Theoretische und phänomenale Aspekte des Widerstands in der Psychoanalyse


Hausarbeit, 2000

20 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Die Entwicklung des Konzeptes des Widerstandes in der Freudschen Theorie
2.1 Die Entdeckung der Existenz des Widerstandes
2.2 Widerstand und psychische bzw. materielle Realität
2.3 Einige Auswirkungen des Widerstandes in der psychoanalytischen Behandlung
2.4 Die Klassifizierung der Widerstände nach dem Freudschen Strukturmodell
2.5 Die Veränderung der Auffassung von Sinn und Nutzen des Widerstandes

3. Weitere theoretische und phänomenale Aspekte des Widerstands nach Greenson
3.1 Zur Theorie des Widerstandes
3.2 Zu den Erscheinungsformen des Widerstandes

4. Persönliche Einschätzung des Widerstandsbegriffes und seiner Entwicklung bei Freud und Greenson

5. Literaturangaben

„Denn wir sind wie Baumstämme im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf,

und mit kleinem Anstoß sollte man sie wegschieben können

Nein, das kann man nicht, denn sie sind fest mit dem Boden verbunden

Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar.“

Franz Kafka, Die Bäume

1. Einführung

Das Konzept des Widerstandes ist als einer der absoluten Grundpfeiler der Psychoanalyse anzusehen. Haben die psychoanalytische Theorie und Praxis zwar seit ihren Anfängen gegen Ende des 19. Jahrhunderts unzählige geringfügige wie auch größere Modifikationen durchgemacht, so ist doch in den meisten analytischen Schulen und Ansichten die Thematik des Widerstandes eine äußerst relevante Komponente geblieben.

Soll es daher überraschen, wenn Freud in seiner 1914 verfaßten Arbeit „Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung“ schreibt, die psychoanalytische Theorie

„sei ein Versuch, zwei Erfahrungen verständlich zu machen, die sich in auffälliger und unerwarteter Weise bei dem Versuche ergeben, die Leidenssymptome eines Neurotikers auf ihre Quellen in seiner Lebensgeschichte zurückzuführen: die Tatsache der Übertragung und die des Widerstandes. Jede Forschungsrichtung, welche diese beiden Tatsachen anerkennt und sie zum Ausgangspunkt ihrer Arbeit nimmt, darf sich Psychoanalyse heißen, auch wenn sie zu anderen Ergebnissen als den meinigen gelangt.“ (Freud 1914a, S. 54).

Wahrscheinlich läßt sich in dieser Aussage sowohl ein vertrautes wie auch überraschendes Moment feststellen. Vertraut insofern, als daß die Begriffe des Widerstandes und der Übertragung sich mit einer großen Beständigkeit durch die meiste psychoanalytische Literatur ziehen, überraschend dahingehend, daß Freud, der ja bekannterweise nicht vor dezidierter Kritik oder gar von gekonnter bis zuweilen heftiger Polemik gegen „Abweichler“ von der orthodoxen Psychoanalyse zurückschreckte, in Kauf nimmt, daß andere wesentliche Bausteine seiner Arbeit gegen die Konzeptionen von Übertragung und Widerstand in den Hintergrund treten, ja diese in gewisser Weise eine Form von Essenzen der psychoanalytischen Theorie annehmen.

Aber dies bietet noch keine Sicherheit bezüglich dessen, was sich tatsächlich hinter diesen Begrifflichkeiten verbirgt. Mag auch eine zusammengewürfelte Gruppe von AnalytikerInnen die Existenz und Bedeutung von Übertragung und Widerstand im Unisono anerkennen, so ist es recht wahrscheinlich, daß sich bei einer genaueren Erörterung dessen, was diese VertreterInnen verschiedener psychoanalytischer Ausrichtungen unter Übertragung und Widerstand denn nun konkret verstehen, das zunächst festgestellte Unisono in Wohlgefallen auflöst und - vielleicht auch schon aufgrund der unterschiedlichsten praktischen Erfahrungen - jeder einzelnen Stimme auch eine eigene Auffassung der Inhalte dieser beiden klinischen Grundbegriffe zuzurechnen ist.

Das mag zunächst den Charakter einer Sisyphusarbeit für Versuche nahelegen, eine dieser Begrifflichkeiten zu umreißen und ihre Verwendung innerhalb der klinischen Praxis der Psychoanalyse aufzuzeigen. Möglich, doch sollte es zumindest angegangen werden, die Entwicklung des Widerstandsbegriffes wenigstens in einigen Grundzügen aufzuzeigen und darüber hinaus, die Aufmerksamkeit der Äußerung von und dem Umgang mit Widerstand in der psychoanalytischen Therapie zuzuwenden. Dies soll im folgenden stattfinden.

2. Die Entwicklung des Konzeptes des Widerstandes in der Freudschen Theorie

2.1 Die Entdeckung der Existenz des Widerstandes

Natürlich muß die Betrachtung der Widerstandskonzeption in der Frühphase der Psychoanalyse beginnen. Die Zusammenarbeit zwischen Freud und Breuer resultierte bekanntlich in den „Studien über Hysterie“ (1895), in denen schon wesentliche Keimzellen der psychoanalytischen Theorie enthalten waren, die Freud dann, vor allem nach dem baldigen Bruch mit Breuer, immer weiter ausarbeitete, geleitet durch die Notwendigkeit, den an Neurose Erkrankten eine Möglichkeit zur Verbesserung ihrer Situation anzubieten.

Zu Beginn schien ja die Hypnose ein probates Mittel, die abgewehrten, unbewußten Vorstellungen wieder hervorzubringen. Sie machte daher einen wesentlichen Bestandteil der kathartischen Methode aus, „indem sie das Bewußtseinsfeld der Patienten erweiterte und ihnen ein Wissen zur Verfügung stellte, über das sie im Wachen nicht verfügten.“ (Freud 1925, S. 52). Allerdings erwies sich die Prozedur der kathartischen Methode bald als nicht ausreichend, und eine wichtige Überlegung Freuds bestand in der Frage, warum erst der Zustand der Hypnose induziert werden mußte, damit sich die Patienten ihre Vorstellungen und Erinnerungen wieder ins Bewußtsein rufen konnten. Seine Suche nach einer besser geeigneten Methode zeitigte Erfolg:

„Meine Erwartung erfüllte sich, ich wurde von der Hypnose frei, aber mit dem Wechsel der Technik änderte auch die kathartische Arbeit ihr Gesicht. Die Hypnose hatte ein Kräftespiel verdeckt, welches sich nun enthüllte, dessen Erfassung der Theorie eine sichere Begründung gab.“ (ebd., S. 54).

Zunächst versuchte Freud, den in Ruhestellung liegenden Patienten zum Wiedererinnern zu drängen, so auch durch Ausübung von Druck auf die Stirn. Allerdings bemerkte er, daß der Versuch, pathogene Vorstellungen bei Patienten anstatt durch Hypnose durch Drängen zum Vorschein zu bringen, erhebliche Mühe kostete - und diese Mühe wies auf die Existenz eines Widerstandes hin. Er schloß also, „daß ich durch meine psychische Arbeit eine psychische Kraft bei dem Patienten zu überwinden habe, die sich dem Bewußtwerden (Erinnern) der pathogenen Vorstellungen widersetze.“ (Freud 1895, S. 268).

Dabei war Freud der Meinung, diejenige Kraft, mit der der Widerstand gegen das Bewußtmachten der abgewehrten Vorstellungen erfolgte, entspräche in ihrer Quantität dem Maße, mit dem sie ursprünglich aus dem Reiche des Bewußtseinsfähigen gedrängt wurde.

„Also eine psychische Kraft, die Abneigung des Ich, hatte ursprünglich die pathogene Vorstellung aus der Assoziation gedrängt und widersetzte sich ihrer Wiederkehr in der Erinnerung. Das Nichtwissen der Hysterischen war also ein - mehr oder minder bewußtes-Nichtwissenwollen, und die Aufgabe des Therapeuten bestand darin, diesen Assoziationswiderstand durch psychische Arbeit zu überwinden.“ (ebd., S. 269).

Wenig später modifizierte Freud seine Technik hin zur bis heute gebräuchlichen freien Assoziation und sah von dem Drängen und Drücken ab. Das Ausüben von Druck auf die Stirne der PatientInnen war für ihn „nichts weiter als ein Kniff, das abwehrlustige Ich für eine Weile zu überrumpeln“, da es auch nicht zur gänzlichen Beseitigung der Barrieren bei den PatientInnen beitragen konnte, denn „in allen ernsteren Fällen besinnt es [das Ich, CHS] sich wieder auf seine Absichten und setzt seinen Widerstand fort.“ (S. 280). Interessant ist dabei vor allem, daß die Terminologie auch schon im Lichte der späteren Aufteilung des psychischen Apparates in Es, Ich und Über-Ich korrekt ist - in der späteren Theorie ist das Ich die abwehrende Instanz, von deren unbewußten Komponenten der Widerstand geleistet wird (vgl. hierzu Freud 1923, S. 243f.).

Nachdem nun das Vorhandensein des Widerstandes entdeckt worden war, hatte Freud ihm auch einen gebührenden Platz in der psychoanalytischen Theoriebildung eingeräumt. Die Bedeutung des Widerstandes ergibt sich ja auch deutlich aus dem Gegenstandsbereich der psychoanalytsichen Therapiemethode, nämlich dem Versuch, Äußerungen des Unbewußten aufzudecken und dem/der PatientIn zu einer Fortentwicklung seiner/ihrer Persönlichkeitsstruktur im Sinne einer Integration neuer Selbsterkenntnisse zu verschaffen, so daß die Kompromißbildung zwischen unbewußten Impulsen, Vorstellungen etc. und abwehrenden Kräften des Ich aufgehoben wird, der Patient/die Patientin also sein Leben stärker selbst gestalten kann, oder wie Freud selbst es ausdrückt, daß die Analyse „dem Ich des Kranken die Freiheit schaffen soll, sich so oder anders zu entscheiden.“ (ebd., S. 280) (dem ist anzumerken, daß diese Äußerung, die wohl vor allem der klinischen Praxis der Psychoanalyse entstammt, in gewisser Hinsicht nicht ohne weiteres mit Freuds eigenen Ansichten der Determiniertheit der Persönlichkeit übereinstimmt; ob es sich nur um eine relative Freiheit oder aber um eine im indeterministischen Sinne handelt, bliebe in einem anderen Kontext zu diskutieren). Nur wenn die Widerstände überwunden werden können, kann die Psychoanalyse demnach einen Beitrag zum Wohlergehen des Patienten leisten.

2.2 Widerstand und psychische bzw. materielle Realität

Nun ist das Problem aber, daß sich der oder die Behandelte ja, eben weil er oder sie einen Widerstand zeigt, dem Fortkommen der analytischen Arbeit entgegenstellt. Die AnalytikerInnen müssen notwendigerweise auf etwas beharren, was den Behandelten alles andere als lieb ist. Zwar geschieht dieses nicht durch einen direkten Schlagabtausch zwischen AnalysandIn und AnalytikerIn, aber letztereR muß sich dennoch davor bewahren, die Vorhandenheit des Widerstandes schulterzuckend zu den Akten zu legen. Freud nennt die Psychoanalyse „mit Recht mißtrauisch. Eine ihrer Regeln lautet: Was immer die Fortsetzung der Arbeit stört, ist ein Widerstand.“ (Freud 1900, S. 521). Dabei sieht er in diesem Satze eine technische Regel, die aus guten Gründen übertreibt. Wir werden dadurch zum Zusammenhang des Widerstandes mit der psychischen bzw. materiellen Realität geführt. Dieser Sachverhalt wirft vor allem Fragen ontologischer Art auf, die an dieser Stelle nur gestreift werden können. Es sei das Problem des Primats von Geist oder Materie nur insofern angerissen, daß höchstwahrscheinlich über Freud gesagt werden kann, daß er trotz aller Skepsis erkenntnistheoretisch eine realistische und ontologisch eine materialistische Position eingenommen hat, wobei er aber unterstrich, „daß die psychische Realität eine besondere Existenzform ist, welche mit der materiellen Realität nicht verwechselt werden soll.“ (ebd., S. 625). Dies ist m. E. eines der größten Verdienste der Psychoanalyse, anerkannt zu haben, daß die (unbewußten) Wünsche, Vorstellungen etc. eines Individuums, so phantastisch und unrealistisch sie auch sein mögen, sind, einen Teil der Welt ausmachen, wenn sie auch nicht in einem physikalischen oder ähnlichen Sinne in Handlungen, die die äußere Welt beeinflussen, umgesetzt werden müssen - aber gewiß können (man denke z. B. an einen uneingestandenen, abgewehrten Todeswunsch gegenüber einer Verwandten, der mittels Reaktionsbildung abgewehrt wird - die Tante ist dann die „liebste von allen“ etc., und dieses Verhalten ist beeinflußt durch den unbewußten Wunsch nach Destruktion der Tante).

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Theoretische und phänomenale Aspekte des Widerstands in der Psychoanalyse
Hochschule
Universität Bremen
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
20
Katalognummer
V125207
ISBN (eBook)
9783640308590
ISBN (Buch)
9783640306701
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Psychoanalyse, Widerstand, Freud, Greenson, Klinische Psychologie, Beziehung, Psychotherapie, Psychopathologie, Tiefenpsychologie
Arbeit zitieren
Dr. Christian H. Sötemann (Autor:in), 2000, Theoretische und phänomenale Aspekte des Widerstands in der Psychoanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125207

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