Kolumbien als Zentrum der Drogenwirtschaft:

Hat die Drogenwirtschaft einen Einfluss auf die kolumbianische Kultur bzw. Gesellschaft?


Hausarbeit, 2008

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Anfänge und Entwicklung der Kokainwirtschaft

2. Das Kartell – die Drogenorganisation

3. Das Paramilitär und seine Verwicklungen in die Drogenwirtschaft

4. Die Guerilla (Bsp. FARC) und ihre Verwicklungen in die Drogenwirtschaft

5. Die Politik (Bsp: Álvaro Uribe Vélez) und ihre Verwicklung in die Drogenwirtschaft

Fazit

Literaturverzeichnis

1. Anfänge und Entwicklung der Kokainwirtschaft

Die ersten Anfänge der Drogenindustrie datieren in Kolumbien aus der Zeit des Marihuanabooms der siebziger Jahre. Zu Beginn jenes Jahrzehnts wurde Marihuana zunächst in Urabá angebaut und mit (...) Bananenbooten außer Landes gebracht. Als jedoch die USA begann die Boote aus Turbo genauer unter die Lupe zu nehmen, wechselte der Anbau nach La Guajira, wo er zwischen 1974 und 1978 blühte. Anfangs wurde der Anbau von nordamerikanischen Drogendealern finanziert, und es war leicht, Leute zu finden, die eine neue lukrative Kultur anzupflanzen bereit waren, viele von denen (...) waren bäuerliche Siedler. Ende der siebziger Jahre war das Zeitalter der Marihuana-Pflanze passé.[1] Es wurde ein profiltablerer „Wirtschaftszweig“ entdeckt – der Anbau und Handel mit Kokain. Bei Koka handelt es sich um das älteste der Menschheit bekannte Stimulans. Das Kauen der Blätter (...) kräftigt die Bewohner der Anden seit prähistorischen Zeiten. Die Pflanze galt als göttlich (...) und stand im Zentrum des religiösen und sozialen Systems im Inkareich. Noch heute kauen geschätzte acht Millionen Menschen Koka-Blätter, und noch mehr Millionen trinken mate de coca, der in fast jedem Supermarkt verkauft wird.[2]

1978 kam Präsident Turbay, der selbst in Verdacht stand, Beziehungen zu Drogenhändlern zu unterhalten, dem Wunsch der USA nach, die (Marihuana-)Pflanzungen zu vernichten.(...) Es wurden 10.000 Soldaten in das Anbaugebiet geschickt, die sehr gewalttätig gegen die Bauern vorgingen. Sehr viele Marihuanapflanzen wurden vernichtet – was nun unter anderem dazu führte, dass diese von etwas bedeutend Tödlicheren ersetzt wurden - durch Kokain. Die Menge des in die USA exportierten Kokains wuchs von 15 Tonnen im Jahre 1978 auf 270 Tonnen im Jahre 1988. Kolumbien wurde zum Zentrum der Verarbeitung und Vermarktung von Koka aus den benachbarten Andenländern. Obwohl das Land selbst nicht sehr viel Koka produziert, wurden etwa 16.000 bis 25.000 Hektar – vor allem in Caqueta, (...) mit Koka bepflanzt. In Peru sind es mehr als 100.000 und in Bolivien zwischen 35.000 und 50.000 Hektar. Die dramatische Steigerung der Produktion der Kokapflanze in Bolivien und Peru und ihre in Kolumbien angesiedelte Verwandlung in Kokain beruhen auf einer wachsenden Nachfrage in den entwickelten Ländern. Was die hohen Profite erklärt, ist einfach die Tatsache, dass es verboten ist. Die Verteilerkette, die Rohmaterial im Werte von einer Million Dollar in einen Profit von fünf Milliarden

verwandelt, macht aus dem Drogenhandel das lukrativste Geschäft der Welt.[3] In Medellín, zum Beispiel soll es keine einzige Familie geben, die nicht entweder durch einen Bruder, einen Cousin oder einen anderen Verwandten irgendwie in das Geschäft verwickelt ist.[4] Medellín war bereits in den fünfziger Jahren Zentrum der Drogenmafia gewesen, aber Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre und nach dem Wechsel der Marihuana-Pflanze von Urabá nach La Guajira, trat eine neue Mafia aus Antioquia auf den Plan und beschloss, sich auf Kokain zu spezialisieren (...), was natürlich tiefgreifende soziale und politische, aber auch ökonomische Folgen hatte. Die Berechnungen über die Auswirkung des Kokains auf die kolumbianische Wirtschaft unterscheiden sich stark voneinander. Schätzungen von zwei Ökonomen aus dem kolumbianischen Thinktank FEDEDESARROLLO (veröffentlicht 1988 in El Espectador) besagen, dass in jenem Jahr etwa 800 Millionen bis 1 Milliarde Dollar (4 % des Bruttoinlandprodukts) zurück nach Kolumbien gefunden haben. Der größte Teil der Einnahmen der Drogenbarone liegt jedoch auf US-amerikanischen und europäischen Banken.[5] Andere Quellen besagen, dass man nicht genau weiß wie viel Drogengelder zurück nach Kolumbien gehen. Ein leitender Beamter der Banco de la República gibt aber dessen Bedeutung bereitwillig zu und sagt, dass Kolumbien das Geld braucht, um die Wirtschaft in Gang zu halten. Das wäre eine traurige, aber unumstößliche Wahrheit. Ein Drogenhändler, der behauptet für die mächtigsten Drogenfamilien zu sprechen, behauptet, dass mit dem Drogengeld tausende Arbeitsplätze in der Leichtindustrie, auf Baustellen und Ranches geschaffen worden seien. Des Weiteren kommt hinzu, dass die Kokainhändler auch ein ganzes Heer von Boten, Fahrern, Leibwächtern und Mördern beschäftigen. Sie unterstützen zudem indirekt Bankiers, Buchhalter, Anwälte Grundstückshändler, Baumeister, Geschäftsbesitzer und andere.[6] Die Medaille hat natürlich zwei Seiten, denn das Aufkommen des Kokains in den späten siebziger Jahren bot weitere Möglichkeiten des Überlebens. Eine neue Elite bereicherte sich, und der Koka-Anbau verhalf einigen wenigen, am Rande des ökonomischen Bankrotts stehenden bäuerlichen Siedlern zu einem wie vom Himmel gefallenen Einkommen. Aber es kam auch zu Bandenkriege und mehr Blutvergießen (...).Gleichzeitig jedoch korrumpierte und destabilisierte der Kokain-Boom die ohnehin für Vetternwirtschaft anfälligen politischen Institutionen.

2. Das Kartell – die Drogenorganisation

In den letzten Jahren ist Kolumbien permanent in einen niemals offiziell erklärten Bürgerkrieg zwischen Behörden, den Drogenhändlern, und den Leuten, die man als ihre die Vorteile genießenden Alliierten bezeichnen könnte, verwickelt. Die Händler gewannen nicht jede Schlacht und erlitten schwere Rückschläge, aber die Realität sieht so aus, dass sie den Krieg gewonnen haben und das auch noch immer tun: für jeden Verlust, (...), jeden Rückzug, (...) konnten sie in der Folge vorrücken und Siege erzielen. Wahrscheinlich kann man sagen, dass die kolumbianische Kokainmafia heute besser organisiert ist als je zuvor (...).[7].Die Bosse des Kokainhandels konnten auf eine lange Erfahrung des informellen Wirtschaftens aufbauen: Steuerhinterziehung, Schmuggel, Marihuanaexport gepaart mit Korruption, gewaltsamer Konfliktlösung, Straflosigkeit und mangelnder Legitimität staatlicher Institutionen. An den Schaltzentralen des internationalen Drogengeschäfts besorgen zahlenmäßig kleine, streng abgeschottete kriminelle Organisationen die Weiterverarbeitung, Schmuggel und en-gros-Verkauf der Drogen. Hier sind große Mengen an Kapital und Macht in wenigen Händen konzentriert. Da das wichtigste Kapital des illegalen Unternehmens Vertrauen ist, besteht die engere Führungsebene häufig aus Familienangehörigen (zum Beispiel die Familie Ochoa aus Medellín).

Gerade die Stadt Medellín galt vor seiner Stellung als Drogenhochburg als: ehrlich, arbeitsam, gastfreundlich und unermüdlich. Als es 1982 zu einer großen Finanzkrise kam, (...) vollzogen die Drogenhändler ihren triumphalen Auftritt. Nun war es möglich in wenigen Tagen Millionär zu werden! Die Welt war da draußen, um gewonnen zu werden und nötig war dazu nur der Ehrgeiz, die Lust darauf und die Durchhaltekraft.[8] Und gerade die Bewohner aus dem Nordost-Bezirk Medellíns hatten nichts zu verlieren – sie waren die ärmsten der Armen ohne Perspektiven. Aus diesem Grund boten sie sich dem Kartell für jede Art von Arbeit an. In weniger als zwei Jahren vervielfachte der Drogenhandel die Zahl seiner Mitarbeiter im Verwaltungsbereich um hundert und im industriellen Produktionsprozess gar um tausend Prozent.[9]

Im weiteren Umfeld der Organisation stellen Freundschaften sowie Netzwerke von nationalen, ethnischen, regionalen oder nachbarlichen Zugehörigkeiten persönliche Abhängigkeiten und Loyalität her. Das illegale Unternehmen ist aber auch gezwungen, eigene Gewaltmittel zur Konfliktregelung bereitzuhalten, sowohl nach innen als auch

gegenüber Geschäftspartnern und Konkurrenten auf den illegalen Märkten. Im Umgang mit der Staatsgewalt wird der diskretere Weg der Bestechung bevorzugt. Plomo o plata, Blei oder Silber, lautete das Angebot der Kokainbarone aus Medellín an Richter und Staatsanwälte, Polizisten, Journalisten und Politiker. Und sie zögerten nicht, notfalls auch zum Blei zu greifen.[10]

Worüber die Ochoas (Ende der 80er Jahre) (...) regieren, ist ein lockerer Zusammenschluss streng kontrollierter Untergrund-Firmen, den sie einfach la companía nennen - „die Gesellschaft“ - der in der Außenwelt aber als Kartell bekannt ist. Diese Gesellschaft ist (...) strukturiert und bis ins Kleinste organisiert. Es gibt Gruppen, die darauf spezialisiert sind, die nötigen Rohstoffe einzukaufen und in präzisen Mengen zu liefern – an verschiedene Geheimlaboratorien in ganz Kolumbien (...). Andere Gruppen sind für die Sicherheit verantwortlich und, wenn notwendig, auch dafür, Gesetzeshüter, Militärs, Richter, Anwälte, Politiker und sogar Präsidenten kleinzukriegen. Und es gibt wieder andere Gruppen, die darauf spezialisiert sind, das raffinierte Kokain auf die Schwarzmärkte der ganzen Welt(...) zu bringen.[11] Der kolumbianische Ökonom Francisco Thoumi schätzt die potentiellen Gewinne aus dem Drogengeschäft in Kolumbien auf 2-5 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Schätzungen über die Rückflüsse dieser Gewinne ins Land umfassen eine Bandbreite zwischen 0,5 und 4 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Der Ökonom Hernando José Gómez bezifferte 1990 das in der kolumbianischen Volkswirtschaft über Jahre akkumulierte „Drogenkapital“ auf 14,2 Milliarden US-Dollar Thoumi gelangte 1994 gar zu einer Größenordnung von mehr als 66 Milliarden US-Dollar. Bei aller Unsicherheit, die diesen Schätzungen anhaftet: Setzt man sie mit anderen volkswirtschaftlichen Größen in Beziehung, nehmen sich die „Drogeneinnahmen“ Kolumbiens in der Tat beängstigend aus, etwa im Verhältnis zu den privaten Investitionen, die Thoumi im Zeitraum zwischen 1976 und 1986 auf durchschnittlich 2,8 Milliarden US-Dollar/ Jahr beziffert. Angaben über die jährlichen Einnahmen aus dem Drogengeschäft der Kernländer des Koka-Kokain-Geschäfts lagen in der ersten Hälfte der 90er Jahre bei 900 Millionen US-Dollar (Bolivien), 2.500 Millionen US-Dollar (Kolumbien) und 1.500 Millionen US-Dollar (Peru); das entsprach 109 Prozent beziehungsweise. 23 Prozent beziehungsweise 35 Prozent der jeweiligen nationalen Exporteinnahmen. Auch wenn das relative Gewicht dieser illegalen Gelder in Kolumbien niedriger ist als in Bolivien oder Peru, so sind sie dort in wenigen Händen konzentriert und stellen daher einen erheblichen Machtfaktor dar.[12]

Kolumbiens Kokainwirtschaft hat Lebensgrundlagen geschaffen, wo der Staat versagt hat.

Aber sie brachte auch eine nie dagewesene Gewalt und Korruption, die jede staatliche Institution befallen haben. Das Bündnis zwischen Drogenhändlern, Landbesitzern und Armee hat in den achtziger Jahren das Leben Tausender von Führern und Aktivisten des Volkes gekostet. Es ist bezeichnend für den Charakter der kolumbianischen Herrschaftselite, dass sie ein solches Bündnis vorzieht, anstatt Reformen einzuführen, die ein gerechtes und demokratisches Land schaffen könnten.[13]

[...]


[1] Pearce, J. (1992), S. 109

[2] Eddy, P./Sabogal, H./Walden, S. (1989), S. 29f

[3] Pearce, J. (1992), S. 109ff

[4] Eddy, P./Sabogal, H./Walden, S. (1989), S. 23f

[5] Pearce, J. (1992), S. 112

[6] Eddy, P./Sabogal, H./Walden, S. (1989), S. 24

[7] Eddy, P./Sabogal, H./Walden, S. (1989), S. 237

[8] Osorno, A. (1993), S. 34

[9] Osorno, A. (1993), S. 35

[10] http://www.gtz.de/de/dokumente/de-andenlaender-01.pdf

[11] Eddy, P./Sabogal, H./Walden, S. (1989), S. 25f

[12] http://www.gtz.de/de/dokumente/de-andenlaender-01.pdf

[13] Pearce, J. (1992), S. 113f

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Kolumbien als Zentrum der Drogenwirtschaft:
Untertitel
Hat die Drogenwirtschaft einen Einfluss auf die kolumbianische Kultur bzw. Gesellschaft?
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  ( Institut für Romanistik Fachbereich Landes- und Kulturwissenschaft)
Veranstaltung
Kultur und Gewalt: Kolumbien nach 1990
Note
2,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V124268
ISBN (eBook)
9783640287826
ISBN (Buch)
9783640287994
Dateigröße
456 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kolumbien, Zentrum, Drogenwirtschaft, Kultur, Gewalt, Kolumbien
Arbeit zitieren
Sandra Loley (Autor:in), 2008, Kolumbien als Zentrum der Drogenwirtschaft:, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124268

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