Reisen über die Alpenpässe im Mittelalter


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Alpenpässe
2.1. Der Brenner
2.2. Der Große St. Bernhard
2.3. Der Mont Cénis
2.4. Der St. Gotthard

3. Reisen über die Alpen
3.1. Reisende
3.1.1. Kaiser / Könige
3.1.2. Geistliche / Pilger
3.1.3. Kaufleute
3.2. Reiseumstände
3.3. Gastung im Alpenraum
3.3.1. Hospize
3.3.2. Gasthäuser / Tavernen

4. Schluss

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Die Alpen als geographische Barriere stellten im Mittelalter große Anforderungen an Reisende aller Art. Die südalpine Lage Roms als Zentrum der Christenheit machten es dennoch immer wieder notwendig, die Alpen gen Süden zu überqueren. Der Weg war beschwerlich, doch war es trotz aller Gefahren einfacher über das Hochgebirge zu ziehen, als den langen und ebenso gefährlichen Seewege nach Italien einzuschlagen. So wurden die seit römischer Zeit bekannten Alpenpässe genutzt und auch neue Wege über die Alpen geöffnet.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Geschichte der Alpenpässe im Mittelalter und ihre Bedeutung für das Reisen zu erarbeiten. Dabei werde ich im ersten Teil der Arbeit auf die geographische Lage ausgewählter Pässe eingehen und dabei die historische Entwicklung ihrer Nutzung betrachten. Die Eigenheiten der einzelnen Pässe prägten, wie wir sehen werden, auch ihren Gebrauch während des Mittelalters. Wenngleich es zahlreiche Wege über die Alpen gab, kristallisierte sich im Laufe der Zeit eine geringe Zahl an Pässen heraus, über welche das Gros der Reisen erfolgte.

Der zweite Teil der Arbeit wird sich mit kulturgeschichtlichen Aspekten der Alpenüberquerungen beschäftigen. Als Erstes werde ich dabei die unterschiedlichen Motivationen für Alpenübergänge herausstellen. Dazu habe ich drei große Gruppen von Reisenden eingeteilt. Aufgrund der Tatsache, dass der mittelalterliche Reisende nicht auf die modernen Transportmittel – oft auf überhaupt keine – zurückgreifen konnte, unterschieden sich Warentransporte von Kaufleuten von den Heerzügen der Kaiser, welche wiederum bequemer und sicherer reisen konnten als Pilger. Um diese Unterschiede zu illustrieren, werde ich detaillierter auf die einzelnen Gruppen Reisender eingehen. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Umstände einer Reise über das Gebirge. Bereits im Flachland war das mittelalterliche Reisen ungleich entbehrungsreicher als heutzutage und bei Alpenüberquerungen gerieten Reisende an ihre Grenzen. Welchen Gefahren sie ausgesetzt waren und was zur Erleichterung der strapaziösen Übergänge getan wurde, wird im letzten Abschnitt behandelt.

2. Die Alpenpässe

Das Alpenmassiv trennt mit seiner West-Ost Ausdehnung von 1200 km und einer Breite von 150- 250 km die Apenninen-Halbinsel vom restlichen Kontinentaleuropa. Die einzelnen Täler und Becken der Alpen werden durch Pässe, örtlich auch Joch oder Höhe genannt, verbunden.

Als Pass bezeichnet man eine von der Natur vorgezeichnete beschreitbare oder befahrbare, meist schmale Einsattelung an einer Wasserscheide, vor allem im Hochgebirge.[1] Ihre Namen erhielten Pässe zumeist von den Bergen, über die sie führten oder von den Tälern, in denen die zuführenden Passstraßen beginnen.[2] Bereits in römischer Zeit waren, unter anderem mit dem Brenner und dem Großen St. Bernhard, Wege über die Alpen bekannt und für Heerzüge und Handel genutzt.

Mit der Expansion des fränkischen Reichs wurden alte römische Pässe für den Verkehr wiederentdeckt und spätestens seit der Ottonenzeit und der damit einhergehenden regelmäßigen Überquerung der Alpen durch Heerzüge gen Süden hatten die Alpenpässe ihre Bedeutung als Nord- Süd Verbindung zurückerlangt.

Die mehr als hundert Alpenpässe[3] besaßen natürlich nicht alle gleiche Bedeutung für den Verkehr über die Alpen und auch während des Mittelalters kam es, wie davor und danach, zu Verschiebungen innerhalb der Benutzungsfrequenzen der Pässe.

Die Frequentierung der einzelnen Übergänge hing neben ihrer Gangbarkeit oft von politischen und wirtschaftlichen Faktoren ab. Der direkte Weg über die Alpen war nicht immer der einfachste, was erklärt, warum zum Beispiel der weiter südlich liegende Mont Cénis oft dem Großen St. Bernhard vorgezogen wurde.[4] Weiterhin erkannte man schon früh, dass die Kontrolle von strategischen Alpenpässen für die Herrschaftssicherung und -ausübung von hoher Bedeutung ist und so versuchte man durch Feldzüge sein Einflußgebiet auf wichtige Pässe auszudehnen. Die Herrschaft über die Pässe stärkte die lokalen Fürsten- und Königtümer, was sogenannte Passstaaten entstehen ließ. Beispielsweise kontrollierten die Savoyer vom 11. - 13. Jahrhundert den Mont Cénis und Großen St. Bernhard; rund um den St. Gotthard und die Bündner Pässe gründete sich später die schweizer Eidgenossenschaft.[5]

Im Folgenden werden exemplarisch vier Alpenpässe behandelt. Dabei werde ich diese geographisch einordnen und somit die Grundlage für das folgende Kapitel legen, in dem die Bedingungen auf den Pässen behandelt werden.

Bei den ausgewählten Pässen handelt es sich um den Brenner in den Ostalpen, den Großen St. Bernhard in den Westalpen, den Mont Cénis in den französischen Seealpen und den St. Gotthard in den Zentralalpen.

Weiterhin gab es eine Reihe weiterer bedeutender Pässe, besonders den sogenannten »Bündner Pässen«[6] kamen ebenso ein hoher Stellenwert zu. Vor der Gangbarmachung des St. Gotthard waren diese die meist begangensten Wege über die Zentralalpen. Weiterhin waren in den Westalpen der Mont Genèvre sowie der Kleine St. Bernhard, in den Ostalpen der Fernpass und der Reschen- Scheideck von überregionaler Bedeutung.[7]

2.1. Der Brenner

Von Innsbruck aus kommend, erreicht man den höchsten Punkt des Brenners (1370m) relativ schnell, wobei die Durchquerung des Silltales lange Zeit eine schwierige Passage darstellte. Hat man die Brennerhöhe überschritten, gelangt man über Brixen nach Klausen. Der Weg von dort nach Bozen war lange Zeit eine weitere schwer gangbare Stelle, da es die enge Eisackschlucht erforderlich machte, den Weg über den Hohen Ritten zu wählen. Erst mit der Errichtung des Kunterswegs wurde der Weg einfacher. Von Bozen gelangte man durch das Etschtal über Trient an das letzte Hindernis, die Veroneser Klause.[8] Hier verengt sich das Etschtal, so dass nur ein schmaler Pfad vorhanden war. Hatte man die Veroneser Klause passiert, gelangte man nach Verona, von wo man entweder weiter nach Süden oder nach Osten über Vicenza nach Venedig reisen konnte.

Die Bezeichnung des Brenners variierte über das Mittelalter. Während in der Antike der Weg über den Brenner als per Alpes Noricas[9] bezeichnet wurde, findet sich seit 896 die Bezeichnung per vallem Tridentinam.[10] Die entgültige Bezeichnung als Brenner findet sich erst gegen Ende des Mittelalters, vermutlich abgeleitet vom Volksstamm der Breonen, welche im Brennergebiet seit dem 9. Jahrhundert ansässig waren und deren Volksbezeichnung in eine Lokalbezeichnung überging.[11]

Die Bedeutung des Brenners für den Verkehr zwischen Deutschland und Italien kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Durch seine geringe Höhe war er fast ganzjährig passierbar[12] und durch die örtliche Nähe zum Fernpass und Reschen-Scheideck, war er auch leicht umgehbar, sollte es zu einer Sperrung kommen.[13] Welche Bedeutung der Brenner hatte, wird klar, wenn man die Anzahl der Alpenpassagen über den Brenner betrachtet: In der Zeit Ottos I. bis zum Interregnum überschritten deutsche Kaiser und Könige allein neunundvierzig Mal den Brenner von oder nach Italien. Das ist immerhin mehr als ein Drittel aller in dieser Zeit getätigten Alpenüberschreitungen deutscher Herrscher.[14] Aus diesem Grund wurde der Brennerweg als Königststraße auch direkt dem Kaiser unterstellt.[15]

Einen bedeutender Schritt für den Ausbau des Brennerweges stellte die Errichtung des Kuntersweges im Jahr 1314 dar. Der Graf von Tirol, Heinrich, erteilte dem Bozener Bürger Heinrich Kunter das Privileg, einen Weg durch die Eisackschlucht zwischen Bozen und Klausen zu errichten. Somit konnte man von nun an den beschwerlichen Weg über den Hohen Ritten umgehen.[16] Natürlich wurde dieser Weg, obwohl sehr schlecht ausgebaut, auch mit einem Zoll für Passierende belegt.

Den Höhepunkt des mittelalterlichen Ausbaus fand der Brenner, resp. Kuntersweg im Jahr 1483. Erzherzog Sigmund ließ den immer noch gefährlichen Kuntersweg durch die Eisackschlucht erweitern, indem erstmals Schwarzpulver zum Wegsprengen von Fels benutzt wurde. Der Jerusalempilger Felix Fabri berichtet davon erstaunt in seinem Pilgerbericht.[17]

2.2. Der Große St. Bernhard

Der Große St. Bernhard war als Pass schon seit vorantiker Zeit bekannt und wurde besonders von den Römern für Reisen gen Westen genutzt.[18] Zu dieser Zeit hieß der Berg und der darüberführende Pass mons Iovis (Jupiterberg), erst durch die Gründung des berühmten Hospizes (siehe Kapitel 3.3.1) wurde er nach dessen Gründer, Bernhard von Menthon, benannt.[19]

Aufgrund seiner zentralen Lage lassen sich für Reisende, die aus nordwestlicher Richtung kamen, zwei Hauptzugangswege festmachen:[20] Reisende aus nördlicher Richtung kamen über Basel; jene aus eher westlicher Richtung über Besançon. Beide Wege verbanden sich am Genfer See in Lausanne und von dort aus ging der Weg über einen verhältnismäßig flachen Anstieg auf die Passhöhe in 2140m Höhe. Bis Bourg St. Pierre auf 1633m Höhe bestand sogar noch ein Fahrweg.[21] Nach Erreichen der Passhöhe ging es steil bergab über das Dorf St. Rhemy, das in einem schluchtenähnlichem Tal eingezwängt ist,[22] hin zum weitläufigen Aosta-Tal. Dort verband sich die Straße mit dem vom westlich gelegenen Kleinen St. Bernhard kommenden Weg. Weiter nach Osten über Ivrea gelangte man schließlich nach Mailand.

2.3. Der Mont Cénis

Der Mont Cénis ist der südlichste der großen Alpenpässe. In römischer Zeit noch unbekannt, erlangte er an Bedeutung, als die Benutzung des Kleinen St. Bernhard im Mittelalter immer weiter zurückging.[23]

Durch seine Lage stellte er die ideale Verbindung zwischen Oberitalien und dem französischen Kernland dar. Der von Lyon kommende Reisende gelangte über Chambery und Lanslebourg auf den in 2089 m Höhe gelegenen Pass. Von dort begann der Abstieg in das Tal nach Susa, wo der Weg nach Turin in die Po-Ebene führt.

Im Frühmittelalter war die Benutzung des Mont Cénis zeitweilig durch eine besondere Bedrohung gekennzeichnet: Ab 887 besetzten die Sarazenen / Mauren die französischen Seealpen, um von dort aus Raubzüge nach Frankreich und Italien zu unternehmen.[24] Klöster und Dörfer fielen ihnen zum Opfer und sowohl der Mont Cénis als auch der Große St. Bernhard waren zeitweilig von ihnen besetzt. Erst 973 konnte die sarazenische Hochburg Fraxinetum (heute: La Garde-Freinet) eingenommen und so die Überfälle der Sarazenen beendet werden.[25] Die Nachfahren der verbliebenen Sarazenen, die sogenannten Marrones, wurden in spätere Zeit als ortskundige Führer bei vielen Alpenübergängen geschätzt.

2.4. Der St. Gotthard

Obwohl der St. Gotthard erst im späten Hochmittelalter gangbar gemacht wurde, avancierte er schnell zu einer der bedeutensten, wenn nicht sogar zu dem bedeutensten Alpenpass des Mittelalters. Schulte schreibt, dass „[mit Ausnahme der transatlantischen Seerouten, OT] keine Entdeckung so bedeutsam geworden [ist], als die des St. Gotthardes.[26] Durch die Öffnung des Weges über den Gotthard bestand von nun an eine direkte Verbindung von Basel nach Mailand.[27]

[...]


[1] Lexikon der Geographie (1968), S. 771f.

[2] Wanka von Rodlow (1900), S. 76.

[3] Peyer (1980), Sp. 453.

[4] Tyler, (1930), S. 22. So musste der Reisende zuerst das Jura-Gebirge übersteigen, um den Zugang zum Großen St. Bernhard zu erreichen.

[5] North (2007), S. 173.

[6] So genannt nach dem schweizer Kanton Graubünden. Die wichtigsten Pässe hier waren der St. Bernhardin, Lukmanier, Splügen und Septimer.

[7] Einen detaillierte Überblickskarte über alle Pässe mit Ausnahme des Brenners bietet Schulte (1900), Bd 2, Karte 2.

[8] Wanka von Rodlow (1900), S. 87ff.

[9] Nach der römischen Provinz Noricum in den Ostalpen, östlich des Inns.

[10] “durch das Trienter Tal”, eine Bezeichnung die sehr ungenau ist, siehe Wanka von Rodlow (1900), S. 77.

[11] Ebd., S. 67.

[12] So sind gehäuft Übergänge deutscher Kaiser im Winter über diesen Pass belegt, u.a. Otto III. 997 und 1000; Konrad II. 1036; Heinrich VI. 1190/1. Vgl. Wanka von Rodlow (1900), S. 118.

[13] Tyler (1930) spricht daher auch vom Brenner-system.

[14] Oehlmann (1878/79), S. 321-323.

[15] Wanka von Rodlow (1900), S. 121.

[16] Ebd., S. 125-128.

[17] Zitiert in ebd., S. 147-149: 149 “[...] Sed nunc, ut dixi, Dux fecit arte cum igne et bombardarum pulvere dividi petras, et scopulos abradi, et saxa grandia removeri […]”

[18] Oehlmann (1878), S. 232.

[19] Schreiber (1951), S. 351.

[20] Tyler (1930), S. 51.

[21] Schulte (1900), S. 4.

[22] Dieser Umstand macht es leicht für Lawinen angreifbar, siehe zu St. Rhémy speziell Kapitel 3.2.

[23] Oehlmann (1878), S. 171 und S. 187. Die erste urkundliche Erwähnung findet sich 731. Vgl. Ebd., S. 198.

[24] Ebd., S. 206ff.

[25] Ebd.

[26] Schulte (1900), S. 2.

[27] Oehlmann (1878), S. 271. Vorher hatten Reisende über Chur kommend den Splügen oder San Bernhardin im Osten, beziehungweise über Martigny kommend den Großen St. Bernhard nutzen müssen.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Reisen über die Alpenpässe im Mittelalter
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Hauptseminar: Reisen im Mittelalter
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
20
Katalognummer
V125378
ISBN (eBook)
9783640309108
ISBN (Buch)
9783640307180
Dateigröße
652 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Reisen, Alpenpässe, Mittelalter, Hauptseminar, Reisen, Mittelalter, Alpen, Gang nach Canossa
Arbeit zitieren
Oliver Teige (Autor:in), 2009, Reisen über die Alpenpässe im Mittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125378

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