Die Waldenser. Die Reaktion der römischen Kirche auf eine neue Bewegung


Hausarbeit, 2008

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die Waldenser
a) Entstehung und Ideale
b) Heterogenität der Bewegung

III. Reaktion des 3. Laterankonzils auf die Waldenser
a) Bedeutung des Konzils
b) Umgang mit den Waldensern
c) Jurisdiktion gegenüber den Waldensern

IV. Versuche der Wiedereingliederung
a) Misslingen der ersten Eingliederungsversuche
b) Innozenz III. und die Wiedereingliederung

V. Schluss

Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis

I. Einleitung

“Lux lucet in tenebris”[1]

Das 12. Jahrhundert war geprägt vom gesellschaftlichen Wandel. Die Feudalgesellschaft wurde zunehmend von Handel und Handwerk bestimmt. Die Städte und die Wirtschaft erlebten eine Blüte und mit ihnen stieg der Reichtum des Einzelnen. Genau in dieser Umgebung, dem urbanen Milieu, entwickelten sich neue Problemfelder für die römische Kirche. Der eigene Reichtum und der Reichtum des Klerus wurden von den Menschen als Last empfunden. Es begann eine Auseinandersetzung über die richtige kirchliche Lebensführung und die Praxis der katholischen Kirche. In dieser Zeit bedienten sich beide Seiten, sowohl die Kurie als auch die Häretiker[2], der Licht-Finsternis-Metaphorik. So auch die Waldenser. Ihr Wahlspruch lux lucet in tenebris [dt.: Das Licht leuchtet in der Finsternis] symbolisiert ihre Beweggründe. Sie wollen mit der Verkündung der Worte Gottes denen Licht geben, die im Dunkel der kirchlichen Orientierungslosigkeit herumirren.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Beziehungen zwischen den Waldensern und der römischen Kirche. Da in dieser Zeit das Papsttum auf der Höhe seines hierokratischen Selbstverständnisses war, spielen vor allem die Päpste und deren Einstellung zu den Waldensern eine entscheidende Rolle. Diese Arbeit erörtert die Frage, wie die römische Kirche die neue Bewegung der Waldenser beurteilte. Des Weiteren stellt sich die Frage, wie die Kurie versuchte die Menschen wieder in den Schoß der Kirche zurückzuholen.

Zuerst wird die Entstehung der Waldenser beschrieben. Hier wird aufgezeigt, dass es schwer ist von einem einheitlichen Waldensertum zu sprechen, da es schon zwischen den „Armen von Lyon“ (genuine Waldensergruppe unter Valdes) und anderen Gruppen inhaltliche Unterschiede gegeben hat. Parallel zu den Anfängen der Waldenserbewegung tagte in Rom das 3. Laterankonzil. Die Bedeutung dieses Konzils und dessen Umgang mit den neuen Bewegungen wird in Punkt III. behandelt. Da die Waldenserbewegung noch jung war, wird hier ebenfalls die Frage beantwortet, welche konkreten Auswirkungen die Rechtsprechungen des Konzils auf die Waldenser hatten. Bevor im Schlussteil die oben aufgeworfene Fragestellung beantwortet wird, zeigt diese Arbeit die Versuche der Kurie, die Bewegung der Waldenser wieder in die Kirche zurückzuholen.

Der aktuelle Forschungsstand zum Waldensertum und den häretischen Bewegungen im 12. Jahrhundert wird von Selge sehr gut dargestellt.[3] Es herrscht Einigkeit darüber, dass die Bewegung der Waldenser mit ihrem Gründer Pierre Valdo[4] im 12. Jahrhundert beginnt. Da die Mitglieder der Waldenser aus den niederen Gesellschaftsschichten kamen, sie dementsprechend der Schrift nur selten mächtig waren, existieren kaum von Waldensern verfasste Quellen. Eine der Ausnahmen ist der liber antiheresis[5] von Durandus von Osca, der jedoch geschulter Kleriker war und sich auch im späteren Verlauf von den Idealen der Waldenser wieder distanzierte. Quellen über die Waldenser liegen uns vor allem in Form von Inquisitionsakten vor.

Zum dritten Laterankonzil ist die Originalmitschrift des Erzbischofs Wilhelm von Tyros nicht mehr erhalten, jedoch konnte der ungefähre Ablauf und die Kanones aus anderen Quellen (Chroniken und Dekretensammlungen) zusammengetragen werden.[6] Beurteilungen der Waldenser liegen von mehreren zeitgenössischen Klerikern vor.[7] In Bezug auf den Umgang mit den Waldensern auf dem besagten Laterankonzil, liegt eine Quelle vom englischen Bischof Walter Map de nugis curialium vor, die in dieser Arbeit auch Verwendung findet. Da die vorhandenen Quellen hauptsächlich von Gegnern der Waldenser verfasst wurden, muss vor übertriebener Polemik und einer einseitigen Betrachtungsweise des Themenfeldes gewarnt werden.

Das 1935 erschienene Buch von Grundmann „Religiöse Bewegungen im Mittelalter“ gilt noch heute als grundlegend in einigen Gebieten der Häresieforschung.[8] Das Buch von Audisio „Die ersten Waldenser“ ist die aktuellste Gesamtdarstellung zu den Waldensern.

Der heutige Forschungsstreit geht darum, ob die Waldenser nun eine häretische Gruppe, eine eigenständige Religion oder das wahre Christentum darstellten. Alle drei Argumentationsstränge werden sowohl von Protestanten als auch von Katholiken vertreten.[9]

II. Die Waldenser

a) Entstehung und Ideale

Um 1170 beschloss ein wohlhabender Kaufmann aus Lyon sein Leben nach dem Evangelium zu führen. Valdes (oder auch Valdesius) verstand es binnen kurzer Zeit ein große Anhängerschaft seiner Ideale hinter sich zu scharen.[10]

Das Leben der „evangel.[ischen] Armut (…) in apostol.[ischer] Nachfolge“[11] verpflichtete die so genannte Urgemeinde zur strikten Armut. Einzig und allein die Predigt durfte ihren Lebensunterhalt sichern. Aufgrund der apostolischen Nachfolge sahen sie sich verpflichtet, das Wort Gottes zu verkünden und dem Sittenverfall (sowohl der einfachen Menschen als auch der Kleriker) Einhalt zu gebieten. Sie sahen sich im klaren Gegensatz zu den Katharern[12] und die „Ideale der Gruppe korrespondierten in hohem Maße mit den Zielsetzungen der Kirchenreform und der monastischen Reformbewegung“[13]. Sie vertraten eine rechtgläubige Lehre, riefen zur Buße auf und prangerten kirchlicher Missstände und die Ketzerei an.[14]

Sie begründeten später (14. Jahrhundert) die Notwendigkeit ihrer Existenz durch die Annahme der konstantinischen Schenkung von Papst Silvester I., welche die Kirche zu einer „weltlichen und nicht mehr rein geistlichen Macht“[15] habe werden lassen.

Um Ihre Prinzipien dem Volk näher zu bringen, mussten sie die Bibel verständlich machen. Dies setzten sie um, indem sie das Evangelium, den Psalter und eine Sentenzensammlung aus dem Lateinischen in die Volkssprache übersetzten.[16]

Diese Gruppe, die heute unter dem Namen Waldenser bekannt ist, nannte sich selbst anders. Sie nannten sich pauperes christi (Arme Christi), pauperes spiritu (Arme im Geiste), pauperes de Lugduno (Arme von Lyon) oder schlicht Brüder. Sie sind zwar heute unter dem Namen ihres Gründers bekannt, jedoch war Valdes nicht der Monarch der Gemeinde, sie fühlten sich einzig und allein dem Herrn der Apostel, Jesus Christus, unterstellt.[17]

Die Urgemeinde sah Ihren Gehorsam gegenüber den Klerikern nicht im Kontrast zum Gehorsam gegenüber Gott. Nur der Gehorsam gegenüber Gott hatte Vorrang. Dies blieb bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts so, wurde dann aber massiv gegen sie verwendet.[18]

b) Heterogenität der Bewegung

Obwohl mehrere Schulen der waldensischen Lehre, in denen notwendige Kenntnisse für die Wanderpredigt beigebracht wurden, nachgewiesen sind, begannen noch zu Lebzeiten Valdes’ (U1207) Richtungsstreitigkeiten und Streitigkeiten über die unterschiedliche Auslegungen des evangelischen Auftrages.[19]

Die Gruppe hatte ihren Wirkungskreis über ganz Europa (mit Ausnahme von England, den iberischen Ländern und Skandinavien) ausgedehnt. Sie waren eine „unendlich kleine Minderheit von internationaler Ausdehnung“[20]. Dies hatte Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite konnten sie die örtlichen Besonderheiten berücksichtigen, andererseits verhinderte dies den Aufbau einer gemeinsamen Organisation und Wahrung der Einheit.

[...]


[1] Text auf dem ältesten Waldenserwappen (Vgl. Audisio, Gabriel: Die Waldenser. Die Geschichte einer religiösen Bewegung. München 1996 und Tourn, Giorgio: Die Geschichte der Waldenser-Kirche. Die einzigartige Geschichte einer Volkskirche von 1170 bis zur Gegenwart (= Erlanger Taschenbücher Band 54). Turin 1977).

[2] Häresie bedeutet grundsätzlich „Abfall vom rechten Glauben“ (Vgl. Patschovsky. Alexander: Art. „Häresie“, In: LMA: Bd. 4. Erzkanzler bis Hiddensee. München, Zürich 1989). Unterschiedliche Auslegungen der christlichen Botschaft und Vorstellungen vom kirchlichen Zusammenleben hat es immer gegeben. Als Häretiker wurden die bezeichnet, die gegen eine festgesetze Glaubenswahrheit auf ihren abweichenden Standpunkt beharrten (Vgl. Oberste, Jörg: Ketzerei und Inquisition im Mittelalter (= Geschichte Kompakt). Darmstadt 2007. S. IX.). Seit dem dictatus papae von Papst Gregor VII. im 11. Jahrhundert wurde das Kriterium des Gehorsams gegenüber der römischen Kirche zum entscheidenden Häresiekriterium (Vgl. Patschovsky, Alexander: Was sind Ketzer?. Über den geschichtlichen Ort der Häresien im Mittelalter, In: Max Kerner (Hrsg): „…eine finstere und fast unglaubliche Geschichte“?. Mediävistische Notizen zu Umberto Ecos Mönchsroman >Der Name der Rose<. Darmstadt 31988. S. 169-190. S. 173).

[3] Vgl. Selge, Peter: Mediävistische Häresieforschung, In: Goetz, Hans-Werner (Hrsg): Die Aktualität des Mittelalters (= Schmale, Wolfgang (Hrsg): Herausforderungen. Historisch-politische Analysen. Bd. 10). Bochum 2000.

[4] Der Vorname Pierre (Petrus) ist nicht bewiesen und soll laut Audisio lediglich die Parallelen zu den Aposteln darstellen (Vgl. Audisio, Die Waldenser, S. 16ff).

[5] Vgl. Selge, Kurt-Victor: Die ersten Waldenser. Bd. 2. Der liber antiheresis des Durandus von Osca. (=Aland, Kurt / Eltester, Walther / Rückert, Hanns (Hrsg): Arbeiten zur Kirchengeschichte. Bd. 37/II). Berlin 1967.

[6] Vgl. Wohlmuth, Josef (Hrsg): Dekrete der ökumenischen Konzilien. Bd. 2. Konzilien des Mittelalters. Vom ersten Laterankonzil (1123) bis zum fünften Laterankonzil (1512-1517). Paderborn, München, Wien, Zürich 2000. S. 207ff und Molnár, Amedeo: Die Waldenser. Geschichte und europäisches Ausmaß einer Ketzerbewegung. Berlin 1980. S. 23.

[7] Vgl. beispielhaft Patschovsky, Alexander: Feindbilder der Kirche: Juden und Ketzer im Vergleich (11.-13. Jahrhundert), In: Haverkamp, Alexander: Juden und Christen zur Zeit der Kreuzzüge (=Vorträge und Forschungen, hrsg. Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte. Bd. XLVII). Sigmaringen 1999. S. 346ff.

[8] Vgl. Segl, Mediävistische Häresieforschung, S. 108f.

[9] Vgl. Segl, Mediävistische Häresieforschung, S. 114 und Audisio, Die Waldenser, S. 10.

[10] Vgl. Merlo, G.: Art. Waldenser, Waldensertum“, In: LMA: Bd. 8. Stadt (Byzantinisches Reich) bis Werl. München, Zürich 1997. Sp. 1953.

[11] Merlo, Art. Waldenser, Waldensertum“, Sp. 1953.

[12] Tiefergehende Literatur über Katharer (Vgl. Fichtenau, Heinrich: Ketzer und Professoren. Häresie und Vernunftglaube im Hochmittelalter. München 1992. S. 70-100).

[13] Oberste, Ketzerei und Inquisition, S. 54.

[14] Vgl. Oberste, Ketzerei und Inquisition, S. 54f.

[15] Audisio, Die Waldenser, S. 16.

[16] Vgl. Audisio, Die Waldenser, S. 21f. und Fichtenau, Ketzer und Professoren, S. 68.

[17] Vgl. Merlo, Art. Waldenser, Waldensertum, Sp. 1953 und Audisio, Die Waldenser, S. 10f.

[18] Vgl. Audisio, Die Waldenser, S. 26f.

[19] Vgl. Oberste, Ketzerei und Inquisition, S. 58.

[20] Audisio, Die Waldenser, S. 12.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Waldenser. Die Reaktion der römischen Kirche auf eine neue Bewegung
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für mittelalterliche Geschichte)
Veranstaltung
Elisabeth von Thüringen und ihre Zeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
19
Katalognummer
V125226
ISBN (eBook)
9783640308729
ISBN (Buch)
9783640306824
Dateigröße
485 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Waldenser, Elisabeth, Thüringen, Zeit
Arbeit zitieren
Norman Rönz (Autor:in), 2008, Die Waldenser. Die Reaktion der römischen Kirche auf eine neue Bewegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125226

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