Zu: Catulls "Carmen 8 und 76" - Zweimal Abschied von Lesbia?


Seminararbeit, 1997

15 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Gaius Valerius Catullus

II. Das Pseudonym Lesbia

III. Die Beziehung zu Lesbia - foedus, fides und amicitia bei Catull

IV. Die Lesbiagedichte
A. carmen 8
B. carmen 76

V. Zusammenfassung

VI. Bibliographie

I. Gaius Valerius Catullus

Was wir über Gaius Valerius Catullus sicher wissen, ist nicht viel. Er wurde ungefähr im Jahre 84 v. Chr. in Verona geboren. In der Nähe dieser Stadt, auf der sich in das Südende des Gardasees erstreckenden Halbinsel Sirmio, besaß sein Vater eine Villa, die später Catulls Lieblingsaufenthalt war. Catulls Vater scheint zu der einflußreichen und wohlhabenden Schicht römischer Bürger gehört zu haben, die überall in den Provinzen den Handel und die Finanzverwaltung in Händen hielten. Denn auch Caesar nahm, wenn er in seine oberitalienischen Provinz reiste, die Gastfreundschaft von Catulls Vater in Anspruch.

Im Alter von etwa zwanzig Jahren kam Catull nach Rom, vermutlich um eine politische Laufbahn einzuschlagen. Hier schloß er sich dem Kreis um Valerius Cato an, zu dem auch Licinius Galbus, Furius Bibaculus und Helvius Cinna zu zählen waren. Im Laufe der Zeit kaufte er sich eine Villa in Rom und einen Landsitz bei Tivoli.

Im Jahre 57 begleitete er den Praetor C. Memmius zusammen mit Helvius Cinna nach Bithynien und kehrte im darauffolgenden Jahr nach Italien zurück, nachdem er die berühmten Städte Kleinasiens und vor allem das Grab seines Bruders in der Nähe von Troja besucht hattte. „In Rom wurde für Catull die Literatur wichtiger als die Politik. Bei einem jungen Mann, der auf politischem Gebiet bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr nichts anderes unternommen hat, als einmal in der Begleitung eines Propraetors Aufgaben in der Provinz zu versehen, kann das politische Engagement nicht sehr groß gewesen sein.“[1]

Trotzdem zeigen einige seiner Gedichte eine klare politische Parteinahme. „Catulls und Calvus´ Haltung dürfte vielmehr eine unter der stadtrömischen jungen Aristokratie verbreitete oppositionelle Gesinnung widerspiegeln: in diesen Kreisen hielt man schon im Jahre 59 v. Chr. das Willkürregiment der Triumvirn für unerträglich.“[2]

Catull starb wahrscheinlich im Jahre 54 v. Chr.

II. Das Pseudonym Lesbia

Schon immer bewegte die Frage, welche historische Gestalt sich hinter dem Pseudonym Lesbia versteckt, die Gemüter der Leser der Lesbiagedichte. Denn daß Lesbia nur ein Deckname war, war schon für Ovid in seinem Überblick über die Liebesdichtung eine feststehende Tatsache.[3]

Aber warum gerade der Name Lesbia? Carmen 35 kann hier vielleicht Aufschluß bieten. Catull lobt ein von den Gedichten ihres Freundes begeistertes Mädchen, sie sei ein Sapphica puella Musa doctior. „In literarischen Kreisen näherte man sich also offenbar bereits dem Ideal der `docta puella´, das dann in der Liebeselegie so hervortritt, und man erwartete von der Geliebten nicht nur physische Reize, sondern auch Witz, Charme und eine musikalisch-literarische Bildung.“[4]

Wenn Catull seine Geliebte also Lesbia, Frau von der Insel Lesbos nennt, so soll das eine Anspielung an die griechische Dichterinsel und an die dort wirkende Sappho sein. Der Name Lesbia ist als Kompliment an Lesbias funkelnden Geist zu verstehen, der sie in Catulls Augen über alle anderen Frauen erhob[5], und alleine der Vergleich anderer Frauen mit Lesbia erschien ihm mehr als geschmacklos[6].

Die Wahl so poetischer Namen für die in Gedichten verherrlichten Geliebten findet sich damals auch bei anderen Dichtern: Tibull und Properz wählten die Namen aus dem Umkreis des Dichtergottes Apoll - Delia und Cynthia, und Ovid wählte als Namen den der nach Sappho berühmtesten griechischen Dichterin Corinna.

„Welcher Name sich hinter Catulls Pseudonym verbarg, scheint den Zeitgenossen kein Geheimnis gewesen zu sein. Ovid jedenfalls muß ihn gekannt haben; er hätte sonst nicht so sicher sagen können, daß Lesbia ein Pseudonym sei.“[7]

Apuleius berichtet im zweiten Jahrhundert in seiner Verteidigungsrede, Lesbias wirklicher Name habe Clodia gelautet. Er hat sich gegen den Vorwurf zu verteidigen, er habe die Namen schöner Knaben mit Pseudonymen verhüllt. Er führt daraufhin die klassischen Liebesdichter Catull, Ticidas, Properz und Tibull an, die dies auf dieselbe Weise praktiziert hätten, und stellt den Pseudonymen die eigentlichen Namen der von den Dichtern verehrten Mädchen gegenüber. „Das klingt nicht nach leichtfertiger Erfindung; denn die Berufung auf eine übliche Praktik der Liebesdichtung war nur dann ein entlastendes Argument, wenn dies eine bekannte Tatsache war.“[8]

Auch das von Bentley entdeckte Gesetz, daß ein Pseudonym in der Dichtung immer ein genaues metrisches Äquivalent des wirklichen Namen sein mußte, spricht für Clodia.

Wenn man jetzt nun nach Damen mit dem Namen Clodia zu Catulls Zeit Ausschau hält, stößt man unweigerlich auf die ältere Schwester des Volkstribunen P. Clodius Pulcher, die mit Q. Caecilius Metellus Celer, dem Consul des Jahres 60 verheiratet war. „Diese Clodia ist durch Cicero wohlbekannt. Er schildert sie freilich in recht zwiespältiger Weise. Zunächst stellt er sie im Briefwechsel als eine schöne, ungemein selbstbewußte Dame dar, die auch im politischen Geschäft ihre Hände im Spiel hatte. Später aber, nachdem P. Clodius Ciceros Intimfeind geworden ist, greift sie Cicero in der Rede für Caelius aufs unflätigste an. Sie ist in diesem Prozeß eine Hauptzeugin der Anklage, und Cicero versucht, ihre belastenden Aussagen als Ausfluß ihres Hasses gegen ihren ehemaligen Liebhaber Caelius abzuqualifizieren und sie auch sonst durch die Schilderung ihres unmoralischen Lebenswandels als nicht vertrauenswürdig hinzustellen.“[9]

Auch carmen 79 spricht für Clodia als Lesbia - Lesbius est pulcher: quid ni? quem Lesbia malit, wenn man dem Gerede in Rom Beachtung schenkt, daß Clodia und Clodius ein inzestöses Verhältnis hatten, auf das Cicero vielfach anspielt, und Clodius den Beinamen Pulcher hatte. Lesbius stünde hier also für Clodius. Es ist als wahrscheinlich anzunehmen, daß Lesbia die historische Clodia ist.

III. Die Beziehung zu Lesbia - foedus, fides und amicitia bei Catull

Catulls Liebe zu Lesbia paßt nicht in das normale Schema antiker Liebesaffären; denn es handelt sich hierbei nicht um die „Liebe“ eines jungen Mannes zu einer meretrix, sondern um die Liebe eines jungen Mannes zu einer römischen matrona, noch dazu zu einer verheiraten. Es ist die Liebe zwischen sozial gleichgestellten Menschen.

„Generell gesprochen zeichnete sich eine antike Liebesaffäre, wie wir ihr in der erotischen Dichtung begegnen, durch zwei Merkmale aus: sie war schnell vergänglich, und sie lag fast ausschließlich in der physischen Sphäre. (...) Das soll nicht heißen, daß der Liebhaber im Altertum desinteressiert war an den intellektuellen oder geistigen Reizen seiner Angebeteten; nur falls er irgendein solches Interesse hegte, war es deutlich von sekundärer Bedeutung und spielte keine wirkliche Rolle in seiner Leidenschaft. Von Anfang bis Ende ist seine Liebe eine Verherrlichung seines Verlangens.“[10] Und eben diese Tatsache, daß Catull nicht nur Lesbias äußere Schönheit schätzte[11], sondern auch ganz besonders ihre inneren Werte[12], hebt diese Beziehung von den gewöhnlichen Liebesbeziehungen ab. Er bleibt niemals nur bei der

[...]


[1] Syndikus, Hans Peter: Catull. Erster Band, S. 5

[2] Syndikus, Hans Peter: Catull. Erster Band, S. 6

[3] Ov. tr. 2,427f. sic sua lascivo cantata est saepe Catullo femina, cui falsum Lesbia nomen erat.

[4] Syndikus, Hans Peter: Catull. Erster Band, S.25

[5] c.86: Lesbia formosa est, quae cum pulcherrima tota est, tum omnibus una omnis subripuit Veneres.

[6] c.43: tecum Lesbia nostra comparatur? o saeclum insapiens et infacetum!

[7] Syndikus, Hans Peter: Catull. Erster Band, S. 26

[8] Syndikus, Hans Peter: Catull. Erster Band, S. 26

[9] Syndikus, Hans Peter: Catull. Erster Band, S. 27

[10] Copley, Frank O. Gefühlskonflikte und ihre Bedeutung in den Lesbiagedichten von Catull. In: WdF CCCVIII, S. 285

[11] vergl. carmen 43

[12] vergl. carmen 86

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Zu: Catulls "Carmen 8 und 76" - Zweimal Abschied von Lesbia?
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Klassische Philologie)
Veranstaltung
Proseminar Catull
Note
1,5
Autor
Jahr
1997
Seiten
15
Katalognummer
V12511
ISBN (eBook)
9783638183772
ISBN (Buch)
9783638937306
Dateigröße
451 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Catulls, Carmen, Zweimal, Abschied, Lesbia, Proseminar, Catull
Arbeit zitieren
Somchai Areerasd (Autor:in), 1997, Zu: Catulls "Carmen 8 und 76" - Zweimal Abschied von Lesbia?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12511

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