Das Fegefeuer

Relevanz für den heutigen (katholischen) Glauben


Seminararbeit, 2004

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Fragestellung

2. Definition des Begriffs „Fegefeuer“

3. Biblische Grundlagen des Fegefeuerglaubens?

4. Woher stammt der Glaube an das Fegefeuer?
4.1. Dogmengeschichtliche Entwicklung des Fegefeuers
4.2. Zusammenfassung und Resumée

5. Die katholische Fegefeuerlehre der Gegenwart

6. Persönliches Fazit – Würdigung und Kritik der Fegefeuerlehre

7. Literatur

1. Einleitung und Fragestellung

Bei dem Begriff Fegefeuer dachte ich zunächst an Ablasshandel, üble Kirchendruckmittel und mittelalterlichen Katholizismus. Doch diese Assoziationen erschienen mir zu voreingenommen und einseitig. Also versuchte ich, möglichst vorurteilsfrei darüber nachzudenken, welchen Grund es geben konnte, dass sich Menschen eine Vorstellung wie die vom Fegefeuer erschufen.

Etwas psychologischer gedacht, kam mir die Angst vor der Endgültigkeit des Todes in den Sinn. In unserer heutigen Gesellschaft besteht ein starker Drang zur persönlichen Autonomie, der durch den Tod ein jähes Ende gesetzt wird. Dieser Umstand ist wohl auch ein Grund für die gegenwärtige Tabuisierung des Todes. Im Tode sind wir machtlos, und auch unreligiöse Menschen stehen am Ende ihres Lebens vor dem Problem, nichts mehr ändern oder nachholen zu können. In dieser Endgültigkeit liegt für mich die Verknüpfung zwischen den christlichen Vorstellungen vom Fegefeuer und meiner Gegenwart.

Daher lautet meine zu beantwortende Frage: Wie konnte sich eine für mich heute so abwegige Vorstellung eines Fegefeuers entwickeln und welche Relevanz hat sie heute noch für den (katholischen) Glauben?

In dieser Kurzarbeit möchte ich zuerst kurz den Begriff Fegefeuer definieren und nach biblischen Belegen für seine Existenz suchen. Anschließend möchte ich darlegen, woher die Vorstellung vom Fegefeuer stammt und wie sie sich im Laufe der Dogmengeschichte entwickelt hat.

Im Anschluss daran möchte ich ergründen, ob und wie die gegenwärtige katholische Theologie auf die Vorstellung des Fegefeuers Bezug nimmt.

Abschließend werde ich die Ansichten der neueren katholischen Theologie aufgreifen, um diese mit meiner lutherisch und hoffnungstheologisch geprägten Auffassung von den letzten Dingen zu vergleichen. Aus diesem Vergleich heraus mag sich die Antwort auf die Frage ergeben, welche Relevanz der Glaube an das Fegefeuer heute noch haben kann.

2. Definition des Begriffs „Fegefeuer“

Das im lateinischen als „Purgatorium“ bezeichnete Fegefeuer gilt in der katholischen Glaubenslehre als Zustand der Läuterung nach dem Tod.[1] Die Lehre basiert auf der Vorstellung, dass Verstorbene gleich nach ihrem Tod vor einem Gericht stehen, dass „die ‚Seelen', die in der Rechtfertigungs-Gnade sterben, noch läßliche Sünden oder zeitliche Sündenstraffolgen zu überwinden haben“ (K. Rahner) und dass sie vor der Anschauung Gottes noch Läuterungsstrafen erleiden müssen. Wichtig an dieser Lehre erscheint, „daß die im ‚purgatorium' festgehaltenen Seelen eine Hilfe in der Fürbitte der Gläubigen finden“ (Tridentinum). Mit der Fegefeuerlehre hängt eng die Lehre vom Ablass zusammen. Dieser tilgt zeitliche Sündenstrafen, kürzt also auch die Läuterungszeit im Fegfeuer.[2]

3. Biblische Grundlagen des Fegefeuerglaubens?

Auch in der katholischen Dogmatik ist es heute unbestritten, dass es keinen biblischen Text gibt, der eindeutig auf das Fegefeuer gedeutet werden kann. Dennoch wurden im Lauf der Dogmengeschichte immer wieder Stellen der Heiligen Schrift zum Beleg des Fegefeuers heran gezogen:

- 2. Makk 12,40-46 – Zeugnis für den Glauben an die Auferstehung (keine Läuterung)
- Lk16,24 – Beleg für die Peinigung durch Feuer (keine Reinigung)
- Mt 5,25-26 – Hinweis auf die Hölle (kein Fegefeuer)
- 1. Kor 3,11-15 – Verweis auf das Feuer des letzten Gerichts (kein Fegefeuer)

Obwohl wir heute aus der historisch-kritischen Exegese heraus diese Bibelstellen nicht auf das Fegefeuer hin deuten können, wurde aus ihnen in vergangener Zeit die Lehre vom Fegefeuer entfaltet.[3]

4. Woher stammt der Glaube an das Fegefeuer?

4.1. Dogmengeschichtliche Entwicklung des Fegefeuers

Das Fegefeuer beruht religionswissenschaftlich auf uralten Motiven (Feuer, Finsternis, Marter, Prüfung), und besonders die ägyptischen Jenseitsvorstellungen haben maßgeblich die Vorstellung einer Hölle und eines Totengerichts geprägt.[4] Jedoch möchte ich dies hier nur erwähnen, um zu betonen, dass die Eschatologie des Christentums „von früheren Religionen und Zivilisationen eine Geographie des Jenseits ererbt“[5] und mit der jesuanischen Predigt vom letzten Gericht verbunden hat. Bis zur Abschwächung der Parusieerwartung der urchristlichen Gemeinde, der Trennung von den jüdischen Gemeinden und dem Aufbruch zur Heidenmission wurde dieses letzte Gericht recht bald erwartet, und so ergab sich die Notwendigkeit zum Nachdenken über einen Zwischenzustand erst zur Zeit der christlichen Apologeten.

Diese begannen ab dem zweiten Jahrhundert in Auseinandersetzung mit ihrer heidnischen Umwelt „darüber nachzudenken, was mit den Seelen zwischen dem individuellen Tod und dem jüngsten Gericht geschieht“[6] und übernahmen dabei aus der griechischen Vorstellung das dualistische Modell von Himmel und Hölle (Elysium und Hades).[7] Dies setzte gleichsam auch das „Nachdenken über die Konstitution des Menschen (‚Leib’ und ‚Seele’)“[8] im Zusammenhang mit der gelehrten leiblichen Auferstehung voraus. Zu dieser Zeit gab es jedoch bereits die Praxis, Fürbitten, Totenmessen und Eucharistiefeiern für die Verstorbenen zu halten, wie die Schilderungen des Tertullianus († um 220) beweisen.[9] Diese immer weiter ausgedehnte und von den Kirchenvätern konstituierte liturgische Praxis ist meines Erachtens eine wichtige Grundlage für die Entwicklung der Lehre vom Fegefeuer.

Die patristische Auseinandersetzung mit der Gnosis lieferte weitere Voraussetzungen zur späteren Lehre vom Fegefeuer (Betonung der Leiblichkeit – also Leidensfähigkeit über den Tod hinaus)[10].

Origenes († um 254) schrieb „von der Auferstehung als einem Geschehen, das sich nicht erst nach dem Tod, sondern schon in der Taufe, in der Praxis des christlichen Lebens, dann auch im Tod und noch im postmortalen Läuterungsgeschehen vollzieht“[11] und begründete damit seine Lehre von der „Apokatastasis panton“ (= Allversöhnung durch Läuterung), die jedoch von der Gesamtkirche abgelehnt wurde.[12] Aus der Auseinandersetzung mit Origenes stammte wohl die in der Ostkirche bis 1274 andauernde Ablehnung einer Reinigungsstrafe oder Belohnung vor dem Tag des Gerichts.[13]

Erst Augustinus († 430) unterschied eine erste Auferstehung der Seelen durch die Gnade des Glaubens an Jesus Christus und eine zweite Auferstehung als Auferweckung der Leiber zum letzten Gericht. Diese Kombination, bei der die Gerichtsperspektive über die Auferstehungshoffnung dominierte, legte einen Zwischenzustand nahe, bei dem Seele und Leib getrennt sind. Augustinus verband die bereits existierende Vorstellung von einem Läuterungsfeuer mit der aufkommenden Lehre vom Zwischenzustand, in dem er das läuternde Feuer vom Feuer der ewigen Verdammnis schied.[14] Augustinus trug durch seine „media sufragii“ (Gebet, gute Werke, Almosen und Messopfer) zur Praxis der Kirche bei, für die Toten zu beten.

Gestützt durch die Praxis der Kirche und die aus der Alten Kirche transportierten Bußvorstellungen entwickelte sich der Glaube an das läuternde Leiden nach dem Tod weiter[15], bis im Frühmittelalter Gregor der Große († 604) zum „Kompilator“ der Fegefeuerlehre wurde[16]. Als er 590 n. Chr. zum Papst berufen wurde, sah er sich einer furchtbaren Pestepidemie gegenüber und war daher davon überzeugt, dass der Weltuntergang nunmehr unmittelbar bevor stünde. In diesem Kontext versuchte er als „eschatologischer Hirte“ die Christenheit zu retten und bemühte sich dabei nicht nur um die lebenden, sondern auch um die bereits verstorbenen Seelen. Seine Unterscheidung von schweren und lässlichen Sünden, die Herbeiführung authentischer Zeugen für gelungene Läuterungen und eine klare Auskunft über den Ort der Läuterung trugen maßgeblich zur Vorbereitung des Fegefeuerglaubens bei.[17]

[...]


[1] Vgl. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001

[2] Vgl. Digitale Bibliothek Band 73: Taschenlexikon Religion und Theologie, S. 992ff

[3] Vgl. Wolfgang Beinert, Lexikon der katholischen Dogmatik, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 1991, S. 428

[4] Vgl. Jacques Le Goff, Die Geburt des Fegefeuers, Deutscher Taschenbuchverlag GmbH, München 1984, S. 29

[5] A. a. O., S. 10

[6] Vgl. a .a. O., S.11

[7] Vgl. ebd.

[8] Theodor Schneider, Handbuch der Dogmatik Band 2, Patmos Verlag, Düsseldorf 1992, S. 440

[9] Vgl. Digitale Bibliothek Band 12: Religion in Geschichte und Gegenwart, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), S. 9377f

[10] Vgl. ebd.

[11] Schneider, S. 442

[12] Vgl. TRT, S. 992ff

[13] Vgl. Schneider, S. 446-447

[14] Vgl. a. a. O., S. 442-444

[15] Vgl. a. a. O., S. 444

[16] Vgl. RGG, S. 9377f

[17] Vgl. Le Goff, S. 110-117

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Das Fegefeuer
Untertitel
Relevanz für den heutigen (katholischen) Glauben
Hochschule
Evangelische Hochschule Berlin  (Religionspädagogik)
Veranstaltung
Dogmatik
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
12
Katalognummer
V124573
ISBN (eBook)
9783640297757
ISBN (Buch)
9783640303113
Dateigröße
402 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fegefeuer, Dogmatik
Arbeit zitieren
Regine Seidel (Autor:in), 2004, Das Fegefeuer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124573

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