beilegung darstellt, da die Vergangenheit der Shoah auf die Gegenwart projiziert wird (Segev 2000:124-130, Zuckermann 2000:111-116, Pappe 2000:116-123, Zimmermann 2000:105-110).

In dieser Arbeit soll untersucht werden, welchen Einfluss kollektive Erinnerung und offizielle Geschichtsschreibung auf die Bildung kollektiver Identitäten haben und speziell auf Israel bezogen, wie und ob aus der Erinnerungskultur an die Shoah Handlungsmotivationen im gegenwärtigen Konflikt abgeleitet und diese mit Bezug auf die Shoah legitimiert werden. Einleitend muss hier allgemein gefragt werden, welche Bedeutung die Erinnerung an eine gemeinsame Vergangenheit für ein Gruppe bzw. ein Kollektiv bis hin zu einem modernen Staat hat. Jan Assmann schreibt:

„Die Vergangenheit nun (...) entsteht überhaupt erst dadurch, daß man sich auf sie bezieht.“ (J. Assmann 2000:31)

Was bringt Gruppen dazu sich an eine gemeinsame Vergangenheit zu erinnern? Wie wird gemeinsame Vergangenheit erinnert und welche Funktion hat diese Erinnerung? Der Historiker Horst Möller weist darauf hin, dass eine Kultur ohne historische Erinnerung „theoretisch undenkbar und praktisch unmöglich ist“ (Möller 2001:8). Ist kollektive Erinnerung also überlebensnotwendig für eine Gruppe, die als Gruppe existieren will?

Eine allgemeine Erkenntnis der kollektiven Gedächtnisforschung ist, dass Erinnerung immer eine auf eine Gruppe bezogene soziale Verpflichtung ist, die sich an der Frage orientiert, was die Gruppe als wir nicht vergessen darf, um die Gemeinschaft als Gemeinschaft zu stiften, zu konsolidieren und aufrechtzuerhalten. Umgekehrt benötigt der einzelne ein Gedächtnis, um sich zu einer Gruppe zugehörig zu fühlen. So schreibt Jan Assmann:

„Das Gedächtnis (...) gehört nicht zum Egoismus (...). Ein Gedächtnis braucht der Mensch um dazuzugehören. Das Gedächtnis macht ihn zum Mitmenschen, befähigt ihn zum Leben in der Gemeinschaft“ (J. Assmann 1995:51).

Das Judentum bzw. das Volk Israel gilt als das Volk der Erinnerung. Es hat eine besonders lange und stabile Erinnerungskultur, die im religiösen Gebot des sich Erinnerns und nicht Vergessens wohl ihren reinsten Ausdruck findet. Dieses Gebot entsprang aus der Überzeugung, Gottes auserwähltes Volk zu sein. J. Assmann merkt an, dass das jüdische Volk so zum Prototyp der Nation überhaupt wurde (J. Assmann 2000:30ff.). Das Nicht-Vergessen von kollektiver Vergangenheit ist kein naturwüchsiges Phänomen, sondern setzt den Willensakt einer Gemeinschaft voraus, zu bewahren und mitzunehmen, was ihr wichtig erscheint.

Allgemein lässt sich sagen, dass Erinnerungskultur der Ausbildung sozialer Sinn- und Zeithorizonte einer Gruppe dient. In der Erinnerung wird die Vergangenheit jedoch nicht als solche festgehalten, sondern von der Gegenwart und ihren Bedürfnissen aus organisiert und rekonstruiert (J. Assmann 2000:31, Joggerst 2002:21, Möller 2001:11f.). Es wird also immer

nur das in der kollektiven Erinnerung einer Gruppe aufbewahrt, was für das Leben in der Gegenwart und die Zukunftsplanung wichtig ist und aus dem sich Handlungsimperative für das Hier und Jetzt entwickeln lassen (J. Assmann 2000:32f.). Yael Zerubavel weist ausdrücklich darauf hin, dass kollektive Erinnerungen niemals vollkommen erfunden sein können, sie gehen nur selektiv mit der Vergangenheit um.

„Collective memory continuously negotiates between available historical records and current social and political agendas. (...) Their relationships are underlined by conflict as well as interdependence, and this ambiguity provides the commemoration with the creative tension (...)“ (Zerubavel 1995:5, vgl. auch J. Assmann 2000:76ff., Joggerst 2002:29).

Auch wenn einige Autoren wie beispielsweise Hobsbawm von einer „erfundenen Tradition“ (Hobsbawm/ Rager 1992) vor allem im Zusammenhang mit modernen Nationalismen sprechen, bezieht sich erfunden weniger auf die Ereignisse als solche, sondern vielmehr auf deren Zusammenstellung und nachträgliche Sinngebung. Smith konstatiert für den Zionismus:

„Thus Zionist symbolism, history and mythology was the work of modern intellectuals from Max Nordau to Ben-Zion Dinur, who supplied their leaders and movements with resonate materials culled from a rich heritage to suit present preoccupations and needs“ (Smith 1999:205).

Wichtig für die kollektive Identität, die aus dem kollektiven Gedächtnis hervorgeht, ist die zeitliche Kontinuität. Das kulturelle Gedächtnis wird von der Gegenwart aus so organisiert, dass es Brüche übersieht bzw. abmildert und Kontinuität erinnert, so dass ein konsistenter Sinnzusammenhang in der Zeit entsteht. Ziel ist die Vermittlung der Botschaft:

„Wir waren, wir sind und wir werden immer sein“ (Joggerst 2002:21).

Eine weitere Frage, die sich im Zusammenhang mit kollektiver Erinnerung und kollektiver Identität stellt und die auch im ersten Teil dieser Arbeit analysiert werden soll, ist das Verhältnis von moderner Geschichtswissenschaft und kollektivem Gedächtnis. Ist sie, die Geschichtswissenschaft, eine Gegnerin der kollektiven Erinnerung? Zeigt sie die Vergangenheit wie sie wirklich war, oder wirken auf sie die gleichen Einflussfaktoren und Bedürfnisse wie auf die kollektive Erinnerung und ist sie damit nur eine andere Ausprägung dieser? Als Beispiel für diese Problematik soll hier die Problematik der geschichtlichen Darstellung der Shaoh dienen. Durch ihre Bedeutung, die die Shoah für das kollektive Gedächtnis der Israelis aber auch der Deutschen haben, wird hier sehr schnell offensichtlich, wie schwer, ja eigentlich unmöglich, eine echte Trennung von Geschichtswissenschaft und kollektiver Erinnerung in der gelebten

Realität einer Gruppe ist, da sich beide Bereiche meist durchdringen. An diese Überlegungen schließt sich ein kurzer Exkurs zum Verhältnis von kollektiver Erinnerung und Geschichte in der jüdischen Tradition, der zur Veranschaulichung der vorangegangenen, doch sehr theoretischen Teile gedacht ist sowie zusammen mit dem Fazit als Überleitung zum zweiten Teil der Arbeit dienen soll, der sich mit der Entwicklung und den Dynamiken der Shoah-Erinnerung und –Rezeption in Israel seit 1948 beschäftigt.

Im ersten Abschnitt des zweiten Teils der Arbeit werden die vier Phasen der Entwicklung der Shoah-Erinnerung in Israel detailliert beschrieben, von der Konfrontation der jungen israelischen Gesellschaft mit den Überlebenden der europäischen Katastrophe und der beidseitigen Überforderung, über das einschneidende Ereignis des Eichmann-Prozesses, der das Schweigen und die Scham über die Shoah aufbrach und in dessen Folge es zu einer öffentlichen und staatlich unterstützten Erinnerung kam, die massive Instrumentalisierung der Shoah unter dem Ministerpräsidenten Menachem Begin, vor dem Hintergrund des Libanonkrieges, bis hin zur ersten Intifada, den sich anschließenden Friedensverhandlungen der 1990er Jahre, die eine echte Hoffnung auf eine friedliche Beilegung des Konflikts versprachen und so eine Atmosphäre schufen, in der sich eine neue Generation von Historikern mit den nationalen Mythen Israels – darunter auch der hegemoniale Shoah-Diskurs – kritisch auseinander setzten und eine breite Öffentlichkeit erreichen konnten. Am Ende dieses historischen Überblicks steht die erneute massive Zuspitzung des israelisch-palästinensischen Konflikts durch die Zweite Intifada und die veränderte weltpolitische Lage nach dem 11.September 2001, die die neue Weltsicht des „Kampfes der Kulturen“ und des „Neuen Antisemitismus“ mit sich bringen.

Der zweite Abschnitt thematisiert die Problematik der instrumentalisierten und manipulierten Erinnerung an die Shoah durch die israelischen politischen Eliten nach Einschätzung der Neuen Historiker . Diese Historiker und Sozialwissenschaftler gehen davon aus, dass in Israel so etwas wie eine hegemoniale Erinnerungsmatrix was die Shoah angeht existiert, die durch Sozialisationsagenturen reproduziert wird und so weiterhin entscheidend ist für die Identitätsbildung der Israelis. Diese enthält eine jüdisch-zionistische Geschichtsschreibung, die man auch als Geschichte von Verfolgung, Vertreibung und Mord beschreiben kann und deren Kulminationspunkt die Shoah ist, die durch die Gründung des Staates Israel zu einer positiven Lösung gebracht wurde, da dieser Staat nun in der Lage ist, seine Bürger vor jeder weiteren Bedrohung zu schützen. Der Schutz und die Verteidigung des Lebens seiner Bürger ist die primäre Aufgabe des Staates vor dem Hintergrund dieser Geschichtsschreibung. Weitere Bestandteile dieser hegemonialen Erinnerungsmatrix, die sich aus der Geschichtsinterpretation

ableiten, sind eine ausgeprägte Opferidentität sowie die Projektion der Shoah auf den gegenwärtigen Konflikt und die gegenwärtigen Gegner, die Palästinenser.

Der letzte Teil der Arbeit, ist eine Zeitungsanalyse, an Hand einiger Ereignisse im israelisch-palästinensischen Konflikt, welche die v.a. im zweiten Teil der Arbeit vorgestellten Wechselwirkungen von Shoah-Erinnerung und Konflikt-Wahrnehmung überprüfen soll. Kommt es in Zeiten der äußeren Bedrohung durch Selbstmordanschläge oder andere außen- und innenpolitischen Unsicherheitssituationen zu einer verstärkten Projektion der Shoah-Erinnerung auf die Gegenwart und lassen sich die Erkenntnisse aus dem ersten und zweiten Teil der Arbeit durch die Realität verifizieren?

I. Kollektive Erinnerung, kollektive Identität und Geschichte

1. Kollektive Erinnerung und kollektive Identität

1.1. Kollektives Gedächtnis nach Maurice Halbwachs

1.1.1. Die kollektive Bedingtheit des Gedächtnisses

Die besondere Bedeutung der Theorie des französischen Soziologen Maurice Halbwachs liegt in der Zusammenführung von klassischer Soziologie und Sozialpsychologie auf dem Gebiet der Gedächtnis- und Erinnerungsforschung. Seine zentrale These ist, dass das Gedächtnis, gerade auch das individuelle, sozial bedingt ist. Er geht davon aus, dass Menschen überhaupt erst im Prozess ihrer Sozialisation, durch Interaktion und Kommunikation mit anderen Menschen ein Gedächtnis ausbilden. Man erinnert, was einem andere als bedeutsam bestätigen und was man von anderen hört (Halbwachs 1991:3). Was nun wiederum als bedeutsam wahrgenommen wird, bestimmt zu einem großen Teil der soziale Rahmen, Halbwachs spricht in diesem Zusammenhang oft vom Milieu (Halbwachs 1985:368, vgl. auch J. Assmann 2000:35f.). Dieser soziale Rahmen bzw. das Milieu determiniert unsere Wahrnehmung und Erinnerung (Halbwachs 1991:11).

Halbwachs zweite Grundthese, die sehr eng mit der ersten verbunden ist, besagt, dass lebendige Menschen durch ihre gemeinsamen Erinnerungen als Gruppen zusammengehalten werden (nach A. Assmann 1995:173). So prägte er den Begriff vom „Gruppengedächtnis“, zwar ist das Subjekt der Erinnerung das Individuum, aber es erinnert sich eben nur in Abhängigkeit vom Rahmen. Es kann nur das erinnert werden, was im Bezugsrahmen einer bestimmten Gruppe andocken kann. Diese Theorie erklärt auch das Vergessen, denn vergessen wird, was zum Bezugsrahmen der Gruppe keinen Bezug hat (Halbwachs 1991:6f., vgl. auch J. Assmann 2000:37).6 Löst eine Gruppe sich auf, kann nur das in der Erinnerung festgehalten werden, was auch im Rahmen anderer Gruppen, an denen das Individuum teil hat, rekonstruierbar ist (Halbwachs 1991:13f.). Individuell ist ein Gedächtnis nur in seiner spezifischen und einzigartigen Zusammensetzung verschiedener Gruppengedächtnisse.7

„Wir würden sagen, jedes individuelle Gedächtnis ist ein ‚Ausblickspunkt’ auf das kollektive Gedächtnis; dieser Ausblickspunkt wechselt je nach der Stelle, die wir darin einnehmen, und diese Stelle selbst wechselt den Beziehungen zufolge, die ich mit anderen Milieus unterhalte“ (Halbwachs 1991:31).

1.1.2. Erinnerungsfiguren – Konservatoren des Gedächtnisses

Bevor jedoch etwas in das Gedächtnis einer Gruppe eingehen und damit von ihren Mitgliedern erinnert werden kann, muss es in sogenannte Erinnerungsfiguren übersetzt, d.h. versinnlicht werden. Jede Person, jeder Ort und jedes Ereignis muss mit einer Idee verknüpft werden und umgekehrt (Halbwachs 1985:372, 377). Es findet eine „Verschmelzung von Begriff und Bild“ statt (J. Assmann 2000:38). Diese Erinnerungsfiguren haben drei Merkmale: Sie sind erstens raum- und zeitkonkret, was bedeutet, dass z.B. Orte, an denen einmal eine gemeinsame Interaktion der Gruppe stattfand, zu einem Symbol für die Identität der Gruppe werden und damit zu einem Punkt in Zeit und Raum, an dem sich Erinnerung festhalten kann (Halbwachs 1985:377). Auch wenn die Gruppe den ursprünglichen Ort ihrer Interaktion einmal verlässt, nimmt sie ihn in seiner symbolisierten Form mit sich und reproduziert ihn durch Feste oder Riten. Zweitens sind Erinnerungsfiguren identitätskonkret, d.h. sie sind an das kollektive Gedächtnis einer ganz bestimmten Gruppe gebunden und können nicht willkürlich übertragen werden. Sie versorgen diese Gruppe mit einem Sinnhorizont, einer Identität und definieren ihre Ziele.

„Auf die eine oder andere Art bemüht sich jede soziale Gruppe, in ihren Mitgliedern ähnliche Überzeugungen zu unterhalten“ (Halbwachs 1991:27).

Um dieses Ziel zu erreichen ist es notwendig, dass die Erinnerungsfiguren die Differenz der Gruppe nach außen betonen und nach innen herunterspielen (Halbwachs 1985:382, vgl. auch J. Assmann 2000:39f., Zerubavel 1995:4), sowie die Zeitlosigkeit der Identität der Gruppe betonen, d.h. aus der Vergangenheit das auswählen, was diese Kontinuität bestätigt. Das dritte Charakteristikum der Erinnerungsfiguren ist ihre Rekonstruktivität. Kein Gedächtnis ist in der Lage Vergangenheit als solche festzuhalten.

„Die Gesellschaft stellt sich die Vergangenheit je nach den Umständen und je nach der Zeit in verschiedener Weise vor: sie modifiziert ihre Konventionen“ (Halbwachs 1985:368).

So kann, wie oben bereits bemerkt, nur das erinnert werden, was im Bezugsrahmen einer bestimmten Epoche und Gruppe rekonstruierbar ist. Die Vergangenheit wird von den sich ändernden Bezugsrahmen der Gegenwart aus ständig neu organisiert und konzipiert. In der Erinnerung gibt es keine reinen Fakten (Halbwachs 1985:380f.).

1.1.3. Kritische Anmerkungen

Maurice Halbwachs vermeidet es, das normative Element von kollektiven Gedächtnissen klar zu benennen. Für ihn basiert der Zusammenschluss von Gruppen auf einer rein gefühlsmäßigen Bindung – auf Affektivität, wie J. Assmann es ausdrückt.

„Nicht Gewalt, sondern Gefühle halten die Kultur zusammen, Gefühle formen die Erinnerung, färben sie ein, verleihen ihr Prägnanz“ (Halbwachs nach J. Assmann 1995:60).

Es ist zwar richtig, dass jeder Mensch das Bedürfnis hat sich Gruppen anzuschließen und dazuzugehören, andererseits herrscht in jeder Gesellschaft jedoch auch ein gewisser Integrationsdruck bzw. –zwang. Erwähnenswert ist auch, dass man sich die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen gar nicht aussuchen kann, sondern in sie hineingeboren wird – in eine bestimmte Familie, in einen bestimmten sozialen Zusammenhang, in eine bestimmte Nation. All diese Gruppen kann man zwar verlassen, jedoch ist dies kein einfacher Prozess. Er ist oft schmerzhaft, verwirrend und gelingt meist nur teilweise, da diese Gruppen einen Teil unserer Identität ausmachen, ob es einem nun recht ist oder nicht.

Die Politikwissenschaftlerin Karin Joggerst weist im Zusammenhang mit der Normativität kollektiver Gedächtnisse auch ausdrücklich auf ihr manipulatives Potential hin, das in der Rekonstruktivität der in ihr enthaltenen Erinnerungen begründet liegt.

„Dabei [beim Prozess der Bildung kollektiver Erinnerungen] werden weder die Ereignisse als solche, noch die historische Tragweite der Erfahrungen und Erinnerungen einer Gemeinschaft im kollektiven Gedächtnis bewahrt, sondern der Sinn, den diese für die Gegenwart tragen“ (Joggerst 2002:27).

Halbwachs benennt diesen rekonstruktiven Charakter der Erinnerung zwar deutlich (Halbwachs 1985:381), erkennt oder benennt jedoch nicht das damit einhergehende Gefahrenpotential. Gruppengedächtnisse sind in der Theorie von Halbwachs immer Generationengedächtnisse, auch wenn eine Gruppe scheinbar über mehre Jahrhunderte dieselbe zu bleiben scheint, beweist sich diese Annahmen bei näherer Betrachtung als falsch. So hält Halbwachs fest:

„Aber die Gesamtheit der Menschen, die dieselbe Gruppe in zwei aufeinanderfolgenden Perioden bilden, sind zwei Bruchstücke, die einander allein an ihren beiden entgegengesetzten Endpunkten berühren und nicht wirklich einen und denselben Körper bilden“ (Halbwachs 1995:68).

In der Nachfolgegruppe können durchaus manche Erinnerungen der Ausgangsgruppe erhalten bleiben, jedoch immer nur in dem Maße, indem dies der neue gegenwärtige Rahmen erlaubt, der Rest der Erinnerung geht verloren. Auch das Gedächtnis der Nation, von dem Halbwachs spricht, ist nur ein Generationengedächtnis.

1.2. Jan Assmanns Theorie der Zweidimensionalität des kollektiven Gedächtnisses

Jan Assmann entwickelt auf der Grundlage von Halbwachs Überlegungen zum kollektiven Gedächtnis seine Theorie vom kulturellen Gedächtnis. Dabei geht er von der Grundvoraussetzung aus, dass das kollektive Gedächtnis aus zwei Komponenten zusammengesetzt ist, dem kommunikativen und dem kulturellen Gedächtnis.8 In geschichtlichen Kulturen durchdingen sich diese beiden Arten der erinnerten Vergangenheit jedoch häufig (J. Assmann 2000:50).

1.2.1. Das kommunikative Gedächtnis

Das kommunikative oder biographische Gedächtnis reicht ca. 80 Jahre in die Vergangenheit zurück. Es entspricht dem von Halbwachs beschriebenen kollektiven Gedächtnis. Erworben wird diese Form der Erinnerung durch soziale Interaktion. Sie entsteht mit einer Gruppe, wächst mit ihr und vergeht auch mit ihr. Typisch für dieses Gedächtnis ist, dass nach ungefähr 40 Jahren – das ist in etwa der Zeitpunkt zu dem die, die die gedächtnisformenden Ereignisse als Erwachsene erlebt haben, aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheiden – eine Verschriftlichung

dieses Gedächtnisses einsetzt. Das geschieht aus dem Bedürfnis der Zeitzeugen heraus ihre Erinnerungen weiterzugeben9 (J. Assmann 2000:50f.). Das kommunikative Gedächtnis ist heutzutage Gegenstandsbereich einer verhältnismäßig neuen Form der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Geschichte, der sogenannten Oral History , sie bezieht sich auf Erinnerungen, die in mündlicher Befragung gesammelt werden (J. Assmann 2000:51, Höschler 1995:154).

Die Partizipationsstruktur des kommunikativen Gedächtnisses ist diffus und informell. Es existiert keinerlei Expertentum. Das Wissen über die Vergangenheit wird hier mit dem Spracherwerb und über die Alltagskommunikation erworben (J. Assmann 2000:52).

Das kulturelle Gedächtnis erweitert nun den Horizont der von einer Gruppe erinnerten Vergangenheit über die Lebensdauer der einzelnen Mitglieder hinaus. Seine erinnerte Vergangenheit reicht sehr viel weiter in die gemeinsame Vergangenheit zurück, bis in die Zeit, in der die Gruppe ihren Ursprung lokalisiert, d.h. dieses Gedächtnis beinhaltet die fundierenden Erinnerungen einer Gruppe (J. Assmann 2000:52). Es ist in ihr stets präsent beispielsweise durch Rituale, Tänze, Feste, Kleidung, Landschaften und Zeichensysteme.

1.2.2. Das kulturelle Gedächtnis

Das kulturelle Gedächtnis ist ein gestiftetes Gedächtnis und durch seine festen Formen künstlich verankert und institutionalisiert. Die Partizipationsstruktur ist verhältnismäßig differenziert. Es existieren spezielle Träger, sogenannte Experten oder „Wissensbevollmächtigte“ (J. Assmann 2000:54). Der Wissensinhalt des kulturellen Gedächtnisses spricht sich im Gegensatz zu dem des kommunikativen, nicht von selbst herum, eine Einweisung ist notwendig, die eine Kontrolle der Verbreitung und der Grenzen des kulturellen Gedächtnisses ermöglicht (J. Assmann 2000:55).

Das kulturelle Gedächtnis richtet sich auf Fixpunkte in der Vergangenheit, jedoch nicht auf die Vergangenheit als solche. Diese Fixpunkte sind symbolische Figuren, an die sich die Erinnerung heften kann und die die jeweilige Gegenwartssituation beleuchten. Für das kulturelle Gedächtnis ist es nicht von Bedeutung, ob die Erinnerungsfiguren auf Mythen10 oder realen Ereignissen der Vergangenheit basieren. Es zählt nur die erinnerte Geschichte (J. Assmann 2000:52), was bedeutet, dass auch faktische Geschichte, dadurch, dass das kulturelle Gedächtnis sie in

Erinnerungsfiguren umformt, in Mythen transformiert werden, die „die Gegenwart vom Ursprung her erhell[en]. (...) Dadurch wird sie [die faktische Geschichte] nicht unwirklich, sondern im Gegenteil erst Wirklichkeit im Sinne einer fortdauernden normativen und formativen Kraft“ (J. Assmann 2000:52). Zerubavel beschreibt das Verhältnis von historischen Fakten und erinnerten Mythen als eines von Selektion (Zerubavel 1995:5). Die Erinnerung erhält durch diesen Prozess etwas sakrales, ja man kann sogar sagen einen religiösen Sinn, der zumeist in Form von Festen und Ritualen in der Gruppe kontinuierlich vergegenwärtigt wird. Ziel der Vergegenwärtigung, der fundierenden Erinnerung bzw. der fundierenden Mythen ist der Aufbau und die Stabilisierung einer kollektiven Identität. Diese Identität, die keine Alltagsidentität ist, wird in zeremonieller Form innerhalb der Gruppe über Texte, Riten, Tänze, Bilder u.v.a.m. kommuniziert (J. Assmann 2000:52f.).

Fundierende Erinnerungen sind einheitsstiftend, handlungsorientierend, normativ, formativ und verleihen dem menschlichen Leben eine Zweidimensionalität bzw. Zweizeitlichkeit. Sie werden zumeist in poetischer Form gespeichert, durch rituelle Inszenierung abgerufen und über die kollektive Partizipation vermittelt, d.h. die Mitglieder einer Gruppe gewinnen über die Anwesenheit und Teilnahme bei Festen und Riten Anteil am kulturellen Gedächtnis. Eine regelmäßige Weitergabe bzw. Auffrischung des identitätsstiftenden Wissens ist überlebensnotwendig für die Gruppe als kulturelle Entität, sie sichert die Kohärenz der Gruppe in Raum und Zeit (J. Assmann 2000:56f.).

Für diese Kohärenz in Raum und Zeit ist es notwendig, dass die fundierenden Erinnerungen so gestaltet bzw. zusammengestellt sind, dass sie Kontinuität und nicht etwa Kontingenz vermitteln. Historische Veränderungen treten aber dennoch auf, sie sind meist Resultat eines Prozesses und nicht eines einzelnen Ereignisses. Die kulturelle Erinnerung verfährt jedoch so, dass sie im Nachhinein ein Ereignis heraussucht und es dann als den Wendepunkt identifiziert. Er steht dann als Symbol für den Zeitpunkt in der Geschichte, an dem sich das Schicksal der Gruppe gewandelt hat. So ist eine ritualisierte Erinnerung sehr viel einfacher möglich (Zerubavel 1995:8).

Wie bereits bemerkt, sind die beiden Elemente des kollektiven Gedächtnisses in vielen Kulturen nicht strikt voneinander getrennt. Sie sind dann eher als Extrempole einer Skala zu verstehen (J. Assmann 2000:55). Eine Misch- bzw. Übergangsform von kommunikativem und kulturellem Gedächtnis, die auch in modernen Gesellschaften und Nationalstaaten fast überall vorkommt, ist das Totengedenken. Kommunikativ ist es insofern, das es eine allgemein menschliche Form der

Erinnerung ist, eine kulturelle Ausprägung erhält es, wenn es spezielle Träger, Riten und Institutionen ausbildet.

„In der erinnernden Rückbindung an die Toten vergewissert sich eine Gemeinschaft ihrer Identität“ (J. Assmann 2000:63).

Durch die Verpflichtung auf bestimmte Namen, wird das Gedenken an die Toten zu einem Bekenntnis, zu einer sozio-politischen Identität. Bei Kriegsdenkmälern, bei denen die Namen in die Tausende gehen oder bei Gräbern des „unbekannten Soldaten“, steht das Element der Gemeinschaftsstiftung und Stabilisierung im Vordergrund, meist aufgeladen mit nationalen Vorstellungen. Durch die Ehrung, die man den Toten erweist, ist es möglich, politische Legitimität für das hier und jetzt zu gewinnen (J. Assmann 2000:60-63).

1.3. Kollektive Identitätsbildung und ihre Dynamiken

1.3.1. Zur Funktion fundierender Erinnerungen bzw. Mythen

„Mythos [fundierende Erinnerung] ist eine Geschichte, die man sich erzählt, um sich über sich selbst und die Welt zu orientieren, eine Wahrheit höherer Ordnung, die nicht einfach nur stimmt, sondern darüber hinaus auch noch normative Ansprüche stellt und formative Kraft besitzt. (...) Die Vernichtung des europäischen Judentums z.B. ist eine geschichtliche Tatsache und als solche Gegenstand der historischen Forschung. Im modernen Israel jedoch ist sie darüber hinaus (...) unter der Bezeichnung ‚Holocaust’ zur fundierenden Geschichte und damit zum Mythos geworden, aus der dieser Staat einen wichtigen Teil seiner Legitimierung und Orientierung bezieht, die in öffentlichen Denkmälern und Gedenkveranstaltungen nationalen Charakters feierlich kommemoriert und in Schulen gelehrt wird und daher zur Mythomotorik dieses Staates gehört“ (J. Assmann 2000:76f.).

Nach der Umwandlung in einen Mythos, wird das Ereignis also nicht weniger real, es gewinnt dadurch eine „die Zukunft fundierende Verbindlichkeit“ (J. Assmann 2000:77) und erhält damit eine sinnstiftende Funktion.11 Die Gegenwart erscheint im Licht des Mythos sinnvoll, richtig oder sogar gottgewollt. Carl Beck weist darauf hin, dass diese Mythen meist sehr viel mehr Einfluss auf das Selbstbild einer Gruppe und die sie bildenden Individuen haben, als Ergebnisse der historischen Forschung, auch wenn diese den Mythen widersprechen (Beck nach Zerubavel 1995:3).

Die Soziologin Yael Zerubavel macht darauf aufmerksam, dass die einzelnen kollektiven Erinnerungen und Mythen12 einer Gesellschaft, nicht einfach wahllos zusammengestellt werden,

sondern einer Grundlinie, basic line (Zerubavel 1995:6) folgen. Diese ist eine kulturelle Konstruktion, die die Gruppe mit einer allgemeinverbindlichen Wahrnehmung ihrer gemeinsamen Vergangenheit versorgt. In diese Grundlinie, die wohl dem halbwachs’schen spezifischen sozialen Rahmen einer Gruppe sehr nahe kommt, können auch neue Segmente eingefügt werden. Die Fülle aller gemeinsamen normativen Erinnerungen bilden das master commemorative narrative oder wie Assmann es bezeichnen würde, den kulturellen Kanon einer Gruppe. Dieses master commemorative narrative hebt die Einzigartigkeit der sozialen Identität einer Gruppe und ihrer historischen Entwicklung hervor und „[is] portraying it [the group] as a unified group moving through history“ (Zerubavel 1995:7). In diesem Narrativ werden zwar einzelne Ereignisse hervorgehoben, jedoch durch ihre Einfügung und Platzierung innerhalb des Narratives wird der Eindruck erweckt, als gäbe es für die Gruppe immer wiederkehrende historische Muster (Zerubavel 1995:6f.).

Hervorzuheben ist an dieser Stelle der Umstand, dass ein- und dieselbe normative Erinnerung genutzt werden kann, um die bestehenden Herrschafts- und Sozialverhältnisse zu fundieren und zu stabilisieren, aber auch dazu, um eben gegen diese Verhältnisse aufzubegehren. Ist das der Fall, entstehen natürlich auch zwei verschiedenen Handlungsimperative für Gegenwart und Zukunft. Dieses Phänomen zeigt sich meist in Unterdrückungssituationen, in denen die sich benachteiligt fühlende Gesellschaftsgruppe das hegemoniale Narrativ so interpretiert, dass es sich gegen die Herrschaft richtet (J. Assmann 2000:83f., Zerubavel 1995:9f., Bar-On 2001:72f.). In jeder Gesellschaft existiert ein hegemonialer Diskurs über die fundierenden und normativen Erinnerungen. Dieser Diskurs wird von den herrschenden Eliten zur Legitimation ihrer Politik benutzt13, d.h., dass kollektive Erinnerungen – auch in westlichen Demokratien – oft sehr manipulativ eingesetzt werden (Zerubavel 1995:10, Joggerst 2002:20, 30f., Smith 1999:205, J. Assmann 2000:71ff.). Vergegenwärtigt man sich diesen Zusammenhang zwischen politischer Herrschaft und kollektiver Erinnerung, wird schnell offensichtlich, wie wichtig die Interpretationshoheit über kollektive Erinnerungen ist und was für ein Machtpotential sie birgt. Zweifelt jemand die hegemoniale Interpretation an und stellt ihr eine andere gegenüber, greift er damit die Legitimationsbasis der politischen Herrschaft an.

„The master commemorative narrative represents the political elite’s construction of the past, which serves its special interests and promotes its political agenda. Countermemory challenges this hegemony by offering a divergent commemorative narrative representing the views of marginalized individuals or groups within the society. The commemoration of the past thus become a contested territory in which groups engaging in a political conflict promote competing views of the past in order to gain control over the political centre or to legitimise a separatist orientation“ (Zerubavel 1995:10f.).

Gerät das hegemoniale Narrativ z.B. durch Umbruchsituationen in der Gesellschaft ins Wanken, d.h. haben sich die realen Bedingungen so sehr geändert, dass die fundierenden Erinnerungen die neue Situation nicht mehr fassen können oder sogar mit ihr in Widerspruch geraten, kann es zu gewalttätigen und fanatischen Versuchen einiger der Mitglieder des Kollektives14 kommen, gegen jede Vernunft und Aussicht auf langfristigen Erfolg, an dem hegemonialen Narrativ festzuhalten (Bar-On 2001:21, 57). Die Gründe dafür liegen eigentlich auf der Hand. Es sind die Angst vor Sinnverlust, Identitätsverlust, Orientierungslosigkeit und (Entscheidungs-) Unsicherheit, denn die Konstruktion und Aufrechterhaltung all dessen war die Aufgabe des hegemonialen Narratives, sowie die Vermittlung der Gewissheit, dass man selbst zu einer guten Gemeinschaft gehört, deren Handlungen moralisch, ethisch und gerecht sind (J. Assmann 2000:125).

Eine weitere wichtige Funktion der fundierenden Erinnerungen ist, dass sie die Komplexität und Mehrdimensionalität der Realität verringert, sie fungieren sozusagen als Linse (Zerubavel 1995:9) oder Wahrnehmungsfilter (Münkler 1988:66) und vermitteln so ein einfach strukturiertes Weltbild, in dem es eine klare Unterscheidung zwischen gut und böse gibt und in dessen Rahmen Entscheidungen leicht fallen.15

„Politische Mythen versichern der Gemeinschaft, daß das, was geschehen ist, geschehen musste, daß die Ereignisse nicht zufällig, sondern notwendig und zwangsläufig vonstatten gingen und daß sie mehr waren und sind als bloße Ereignisse. Geschichte wird zur Teleologie mit einer heilsgeschichtlichen Dimension“ (Joggerst 2002:32).

Der kulturelle Kanon, das master commemorative narrative oder die Gesamtheit der politischen Mythen bzw. fundierenden Erinnerungen einer Gruppe – wie auch immer man es bezeichnen möchte – dienen der kollektiven Identitätsstiftung und –stabilisierung und bilden gleichzeitig die Basis der individuellen Identität der Mitglieder.

„Er [der Kanon] repräsentiert das ganze einer Gesellschaft und zugleich ein Deutungs- und Wertesystem, im Bekenntnis zu dem sich der Einzelne der Gesellschaft eingliedert und als deren Mitglied seine Identität aufbaut“ (J. Assmann 2000:127).

1.3.2. Bildung kollektiver Großidentitäten

Identitätsbildung ist der Prozess des Bewusstwerdens eines unbewussten Selbstbildes. Die Identität eines Menschen besteht aus drei Komponenten: der individuellen, der personalen und der kollektiven (J. Assmann 2000:130). Die individuelle Identität bildet sich im Prozess der Individuation und bezieht sich auf die Körperlichkeit und vitalen Grundbedürfnisse eines Menschen. Im Prozess der Sozialisation entwickelt man eine personale Identität, die sich auf die soziale Anerkennung und Zugehörigkeit eines jeden bezieht.

„Personale Identität ist ein Bewußtsein von sich, das zugleich ein Bewußtsein der andern ist: der Erwartungen, die sie an einen richten, die Verantwortung und Haftung, die sich daraus ergibt“ (J. Assmann 2000:135).

Diese beiden auf den Einzelnen bezogenen Komponenten der Identität sind soziogen und kulturell beeinflusst. Die Gesellschaft ist nicht eine dem Einzelnen gegenüberstehende Größe, „sondern [ein] konstituierendes Element seiner Selbst“ (J. Assmann 2000:32). Somit ist auch die Ich-Identität eine sozial konstruierte und von der jeweiligen Kultur abhängig.

Die kollektive Identität hat keinen physischen Körper, sie ist eine imaginäre Größe, ihre Träger sind immer die einzelnen Individuen. Sie enthält das Bild, das eine Gruppe von sich selbst entwirft und mit dem sich ihre Mitglieder identifizieren. Grundlage dieses Bildes sind Ereignisse in der gemeinsamen Vergangenheit, die ins kulturelle Gedächtnis Eingang gefunden haben. Eine kollektive Identität „ist so stark oder so schwach, wie sie im Bewußtsein der Gruppenmitglieder lebendig ist und deren Denken und Handeln zu motivieren vermag“ (J. Assmann 2000:132). Kollektive Identitäten sind nicht irreversibel und unaufkündbar, sie können verschwinden, sich wandeln oder verblassen.

Kultur und Gesellschaft bilden und formen Identität, jedoch nicht automatisch auch kollektive Identität. Diese entwickelt sich erst in der Konfrontation mit einer anderen Gruppe/ Kultur und der damit einhergehenden Bewusstwerdung der Andersartigkeit der Anderen und der eigenen Eigenartigkeit. J. Assmann definiert die kollektive Identität als eine „reflexiv gewordene gesellschaftliche Zugehörigkeit“ (J. Assmann 2000:134). Er geht auch davon aus, dass jeder Kultur eine ethnozentrische Perspektive eigen ist, d.h. das eigene wird als gut und hochentwickelt, das andere wenn nicht gleich als böse so doch als minderentwickelter und weniger zivilisiert angesehen.

Die Voraussetzungen für die Ausbildung einer kollektiven Identität sind eine gemeinsame Sprache und ein gemeinsames Symbolsystem, ein Vorrat an identitätsstiftendem Wissen, dessen normative, formative, handlungsorientierende und sinnstiftende Kraft, den einzelnen zur Sorge

um das Ganze anhält sowie die Sicherstellung der Zirkulation diese Wissens (J. Assmann 2000:138-144). Aus diesen Ausführungen ergibt sich nun die Schlussfolgerung, dass das kollektive Gedächtnis die kollektive Identität bildet, wiederum aber die kollektive Identität, also das Selbstbild der Gruppe, entscheidend dafür ist, was ins kollektive Gedächtnis aufgenommen, d.h. festgehalten und erinnert wird.

Bei kleinen Gruppen bzw. kleinen kulturellen Formationen existiert noch eine Deckungsgleichheit von ethnischer, kultureller und politischer Formation. Erst wenn eine Gemeinschaft beginnt zu wachsen und sich in ihr kleine Subformationen zu bilden anfangen, treten Integrations- und Distinktionsdynamiken auf, da eben die ethnische, kulturelle und politische Formation nicht mehr deckungsgleich ist. In großen sozialen Verbänden wie Staaten werden die kleineren kulturellen Formationen von der Mehrheit dominiert und marginalisiert. So entsteht eine übergeordnete kulturelle Formation, die zur Stabilisierung der politischen Formation dient. Es gilt nun Institutionen zu schaffen, die dafür sorgen, dass es dieser übergeordneten kulturellen Formation gelingt, eine alle verbindende und stabile kollektive Identität zu schaffen, die in der Lage ist, eine Vielzahl heterogener soziokultureller Formationen zu integrieren (J. Assmann 2000:148, Bar-On 2001:19, 65). In diesen Großformationen sind die fundierenden Erinnerungen sowie ihre rituelle und zeremonielle Weitergabe weniger Inbegriff des Selbstverständnisses der Gruppe, als eher ein Mittel der Integration zur Stabilisierung der politischen Formation. Diese Großidentität ist aber nicht mehr evident-selbstverständlich, da man gewahr wird, dass es sehr viele andere Möglichkeiten/ Sinnwelten gibt. Deshalb ist sie auch so fragil und es bedarf einer enormen Anstrengung, um sie aufrecht zu erhalten. Kollektive Identität wird zu einer angestrebten und bewusst erworbenen Zugehörigkeit. Die Sozialisation in diese kollektive Identität verläuft in solchen kulturellen Großformationen sehr viel differenzierter. Die oben erwähnten gesellschaftlichen Institutionen, dazu gehören unter anderem Kindergärten, Schulen, Parteien, religiöse Gemeinschaften, bildungspolitische Organisationen, werden zu den primären Übermittlern des formativen, die kollektive Großidentität bildenden Wissens. Zerubavel verweist in diesem Zusammenhang auf den großen Einfluss solcher Institutionen auf die kindliche und frühkindliche Sozialisation. In dieser Lebensphase werden in den Individuen bereits die Bilder der nationalen Tradition geformt.

„These commemorations contribute to the early formation of sentiments as ideas about the past that might persist even in the fact of a later exposure of history“ (Zerubavel 1995:6).

Je komplexer Gesellschaften werden, d.h. je mehr verschiedenen kulturelle Formationen sie enthalten und je mehr diese etwa gleichstark sind, desto schwieriger aber auch notwendiger ist die Schaffung eines übergeordneten Selbstbildes, mit dem sich alle Mitglieder der Gemeinschaft, trotz ihrer unterschiedlichen und sich zum Teil widersprechenden Subidentitäten, identifizieren können. Eine Möglichkeit ist die Etablierung einer der Subidentitäten als monolithische kollektive Großidentität16, die dann die Repräsentation des Ganzen beansprucht. Die anderen Subidentitäten gelten somit als unzulänglich, minderwertig oder sogar entartet.17 Problem dieser monolithischen Identitäten ist die ihnen inhärente Unterdrückungsdynamik. Wird dieser Druck unerträglich und erstarken gleichzeitig verschiedene Subformationen und damit ihre Identitäten, besteht die Gefahr einer offenen Konfrontation und sogar eines Auseinanderbrechens der Großformation. Solche offenen Konflikte können allerdings vermieden werden, wenn es in der Gesellschaft möglich ist, die Großidentität veränderten Bedingungen und Bedürfnissen anzupassen, sie also in einem Prozess der gesellschaftlichen Interaktion zu modifizieren. Das ist bei verfestigten monolithischen Identitäten jedoch schwierig. Da diese monolithischen Großidentitäten meist den Interessen der etablierten politischen Eliten einer Gesellschaft dienen, d.h. ihrem Machterhalt, und eine Modifizierung diesen gefährden würde, wird oft nicht das Mittel der Neuaushandlung und Anpassung der Identität gewählt, sondern auf ein anderes gesetzt. Aus der Erkenntnis heraus, dass bei einem Individuum, das Anteil an verschiedenen kollektiven Identitäten hat, meist diejenige sich in den Vordergrund stellt, die zu der Gruppe gehört, deren Existenz als bedroht empfunden wird, ist es also notwendig, um die monolithische Großidentität wieder zu stabilisieren, das Gefühl eines permanenten und vitalen Bedrohungszustands der Großformation (z.B. der Nation) zu konstruieren bzw. aufrechtzuerhalten. Das Individuum wird sich dann im Regelfall mit der Großformation identifizieren und die Bedürfnisse und Frustrationen seiner anderen kollektiven Identitäten hinten anstellen (vgl. J. Assmann 2000:151-153, Bar-On 2001:23f., 32, 75). Ein Beispiel für ein solches Phänomen ist das Verhalten beider nationaler Kollektive im Israel-Palästina-Konflikt. Einige Beobachter prophezeien der israelischen Gesellschaft für den Fall der Lösung des Konflikts, d.h. des Wegfall des äußeren Bedrohungspotential für das gesamte nationale Kollektiv, ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft auf Grund der vielen in ihr existierenden Bruchlinien.18

An dieser Stelle möchte ich auf einige diskussionswürdige Problemkonstellationen im Zusammenhang mit kollektiven Großidentitäten hinweisen, ohne sie an dieser Stelle ausführlich zu behandeln. Ich werde aber im weiteren Verlauf der Arbeit auf sie zurückkommen. Es stellt sich beispielsweise die Frage, wie freiwillig die Mitgliedschaft in diesen Identitäten ist. Zwar sind sie wie bereits erwähnt nicht unaufkündbar, dennoch ist in diese Überlegung mit einzubeziehen, inwieweit der Einzelne einer Manipulation unterliegt, was das Gefühl der Freiwilligkeit angeht (Joggerst 2002:20) und inwieweit ein echter Zwang zur Mitgliedschaft besteht. J. Assmann vertritt diesbezüglich eine vermittelnde Position, in dem er allen Komponenten bei der Bildung einer kollektiven Identität einen Anteil zubilligt: dem Zwang, der Manipulation und der Affektivität (Halbwachs) bzw. dem Wunsch nach Zugehörigkeit (J. Assmann 1995:62). Ich möchte dem noch hinzufügen, dass wohl kaum jemand im Stande ist die Gewichtung dieser Einflussgrößen auf die Bildung seiner eigenen kollektiven Identität wirklich zu bestimmen.

Ein zweiter wichtiger Verweis auf Problemkonstellationen im Zusammenhang mit kollektiven Identitäten stammt von Möller, der anmerkt, dass dieses Phänomen eine enorme Vielschichtigkeit und Multikausalität aufweist, die die Analyse kollektiver Identitäten so erschwert. Ein Individuum hat nicht nur eine individuelle, eine personale und eine kollektive Identität, sondern auf Grund seiner Teilhabe an verschiedenen Gruppen, mehrere kollektive Identitäten, die sich im Laufe seines Lebens ändern und von denen einige sogar miteinander im Konflikt stehen können (Möller 2001:11). Wie kann man auf Grund dieser Tatsache also von einheitlichen nationalen Großidentitäten sprechen und wie einheitlich sind sie wirklich? Auf wie viele fundierende Erinnerungen gründen sie sich, die alle miteinander teilen?

Der letzte Punkt, den ich an dieser Stelle erwähnen möchte und der gleichzeitig eine gute Überleitung zum nächsten Abschnitt darstellt, ist die Frage, wie normativ und monolithisch eine kollektive Identität sein muss, um gegen Einflüsse von außen (und innen) bestehen zu können? Wie viel Öffnung verträgt sie, ohne sich aufzulösen? Und wann werden die Normativität und Formativität zur Gefahr und schlagen in Aggression gegen andere Gruppen oder Angehörige der eigenen Gruppe um?

1.3.3. Kollektive Identitäten im Konflikt

Die große Integrations- und Assimilationskraft einer Kultur ist abhängig von ihrer Fähigkeit der

Sichtbarmachung und Stilisierung von Andersartigkeit bzw. Distinktion.

„Indem die Kultur nach innen Identität erzeugt, stiftet sie nach außen Fremdheit. (...) Kulturell induzierte Fremdheit kann sich [allerdings] bis zu Xenophobie, Völkerhaß und Vernichtungskrieg steigern. Liebe und Haß sind zwei Seiten der selben gruppenbildenden Grundfunktion“ (J. Assmann 2000:151f.).

Und ein Stück weiter heißt es:

„Nichts schweißt enger zusammen als die Abschottung gegen eine feindliche Umwelt. Das beste Mittel gegen innenpolitische Schwierigkeiten ist eine aggressive Außenpolitik“ (J. Assmann 2000:152f.).

Zu bemerken ist an dieser Stelle die gefährliche Tatsache, dass diese kulturell induzierte Fremdheit oft am wirksamsten ist, wenn sie extrem stereotyp und/ oder erfahrungsfern ist (Straub 1998:100, Bar-On 2001:169-193, 205-213, Horkheimer/ Ardorno19 2003:210f., 215f.). Aleida und Jan Assmann weisen darauf hin, dass es, obwohl sich Distinktion und Integration gegenseitig bedingen, dennoch einen Unterschied macht, ob eine Kultur primär durch Distinktion nach außen, d.h. negative Integration, oder durch ihre Integrationskraft nach innen, d.h. positive Integration, definiert ist (J. Assmann 2000:154, A. u. J. Assmann 1990:27f.). Die Grundvoraussetzung dafür, dass eine Kultur überhaupt tradiert werden kann, ist die Grenzziehung zwischen dem Eigenen und dem Fremden. Die territoriale Abgrenzung ist nur eine unter vielen Möglichkeiten. Mühlmann nennt diese Formen der Abgrenzung „limitische Symbolik“, dazu können u.a. Kleidung, Körperbemalung und Speisevorschriften zählen.

„Das alles ist nicht bloß ‚da’, es grenzt auch ab gegen die ‚Anderen’, ist mit Vorzugs- und Überlegenheitsbegriffen, Ideologien markierend verbunden“ (Mühlmann zitiert nach A. u. J. Assmann 1990:28, vgl. auch J. Assmann 2000:56).

Die Idealtypische Form dieser limitischen Struktur ist, dass die eigene Kultur nicht als eine mögliche unter vielen betrachtet wird, sondern als die einzig richtige Lebensform. Andere Kulturen erscheinen in einer solchen Konstruktion fast als unmenschlich, es sind Wilde (Mühlmann nach A. u. J. Assmann 1990:28). Diese kulturelle Distinktion oder limitische Steigerung hat zwei Pole. Auf der einen Seite der Skala steht eben diese von Mühlmann definierte Idealform. Die eigene Kultur bedeutet Kultur überhaupt, sie dient zur Abgrenzung gegen das vermeintliche Chaos der Außenwelt. Auf der gegenüberliegenden Seite der Skala ist die limitische Steigerung ein Mittel zur Abgrenzung gegen andere, meist als stärker bzw. überlegen empfundene Kulturen. Diese Motivationsstruktur der Distinktion ist typisch für kulturelle Minderheiten, die sich dem Integrationsanspruch der hegemonialen Kultur widersetzten. Zu dieser hegemonialen Kultur wird, um kulturell überleben zu können, durch Entdeckung und Erfindung eigener Tradition eine Gegenidentität ausgebildet (A. u. J. Assmann 1990:29f., J. Assmann 2000:154f.). Der Distinktionsanspruch bzw. das Distinktionsbedürfnis kultureller Minderheiten kann soweit gesteigert werden, dass die Gruppe eine passive Konfliktbereitschaft ausbildet, d.h. dass man eher bereit ist, sich umbringen zu lassen, als sich in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren (A. u. J. Assmann 1990:30).20 Bleibt zu fragen, was geschieht, wenn aus einer solchen kulturellen Minderheit, die kulturelle Mehrheit, d.h. die hegemoniale Kultur wird? Kann sich die unversöhnliche passive Aggressivität, die oft auf einem ausgeprägten Auserwähltheitsgefühl basiert, dann zu einer aktiven steigern, die sich gegen andere kulturelle Minderheiten richtet?

Aleida und Jan Assmann benennen in ihrem Aufsatz „Kultur und Konflikt. Aspekte einer Theorie des unkommunikativen Handelns“ zwei Arten von Konflikten: den kommunikativen Konflikt, in dem der Rivale, als innerhalb einer gemeinsamen Ordnung stehend, wahrgenommen wird und den unkommunikativen Konflikt, in dem der andere der Feind ist und mit dem jede Gemeinsamkeit aufgekündigt wird. Für den Umgang mit diesem Feind gelten andere Regeln, die aktive Aggression wird zu einer Option. Aggression gegen andere Gruppen und deren Mitglieder ist immer eine „Sache überindividueller Steuerung, eine Sache des Über-Ich bzw. der kollektiven Identität und damit der kulturellen Formung“ (A. u. J. Assmann 1990:16, vgl. auch Huber 1990:52). Um die Voraussetzungen der unkommunikativen Form des Konflikts zu verdeutlichen, beziehen sich A. u. J. Assmann auf die Theorien von Carl Schmidt, denen zufolge der Feind so konstruiert werden muss, dass er im Konfliktfall bei den Mitgliedern der eigenen Gruppe uneingeschränkte Opferbereitschaft erzeugt. Er dient primär der Verstärkung der „Gruppenkohäsion und Modellierung von Gefolgsbereitschaft“ (A. u. J. Assmann 1990:21). Der so produzierte Feind gewinnt durch seine Stilisierung zum absoluten Feind eine metaphysische Komponente, mit seiner Existenz steht und fällt die eigene kollektive Identität (Bar-On 2001:29ff., A. u. J. Assmann 1990:23).

„Wer ihn nicht kennt, kennt sich selbst nicht, wer ihn im Konfliktfall nicht vernichtet, riskiert, von ihm vernichtet zu werden. Dieser Feind ist ‚die Negation der eigenen Art von Existenz’, und damit ebensosehr deren Bestätigung (also braucht man ihn) wie derer Bedrohung (also muß er vernichtet werden)“ (A. u. J. Assmann 1990:21).

Ein weiteres Motivationselement der Konstruktion eines absoluten Feindes ist das der politischer Vergesellschaftung.

„Die Konturen der eigenen Identität wie die Legitimation von Herrschaft gründen auf dem Bild des Feindes. (...) Wo immer ein metaphysischer, existentieller Feind auftritt, verbinden sich ‚Herrschaft’ und ‚Heil’ zu einer untrennbaren Einheit“ (A. u. J. Assmann 1990:23).

Nur durch ihn kann diese Verbindung geschaffen werden, da er das Bedrohungsbewusstsein in der Bevölkerung wach hält und so die politische Herrschaft und ihre Aktionen legitimiert.

Nun müsste man meinen, dass sich die Konstruktion absoluter Feinde in säkularen und demokratischen Ordnungen erschwert hätte, da es hier kaum noch absolute, geheiligte Wahrheiten gibt, sondern nur eine, im demokratischen Prozess durch Beteiligung aller Interessengruppen, ausgehandelte und damit relative Wahrheit. Aber auch hier ist es möglich absolute und letzte Wahrheiten zu schaffen, indem man einen Konflikt stark genug polarisiert, so dass nur noch eine Entweder-Oder-Entscheidung übrig bleibt, die dann mit der absoluten Wahrheit gleichgesetzt wird (A. u. J. Assmann 1990:8).

„Mit der Setzung [solcher] Zwangsalternativen wird die Unübersichtlichkeit und Komplexität, die jeder historischen Situation eignet, rigoros reduziert. Die Reduktion forciert moralische Eindeutigkeit und zerstört damit den Horizont vielfältiger Optionen“ (A. u. J. Assmann 1990:26).21

Eine so polarisierte Konfliktsituation führt zu einem „perfektischen Wahrnehmungsmuster“ (Huber 1990:60.), dessen Grundmotto lautet: Was nicht sein darf, dass nicht sein kann! Diese „perfektischen Wahrnehmungsmuster“ beinhalten bzw. bringen bestimmte Überzeugungen hervor. Dazu gehören u.a.: Die eigene Konfliktpartei kämpft immer für die gute Sache, deshalb kann auch nicht das eigene Handeln zu einer echten Gefahr im Konflikt werden, sondern nur der Gegner ist die Gefahr. Der Gegner dient als Projektionsfläche, auf den das Böse im Selbst22 – was es ja nicht geben kann – übertragen wird (Huber 1990:58, Horkheimer/ Ardorno 2003:190f., 192f.).

„Diese Spaltung kann so sehr Ausdruck einer Unfähigkeit zum Erinnern sein, wie sie auch umgekehrt eine erinnernde Annäherung an die Wahrheit versperrt“ (Huber 1990:58, vgl. auch Horkheimer/ Adorno 2003:196).

Aus dieser Prämisse folgt die Überzeugung, dass man über den Feind bereits alles weiß, denn er ist die negative Spiegelung des Selbst, seine Wahrnehmung ist also abgeschlossen und es finden auch keine neuen Informationen, sofern sie nicht das Feindbild bestätigen, Eingang ins

Bewusstsein. Bezüglich der Handlungen des Feindes geht man immer von der
schlimmstmöglichen Vermutung aus. Hinter all seinen Taten und mögen sie auch noch so positiv sein, steckt eine „wohldurchdachte böse Strategie“ (Huber 1990:60). Somit ist „jeder Gewinn für den Gegner (...) ein Verlust für einen selbst und umgekehrt“ (Huber 1990:60). Für den Feind und das Selbst gelten andere Bewertungsmaßstäbe. Kommt es im Konfliktverlauf durch Mitglieder der eigenen Gruppe zu moralisch verwerflichem Verhalten, ist dies nicht die Regel und nur den Umständen geschuldet, wohingegen sie für den Feind charakteristisch sind (Huber 1990:60, Bar-On 2001:118f.).

2. Geschichte der Widerpart des Gedächtnisses?

Was nun ist der Unterschied zwischen Geschichte und Gedächtnis? Ist die Geschichte, hier als wissenschaftliche Disziplin zu verstehen, objektiv und vermag uns zu vermitteln was wirklich war, oder ist auch sie nur eine selektive Interpretation der Vergangenheit?

Spätestens seit der Aufklärung versteht sich Geschichtswissenschaft als – wie Aleida Assmann es ausdrückt – „Emanzipation vom legitimatorischen Gedächtnis“ (A. Assmann 1995:169). Sie hat sich eine objektive Erforschung des Vergangenen zum Ziel gesetzt, frei von jeglicher

normativer und formativer Wertsetzung. Dieser klassischen Konzeption der
Geschichtswissenschaft gelten materielle Zeugnisse aus einer bestimmten Epoche als sehr viel wertvoller, „(...) Erinnerungen erscheinen demgegenüber, zumindest sie nicht schriftlich fixiert sind, von vornherein als minderwertige Zeugnisse“ (Höschler 1995:154). Möller beschreibt die Arbeit des Geschichtswissenschaftlers wie folgt:

„Die Vergegenwärtigung der Geschichte durch den Historiker ist eine empirische, systematische, kontrollierte Rekonstruktion und Interpretation“ (Möller 2001:10).

Und etwas weiter heißt es:

„Aufgabe des Historikers ist stets, zu differenzieren. Er muss sowohl das Verhalten Einzelner als auch dasjenige sozialer Gruppen untersuchen: Er muss das Spannungsverhältnis von Individuum und Gesellschaft, einzelner Entscheidungen und überindividueller gesellschaftlicher Strukturen analysieren – seien sie nun zeitlich begrenzt oder von langer historischer Dauer“ (Möller 2001:12).

Möller unterscheidet klar zwischen der guten und objektiven Geschichtswissenschaft, die die Vergangenheit vermittelnd rekonstruiert und anderen Formen der Erinnerung wie Mythen, Legenden und zweckgebundenen politischen Instrumentalisierungen von Vergangenheit. Diese klare Trennung ist in der Praxis aber nicht aufrecht zu erhalten. Die Grenzen zwischen Geschichte als wissenschaftlicher Beschäftigung mit der Vergangenheit und kollektivem Gedächtnis als normative und formative Beschäftigung mit der Vergangenheit sind oft fließend. Manches geschichtswissenschaftliche Werk trägt zum Teil gezielt zum Teil zufällig zur Mythenbildung bzw. Bildung fundierender Erinnerung bei. Und auch der Historiker konstruiert und interpretiert Vergangenheit nicht ohne Motiv. Auch er wurde in einer bestimmten Gesellschaft, in einer bestimmten Schicht sozialisiert und ist Träger eines bzw. mehrerer kollektiver Gedächtnisse. So liegt die Schlussfolgerung nahe, dass auch er die Vergangenheit nur innerhalb seines sozialen und epochalen Bezugsrahmens rekonstruieren kann, oder wie Yael Zerubavel es ausdrückt:

„Historians may indeed strive to become detached analysts, but they are also members of their own societies, and, as such, they often respond to prevalent social ideas about the past. In fact, historians may not only share the basic premises of collective memories but also help to shape them through their work, as the history of national movements has shown“ (Zerubavel 1995:5).

2.1. Halbwachs und Nora

Nach Maurice Halbwachs verfährt Geschichte genau entgegengesetzt zum kollektiven Gedächtnis. Während das Gedächtnis sein Interesse auf Ähnlichkeit und Kontinuität richtet und auf eine bestimmte Zeitdauer, die einer Generation, beschränkt ist, richtet die Geschichte das ihre auf Differenz und Diskontinuität und umfasst eine wesentlich längere Zeitspanne. Für sie ist alles gleichbedeutend, d.h. sie rekonstruiert Vergangenheit als „identitätsabstraktes Tableau“ (J. Assmann 2000:43). Halbwachs hebt hervor, dass Geschichte aus einzelnen Details ein ganzes zusammenfügt, wobei „...jedes [Detail] in gleicher Weise verdient, hervorgehoben und aufgeschrieben zu werden“ (Halbwachs 1991:72), wohingegen für das Gedächtnis der einzelnen Gruppen „die Ereignisse, Orte und Zeitabschnitte längst nicht alle von gleicher Bedeutung sind, da sie nicht in gleicher Weise von ihnen bemüht werden“ (ebd.). Die Geschichte ist universal, sie existiert nur im Singular, da sie zeigt, was wirklich war. Erst wenn die Vergangenheit nicht mehr von dem Gedächtnis lebendiger Gruppen bewohnt ist, kann die Arbeit des Historikers beginnen.

„Man kann die Totalität der vergangenen Ereignisse nur unter der Voraussetzung zu einem einzigen Bild zusammenstellen, daß man sie vom Gedächtnis jener Gruppen löst, die sie in Erinnerung behielten“ (Halbwachs 1991:73).

Für Pierre Nora stehen sich analytische Geschichtswissenschaft, „die Entlegitimatorin von gelebter Vergangenheit“ (Nora 1992:13) und kollektives Gedächtnis sogar im Kampf gegenüber, den, so prognostiziert er, unweigerlich erstere gewinnen wird (Nora 1992:12). Während das Gedächtnis seinen Trägern gehört, gehört die Geschichte „allen und niemandem“ (Nora 1992:12). Sie ist analytisch, verweltlicht und intellektuell und will das Gedächtnis zerstören (Nora 1992:13). Nora schreibt:

„Das Gedächtnis ist ein Absolutes, die Geschichte kennt nur das Relative. (...) Das Gedächtnis rückt die Erinnerung ins sakrale, die Geschichte vertreibt sie daraus, ihre Sache ist die Entzauberung“ (Nora 1992:13).

Eine Gesellschaft, die vollkommen im Zeichen der Geschichte lebt, wird jeglichen emotionalen Bezug zu ihrer eigenen Vergangenheit verlieren. Ihren Mitgliedern gelten die eigenen Monumente und Denkmäler dann ebensoviel wie die jeder anderen Kultur, sie sind interessant und vielleicht auch hübsch anzusehen, eine Erinnerung können sie jedoch nicht mehr an sie binden (Nora 1992:13). Nora weist jedoch darauf hin, dass es auch eine Geschichtsschreibung gibt, die das kollektive Gedächtnis legitimieren und untermauern kann. Diese dient dann zur Weitergabe von Werten und ist mit einem sakralen und zentralen Element des kollektiven Gedächtnisses verknüpft (Nora 1992:14ff.). Beide Autoren betonen den konstruierten, Sinn und Identität stiftenden Charakter von Gedächtnis und Erinnerung, während die Geschichte die Vergangenheit zeigt, wie sie tatsächlich war. In ihren Theorien schließen sich Geschichte und Gedächtnis gegenseitig aus und stellen einander in Frage.

2.2. Aleida Assmann – Eine vermittelnde Theorie

Geschichte und kollektives Gedächtnis verfügen über eine herausragende Gemeinsamkeit, die sie trotz ihrer Unterschiede miteinander verbindet – sie richten sich gegen das Vergessen. Die Unterschiede, die A. Assmann benennt, decken sich in etwa mit denen, die auch Halbwachs und Nora identifiziert haben. Die Geschichte nimmt Anachronismen wahr, hat eine kritisches Verhältnis zu den Quellen, die sie verwendet und interessiert sich für kausale Erklärungen,

während das kollektive Gedächtnis – oder der Traditionssinn wie A. Assmann es nennt – Anachronismen nivelliert, eine auratisches Verhältnis zu seinen Quellen besitzt und ein Interesse am normativen Gehalt der Vergangenheit hat (A. Assmann 1995:181f.). A. Assmann betont jedoch im Gegensatz zu Halbwachs und Nora, dass die in der Theorie so klar erscheinende Grenze in der Realität oft verschwimmt. So schreibt sie:

„Es scheint sich mittlerweile ein Konsens darüber gebildet zu haben, daß es gar keine Geschichtsschreibung gibt, die nicht zugleich auch Gedächtnisarbeit wäre, also unhintergehbar verquickt ist mit den Bedingungen der Sinngebung, der Parteilichkeit, der Identitätsstiftung“ (A. Assmann 1995:176).

Geschichte und Gedächtnis sind für A. Assmann zwei verschiedene Modi der Erinnerung, die sich jedoch nicht als Gegensatzpaar gegenüber stehen, sondern einander durchdringen und ergänzen. Der Historiker betreibt Erinnerungsarbeit im Zeichen der historischen Wahrheit. Er formt ein unbewohntes, ein Speichergedächtnis. Eine bestimmte Gruppe hingegen betreibt Erinnerungsarbeit im Zeichen eines Ideals/ einer Identität, sie formt ein bewohntes, ein Funktionsgedächtnis. Somit ergibt sich, dass das Funktionsgedächtnis gruppenbezogen, selektiv, wertgebunden, funktions- und zukunftsorientiert ist, wohingegen das Speichergedächtnis gruppenunabhängig, kumulativ, wertfrei, vergangenheitsorientiert ist und in sich aufnimmt, was seinen lebendigen Bezug zu Gegenwart und Zukunft verloren hat (A. Assmann 1995:180ff.). Das Bild, das A. Assmann für das Verhältnis von Funktions- und Speichergedächtnis entwickelt, ist das eines verstaubten, vollgestellten und verrümpelten Dachbodens auf dem wahllos alles aufbewahrt wird. Dieser Dachboden ist das Speichergedächtnis, sie nennt es auch das „Gedächtnis der Gedächtnisse“ (A. Assmann 1995:185). Das Funktionsgedächtnis hingegen ist ein bewohntes, nach dem Geschmack der sich in ihm aufhaltenden Person eingerichtetes Zimmer. Hier steht nur was nützlich und wichtig ist. Man kann jedoch jeder Zeit auf den Dachboden gehen und sich von dort etwas herunter holen und dafür etwas anderes heraufstellen, d.h. übersetzt: neue funktionale Sinn-Konfigurationen schaffen. Das Verhältnis von Geschichte und Gedächtnis in A. Assmanns Theorie ist das von Vorder- und Hintergrund, durch ihre Bezogenheit aufeinander, kann das bewohnte Gedächtnis umgestaltet, aufgelöst oder neu zusammengesetzt werden.

„Die Tiefenstruktur des Gedächtnisses mit ihrem Binnenverkehr zwischen aktualisierten und nichtaktualisierten Elementen ist die Bedingung der Möglichkeit von Veränderung und Erneuerung in der Struktur des Bewusstseins, das ohne den Hintergrund, jener amorphen Reserve erstarren würde. (...) So wie das Speichergedächtnis das Funktionsgedächtnis verifizieren, stützen oder korrigieren kann, kann das Funktionsgedächtnis das Speichergedächtnis orientieren und motivieren“ (A. Assmann 1995:184f.).

Die Frage, die in der Theorie von A. Assmann offen bleibt ist, wer sammelt die Sachen für den Dachboden? Nur die Historiker, d.h. gibt es dort nur wissenschaftlich überprüfte Fakten? Oder findet man auf dem Dachboden alles, was nicht weggeworfen, d.h. vollkommen vergessen wurde? Vielleicht kann man sagen, dass es auf dem Dachboden eine ordentliche Ecke gibt, in der man die Studien der Historiker findet und der Rest des Dachbodens ist gefüllt mit allem, was die Zeit überdauert hat. Klar scheint zumindest zu sein, dass auch die geschichtswissenschaftlichen Fakten, die sich hier befinden, nicht frei von subjektiven Elementen sind, da sie von Individuen gesammelt wurden, die ein bestimmtes Interesse an der Vergangenheit haben, die einer bestimmten Gesellschaft angehören, die es sich gerade in einem ganz speziell eingerichteten Zimmer bequem gemacht haben, dessen Einrichtung metaphorisch für den hegemonialen geschichtlichen Diskurs steht, den es in jeder Gesellschaft gibt. Nur eine geschichtliche Forschung, die bereit ist, auch Dinge vom Dachboden zu holen die nicht unbedingt zur gegenwärtigen Einrichtung passen, d.h. den hegemonialen Diskurs in Frage stellen und somit an den Festen der eigenen kollektiven Identität rütteln, kann kollektive Identitäten modifizieren/ beeinflussen. Manchmal wird der Schlüssel zum Dachboden aber auch weggeworfen oder die, die etwas unpassendes herunterholen, einfach nicht ins Zimmer hereingelassen. Das geschieht meist in Gesellschaften mit einer stark monolithischen kollektiven Identität, in denen kollektive Erinnerungen zur unumstößlichen geschichtlichen Wahrheit deklariert werden.

2.3. Geschichtlicher Kanon – Wenn Geschichte zur fundierenden Erinnerung wird

Wie aus dem vorher Gesagten ersichtlich, wird ein Ereignis erst zu Geschichte, wenn man bewusst aus dem Gewesenen heraustritt (Zuckermann 1998b:19), was allerdings leichter gesagt als getan ist. Zuckermann weist darauf hin, dass diese geschichtswissenschaftliche Faustregel v.a. dann schwer durchzuhalten ist, wenn ein Ereignis noch lange nach seinem eigentlichen Geschehen die Nachwelt emotional berührt, ja aufwühlt.

„Zu Recht oder nicht, es macht offenbar einen merklichen Unterschied in der Rezeption, ob man sich als Historiker mit Studien über die Merowinger oder über die Französische Revolution befaßt – oder mit dem Holocaust“ (Zuckermann 1998b:19). Wie stark die Bedingungen von Sinngebung, Parteilichkeit und Identitätsstiftung auf die Geschichtsschreibung wirken, hängt also stark mit dem Stellenwert zusammen, den das vom Historiker bearbeitete Thema im kulturellen Gedächtnis des Kollektivs einnimmt. Die nüchterne Wahrnehmung eines Ereignisses ist demnach nicht schon allein dadurch gesichert, dass es nicht mehr ist, denn „gerade das sich allmählich entfernende, gleichwohl immer noch ‚nachgelebte’, also letztlich nicht ‚überwundene’ Geschichtsereignis mag sich als eine gewaltige Projektionsfläche für die sein Andenken wahrenden Individuen, Teilgruppen oder Gesamtkollektive entpuppen“ (Zuckermann 1998b:19). In einer solchen Situation wird „Gegenwärtiges aufs Vergangene übertragen“ (Zuckermann 1998b:19) wird anachronistisch und potentiell ideologisch, es findet eine „Verzahnung von Geschichte und ideologischer Rezeption der Vergangenheit“ (Zuckermann 1998b:20) statt.

Historische Fakten treffen immer auf die verschiedensten Bedürfnisse in der Gegenwart. Sie werden – auch im geschichtswissenschaftlichen Diskurs – verschieden interpretiert und gedeutet bzw. unter Umständen auch missdeutet und manchmal sogar vorsätzlich verfälscht. Das kollektive Gedächtnis nimmt Einfluss auf die Geschichtsschreibung, v.a. im offiziellen Bereich der Erziehung, Bildung, Erinnerungspolitik (Joggerst 2002:30). Unter solchen Bedingungen kommt es nicht selten zur Bildung eines geschichtlichen Kanons23. Dieser wird, vor dem Hintergrund der Bedürfnisse des kollektiven Gedächtnisses, aus den den hegemonialen geschichtlichen Diskurs stützenden historischen Arbeiten gebildet (J. Assmann 2000:120ff.). Damit möchte ich nicht in Frage stellen, dass es eine um Objektivität bemühte und kritische Geschichtswissenschaft gibt, die immer wieder Material zutage fördert, was die verschiedenen hegemonialen geschichtlichen Diskurse hinterfragt und unterminiert. Dennoch denke ich, dass es wichtig ist darauf hinzuweisen, dass es auch in den modernen westlichen demokratischen Gesellschaften geschichtswissenschaftliche Forschung gibt, die sich der Verifizierung bereits im kollektiven Gedächtnis verankerter fundierender Erinnerungen verschrieben hat oder das historische Studien z.B. von der politischen Elite instrumentalisiert und in fundierende Erinnerungen/ Mythen umgewandelt werden können. J. Assmann bezeichnet diese Art der Geschichtsschreibung als „fundierende Geschichte“24 (J. Assmann 2000:75). Die Existenz einer, wie J. Assmann sie nennt, „antiseptischen“ (J. Assmann 2000:75), von Wertorientierungen vollkommen freien Geschichtswissenschaft, ist einfach unmöglich. Man darf nicht vergessen, dass Geschichte immer eine Kombination aus Ereignissen und deren Repräsentation ist, so sollte „Geschichtswissenschaft zur Untersuchung dessen [werden], was geschehen ist und wie es an uns weitergegeben wird “ (Young 2001:60).

2.4. Darstellbarkeit der Shoah – Nachdenken über eine andere Art der Geschichtsschreibung

„Es ist vor allem die Unfassbarkeit des weltgeschichtlichen Ereignisses, seine monströsen Ausmaße, die ihm eigene zeitliche Dichte und spezifische verbrecherische Intensität, die jeden Versuch, dieser sich durch die Repräsentation zu bemächtigen, als unzulänglich erscheinen lassen“ (Zuckermann 2002:1).

Im Zusammenhang mit der historisch-wissenschaftlichen Forschung über die Shaoh kommt es immer wieder zu wissenschaftsinternen, aber auch öffentlich Debatten um eine adäquate, richtige, wahrhaftige Darstellung.25 Das Kriterium der Angemessenheit nimmt hier eine zentrale Stellung ein. Zuckermann weist jedoch darauf hin, dass diese Problematik eigentlich bei jeder Art der Repräsentation der Vergangenheit eine Rolle spielt, da nichts Vergangenes angemessen, d.h. vollkommen wahrheitsgetreu, in seiner ganzen Wirklichkeit, im Nachhinein repräsentiert werden kann.

„Jeder späteren Nachzeichnung von Geschehen, und sei es der trivialer Alltagsbegebenheiten, eignet ein notwendiges Moment der Verzeichnung an, mithin ein den Anspruch auf Wahrheit und Wahrhaftigkeit stets konterkarierendes Element der Entstellung. Das hat nicht unbedingt etwas mit Ideologie zu tun, sondern rührt vielmehr von der immanenten Beschränktheit jeglichen darstellenden Nacherlebens her, welches ja immer auf die Mittel der Selektion, der Reduktion und der Kodierung angewiesen ist“ (Zuckermann 2002:1).

Über das Postulat der Undarstellbarkeit der Shoah schleicht sich etwas ersatzreligiöses in die Diskussion ein, das Zuckermann mit dem jüdischen Bilderverbot vergleicht, was dann genau wie eine offensichtliche Instrumentalisierung der Shoah zu eine Ideologisierung führt (Zuckermann 2002:2).

Der Historiker Saul Friedländer geht zwar davon aus, dass es in der Shoah-Darstellung etwas Undarstellbares gibt, will dieses Undarstellbare jedoch nicht zum Fetisch erheben. Mit seinem Mahnen an die Einzigartigkeit und ultimative Unerklärbarkeit dieser Ereignisse möchte er niemanden von einer Beschäftigung mit diesem Thema abhalten, nur „dem Drang zur abschließenden Deutung entgegenwirken“ (Friedländer zitiert nach Aschheim 2002:38) und allen Lehren, die vermeintlich aus der Shoah gezogen werden können. Somit richtet sich sein Bemühen gerade gegen jede Art der Ideologisierung (Aschheim 2002:41).26 Er plädiert für eine neue Art der Geschichtsschreibung über die Shoah, deren einer zentraler Bestandteil die Erinnerungen von Überlebenden sein soll. Friedländer fordert das Aufbrechen der lange akzeptierten Paradigmen der Unzulässigkeit der persönlichen Stimme des Historikers und der Unzuverlässigkeit und damit Unbrauchbarkeit von Zeugenaussagen für den Historiker (Friedländer nach Young 2001:52). In diesem Zusammenhang entwickelt er das Konzept der „tiefen Erinnerung“. „Gewöhnliche Erinnerungen“ haben eine Tendenz zur Kohärenz, Schlüssigkeit und suchen nach der Entwicklung einer versöhnlichen Haltung. „Tiefe Erinnerungen“ hingegen sind unaussprechbar, undarstellbar. Sie stellen ein unbewältigtes Trauma dar, welches sich jeder dauerhaften Sinngebung entzieht (Friedländer nach Young 2001:44). Die Herausforderung einer Geschichtsschreibung über die Shoah ist es, eine Verbindung von geschichtswissenschaftlicher Analyse (d.h. den historischen Bedingungen für die Shoah) und „tiefer Erinnerung“ der Überlebenden zu schaffen, sich jedoch dabei der Tatsache immer bewusst zu sein, dass die Kluft zwischen beiden niemals überbrückt werden kann (Friedländer nach Young 2001:45). Über die Einbindung der traumatischen Erinnerungen der Überlebenden in die Geschichtsschreibung soll ihr – der Geschichtsschreibung – ein Charakteristika dieser Erinnerungen mit eingeschrieben werden, nämlich das der Unmöglichkeit einer Sinngebung. Die Zeugenaussagen machen die Einebnung von in der Geschichte liegenden Kontingenzen und Uneindeutigkeiten unmöglich. Eine so konzipierte Geschichtsschreibung entzieht sich, so Friedländer, der Möglichkeit einer Ideologisierung, da man aus ihr keine eindeutigen Schlussfolgerungen aus der Geschichte ziehen kann (Friedländer nach Young 2001:48f.). Der Historiker, der sich mit der Shoah befasst, trägt Sorge für einen Sinn, den es nicht gibt (Young 2001:49).

Friedländer plädiert nicht nur für eine Geschichtswissenschaft, die Zeugenaussagen als zentralen Bestandteil ihrer Forschung ansieht, sondern geht noch einen Schritt weiter und fordert das Einfügen persönlicher, selbstreflexiver Kommentare des Historikers.

„Anders als Historiker, die durch ihre eigene Geschichte beunruhigt sind und befürchten, daß jegliche subjektive Äußerung den Eindruck unterminiert, in ihnen spreche eine unparteiische Autorität, zielt Friedländer darauf ab, genau die Parteilichkeit hervorzuheben, denn nur auf diese Weise seien die Gründe offen zu legen, warum die Geschichte überhaupt geschrieben wird“ (Young 2001:51).

Und weiter heißt es bei Young:

„Statt weiterhin in Abrede zu stellen, daß der Historiker ein notwendig interessierter Erzähler von Geschehnissen ist, betrachtet Friedländer seine eigene Rolle als Teil der historischen Wirklichkeit, von der berichtet wird“ (Young 2001:53).

[...]


1 Ich habe mich in dieser Arbeit dafür entschieden den Begriff der Shoah für die Vernichtung der europäischen Juden in der Zeit des Nationalsozialismus zu verwenden. Der Begriff des Holocaust wird nur in direkten Zitaten verwendet oder bei feststehenden Begriffen wie z.B. dem der Holocaustforschung.

2 Unter: http://www.haaretz.com/hasen/spages/849669.html (letzter Zugriff: 16.05.2007) Die Rechtschreibfehler in den Stellungnahmen wurden übernommen. Zur Identifizierung des Stellungnahme wurde der Betreff angegeben.

3 Betreff: Amina’s article is an obscenity.

4 Betreff: Even freedom of speach has also limits. (Am Israel hai!, dt.: Es lebe das Volk Israel!)

5 Betreff: Do Haaretz editors even read her garbage before painting it?

6 „Das Vergessen oder die Deformierung bestimmter Erinnerungen erklärt sich aber auch aus der Tatsache, daß diese Rahmen von einem Zeitabschnitt zum anderen wechseln“ (Halbwachs 1985:368).

7 Halbwachs merkt an, dass eigentlich nur die Empfindungen wirklich individuell sind, nicht jedoch die Erinnerungen (Halbwachs 1991:26ff.).

8 Für beide Arten des kollektiven Gedächtnisses nach J. Assmann gelten jedoch die Charakteristika der Halbwachs’schen Erinnerungsfiguren – sie sind raum-zeit-konkret, identitätskonkret und rekonstruktiv.

9 J. Assmann weist darauf hin, dass auch etwa 40 Jahre nach dem Holocaust die Überlebenden zunehmend ihre Geschichten erzählen und weitergeben wollen und Archive diese Aufzeichnungen sammeln (J. Assmann 2000:51).

10 Der Mythos im klassischen religionswissenschaftlichen Zusammenhang bezeichnet eine traditionelle Erzählform mit sakral-weltanschaulichem Gehalt. Die in ihm geschilderten Ereignisse liegen in einer vorgeschichtlichen Zeit. Sie entstammen dem Bedürfnis des Menschen nach dem Wissen über seine Ursprünge und erklären sie. Im 19. Jahrhundert wurde der Mythosbegriff von den neu entstehenden Sozialwissenschaften sowie der Geschichte und der Philosophie aufgegriffen und sein Bedeutungsrahmen erweitert. Der Mythosbegriff wird im Zusammenhang mit der Bildung von Gruppenidentitäten bis hin zur Nation (mit verschiedenen Nuancen und Schwerpunkten) so definiert, wie auch Assmann ihn erklärt.

11 Spielen die Mythen einer Gruppe in der historischen Vergangenheit, ist das Selbstbild dieser Gruppe von ihrem geschichtlichen Werden und der Sinngebung durch die Geschichte geprägt (J. Assmann 2000:78).

12 Zerubavel unterscheidet hier noch einmal zwischen Mythos und kollektiver Erinnerung, der Mythos ist die stärkere bzw. normativ gesteigerte Form der kollektiven Erinnerung. So entsteht eine Wechselwirkung zwischen dem Mythos und dem Kollektiv. Eine kollektive Erinnerung wird zum Mythos auf Grund bestimmter Bedürfnisse/ Einstellungen in der Gegenwart, ist er erst mal einer, kann er aber auch Bedürfnisse/ Handlungen/ Einstellungen in einer neuen Gegenwart formen (Zerubavel 1995:9).

Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich in diesem Zusammenhang vom hegemonialen (kulturellen) Narrativ oder fundierenden bzw. normativen Erinnerungen sprechen oder allgemein vom kollektiven Gedächtnis.

13 „Das kollektive Gedächtnis ist immer ein politisch instrumentalisiertes Gedächtnis“ (A. Assmann/ Frevert 1999:42). Zuckermann erklärt in einem Interview aus dem Jahre 2000, dass das kollektive Gedächtnis vor dem Hintergrund einer Ideologie (hier dem Zionismus) politisch instrumentalisiert wird (Zuckermann 2000:112f.).

14 Meist sind es die politischen und gesellschaftlichen Eliten, die von diesem Narrativ profitieren, aber durchaus auch andere.

15 J. Assmann bezeichnet diese Funktion der fundierenden Erinnerung als „motivationsorientierte Wertperspektive“ (J. Assmann 2001:126, vgl. auch Huber 1990:58ff., A. und J. Assmann 1990:8, 26).

16 Eine monolithische Identität ist eine einheitliche geschlossene Identität, die keine inneren Widersprüche und Gegensätze zulässt (Bar-On 2001:17).

17 Für die israelische Gesellschaft war diese monolithische Großidentität lange Zeit die aschkenasisch-europäische, ihr gegenüber standen z.B. die sephardisch-orientalische oder sich neu bildende Identitäten wie z.B. die feministische, post-zionistische oder homosexuelle.

18 Vergleiche einleitend in dieses Thema den Aufsatz von Ute Klein 1999: Zum Verhältnis von Nationalität, Ethnizithät, Religion und Geschlecht: Spaltungen in der israelischen Gesellschaft, in: Schmidt, Renate (Hrsg.) 1999: Naher Osten. Politik und Gesellschaft, Potsdamer Textbücher 3, Berlin, S.109-134. (Vgl. auch Bar-On 2001:70-78, 205ff., Ravitzky 1999:148, Diner 1999:173-189).

19 Diese Erkenntnis gewinnen Horkheimer und Adorno zwar in dem Antisemitismuskapitel der „Dialektik der Aufklärung“, welches versucht den Antisemitismus und seine Dynamiken zu erklären, jedoch gelangen sie zu einer allgemeineren Schlussfolgerung, wenn sie schreiben: „[Es] kann jedes von ihnen [der Opfer] anstelle der Mörder treten, in derselben blinden Lust des Totschlagens, sobald es als die Norm sich mächtig fühlt“ (Horkheimer/ Adorno 2003:180).

20 „Im Zustand ihrer limitischen Aufrüstung ändert Kultur ihren Aggregatzustand; sie wird zur Religion. Das religiöse Element distinktiv gesteigerter Identitäten liegt in dem Ausschließlichkeitsanspruch, mit dem dieses Wir-Bewußtsein durchgesetzt wird: Es will alle erfassen, und jeden Einzelnen ganz . Alle sonstigen Unterschiede verblassen vor der einen , entscheidenden Distinktion“ (J. Asssmann 2000:157).

21 Gewaltpotential und Opferbereitschaft werden in einem Konflikt exponential gesteigert, wenn man diesen Konflikt auf die Ebene letzter Wahrheiten schiebt, denn über diese kann man nicht mehr verhandeln, sondern man muss sie verteidigen (A. u. J. Assmann 1990:26).

22 „Was als Fremdes abstößt, ist nur allzu bekannt“ (Horkheimer/ Adorno 2003:191).

23 Ein Kanon, egal ob eine religiöser, ein literarischer oder ein geschichtlicher, schafft zunächst einmal eine Grenze. Durch diese Technik werden Alternativen ausgegrenzt und das Ausgewählte eingezäunt (J. Assmann 2000:121). Auch wenn politische bzw. ideologische Kanons sehr viel vergänglicher sind als religiöse, können sie in ihrer Blütezeit dennoch eine nahezu sakrale Autorität haben, was im Extremfall bedeutet, dass jemand, der diesen Kanon anzweifelt, wie die Häretiker des Mittelalters, dafür mit seinem Leben bezahlen muss.

24 Ein Beispiel, dass Assmann für solch eine fundierende Geschichte gibt, ist der Umgang mit dem Ort Massada und seiner Geschichte, die archäologisch erforscht sind und in der israelischen Gegenwart zu einem Nationalmythos geworden sind. Massada war eine Festung am Toten Meer, die 70 CE von den Römern eingenommen wurde, jedoch hatten alle, die sich dort verschanzt hatten den Freitod gewählt, um nicht in römische Gefangenschaft zu geraten. „Seit dem Zweiten Weltkrieg“, so schreibt Moshe Zimmermann, „ist der Satz ‚Massada darf nie wieder fallen’ zum zionistischen Slogan geworden“ (Zimmermann 2004:82). Hier erfolgt bis heute die Vereidigung junger israelischer Soldaten auf ein Märtyrertum, welches dieser Ort und seine Geschichte symbolisieren.

25 „Zu einem Zeitpunkt, wo die historischen Daten im Wesentlichen bekannt sind, wird die Frage nach der Konstruktion von Geschichte und Erinnerung zentral“ (Düwell/ Schmidt 2002:7).

26 Friedländer war und ist ein sehr aufmerksamer Beobachter und scharfer Analyst der verschiedenen Holocaustnarrative und ihrer z.T. ideologischen und manipulativen Funktion v.a. in Israel und in Deutschland (Aschheim 2001:17, 23, 34, 35, Friedländer 1988.).

Ende der Leseprobe aus 115 Seiten

Details

Titel
Holocaust-Erinnerung und israelisch-arabischer Konflikt
Untertitel
Wechselwirkungen in der israelischen Öffentlichkeit 2000 - 2006
Hochschule
Universität Potsdam
Note
1,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
115
Katalognummer
V125630
ISBN (eBook)
9783640309474
ISBN (Buch)
9783640310319
Dateigröße
960 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Holocaust-Erinnerung, Konflikt
Arbeit zitieren
Dipl.-Pol. Bettina Sommer (Autor:in), 2007, Holocaust-Erinnerung und israelisch-arabischer Konflikt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125630

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