Grundlagen eines guten User Interface Designs


Hausarbeit, 2003

16 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Gute Schnittstelle, schlechte Schnittstelle? Das ist hier die Frage.

2. Anthropologische Grundlagen guten Designs
a. Aufmerksamkeit
b. Aufmerksamkeitsgesetze
c. Gedächtnis
d. Motivation und Handeln

3. Richtlinien im Vergleich und auf dem Prüfstand
a. EN ISO Norm 9241
b. „Design Guidelines“ IBM

4. Offene Fragen vor dem Hintergrund bestehender Konzepte

5. Quellennachweis

1. Gute Schnittstelle, schlechte Schnittstelle? Das ist hier die Frage.

Im Mai 2002 hatten Fluglotsen in einem Kontrollzentrum im englischen Swanwick Probleme mit ihrer neuen Software. Die Schrift auf ihren Bildschirmen war zu klein und so schlecht lesbar, dass eine Maschine versehentlich statt nach Glasgow nach Cardiff dirigiert wurde. Die Flughafenkürzel „EGFP“ und „EGFF“ wurde leider vertauscht. Außerdem kam es zu Problemen bei Höhenangaben, da auch dort Abkürzungen aufgrund der schlechten Bildschirmdarstellung verwechselt wurden.

Dieses eklatante Beispiel soll belegen, wie wichtig gutes Design von Benutzerschnittstellen ist. Täglich hat jeder von uns mit User Interfaces bzw. Benutzerschnittstellen aller Art Kontakt. Wenn wir eine Waschmaschine bedienen, die Klimaanlage im Auto regeln, den Videorecorder programmieren oder unsere Computer und dort installierte Programme benutzen. In allen diesen Fällen kommunizieren wir mit den Maschinen auf bestimmte Weise über ein Werkzeug, Hilfsmittel – das Interface.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eines haben alle Interfaces gemeinsam: Sie sind ein Zwei-Wege-Kommunikationskanal – vom Anwender zur Maschine („Input devices“) oder von der Maschine zum Benutzer („Output devices“), wobei es auch Geräte gibt, die beide Funktionen vereinen (z.B. Touchscreen-Displays).

„Die Benutzerschnittstelle eröffnet den Zugang zur Funktionalität einer Applikation. Mehr noch: aus der Sicht des Benutzers ist das User Interface die Applikation.“ (http://www.ergosign.de/de/services/uid/uid.html)

Aus diesem Grund trägt das User Interface die Verantwortung dafür, dass der User seine Aufgaben schnell und effizient erledigen kann. Wenn dieser Tatbestand erfüllt ist, spricht man von einem guten User Interface Design.

Woher weiß der Entwickler einer Schnittstelle, ob er die Elemente am Bildschirm optimal platziert hat, die Schriftgröße ausreicht, die Menge der Information den User nicht überfordert ?

Lange Zeit verließen sich die Entwickler in Softwareschmieden auf ihre eigene Erfahrung. In jahrelanger Entwicklungsarbeit hatten sich bestimmte Vorgehensweisen als überlegen erwiesen und wurden in selbst verfassten Design Konzepten zusammengefasst. Daher hat heute jede große Softwarefirma ihre eigenen Design Handbücher, die aber eher auf gesammelter Erfahrung als auf einem wissenschaftlichen Fundament basieren.

Mittlerweile hat sich in den Konzernzentralen jedoch die Überzeugung durchgesetzt, dass nur die Wissenschaften das nötige Grundlagenwissen hervorbringen können, um verbindlich zu klären, was gutes Design ist und welchen anthropologischen Voraussetzungen es gerecht werden muss. Heute arbeiten die Disziplinen der Informatik, Psychologie, Biologie und Informationswissenschaft eng mit der Industrie zusammen.

In dieser Arbeit möchte ich skizzieren, warum diese menschlichen Konstanten beim Design von User Interface berücksichtigt werden müssen. Vor diesem Hintergrund prüfe und vergleiche ich anschließend zwei Richtlinien, die europäische ISO-Norm 9241 und das Design Konzept von IBM.

Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, konzentriere ich mich ausschließlich auf grafische Benutzeroberflächen (Graphical User Interfaces, GUI).

2. Anthropologische Voraussetzungen

a) Aufmerksamkeit

„Der wichtigste Aspekt der Aufmerksamkeit umschreibt unsere Fähigkeit, aus dem vielfältigen Reizangebot der Umwelt einzelne Reize oder Reizaspekte auszuwählen und bevorzugt zu betrachten, andere dagegen zu übergehen und zu unterdrücken. Würden vom Organismus alle Reize mit der gleichen Priorität verarbeitet, wäre aufgrund eines sensorischen Reizüberangebots ein geordnetes Handeln unmöglich.“ (Lexikon der Psychologie, Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg 2002).

Warum ist der Aspekt der Aufmerksamkeit für das Design von Graphical User Interfaces wichtig ?

- Weil die Aufmerksamkeit eine genauso begrenzte kognitive Ressource ist wie z.B. das Gedächtnis. Daher gilt es, diese Ressource optimal zu nutzen. Weiter noch: Aus dem o.g. Zitat wird deutlich, dass es Mechanismen gibt, die die Aufmerksamkeit lenken. Wenn man sich derer bewusst ist, lassen sich Wirkungen voraussagen und steuern.
- Je nach Aufgabe des GUI, soll so wenig Aufmerksamkeit wie nötig oder so viel wie möglich gebunden werden. Eine Betriebsystemoberfläche dient als Plattform für andere Programme. Deshalb sollte die Plattform möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich ziehen, damit der eigentlichen Applikation die volle Konzentration gilt. In Notfällen aber ist evtl. überlebenswichtig, dass die Software die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht, wenn z.B. der Systemzustand kritisch ist.
- Gerade im Internet ist die latente Grundbelastung durch riesige Informationsmengen, hohe Komplexität, einen großen Anteil irrelevanter und ablenkender Inhalte, etc. extrem hoch. Viele kommerzielle Angebote konkurrieren untereinander. Ob sich ein Angebot gegenüber dem anderen durchsetzt, hängt nicht zuletzt davon ab, welches Angebot mehr Aufmerksamkeit erregt und in der Lage ist, sie dauerhaft zu binden.

Wie funktioniert die Aufmerksamkeit ?

Das erweiterte Filter Modell:

Die Aufmerksamkeit wird heute als erweitertes Filter-Modell verstanden. Es geht davon aus, dass nach dem Registrieren der Umwelt sofort eine sehr breite inhaltliche Analyse stattfindet, die vorbewusst (präattentiv) ist. Diese Prozesse arbeiten rasend schnell und sind bereits nach 300 – 500 Millisekunden abgeschlossen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wir verarbeiten deutlich mehr Information als uns bewusst wird. Aus dieser breiten Masse wird je nach Richtung unserer Aufmerksamkeit relevantes Material ausgewählt. Wenn aber ein signifikanter Reiz aus einem anderen Bereich auftritt, ist er in der Lage, unsere Aufmerksamkeit umzulenken (Cocktail-Party-Effekt[1] ).

Versuche belegen, dass die Richtung unserer Aufmerksamkeit u.U. stärker von unbewusst ablaufenden Prozessen kontrolliert wird als von unseren bewussten Absichten (Stroop-Effekt[2] ). Menschen sind z.T. in der Lage, Reize zu unterdrücken, damit wir weiter konzentriert an einer Sache arbeiten können. Das heißt aber, dass diese Reize Ressourcen fressen und das Arbeiten an sich anstrengender machen.

Des Weiteren wird angenommen, dass es von der Art der zu lösenden Aufgabe und der vorherrschenden Situation abhängt, welche Art des Denkens und Wahrnehmens dominiert. Daher geht die Theorie von verschiedenen Formen der Aufmerksamkeit aus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schwebende A. (weit-external): Diese Form der A. liegt vor, wenn wir z.B. ohne definiertes Ziel im Web surfen, die Seiten oberflächlich scannen und den Bildschirm in groben Schritten überfliegen.

Fokussierte A (eng-external).: In diesem Fall ist unsere A. auf ein Ziel gerichtet. Wenn wir z.B. einen Absende-Knopf bei einem Formular suchen, nehmen wir nur aufgaben-relevante Reize wahr.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Welche Reize unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, hängt von unseren Gewohnheiten ab:

4 Typen von Gewohnheiten

- biologische (evolutionäres Erbe) „Gewohnheiten“ wie z.B. das reflexartige Ansprechen unserer Aufmerksamkeit auf schnelle Bewegungen oder intensive Farben.
- gelernte Gewohnheiten, so etwa die Blickreihenfolge von links oben nach rechts unten, die durch die Leserichtung in unserer westlichen Kultur vorgegeben wird.
- medienspezifische Gewohnheiten wie das „Zappen“ beim Fernsehen oder das schnelle, oberflächliche Querlesen von Internetseiten „Scanning“.
- Individuelle Gewohnheiten wie die Vorgabe bestimmter Schriftarten, Browser-Einstellungen, etc.

Konsequenz

Die wichtigste Frage, die es zu klären gilt, lautet: Welchen Aufmerksamkeitszustand kann man beim Anwender voraussetzen und welchen Aufmerksamkeitszustand braucht er, um die Inhalte zu verstehen und das Interface zu bedienen?

b) Aufmerksamkeitsgesetze

Wie bzw. wodurch wird Aufmerksamkeit ausgelöst? Mit welchen Methoden kann Aufmerksamkeit gesteuert werden?

Die Antwort auf diese beiden Fragen geben die Aufmerksamkeitsgesetze. Unsere Wahrnehmung ist bestrebt, möglichst eindeutige, geordnete, beständige und sinnvolle Inhalte zu verwirklichen (Prägnanztendenz). Die Gestaltgesetze sorgen in unserer Wahrnehmungsumwelt für Ordnung. Sie wurden „entwickelt, um das Überleben der Art und als Individuum zu sichern. Sie helfen, Überlebenswichtiges von Unwichtigem zu trennen. Daher haben sie alle einen biologischen, sozialen und psychologischen Sinn. “ Wenn Entwickler sich dieser Gesetze bewusst sind und ihre Anwendung beherrschen, können die kognitiven Ressourcen des Anwenders optimal eingesetzt werden.

Gestaltgesetze

- Intensitätsgesetz
- Farbgesetze
- Ausnahmegesetz
- Dissonanzgesetz
- Gewöhnungsgesetz
- Eye-catcher und biologische Signale

Intensitätsgesetz

Intensität erregt Aufmerksamkeit. Das erscheint trivial. Intensive Kontraste, Farben, Geräusche und Bewegungen ziehen unsere Aufmerksamkeit an. Wenn wir uns zwischen zwei Reizen entscheiden müssen, wählen wir den intensiveren! Das heißt, wir wählen ihn für weiterführende Denkprozesse aus. Diese Intensitätsgesetze gelten in allen Sinnesmodalitäten. Bei User Interfaces lässt sich dies beispielsweise in einen Klick auf einen Hyperlink übersetzen, der i.d.R. blau eingefärbt und unterstrichen ist und sich so vom Hintergrund absetzt.

[...]


[1] Cocktail-Party-Effekt: Zwei Menschen unterhalten sich konzentriert miteinander auf einer Party. Trotz des hohen Lärmpegels und anderer störender Einflüsse lassen sie sich nicht ablenken. Plötzlich fällt irgendwo im Raum der Name eines Gesprächspartners und sofort schwenkt die Aufmerksamkeit um. Dieser signifikante Reiz verursacht einen sog. Orientierungsreflex.

[2] Der Stroop-Effekt ist nach seinem Entdecker John Ridley Stroop benannt. Er beschreibt die Tatsache, dass parallel ablaufende psychologische Verarbeitungsprozesse sich gewissermaßen in die Quere kommen können (Interferenz), wenn sie auf die gleiche Ressource im Gehirn zugreifen. (Internetquelle: http://www-user.uni-bremen.de/~ograf/ )

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Grundlagen eines guten User Interface Designs
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Medienwissenschaften)
Veranstaltung
Medienästhetik
Note
2+
Autor
Jahr
2003
Seiten
16
Katalognummer
V12457
ISBN (eBook)
9783638183406
ISBN (Buch)
9783638787512
Dateigröße
789 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dichter Text - einzeiliger Zeilenabstand. 441 KB
Schlagworte
GUI, UI, Interface, Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeitsgesetze, Usability, Internetdesign, Websitedesign, Design, Farbgesetze, ISO Norm 9142, IBM
Arbeit zitieren
Willem Konrad (Autor:in), 2003, Grundlagen eines guten User Interface Designs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12457

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