Counterparts vs. Transworld Identity


Hausarbeit, 2006

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Mögliche Welten
2.1 Das Konzept möglicher Welten bei David Lewis
2.1.1 Das Gesetz der Ununterscheidbarkeit des Identischen

3. Die Counterpart-Theorie

4. Kritiken
4.1 David Chisholm: Essentielle Eigenschaften
4.2 Fred Feldman: Ähnlichkeit
4.3 Alvin Plantinga: Das Gesetz der Ununterscheidbarkeit des Identischen

5. Rückblick und Ausblick

6. Literatur

1. Einleitung

Innerhalb der modalen Logik hat sich die Vorstellung von möglichen Welten als sehr effizient erwiesen, will man zum Beispiel Aussagen über Eigenschaften oder Propositionen machen. Allerdings entwickelten die verschiedensten Philosophen die verschiedensten Theorien darüber, wie mögliche Welten konzipiert sein sollten. Eine besonders große Diskussion entfachte die Frage, ob die Bewohner unserer aktualen Welt identisch mit den Bewohnern aller anderen möglichen Welten seien. Vertreter der These der Transwelt-Identität („transworld-identity“) befürworten diese Annahme, andere weisen sie strikt zurück. So auch David Lewis, der durch diese Annahme eines der wichtigsten Gesetze der Metaphysik verletzt sah: das Gesetz von der Ununterscheidbarkeit des Identischen (GUI). Aus diesem Grund entwickelte er seine berühmte Counterpart-Theorie (CT), die (in aller Kürze) besagt, dass jeder Bewohner der aktualen Welt in jeder anderen möglichen Welt ein „Gegenstück“[1] hat, das nicht numerisch identisch mit jenem ist, sondern ihm in seinen essentiellen Eigenschaften ähnelt. So bleibt nach Lewis GUI gewahrt. Diese Behauptung zog viele Einwände und Kritiken nach sich. Als besonders einflussreich haben sich dabei diejenigen von Alvin Plantinga erwiesen, einem Vertreter der Transwelt-Identitäts-These, welche daher auch in der vorliegenden Arbeit ihren Platz finden sollen.

Die Arbeit gliedert sich wie folgt:

Im zweiten Abschnitt möchte ich zunächst in die Thematik einführen, indem ich die Kernidee der Vorstellung von möglichen Welten erläutere. Danach soll die Theorie der möglichen Welten am Beispiel von David Lewis` Konzeption „ausbuchstabiert“ werden (2.1), wobei auf Spezifika seiner Theorie explizit hingewiesen wird. Dies wird uns zu einer genaueren Betrachtung von GUI führen (2.1.1).

Ein eigener Abschnitt soll der Counterpart-Theorie gewidmet werden, mit der Lewis eine Verletzung von GUI verhindern will (3). Im vierten Abschnitt sollen exemplarisch für viele ähnliche Einwände gegen die Counterpart-Theorie Kritiken von David Chisholm (4.1) und Fred Feldman (4.2) angeführt werden, um schließlich die Einwände Alvin Plantingas darzustellen (4.3). Plantinga hat wohl die ernstzunehmenste Alternative zu Lewis` Theorie entwickelt und als Vertreter der Transwelt-Identitäts-These auch auf Lewis` Vorwurf von der Verletzung von GUI reagiert, was ebenfalls in diesem Abschnitt dargestellt werden soll. Im letzten Abschnitt (5) werde ich eine Zusammenfassung der wichtigsten Elemente von Lewis` Theorie angeben, auf die wichtigsten Unterschiede zwischen seiner und Plantingas Theorie sowie auf einen noch immer nicht ausgeräumten Mangel in Lewis` Theorie hinweisen.

2. Mögliche Welten

Die Vorstellung von der Pluralität möglicher Welten bildet den Kern modaler Semantik, mittels derer man innerhalb der modalen Logik über „modal notions“ (nämlich: „necessity“ und „possibility“) sprechen kann. Außerdem wird es nun möglich für einen Metaphysiker, die Konzepte der de re - sowie der de dicto - Modalität zu klären, wie später am Beispiel Lewis` gezeigt werden soll.

Das Argument für die Annahme möglicher Welten lautet in aller Regel wie folgt:

Jeder von uns glaubt wohl, dass die Dinge auch anders hätten sein können, als sie es gegenwärtig sind. Das ist ein Phänomen, das uns aus dem Alltag sehr gut vertraut ist. Und die Art und Weise, wie die Dinge gegenwärtig sind, ist nur eine von vielen verschiedenen Weisen, wie die Dinge hätten sein können. Wenn wir glauben, dass x und y notwendigerweise der Fall sein müssen, dann bedeutet das: Wir glauben, dass, je nachdem wie Dinge hätten sein können, x und y notwendigerweise der Fall gewesen wären. Wenn wir glauben, dass etwas möglich ist, dann glauben wir, dass es eine Art und Weise gibt, wie die Dinge hätten gewesen sein können.

Die Rede von möglichen Welten hilft uns, unsere (nicht-) philosophischen modalen Vorstellungen zu ordnen und zu klären. Der Begriff der möglichen Welten ist der technische Begriff der Philosophen, ein uns aus dem Alltag wohlbekanntes Phänomen zu bezeichnen.

Theorien für mögliche Welten lassen sich in verschiedenster Weise formulieren, zwei allerdings haben sich als besonders elegant und gründlich durchdacht erwiesen. Der bekannteste Vertreter einer möglichen-Welten-Theorie ist sicher David Lewis, der mit seiner Theorie auf einen reduktiven Nominalismus abzielt: Mögliche Welten werden innerhalb dieser Theorie als primitiv gedacht und dazu benutzt, Annahmen über Eigenschaften, Propositionen, de dicto - sowie de re - Modalität machen zu können. Eine ganz besondere Eigenheit bei Lewis ist die Vorstellung, dass alle möglichen Welten denselben realen Status haben und vollständig konkrete Entitäten sind gleich unserer aktualen Welt. Diese Annahme ist allerdings sehr „stark“ und der Grund dafür, dass Lewis` Theorie vielen Kritikern und deren Einwänden ausgesetzt war. Einer davon war Alvin Plantinga, der mit seinem Konzept einer möglichen-Welten-Theorie eine wirkliche Alternative zu Lewis` Theorie geben kann. Bei Plantinga sind mögliche Welten keine eigenständigen, abgeschlossenen Partikulare, sondern eine mögliche Welt ist ein „maximally comprehensive state of affairs“: Eine mögliche Welt ist eine maximal mögliche Tatsache. Die aktuale Welt wird als die maximal erreichte Tatsache identifiziert, die aktual erreicht wurde. Eine mögliche Welt wird bei Plantinga lediglich als ein Bestandteil eines Netzwerkes unterschiedlicher Konzepte verstanden, die ebenfalls Vorstellungen über Eigenschaften, Propositionen, de re - und de dicto -Modalität enthalten. Plantinga behauptet, dass man jedes einzelne Konzept innerhalb dieses Netzwerkes nur dann sinnvoll erklären kann, wenn man aufzeigen kann, in welchen Relationen die einzelnen Konzepte untereinander stehen. Plantinga erweist sich bei seiner möglichen-Welten-Theorie zudem als ein radikaler Aktualist: Nur das, was aktual existiert, ist auch wirklich real.

Bevor aber die Diskussion zwischen den einzelnen Positionen vertieft wird, soll zunächst am Beispiel von David Lewis demonstriert wird, wie eine mögliche-Welten-Theorie konzipiert werden kann, wobei, wie gesagt, auf dessen Spezifika hingewiesen wird, durch die sich Lewis doch erheblich von anderen Philosophen unterscheidet.

2.1 Das Konzept möglicher Welten bei David Lewis

„Der Begriff einer möglichen Welt steht [...] für eine vollständige, bis in jedes Detail bestimmte Weise, wie die Dinge sein könnten.“[2] Diese Aussage soll kurz an einem Beispiel verdeutlicht werden: Ich habe gerade nach meiner Kaffeetasse gegriffen. Nun kann man sich durchaus vorstellen, ich hätte nicht zu meiner Kaffeetasse gegriffen und somit könnte man über eine andere mögliche Welt sprechen. Lewis geht aber noch viel weiter und fragt: Mit welcher Hand hast du nach deiner Kaffeetasse gegriffen? Ich habe mit meiner rechten Hand danach gegriffen. Hätte ich sie mit meiner linken Hand gegriffen, so wäre dies bereits Grund genug, von einer anderen möglichen Welt zu sprechen.

Hier wird bereits implizit deutlich, was im folgenden Textauszug explizit von Lewis ausgeführt wird: dass er der Ansicht ist, es gäbe nicht nur eine reale, nämlich unsere, Welt, sondern daneben auch noch unendlich viele andere Welten:

I believe that there are possible worlds other than the one we happen to inhabit. If an argument is wanted, it is this. It is uncontroversially true that things might be otherwise than they are. I believe, and so you do, that things could have been different in countless ways. But what does this mean? Ordinary language permits the paraphrase: there are many ways things could have been besides the way they are actually. On the face of it, this sentence is an existential quantification. It says that there exist many entities of a certain description, to wit ´ways things could have been`. I believe that things could have been different in countless ways; I believe permissible paraphrases of what I believe; taking the paraphrase at it face value, I therefore believe in the existence of entities that might be called ´ways things could have been`. I prefer to call them ´possible worlds.`[3]

Was umgangssprachlich mit „es hätte auch so oder so sein können” bezeichnet wird, bezeichnet Lewis also mit ´mögliche Welten`. Für jedes so und so, wie etwas hätte sein können, für jede einzelne Weise gibt es nach Lewis eine mögliche Welt. Eine andere mögliche Welt ist also eigentlich nichts abschreckend Abstraktes, sondern einfach nur eine andere Bezeichnung für das „so“, wie etwas auch hätte anders sein können. Zudem vertritt Lewis die Ansicht, dass jede andere Welt durch nichts anderes als sich selbst identifiziert werden kann:

I emphatically do not identify possible worlds in any way with respectable linguistic entities; I take them to be respectable entities in their own right. When I profess realism about possible worlds, I mean to be taken literally. Possible worlds are what they are, and not some other thing. If asked what sort of thing they are, I cannot give the kind of reply my questioner probably expects: that is, a proposal to reduce possible worlds to something else. I can only ask him to admit that he knows what sort of thing our actual world is, and then explain that other worlds are more things of that sort, differing not in kind but only what goes on at them.[4]

Aber Lewis geht noch weiter: Nicht nur, dass es unendlich viele mögliche Welten gibt, sie alle sind in dem gleichen Maße aktual, also wirklich, wie unsere Welt für uns wirklich ist:

Our actual world is only one world among others. We call it alone actual because it differs

in kind from all the rest because it is the world we inhabit. The inhabitants of other worlds may truly call their own world actual, if they mean by ´actual` what we do; for the meaning we give to ´actual` is such that it refers at any world i to that world i itself. ´Actual` is indexical, like ´I` or ´here`, or ´now`: it depends for its reference on the circumstances of utterance, to wit the world where the utterance is located.[5]

Zusammengefasst lässt sich also festhalten: Bei Lewis ist jede (für uns) nicht-aktuale mögliche Welt etwas wie ein Universum, das in Zeit und Raum von unserer eigenen Welt isoliert ist. (Dies ist eine Vorstellung, die Lewis von anderen mögliche-Welten-Theoretikern unterscheidet.) In diesen möglichen Welten gibt es Dinge, die genauso real sind wie die Dinge oder Entitäten, die es in unserer aktualen Welt gibt, inklusive realer Dinge wie uns Menschen. Nach eigener Aussage gibt es nach Lewis keinerlei Unterschied zwischen der für uns aktualen Welt und allen anderen möglichen Welten ihren ontologischen Status betreffend. (Auch diese Behauptung wird so nur von Lewis vertreten und ist von anderen Philosophen scharf kritisiert worden.) Wie im letzten angeführten Zitat beschrieben, nennen wir unsere Welt nur deshalb ´aktual`, weil wir nun einmal in ihr sind. Ausdrücke wie ´aktual`, ´wirklich`, ´jetzt`, ´hier` sind nach Lewis sämtlich indexikalische Ausdrücke und scheinen gleichwertig zu sein. Was damit bezeichnet wird, hängt von demjenigen ab, der einen indexikalischen Ausdruck benutzt. Das impliziert, dass derlei indexikalische Ausdrücke nicht auf einen speziellen ontologischen Status hinweisen. Da unsere wirkliche Welt nur eine unter vielen anderen Welten ist, die von ihren eigenen jeweiligen Bewohnern als wirklich bezeichnet werden können, und keine Welt wirklicher ist als die andere, unsere eingeschlossen, bedeutet das: Alle anderen möglichen Welten sind genauso wirklich, wie die, die wir jeden Tag erleben. Jeder Bewohner jeder möglichen Welt bezeichnet seine Welt deshalb mit Fug und Recht als die aktuale Welt.

Es hat sich bereits abgezeichnet, dass Lewis eine in bestimmter Hinsicht sehr radikale Position vertritt, nämlich einen extremen modalen Realismus, der durch seine Konstruktion zu implizieren scheint, dass ein Individuum in mehr als einer Welt genauso existiert wie in unserer aktualen Welt. Die Rede über mögliche Welten schließt natürlich die Rede über die Bewohner der möglichen Welten mit ein: Durch seine Behauptung, jede andere der unendlich vielen möglichen Welten sei in dem gleichen Maße real wie die unsere, aktuale Welt, scheint Lewis auch behaupten zu wollen, dasselbe gelte ebenso für die Bewohner aller möglichen Welten:

Paul existiert in unserer aktualen Welt in derselben Weise wie in allen anderen möglichen Welten. Das impliziert überdies, dass Paul ein Teil dieser anderen möglichen Welt wäre: Paul in der möglichen Welt W1 soll ebenso real sein wie Paul in unserer aktualen Welt W. Letzterer ist ein Teil dieser Welt, dasselbe scheint auch für Paul in W1 gelten zu sollen.

Damit würde gelten, dass es Paul nicht nur einmal gibt, nämlich in unserer aktualen Welt, sondern dass es Paul auch in jeder anderen möglichen Welt gibt. Paul aus W wäre dann mit Paul aus W1 identisch. Ließe man dieses „Überlappen“ von Paul in den verschiedenen möglichen Welten zu, ergäbe sich dadurch die Konsequenz, dass Paul alle seine intrinsischen Eigenschaften essentiell hätte – denn stets ist die Rede von ein und demselben Paul, den wir aus unserer aktualen Welt kennen und anhand seiner Eigenschaften als solchen identifizieren können. Damit wäre der Weg geebnet für die Behauptung, es gäbe eine Identität durch alle möglichen Welten hindurch. Dies ist die These der Transwelt-Identität. Diese Annahme will Lewis aber keinesfalls gelten lassen. Denn die Behauptung von einer Transwelt-Identität hat die Verletzung eines der wichtigsten Gesetze der Metaphysik zur Konsequenz, das aber nach Lewis nicht aufgegeben werden darf.

[...]


[1] Im Folgenden werde ich das englische Wort ´counterpart` benutzen, da sich der englische Begriff so weit durchgesetzt hat, das es eigentlich keiner Übersetzung bedarf.

[2] Schwarz, Wolfgang, David Lewis, Dissertation, (Bielefeld) 2005, S. 40. 2009 erschienen im Mentis-Verlag, Paderborn, unter dem Titel: David Lewis, Metaphysik und Analyse.

[3] Lewis, David, Possible Worlds, in: Loux, Michael (1979), The Possible and the Actual: Readings in Metaphysics of Modality, Ithaca: Cornell Univ. Press, S. 182-189( Im Folgenden: Loux I). Erstmals veröffentlicht in: Lewis, David (1973), Counterfactuals, Oxford: Blackwell, S. 84-91.

[4] Lewis in Loux I, S. 183f.

[5] Lewis in Loux I, S. 184.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Counterparts vs. Transworld Identity
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Abteilung Philosophie)
Veranstaltung
Graduiertenseminar: Einführung in die Ontologie, SoSe 2006
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V124862
ISBN (eBook)
9783640299324
ISBN (Buch)
9783640304264
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Counterparts, Transworld, Identity, Ontologie
Arbeit zitieren
Master of Arts Kathrin Flottmann (Autor:in), 2006, Counterparts vs. Transworld Identity, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124862

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