Korruption: Personale und situative Faktoren des Korrumpiertwerdens


Seminararbeit, 2005

36 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsübersicht

Abkürzungsübersicht

1. Einleitung

2. Prozesse und Faktoren im Lichte der passiven Korruption
2.1. Allgemeine Defintition: Faktor passiver Korruption
2.2. Passive Korruption im Unternehmen - Indivduum Fit Modell
2.3. Passive Korruption als zu beurteilende Nachteil-Nutzen Relation
2.4. Faktoren im mehrwertigen Reziprozitätsverhältnis

3. Personale Faktoren der Individualebene
3.1. Individuell verschiedene Persönlichkeitsmerkmale
3.2. Kognitive Verankerung
3.3. Intrapersonales Gerechtigkeitsempfinden
3.4. Gesellschaftlicher Status
3.5. Position im Unternehmen

4. Situative Faktoren im Unternehmensbereich
4.1. Eigenschaften der spezifischen Situation
4.2. Gruppenbezogene Besonderheiten
4.3. Untemehmensinteme Faktoren
4.4. Kontrollinstanzen im Unternehmen

5. Situative Faktoren der Gesellschaftsebene
5.1. Gesellschaftliche Würdigung
5.2. Moralverschiebung und Werteänderung
5.3. Einfluss des Staates

6. Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Anhänge

Literaturverzeichnis

Abkürzungsübersicht

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

In den letzten Jahren kam es zu einem deutlichen Anstieg von aufgedeckten Korruptionsfällen in Unternehmen. Das bisherige Betätigungsgebiet von passiver Korruption (p. K.), der öffentliche Dienst, scheint nicht alleiniges Ziel der Korrumpierenden gewesen zu sein. P. K. kann anhand des Beispieles Opel (Rügemer, 1996, S.76) als folgender Tauschvorgang umschrieben werden. Ein Mitarbeiter in einem Unternehmen, der passiv Korrumpierte, handelt für eine Gegenleistung im Sinne des aktiv korrupten Geschäftspartners. Der Übergang von einer geringfügigen Aufmerksamkeit zu handfester Korruption ist fließend und eine gezogene Trennung erscheint unscharf.

Die Unternehmen sind in hohem Maße betroffen. Diese hatten bisher allerdings nur in den seltensten Fällen (drohender Konkurs oder bereits laufende Ermittlungen) ein Interesse an der Aufklärung. Sei es wegen der Befürchtung, „bei Aufdeckung einen Imageschaden zu erleiden“ (Köpf, 1997, S.83) oder wegen der Gefahr, weitere Ermittlungen im Hause dulden zu müssen. Der Druck auf die Unternehmen für eine korrekte Verhaltensweise im Geschäftsleben, wie z.B. in Singapur vorhanden, und die zunehmende Zahl an erfolgreichen Ermittlungen der Strafverfolger (Schaupensteiner, 2002, S.75) zwingen die Unternehmen allerdings zu einer Neuorientierung. Die Implementierung von Reaktionsmechanismen und Prävention sind in diesem Zusammenhang vieldiskutierte Methoden. Grundlage dafür muss allerdings eine weitreichende Analyse von Faktoren sein, die p. K. beeinflussen. Optimalerweise ergeben sich daraus Instrumente, die eine effiziente und konsequente Prävention und Verfolgung ermöglichen.

Diese Arbeit soll nun einen Beitrag zu dieser Analyse leisten, indem sie als Hauptgegenstand einen Überblick über die Faktoren von p. K. gibt, diese beschreibt, und als kurzen Ausblick praktische Empfehlungen anbietet. Dabei sollen auch Zusammenhänge zwischen den Faktoren dargelegt werden sowie Prozesse und Abläufe erklärt werden, welche sich bei der Entscheidung der beteiligten Person und in der entsprechenden Situation abspielen.

2. Prozesse und Faktoren im Lichte der passiven Korruption

Bevor die Faktoren konkretisiert werden, ist zunächst zu klären, was einen Faktor p. K. allgemein ausmacht. Auch soll die Ausprägung der Faktorenbeziehung untereinander vorgestellt werden. Weiter wird in einem globalen Modell dargestellt, anhand welcher Gegebenheiten und Prozesse sich das ökonomisch denkende Individuum für oder gegen p. K. entscheidet.

2.1. Allgemeine Definition: Faktor passiver Korruption Im deutschen Sprachgebrauch wird ein Faktor allgemein als Einfluss bezeichnet. Darüber hinaus kann ein Faktor hinsichtlich Korruption als Eigenschaft, Ursache, Grund, Gesichtspunkt und Umstand gelten, mit der Prämisse, dass tatsächlich ein Einfluss auf das passive Korruptionsverhalten vorliegt. Ein Faktor lässt sich in drei Dimensionen einteilen.

Die 1. Dimension stellt die Ebene des Ursprungs eines Faktors dar. In der Literatur wird häufig abstrakt von Mikroebene, Mesoebene und Makroebene gesprochen (Kleiner, 1992, S.184). In dieser Arbeit soll dies allerdings eine Konkretisierung erfahren, indem von Individual-, Unternehmens- und Gesellschaftsebene gesprochen wird. Die Ebenen sind nicht isoliert zu betrachten, sondern es gibt erhebliche Interpendenzen innerhalb und zwischen den Ebenen.

Die 2. Dimension eines Faktors stellt der Grad der Messbarkeit dar. Es gibt Faktoren, deren Messung nicht möglich erscheint, wie z. B. „ ’moral costs’ “ (Porta & Rose - Ackermann, 2002, P.12). Andere hingegen sind nur mit hohem Aufwand und Annahmen messbar, so z. B. der vollständige finanzielle Status. Letztlich gibt es Faktoren, die sich leicht und vollständig messen lassen, z. B. das drohende Strafmaß. Die Messbarkeit ist Voraussetzung für die Darstellung der gegenseitigen Interpendenzen und somit für Einflussmaßnahmen.

Die 3. Dimension betrifft die Abgrenzung der Charakterisierung „personal“ gegenüber „situativ“. Personal bedeutet, dass der Ursprung des Faktors endogen vom Betroffenen ausgeht. Situativ bedeutet hingegen, dass es sich um einen exogenen Zustand handelt. Die Zuordnung kann in den wenigsten Fällen eindeutig erfolgen und stellt eher ein Kontinuum dar. So ist z. B. die Position im Unternehmen sowohl situativ als auch personal interpretierbar. Es wird vereinfachend in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass personale Faktoren auf der Individualebene und situative auf der Unternehmens- und Gesellschaftsebene liegen. Begründen lässt sich diese Vereinfachung durch die Annahme, dass sich die Zuordnung auf den entsprechenden Ebenen häuft. Abbildung 1 soll diese Ebenen grafisch verdeutlichen[1] [2]. Diese Systematisierung hat den Vorteil, dass Reaktionsmechanismen sowie präventive Maßnahmen, als Zweck der Faktorenanalyse, eindeutiger festlegbar sind. Das Ansatzgebiet sowie die konkrete Auswahl und sogar die Wirkung einer Maßnahme sind dadurch genauer bestimmbar. Nach dieser allgemeinen Erklärung und der begrifflichen Festlegung soll im Anschluss auf die Darstellung der Abläufe bei der Person in ihrer Umwelt eingegangen werden.

2.2. Passive Korruption im Umwelt - Individuum - Fit - Modell

Als Ausgangsbasis der Prozessdarstellung von p. K. soll das „Umwelt - Individuum - Fit - Modell“ dienen. Es soll auf p. K. angewendet, dabei logisch ergänzt und grafisch in der Abbildung 2 dargestellt werden.

In dem wechselseitigen Beziehungsgeflecht Person - Umwelt, d. h. im Unternehmen herrscht eine gegenseitige Verpflichtung. Die Person stellt dem Arbeitgeber ihre Qualifikation gegen Geld, das für die Bedürfnisbefriedigung benötigt wird, zur Verfügung. Herrscht eine Übereinstimmung von Anforderung vs. Qualifikation und Bedürfnis des Mitarbeiters vs. Erbringung der Bedürfnis­befriedigung liegt für die Person kein Anlass für eine Änderung vor. Ist diese Wechselbeziehung nicht im selben Verhältnis, z. B. wegen Unterbezahlung, wird das Individuum danach streben, einen ausgeglichenen Zustand herbeizuführen. Für die Lösung des Spannungsverhältnisses ist entscheidend, wie das Ungleich­gewicht vorliegt und wie die Spannung wahrgenommen und interpretiert wird. So kann z. B. Unterbezahlung einmal als zu geringe monetäre Leistung des Unternehmens oder aber als Mehrleistung der Person interpretiert werden. Diese subjektive Wahrnehmung des Leistungs-Anforderungs-Profils ist wegen der

Auswahl der Lösungsmethode des Spannungsverhältnisses von höchster Bedeutung. Dabei ist p. K. als eine dieser möglichen Lösungstechniken anzusehen. Personale und situative Faktoren beeinflussen hierbei die Entscheidung einer Durchführung. Sie bestimmen, inwieweit p. K. dem Individuum als Mittel erfolgreich zu sein scheint. Die Durchführung beeinflusst allerdings wiederum die Faktoren selbst. Beispielsweise ändert eine erhaltene Bestechungszahlung die finanzielle Lage. Das wirkt sich daraus folgernd bei der nächsten Entscheidung aus. Abschließend beeinflusst diese mittels der veränderten Faktoren auch den Grad der Bedürfnisbefriedigung der beteiligten Person, wobei der Level des Bedürfnisses nach einem korrupten Vorgang steigt. Der eigentliche Entscheidungsvorgang für oder gegen p. K. findet allerdings innerhalb einer besonderen Nachteil-Nutzen Entscheidung statt.

2.3. Passive Korruption als zu beurteilende Nachteil-Nutzen Relation

In der Korruptionsforschung werden mehrere Ansätze verschiedener analytischer Interessen aufgeführt (Sturm, 2003, S.55). Einer dieser Ansätze ist der rational- choice Ansatz, welcher ex ante „am besten individuelles Verhalten und individuelle Verhaltensdispositionen analysiert“ (Sturm, 2003, S.61). Dieser Ansatz soll hier, dargestellt in Abbildung 3[3], aufgegriffen und weiterentwickelt werden. Die Autoren von Alemann und Kleinfeld (1992, S.274) sprechen in diesem Zusammenhang von Kosten - Nutzen - Kalkülen. Es existieren Kosten, welche pagatorisch allerdings nicht zu bemessen sind, z. B. eine drohende Freiheitsstrafe. Daher soll stattdessen von Nachteilen gesprochen werden. Das rational denkende Individuum sieht sich bei p. K. mit einem Verhältnis von Nachteilen gegenüber Nutzen konfrontiert. Nutzen und Nachteil werden durch das Geflecht der vielseitigen Faktoren bestimmt, wie z. B. dem Ausmaß der Bestechungssumme oder der strafrechtliche Sanktion bei Entdeckung. Diese Faktoren werden subjektiv vom Individuum bzgl. ihrer Relevanz hinsichtlich des Spannungsverhältnisses[4] beurteilt und schließlich als Nachteil oder Nutzen für das Individuum selbst interpretiert. Diese Relation ist keinesfalls numerisch zu verstehen, sondern eher als Tendenz aufzufassen. Bewertet wird diese Relation anhand des persönlichen Risikoprofils bzw. von dem „degree of the agent’s risk aversion“ (Thiele, 2000, P.4). Das Individuum sondiert mit einer risikoaversen, risikoneutralen oder risikofreudigen Einstellung (vgl. Vogt, 1997, S.60) seine passive Korruptionsneigung. Parallele Entscheidungsinstanz stellt letztlich das Gewissen dar, „da das Gewissen zur Beurteilung und Entscheidungshilfe bei einer sich stellenden Frage, ob man sich auf eine korruptive Handlung einlassen soll“ (Bossard, 2000, S.33), herangezogen wird. Unmittelbares Ergebnis dieser Beurteilung ist das tatsächliche Durchführen oder die Ablehnung des korrupten Tauschvorganges. Eine wichtige Instanz ist dabei das Verhältnis, in welchem sich die Faktoren beeinflussen.

2.4. Faktoren im mehrwertigen Reziprozitätsverhältnis

Die Faktoren der verschiedenen Ebenen stehen miteinander in einem bestimmten Beziehungsgeflecht. Die Zusammenhänge wurden bisher durch zwei verschiedene Methoden dargestellt. Der formale Ansatz versucht einzelne Faktoren im Rahmen einer mathematischen Gleichung darzustellen (Neugebauer, 1977, S.24 - S.28) und sie somit in Beziehung zu setzen. Problematisch ist dabei die (zu geringe) Anzahl an Faktoren, welche berücksichtigt werden können sowie die (zu) komplexe Darstellungsform. Ein weiterer Ansatz ist die multiple Regression, bei welcher sowohl Korrelate hinsichtlich p. K. als auch Korrelate zwischen den Faktoren selbst dargestellt werden können. Dieser Ansatz wird beispielhaft in Abbildung 4 dargestellt[5] (Weder, 2002, P.62 - P.63). Er geht implizit von einer Messbarkeit aus und kann für eine Darstellung hilfreich sein. Man muss allerdings Abhängigkeiten und gegenseitige Beeinflussungen, die das Ergebnis verfälschen können, berücksichtigen. Auch das Problem einer Scheingenauigkeit kann vorhanden sein. Es gilt diese Gefahren abzustellen. Zu berücksichtigen ist auch, dass kaum empirisch valide Daten vorliegen und auch einige Faktoren nicht messbar sind. Somit ist nur eine begrenzte Darstellung möglich. Versucht man die Beziehung aller Faktoren darzustellen, kann sich nur ein chaotischer Zusammenhang mit gegenseitigen Rückkopplungen ergeben, angedeutet in Abbildung 3[6]. Man kann dieses System als Reziprozitätsverhältnis bezeichnen.

3. Personale Faktoren der Individualebene

Nachdem nun das Grundgerüst für passiv korrupte Abläufe steht, sollen die personalen Faktoren genau bestimmt werden. Sie haben die Eigenschaft, vom Individuum reflektiert zu werden. Dabei sind alle Faktoren anzuführen, welche das Individuum von sich aus dazu bewegen, einen passiv korrupten Vorgang einzugehen.

3.1. Individuell verschiedene Persönlichkeitsmerkmale

In der Psychologie wurde das „Big - Five“ Modell eingeführt. Auf Ebene höchster Abstraktion wurden mittels eines lexikalischen Ansatzes alle im Sprachgebrauch existierenden Beschreibungen für kontinuierliche Persönlichkeitseigenschaften eines Menschen zusammengefasst. Diese fünf Eigenschaften sind Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, emotionale Stabilität und Offenheit (Gebert & Rosenstiel, 2002, S.186 - S.189). Sie enthalten verschiedene Facetten bzw. Subfaktoren (Backhaus, 2004, S.5), die bzgl. p. K. näher beleuchtet werden sollen.

Die „hohe Wertschätzung materieller Dinge“ (Bannenberg, 2002, S.223) und die persönliche Werthaltung einer Bereicherungsabsicht (Bossard, 2000, S.30) spielt eine große Rolle für korrupte Anfälligkeit. Dieses Streben ist für einen solchen Menschen das höchste Ziel in der Werthierarchie. Für das Erreichen wird p. K. als adäquates Mittel aufgefasst. Konkret kann sich diese Werthaltung in extensiver Konsumneigung, aber auch in einem unsteten Lebenswandel (Vahlenkamp, 1995 S.76) und in besonderen Schwächen (Vahlenkamp, 1995, S.47) äußern. Das Ende dieser Einstellung kann eine totale Selbstidentifikation mit dem Ziel Bereicherung sein. Diese Einstellung zeichnet sich durch schwache Selbstkontrolle aus (Bannenberg, 2002, S.360). Solche Täter seien „impulsiver, egoistischer, unsensibler, . . . , risikobereit, [und] denken kurzfristig“ (Bannenberg, 2002, S.360). Akuter Neid (Kleiner, 1992, S.47) auf Personen des unmittelbaren Umfeldes mit einem höheren materiellen Status kann ebenfalls Anlass für Annahme von Bestechungsgeld sein. Passiv Korrumpierte können genauso Geltungsdrang, das Streben nach Prestige bzw. Gier und ein elitäres Selbstverständnis aufweisen. Diese Selbstdefinition ist allerdings oft nur Blendung und Fassade (Bannenberg, 2002, S.212 - S.213). Ursache für diese extreme materielle Gewichtung und die erstrebte Wertschätzung seitens Dritter kann ein gering ausgebildetes Selbstwertgefühl sein, zu dessen Steigerung p. K. eingesetzt wird (Mischkowitz, Bruhn, Desch, Hübner & Beese, 2000, S.268). Sie lässt sich daneben auch auf ein Defizit an intrinsischer Motivation (Bannenberg, 2002, S.355) zurückführen. Oft sind Persönlichkeitsmerkmale das Ergebnis der kognitiven Verknüpfung von Werten, Ansichten und Maßstäben.

3.2. Kognitive Verankerung

Im Laufe der Erziehung werden dem heranwachsenden Menschen durch Eltern bestimmte gesellschaftliche Normen und Werte vermittelt. Bannenberg (2002, S.374) zeigt in ihren Ausführungen, dass diese dadurch entstandenen Werthaltungen im Allgemeinen kaum eine adäquate Missbilligung von p. K. beinhalten. Der junge Mensch lernt nicht, dass p. K. genauso negativ zu beurteilen ist wie z. B. Diebstahl. P. K. wird von Kleiner (1992) als gefördertes Verhalten in der „Gruppe als Ort der Geborgenheit oder Quelle des Selbstbewusstseins“ (S.48) angeführt. Die Absenz der Ächtung dieser belohnten Verhaltensweise im Wertekatalog wirkt sich prägnant auf die individuelle Moralvorstellung aus. Bei dem Transfer der gesellschaftlichen Moralvorstellung in das eigene Bewusstsein wird das missbilligte aber nicht geächtete Verhalten übernommen. Dieses Verhalten wird in individuelle Maßstäbe, im Zusammenhang mit der entsprechenden Situation, umformuliert. Es ist letztendlich „rücksichtloses und normbrechendes Verhalten“ (Kleiner, 1992, S.43). Moralische Auffassungen, deren Natur im Widerspruch zu p. K. liegen, werden in dieser Situation ignoriert. Darauf basierend wird von einem allgemein nicht existenten Unrechts­bewusstsein, attestiert von Schaupensteiner (2003, S.183), ausgegangen. Die begangene korrupte Tat wird nicht als Unrecht, sondern als legitimes Mittel der persönlichen Bereicherung angesehen. Auch ein mangelndes Rechtsempfinden, welches Rechtsunkenntnis, mangelndes Rechtsverständnis, Rechtsumdeutung und Rechtsohnmacht (Claussen & Ostendorf, 2002, S.19 - S.20) beinhaltet, transformiert illegale Methoden in genormte Verhaltensweisen. Auch in diesem Zusammenhang neigen Menschen dazu ihr eigenes Verhalten zu verklären. Tatsachen werden nicht wahrheitsgemäß vor sich selbst dargestellt. Unrechtes Verhalten wird in rechtes Verhalten umgedeutet. Der Maßstab gegenüber Anderen wird bei der eigenen Person in ihrer Nachhaltigkeit herabgesetzt. Ein weiterer Ansatz ist die Neutralisierung, welche sich bei Bannenberg (2002) untergliedern lässt in „Verleugnung der Eigenverantwortung“, „Verneinung des Unrechts“, „Ablehnung des Opfers“, „Berufung auf eine höhere Autorität“ und „Verdammung der Verdammenden“ (S.353). Bewertung bzgl. Anderen wird nun bei der eigenen Person abgestellt oder wegen bestimmter (fiktiver) Umstände anders durchgeführt. Oft wird eine Strategie der eigenen Unschuld als Rechtfertigung (Claussen & Ostendorf, 2002, S.21) angewandt oder als Imitation (Bellers, 1989, S.6) üblicher Verhaltensweisen betrachtet. Eng verbunden mit der kognitiven Verankerung ist auch das ausgebildete Gerechtigkeitsempfmden, das die Person nachhaltig in ihrer Verhaltensweise beeinflusst.

3.3. Intrapersonales Gerechtigkeitsempfinden

Jeder Mensch verfügt über einen Gerechtigkeitssinn. In der Motivationstheorie greift man für eine nähere Erläuterung oft auf Adams’ Equity - Theorie zurück (Rosenstiel, 2000, Kap.5.3.1.5.1). Kurz Umrissen geht es um ein subjektiv empfundenes Verhältnis, welches das Individuum bei Ungleichgewicht wieder ins Gleichgewicht bringt:

Ich gebe / Ich bekomme = Andere Person gibt / Andere Person bekommt Hinsichtlich p. K. kann dieses Modell auf zwei Faktoren bezogen werden. Nimmt die Person ein Ungleichgewicht gegenüber einer anderen Person in ähnlicher Position wahr, wird sie entweder weniger leisten oder versuchen mehr zu bekommen. Dies kann durch Annahme einer Bestechungszahlung erfolgen. Eine Änderung der Relation zur anderen Person wird in den wenigsten Fällen möglich sein, daher muss das Individuum im eigenen Verhältnis Änderungen vornehmen oder diesen Vergleich gänzlich abstellen. Eine zweite Möglichkeit dieses Modell auf p. K. anzuwenden besteht innerhalb des korrupten Tausches selbst. Dabei wird subjektiv die erhaltene Bestechungszahlung mit dem Wert der korrupten Leistung verglichen. Eine subjektiv wahrgenommene, ungerechte Fehlverteilung von Gütern wird auch an anderer Stelle als Faktor p. K. aufgeführt (Smelser, 1985, 5.222) . Zu berücksichtigen ist hier allerdings auch die Möglichkeit, dass das Individuum den Zustand mit einer Neutralisierungsstrategie positiv umdeutet. Dies geschieht in dem Fall, wenn keine mögliche Aktion Erfolg verspricht, die Situation zu ändern.

3.4. Gesellschaftlicher Status

Eng verbunden mit der passiven Korruptionsneigung ist die gesellschaftliche Position eines Individuums. Sie wird durch die finanzielle Lage des Betroffenen dargestellt, welche Ursache für p. K. sein kann, z. B. bei gegebener Schulden­situation. Ausgehend von verschiedenen Tätertypen unterscheidet Bannenberg (2002, S.210 - S.218) u. a. verschiedene finanzielle Situationen. Generell wird ein (finanzieller) Engpass auch von Vahlenkamp (1995, S.147) als positiv einwirkender Faktor angeführt. Dabei sucht das Individuum diese Knappheit mit dem Bestechungsgeld auszugleichen. Eng verbunden mit dem gesellschaftlichen Status ist auch der Lebensstandard. Ist die Person mit diesem unzufrieden, wird sie versuchen diesen durch Statussymbole mittels der erhaltenen Bestechungs­summe aufzuwerten, sollte keine andere (legale) Möglichkeit bestehen. Krug (1997, S.64) verweist dabei auf ein inhärentes Machtstreben solcher Personen, welches als Triebfeder p. K. zu kennzeichnen ist. Täterkreise gewachsener p. K. bewegen sich auf den höheren gesellschaftlichen Ebenen. „Statusgewinn, anwachsende Wichtigkeit und gesellschaftliche Vorteile“ (Bannenberg, 2002, 5.223) stehen auch dort im Mittelpunkt. Einhergehend damit weisen passiv Korrumpierte häufig ein hohes Bildungsniveau auf, welches durch langjährige Tätigkeit in der entsprechenden Branche erweitert wurde und für den korrupten Vorgang als notwendiges Kriterium eingesetzt wird.

[...]


[1] siehe Anhang A

[2] siehe Anhang В

[3] siehe Anhang C

[4] vgl. Kapitel 2.2

[5] siehe Anhang D

[6] siehe Anhang C

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Korruption: Personale und situative Faktoren des Korrumpiertwerdens
Hochschule
Universität Bayreuth
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
36
Katalognummer
V124438
ISBN (eBook)
9783640297030
Dateigröße
1939 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Korruption, Faktoren
Arbeit zitieren
Daniel Gehrmann (Autor:in), 2005, Korruption: Personale und situative Faktoren des Korrumpiertwerdens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124438

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