Die historische Entwicklung des organisierten Bestattungswesens

Von den Begräbnisbruderschaften zum Dienstleistungsbetrieb


Seminararbeit, 2007

28 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Anfänge organisierter Bestattung

3. Gründe für organisierte Bestattung und Einflussfaktoren auf deren Ablauf
3.1. Bestattung und das Christentums
3.2. Bestattung und hygienische Probleme
3.3. Bestattung und die Josephinische Reform
3.4. Bestattung und Medizin

4. Trauerkultur im Wandel der Zeit
4.1. Der Friedhof als Ort der Trauer
4.2. Die Feuerbestattung
4.3. Aufbahrungshallen und Einbalsamierung
4.4. Trauerkultur im 19. und 20. Jahrhundert

5. Das Bestattungswesen als Dienstleistungsbetrieb
5.1. Die amerikanischen Funeral Directors
5.2. Die Geschichte der Bestattung Wien
5.3. Aktuelle Trends und Entwicklungen

6. Schlussfolgerung

7. Bibliographie

8. Anhang
8.1. Protokoll zur Exkursion Tod und Ritual
8.1.1. Einleitung
8.1.2. Mittwoch, 9. Mai 2007
8.1.3. Donnerstag, 10. Mai 2007
8.1.4. Freitag, 11. Mai 2007
8.1.5. Samstag, 12. Mai 2007
8.1.6. Resümee

1 Einleitung

Die Seminararbeit soll die historische Herausbildung des organisierten und später auch ‚kommerzialisierten’ Bestattungswesens in Mitteleuropa bzw. speziell in Österreich beginnend bei den Begräbnisbruderschaften im 16./17. Jahrhundert bis hin zu aktuellen Entwicklungen erforschen. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auf Wien gelegt. Es sollen Zusammenhänge zwischen Religion, Kultur, Psychologie (im Sinne von Umgang mit dem Tod) und auch Wirtschafts- bzw. Marktmechanismen sowohl diachron als auch synchron dargestellt werden.

„In der Gestaltung des Trauerritus erkennen wir das Zusammenfließen von Religion, Aberglaube und Ritualismus sowie den Einfluss bestimmter sozialer Gewohnheiten und Sitten. Aus diesen Gründen eignet sich der Bestattungs-Ritus als Untersuchungsfeld für interdisziplinäre Arbeit.“

„Das Bestatten der Toten war stets ein Anliegen der Gemeinschaft“ und ist daher immer schon ein gesamtgesellschaftliches Phänomen gewesen. Diese Seminararbeit versucht nun darzustellen, ab wann es in der Bevölkerung das Bedürfnis gab Begräbnisse zumindest teilweise ‚organisieren’ zu lassen und wodurch dieses Bedürfnis entstand. Damit verbunden ist klarerweise auch, welche Rolle dabei – aufgrund der lokalen Schwerpunktsetzung in diesem Fall vor allem christliche – Trauerkultur spielte. Des Weiteren ist zu hinterfragen, worin der Zusammenhang zwischen Trauerkultur, Bestattungsritualen und deren notwendig erscheinende ‚organisierte’ Durchführung liegen könnte. Zusätzlich sollen in dieser Seminararbeit die unterschiedlichen Formen ‚institutionalisierten’ Bestattungswesens, die es in den letzen Jahrhunderten gab, beschrieben werden. Dabei muss natürlich auch berücksichtigt werden, dass die finanzielle Situation des/der Verstorbenen bzw. seinen/ihren Angehörigen wesentlich zur jeweiligen Bestattungsform beitrug. Neben all diesen Punkten soll abschließend auch auf die gegenwärtige Situation eingegangen werden. In diesem Zusammenhang stellen sich die Fragen wie aktuell der Umgang mit dem Tod aussieht, welche Bedürfnisse Trauerkultur heutzutage entstehen lässt und wie das Bestattungsunternehmen als Dienstleister diese Bedürfnisse befriedigen kann.

2. Die Anfänge organisierter Bestattung

Die ersten Formen der ‚Zusammenarbeit’ der Familie des/der Verstorbenen mit einer außen stehenden Einrichtung, nämlich der Kirche, gab in Europa seit dem christlichen Mittelalter.

„Das Recht in der Kirche begraben zu werden, wies auf die privilegierte Position, auf die Macht und auf das soziale Ansehen eines Menschen, wie auf die Bedeutung seiner Verwandtschaft und seiner Klientel hin. […] Andere weniger bedeutende Gemeindemitglieder fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Kirchhof, der zu jeder Kirche gehört.

Die Rolle der Kirche beschränkte sich hierbei allerdings auf wenige Faktoren, nämlich auf die zur Verfügung Stellung des jeweiligen Bestattungsortes und auf die Abhaltung des Zeremoniells. Für „Ausstattung und die Pracht des Leichenbegängnisses“ zeigte sich die jeweilige Familie selbst verantwortlich.

Schon ab dem 14. Jahrhundert setzte langsam ein Umdenken innerhalb der Bevölkerung ein den Tod schon zu Lebzeiten zu bedenken, was einerseits den Wert des Lebens an sich betonte und andererseits teilweise Personen bereits zu Lebzeiten Vorkehrungen für ihre Bestattung treffen ließ. Erwähnenswert scheint in diesem Zusammenhang auch, dass dies in den nächsten Jahrhunderten vor allem auch ein Anliegen der Mächtigen war. „Noch im Tod war es die Aufgabe des Herrschers zu repräsentieren und Tradition sowie Kontinuität des Machtanspruches zu demonstrieren.“ So wurde beispielsweise von den Habsburgern das Grab als Darlegung ihres Machtanspruches und dessen Kontinuität gesehen.

In Hinblick auf das Seminararbeitsthema bleibt nichtsdestotrotz generell anzumerken, dass vor allem die Beisetzung – bzw. Verweigerung eben dieser – von ‚unehrenhaften’ Personen wie Verbrechern oder Selbstmördern schon damals Sache des Gemeinwesens war. Geschah dies im 16. Jahrhundert noch durch stillschweigende Absprachen in der lokalen Gemeinschaft mit der Kirche, trugen dafür ab dem 17. Jahrhundert auch zunehmend die Regierungen der Städte Sorge.

Ein weiterer wichtiger Grund für das zunehmende Entstehen organisierter Zusammenschlüsse, die sich um Bestattung kümmerten, war die Angst vor Armenbegräbnissen und der damit einhergehenden sozialen Herabwürdigung. Solche Begräbnisse wurden von Staat, Kirche oder Armenanstalten organisiert und waren an sich nicht unehrenhaft. Trotzdem war ein weit verbreiteter Aberglaube, dass Verstorbene, die ein Armenbegräbnis erhielten, nicht zur Ruhe kommen und wiederkehren würden. Deswegen schlossen sich schon im 16. Jahrhundert die Mitglieder der Bruderschaften und Zünfte zusammen und zahlten in eigene Sterbekassen ein, um für sich selbst eine anständige Bestattung sicher zu stellen. Darüber hinaus entstanden auch private Sterbekassen, an die – trotz eines gewissen Betrugsrisikos – von Arbeitern und Taglöhnern ohne Zunftzugehörigkeit Beträge entrichtet werden konnten. Im frühen 17. Jahrhundert entstanden die ersten Armenhäuser, die für die Bestattung ihrer Bewohner Sorge trugen und auch über eigene Friedhöfe verfügten.

3. Gründe für organisierte Bestattung und Einflussfaktoren auf deren Ablauf

3.1. Bestattung und das Christentums

Schon ab zirka 500 nach Christus änderte sich durch die Verbreitung des Christentums auch die Einstellung zur Beisetzung Verstorbener. Die Begräbnisstätten befanden sich meist in der Nähe der Kirchen und befanden sich damit auch in den Zentren der Siedlungsgebiete. In den nächsten Jahrhunderten bis weit ins 18. Jahrhundert hinein befand sich also die Bevölkerung in unmittelbarer Nähe zu den Bestatteten. So gab es bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts in Wien die Möglichkeiten, sich in einer Kirche, einer Kirchengruft oder auf einem Friedhof beerdigen zu lassen. „Arme und Mittellose wurden in Gemeinschaftsgräbern beerdigt und vielfach […] nur in leinene Säcke eingenäht.“ Die Bestattung in einer Kirche oder einer Kirchengruft hingegen konnten nur erkauft werden. Für die Pfarren und die daran angeschlossenen Begräbnisbruderschaften stellten diese Verkäufe von Gräbern sogar sehr bedeutende Einnahmequellen dar. Die jeweiligen Pfarren hoben eine Stolgebühr ein, die für Begräbnisfeiern an die Geistlichen entrichtet werden musste. So entwickelte sich aus dem Bedürfnis der großteils gläubigen Bevölkerung an ehrvollen und heiligen Plätzen bestattet zu werden ein lukratives Geschäft.

3.2. Bestattung und hygienische Probleme

Ein anderer Grund, der die Bevölkerung zu verstärkter Organisation des Bestattungswesens zwang, waren hygienische und demzufolge gesundheitliche Probleme. Um Krankheitsepidemien zu verhindern, wurde in einigen Städten schon während der Reformationszeit damit begonnen, Friedhöfe weit außerhalb des jeweiligen Stadtmittelpunkts anzulegen. Außerdem nannten Gelehrte zunehmend auch den in der Luft liegenden Leichengeruch problematisch. Darüber hinaus entstand im 18. Jahrhundert das Verwaltungsorgan der so genannten Armenordnungen, die versuchten, bei den Kosten für Bestattungssitten einzusparen und Armenbegräbnisse dementsprechend gering zu halten. Auch andere Instanzen, wie beispielsweise Fürsten und Räte, „erließen Mandate zur Einschränkung übermäßiger Trauerfeierlichkeiten“.

[Auch wenn] im Mai 1732 Karl VI die Schließung des Friedhofes bei St. Stephan [befiehlt, und] obwohl die Sperrung der Grüfte und die Verlegung der Friedhöfe von den landesfürstlichen Verwaltungsbehörden seit etwa 1730 immer wieder in Erwägung gezogen wurden, sollte es ein halbes Jahrhundert dauern, bis die Toten endgültig aus der Stadt verbannt waren.

Gründe dafür waren unter anderem die Befürchtung, die Pfarren um ihre Einnahmen zu bringen, die Unklarheit über die Bezahlung der Errichtung neuer Vorstadtfriedhöfe und das Problem des weiten Leichentransportes.

3.3. Bestattung und die Josephinische Reform

Erst unter Joseph II sollte sich diese Situation mit der von ihm erlassenen Bestattungsverordnung grundlegend ändern. Der Kaiser beauftrage seine Hofkanzlei damit, ihm Pläne für die Verlegung der Friedhöfe nach außerhalb der Linienwälle vorzulegen. Schließlich stimmte Joseph II im Jahre 1781 dem Vorschlag zu, niemand mehr innerhalb der Wiener Stadtmauern zu beerdigen und fünf Friedhöfe außerhalb errichten zu lassen. Dafür wurden Grundstücke in der Brigittenau, vor der St. Marxer, der Matzleinsdorfer, der Hundsturmer und der Währinger Linie ausgewählt. Die Neugestaltung der finanziellen Rahmenbedingungen gestaltete sich etwas problematischer. Die Frage stellte sich, ob die einzelnen in Niederösterreich liegenden Gemeinden oder doch die Bruderschaften der einzelnen Pfarren die Kosten für den Friedhofsbau tragen sollten.

Am 25. Jänner 1782 wurde für Wien und den umliegenden Gebieten eine so genannte Stolordnung erlassen, die in erster Linie die Begräbniskosten regeln sollte. Gründe für so eine Regelung waren einerseits, dass die Behörden ihre legislatorischen Ansprüche auf diese Einnahmen geltend machen wollten. Davor richteten sich diese Kosten hauptsächlich nach dem Umfang und Ausmaß der vom/von der Verstorbenen testamentarisch festgelegten Gestaltung der Trauerfeier. Andererseits war in der Zeit Josephs II ein generell kritisches Klima gegenüber den geistlichen Instanzen und dem Katechismus auszumachen und insbesondere „das Jenseits sollte hinfort nichts mehr mit Geld und Kapitalien zu tun haben“ . Der Publizist Friedrich Schilling äußerte sich beispielsweise 1781 in seiner Broschüre ‚Ueber die Begräbniße in Wien’ kritisch über das Ausmaß der Einnahmen der geistlichen Bruderschaften, die verschiedene und verhältnismäßig hohe Beiträge kassierten. Generell war es für die niederösterreichische Regierung auch sehr schwierig, die exakte Anzahl der Bruderschaften und deren Vermögensverhältnisse zu ermitteln, es war jedoch anzunehmen, dass diese noch höher als die bereits ansehnlichen, von den Bruderschaften selbst angegebenen Summen waren. Die Bruderschaften wurden in der Folge im Rahmen der Reformen in dieser Zeit im Jahr 1783 aufgehoben. Die Geistlichkeit selbst zeigte sich über diese Entwicklungen nicht erfreut.

Es ist durchaus möglich, dass der konservative Klerus mit seiner Apologie des alten Begräbniszeremoniells versuchte, die letzen Bastionen zu verteidigen, die ihm im Kampf gegen eine fortschreitende Säkularisierung der städtischen Gesellschaft noch geblieben waren.

Darüber hinaus kamen Fragen nach der Gestaltung der Friedhöfe und der Beerdigungsart auf. Als Joseph II so genannte Sackbegräbnisse vorschlug, gab es von Seiten des Hofrats den Einwand, dass sich die wohlhabende Bevölkerung damit nicht zufrieden geben würde. Auch von Gemeinschaftssärgen wurde aus gesundheitlichen Gründen abgeraten. Nichtsdestotrotz setzte sich der Kaiser durch und erließ die neuen Verordnungen – unter anderem auch das Sackbegräbnis – im August 1784 in den österreichischen Erbländern. Da dies allerdings zu Unmut innerhalb der Bevölkerung führte, widerrief Joseph II 1785 diesen Punkt seiner Reform und stellte die Begräbnisart jedem Bürger frei. Davon abgesehen wurden auch die Trauerfeierlichkeiten stark eingeschränkt und die neuen Friedhöfe Wiens waren ausschließlich Orte, an denen die Verstorbenen beigesetzt wurden.

[...]

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Details

Titel
Die historische Entwicklung des organisierten Bestattungswesens
Untertitel
Von den Begräbnisbruderschaften zum Dienstleistungsbetrieb
Hochschule
Universität Wien
Veranstaltung
Wien-Exkursion: Tod und Ritual
Note
1
Autor
Jahr
2007
Seiten
28
Katalognummer
V125586
ISBN (eBook)
9783640309405
Dateigröße
411 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklung, Bestattungswesens, Wien-Exkursion, Ritual
Arbeit zitieren
Mag. Andreas Raab (Autor:in), 2007, Die historische Entwicklung des organisierten Bestattungswesens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125586

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