Die Bedeutung der Weizsäcker-Rede vom 8. Mai 1985 für das geschichtliche Bewusstsein der Bundesrepublik Deutschlands


Hausarbeit, 2008

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung der Hausarbeit

1. Einleitung & Darstellung von Geschichtspolitik
1.1 Inhaltliche Einteilung zur Hausarbeit
1.2 Einführung in die Geschichtspolitik

2. Vorstellung von Richard von Weizsäcker
2.1 Familie, Ausbildung und Militärzeit
2.2 Politische Ämter und Laufbahn

3. Darstellung der damaligen politischen Situation Deutschlands
3.1 Darstellung der politischen Situation Deutschland
3.2 Einbindung in den kulturpolitischen Kontext

4. Vorstellung der Rede und ihrer Bewertung
4.1 Vorbereitung und Umsetzung der Rede
4.2 Darstellung der wichtigste inhaltliche Kernpunkte
4.3 Bewertung der Rede aus dem In- und Ausland

5. Bewertung der Rede vor dem geschichtlichen Hintergrund

6. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung & Darstellung von Geschichtspolitik

1.1 Inhaltliche Einteilung zur Hausarbeit

Ich möchte mich in meiner Hausarbeit mit der Rede des damaligen Bundespräsidenten, Richard Freiherr von Weizsäcker (CDU), beschäftigen, der sich in seiner Ansprache zum 40-jährigen Ende des 2. Weltkriegs am 8. Mai 1985 vor dem Deutschen Bundestag an die deutsche und weltweite Öffentlichkeit wandte. Die Rede ging in die bundesdeutsche Geschichte ein, da Weizsäcker nicht nur das Ende des Weltkrieges hervorhob und ein klares Bekenntnis zur Schuld und Schuldverstrickung vieler Deutscher abgab – sondern auch einen neuen Umgang mit dem geschichtlichen Bewusstsein, gerade von der jungen Generation einforderte, und für ein neues Selbstbewusstsein Deutschland ein stand.

Die Rede hob nicht das Ansehen Deutschlands in der Welt, sondern war besonders wichtig im Hinblick auf den Umgang mit Geschichte innerhalb der damaligen Bundesrepublik Deutschland. Von Weizsäcker bekannte sich dabei in der Rede ausdrücklich zum verantwortungsvollen Umgang mit dem 2. Weltkrieg, hob aber hervor, dass es keine Kollektivschuld gibt: „Schuld oder Unschuld eines ganzen Volkes gibt es nicht. Schuld ist, wie Unschuld, nicht kollektiv, sondern persönlich.“[1] Ihm gelang es in seiner Rede nicht nur einen neuen Umgang mit Geschichte anzuregen, sondern er rief auch noch zu einem neuen Verständnis von Freiheits- und Heimatliebe auf: „Die Völker Europas lieben ihre Heimat. Den Deutschen geht es nicht anders. Wer könnte der Friedensliebe eines Volkes vertrauen, das imstande wäre, seine Heimat zu vergessen? ... Heimatliebe eines Vertriebenen ist kein Revanchismus.“[2] In diesem Zusammenhang appelliert er an die junge Generation und forderte eine generationenübergreifende Verantwortung: „Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich, was in der Geschichte daraus wird.“[3]

Interessant ist diese Rede nicht nur vor dem Kontext der damaligen politischen Konstellation um die konservative Bundesregierung Helmut Kohls, der „Perestroika“ Politik von Michael Gorbatschow in der UdSSR und dem umstrittenen Besuch von US-Präsident Ronald Reagan und Bundeskanzler Kohl auf dem Soldatenfriedhof Bitburg sondern auch vor dem persönlichen Hintergrund Weizsäckers, der nicht nur als Wehrmachts-Soldat in Frankreich und Russland gekämpft hatte sondern nachfolgend im so genannten Wilhelmstraßen-Prozess, im Rahmen der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, Hilfsverteidiger seines Vaters Ernst von Weizsäcker war und somit selber eine enge Verbindung zur damaligen Geschichte aufwies.

Weizsäckers Rede stellte ein wichtiges Ereignis in der deutschen Geschichtspolitik dar und wurde dafür immer wieder lobend erwähnt. Um eine Bewertung zu ermöglichen, möchte ich zu Beginn dieser Hausarbeit in die Geschichtspolitik einführen und die wissenschaftliche Diskussion darstellen, wie Geschichtspolitik das gesellschaftliche Bild der Geschichte und entsprechende Normen und Werte der heutigen Gesellschaft prägt und welche Diskurse dazu entstanden sind. Anschließend möchte ich die Person Richard von Weizsäckers vorstellen und seine eigenen Bezüge zum Krieg und der Zeit des Nationalsozialismus, sowie nachfolgend seine politische Karriere bis zum Bundespräsidenten skizzieren. Um eine Einordnung der Rede in die politische Landschaft und Diskussion zu ermöglichen, versuche ich zudem die damalige politische Situation wieder zu geben. Danach widme mich der Rede selber, ihrer Vorbereitung und Umsetzung sowie ihrer wichtigsten Inhalte. Zudem werde ich versuchen innen- und außenpolitisches Feedback auf die Rede aufzuzeigen, um mich ihrer Bedeutung anzunähern.

In meiner abschließenden Diskussion versuche ich eine persönliche Einordnung um ihre Bedeutung für die deutsche Geschichtspolitik und das heutige Selbstbewusstsein vorzunehmen mit meiner These, dass vor dem Hintergrund der damaligen politischen Situation und seiner persönlichen Erfahrung die Rede ein Meilenstein darstellte und in Deutschland überhaupt erst eine neue Epoche des verantwortungsbewussten Umgangs mit der Geschichte des 2. Weltkrieges ermöglicht hat. Dazu möchte ich einige Auszüge der Reden von Jens Walter (1983)[4] und Günter Grass (1985)[5] und ihrer Kernaussagen heranziehen.

1.2 Einführung in die Geschichtspolitik

Die Diskussion um Geschichtspolitik ist von Kontroversen und unterschiedlichen Konzepten geprägt, da es sich noch um eine neue Kategorie der Sozialwissenschaft handelt und die Diskussion darum geführt, ob es sich eher um ein politisches Konzept oder eine analytische Kategorie handelt.

Deshalb möchte ich meine Herangehensweise von die Definition von Edgar Wolfrum aus dem Jahre 1999 ausgehen lassen, die „Geschichtspolitik als ein Handlungs- und Politikfeld definiert, auf dem politische Akteure konkurrierender Deutungseliten Geschichte mit ihren spezifischen Interessen befrachten und politisch zu nutzen suchen. Vergangenheit wird dabei instrumentalisiert, um Interessen besser durchsetzen zu können, eigene Anhänger zu mobilisieren, Gegner zu delegitimieren und um Gruppenidentitäten zu stiften.“[6] Aufbauend zielt die Definition von Norbert Frei zu Geschichtspolitik auf die Institutionen ab, die an der Aufarbeitung von Diktaturerfahrung beteiligt sind. Er beschränkt sich dabei in seinen Forschungen auf die Erforschung des Nationalsozialismus mit den verbundenen Täter-Opfer Beziehungen und der folgenden Transformation.[7]

Wolfrum grenzt Geschichtspolitik deutlich von Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur ab. Als Geschichtsbewusstsein gilt dabei für ihn die Definition von Karl-Ernst Jeismann: „Geschichtsbewusstsein als Prägemuster aus dem Zusammengang von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive“ aus seinem Buch „Über den Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive“ (1985). Damit hat Geschichtsbewusstsein für Wolfrum eine Orientierungsfunktion: „Mit ihm setzt sich eine Person, eine Gruppe, eine Gesellschaft in ein Verhältnis zu ihrer Vergangenheit und fundiert aufgrund bestimmter Erfahrungen ihr gegenwärtiges Selbstverständnis.“[8]

Zur Erklärung von Geschichtskultur zieht Wolfrum die Definition von Wolfgang Hardtwig aus seinem Buch „Geschichtskultur und Wissenschaft“ heran, der Geschichtskultur als „Sammelbezeichnung für höchst unterschiedliche, sich ergänzende oder überlagernde, jedenfalls direkt oder indirekt aufeinander bezogene Formen der Präsentation von Vergangenheit in einer Gegenwart“[9] bezeichnet. Jörn Rüsen baut auf dieser Definition auf mit seinem weiterführenden Vorschlag Geschichtskultur als eine Fundamentalkategorie aufzunehmen: „den Sitz des historischen Denkens im Leben zu bestimmen“[10]

Wolfrum beschreibt dazu abschließend auch den Kreis der Akteure von Geschichtspolitik und ihre Arenen: „Wenn über Geschichte verhandelt wird, wenn Geschichte zu einem politischen Kampfplatz politischer und nationaler Identitäten wird... sind die Historiker jedoch keineswegs mehr unter sich“. Als Ziele von Geschichtspolitik führt Wolfrum dazu die Legitimation, Identifizierung mit dem Staat, Erklärung für aktuelles Handeln, Bildung einer Gemeinschaft und Schaffung von Werten und Normen an.[11]

Aufbauend auf diese Theorien möchte ich die Geschichtspolitik in Deutschland in drei Epochen grob unterteilen: einer neutrale Epoche (während der 50er/60er Jahre), einer pazifistischen Epoche (während der 70er Jahre) und einer wissenschaftlichen Epoche (während der 80er Jahre).

[...]


[1] Rede von Richard Freiherr von Weizsäcker am 8. Mai 1985 vor dem Deutschen Bundestag,
http://www.bundestag.de/geschichte/parlhist/dokumente/dok08.html

[2] Ebenda.

[3] Ebenda.

[4] Jens Walter, 1983: Die alten Zeiten niemals zu verwinden [Rede aus Anlass des 50. Jahrestages der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933, gehalten am 8. Mai 1983 im Studio der Akademie der Künste Berlin]

[5] Günter Grass, 1985: „Geschenkte Freiheit – Rede zum 8. Mai 1945“

[6] Edgar Wolfrum, 1999: „Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung 1948 – 1990“, Darmstadt

[7] vgl. Norbert Frei, 1999: „Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit“, München (1. Auflage), S. 7 – 24

[8] Edgar Wolfrum, 1999, Seite 19

[9] Wolfgang Hardtwig, 1990: „Geschichtskultur und Wissenschaft“, S. 8

[10] Jens Rüsen: „Historische Orientierung“, S. 3 fflg.

[11] vgl. Edgar Wolfrum, 1999: „Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung 1948 – 1990“, Darmstadt, Seite 19 - 22

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung der Weizsäcker-Rede vom 8. Mai 1985 für das geschichtliche Bewusstsein der Bundesrepublik Deutschlands
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Veranstaltung
Proseminar: "Geschichtspolitik als Konzept"
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V124945
ISBN (eBook)
9783640299638
ISBN (Buch)
9783640304530
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Weizsäcker, Geschichtspolitik, 8. Mai 1945
Arbeit zitieren
Dipl.-Pol. Björn Richter (Autor:in), 2008, Die Bedeutung der Weizsäcker-Rede vom 8. Mai 1985 für das geschichtliche Bewusstsein der Bundesrepublik Deutschlands, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124945

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