Filmanalyse: Mar adentro (Das Meer in mir) von Alejandro Amenábar


Hausarbeit, 2006

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsangabe

Einleitung

1. Bestandsaufnahme
1.1 Daten zum Film
1.2 Inhalt des Films
1.3 Zentrale Themen
1.4 Bedeutung des Films
1.5 Wahre Begebenheit, auf der Mar adentro beruht

2. Sterbehilfe in Spanien - ein Exkurs

3. Die handelnden Personen

4. Filmanalyse
4.1 Allgemeines
4.2 Zeit- und Erzählstruktur
4.3 Ton
4.3.1 Sprache
4.3.2 Geräusche
4.3.3 Musik
4.4 Energie ohne Bewegung schaffen
4.5 Symbolik
4.5.1 Farbsymbolik
4.5.2 Symbole

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Wer sterben will, aber aus eigener Kraft heraus nicht sterben kann, ist auf Hilfe angewiesen. Doch was passiert, wenn einem diese Hilfe verweigert wird? Wer kann objektiv entscheiden, ob ein Leben lebenswert ist oder nicht?

Nicht nur zahlreiche amerikanische Filme wie Clint Eastwoods Million Dollar Baby beschäftigen sich mit dem Thema Euthanasie, sondern auch Alejandro Amenábars1 vierter Film Mar adentro, der durch einen Oscar in der Kategorie bester fremdsprachiger Film im Jahre 2005 und durch zahlreiche weitere Auszeichnungen ein Welterfolg geworden ist, handelt von einem Tetraplegiker2 namens Ramón, der vergeblich auf Sterbehilfe hofft. Dieser querschnittsgelähmte Mann begründet seinen Wunsch zu sterben damit, dass er keine Freiheit mehr hat, weil er sich nicht bewegen kann und dass er nicht mehr lieben kann, weil er zu keiner körperlichen Liebe mehr fähig ist.

Wie in Alejandro Amenábars vorherigen Filmen Tesis (1996), Abre Los Ojos (1997) und The Others (2001) geht es um psychische Grenzerfahrungen zwischen Leben und Tod und zwischen Wirklichkeit und Vision.

Das Meer in mir hätte aufgrund seiner Darstellung eines Einzelschicksals ein banales Melodram werden können. Der Humors des Drehbuchs, die Präsenz Ramóns und die gekonnten Inszenierung jedoch verhelfen dazu, dass der Film nicht in tiefste Dramatik verfällt. Zudem bleibt völlig ausgeklammert, was die jahrelange Bettlägerigkeit für Ramóns Körper eigentlich bedeutet. Amenábar hat es geschafft aus Das Meer in mir einen Film zu machen, der gleichzeitig lachen und weinen lässt.

Die menschliche Freiheit in einer Extremsituation wird mit raffinierten erzählerisch- filmischen Mitteln mitreißend thematisiert. Wie der Regisseur das im Einzelnen erreicht hat, soll nun näher analysiert werden.

1. Bestandsaufnahme

1.1 Daten zum Film

Das Meer in mir (Mar adentro). Spanien 2004. Länge: 121 Minuten.

Regie: Alejandro Amenábar. Buch: Alejandro Amenábar, Mateo Gil. Kamera: Javier Aguirresarobe.

Darsteller: Javier Bardem (Ramón Sampedro), Belén Rueda (Julia), Lola Dueñas (Rosa), Mabel Rivera (Manuela), Celso Bugallo (José), Clara Segura (Gené), Joan Dalmau (Joaquin), Tamar Novas (Javi), Alberto Jiménez (Germán) und andere.

FSK: Freigegeben ab 12 Jahren.

Auszeichnungen: Oscar 2005: bester fremdsprachiger Film, Golden Globes 2005: bester nicht-englischsprachiger Film, Spanischer Filmpreis 2005 (Goya-Awards), Filmfestspiele Venedig 2004: Silberner Löwe.

1.2 Inhalt des Films

Im Alter von 25 Jahren verunglückt Ramón Sampedro, ein galizischer Schiffsmechaniker, bei einem Sprung von einer Klippe ins Meer. Von nun an ist er querschnittsgelähmt und kann nur noch seinen Kopf bewegen. Jahrelang liegt der mittlerweile 52-Jährige in seinem Bett im Hause der Familie seines Bruders. Ramón trägt noch immer ein Strahlen in den Augen, flirtet mit den Frauen und schreibt Gedichte, dennoch wünscht er sich nichts sehnlicher als den Tod. Doch dieser lässt sich nicht erfüllen: Bruder und Vater finden ihn verwerflich, Neffe und Schwägerin wollen sich nicht damit abfinden und die Justiz schließlich lehnt seine Bitte um legalisierte aktive Sterbehilfe ab.

In dieser Situation lernt er die Anwältin Julia kennen, die für eine Organisation, die Ramóns Ziele teilt, den Fall übernehmen will. Ramón verliebt sich in die verheiratete Julia, doch auch sie entscheidet sich letztlich dagegen, Ramón den Tod zu ermöglichen. Nachdem die Prozesse endgültig gescheitert sind, ist es seine Freundin Rosa, die ihm schließlich in Wasser gelöstes Zyankali gibt. Damit seine Helfer nicht juristisch belangt werden können, stirbt Ramón wie ein Verbrecher qualvoll allein vor laufender Kamera.3

1.3 Zentrale Themen

Sterbehilfe wird auch als Euthanasie bezeichnet. Im deutschen Sprachraum jedoch ist dieser Begriff durch den Missbrauch im Dritten Reich stark vorbelastet. Historiker verstehen darunter die planmäßige Ermordung alter, kranker und behinderter Menschen durch die Nationalsozialisten.4 Euthanasie ist das Hauptthema von Mar adentro. Im Film erscheinen vielfältige Aspekte der Auseinandersetzung mit dem kontroversen Thema Sterbehilfe: philosophische Argumente stehen juristischen und religiösen gegenüber. Der Standpunkt der Kirche ist vertreten durch einen Priester, der Ramón besucht. Es erfolgt ein verbaler Schlagabtausch zuerst über einen Mittler, später direkt. Dieser Filmabschnitt, der zeigt, dass auch religiöse Einwände Ramóns Auffassung nicht überzeugen können, ist wichtig, aber nicht dramaturgisch wertvoll. Spannungsreich dagegen sind die zwei juristischen Szenen, die im Film auftauchen. In der ersten Szene wird Ramóns Antrag in Barcelona wegen einem Formfehler abgelehnt; Ramón hätte sich nach La Coruña wenden müssen. Aus der Sicht von Ramón können die Richter daher nur unmenschlich und gefühllos wirken, wenn sie einen Antrag auf Sterbehilfe aufgrund eines Verfahrensfehlers ablehnen. In der zweiten Szene wird sein Antrag endgültig abgelehnt. Das Gericht versteht Ramón, Euthanasie aber stelle eine Straftat dar und sei deswegen nicht zulässig.

Auch Krankheit und Tod spielen eine wichtige Rolle. Ramón wählt Julia, die an CADASIL, einer degenerativen Krankheit, leidet, als Anwältin, da sie sich besser in seine Lage versetzen kann. Ramóns eingeschränkte Mobilität macht ihn komplett abhängig von der Hilfe anderer, er wünscht sich deshalb einen Tod im Kreise seiner Familie, muss aber allein, versteckt wie ein Verbrecher oder Krimineller, sterben, um seine Freunde vor Strafverfolgung zu schützen: „Ich will nicht mehr leben, weil ich nicht mehr lieben kann.“ Eng verbunden mit Ramóns Wunsch zu sterben ist das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung. Ramón beansprucht für sich ein Recht auf Leben, jedoch nicht die Pflicht, zu leben.

Ramóns Liebesbeziehung zu Julia und zu Rosa sind zudem enorm bedeutsam für den Verlauf der Handlung. Julia verspricht Ramón den gemeinsamen Freitod, im letzten Augenblick jedoch schreckt sie zurück. Am Ende des Film wird sie sich aufgrund ihrer Krankheit nicht mal mehr an Ramón erinnern können. Rosa dagegen ist es nun, die Rámon zum Freitod verhilft, da sie ihn liebt und nicht möchte, dass er weiterhin leidet.

1.4 Bedeutung des Films

Mar adentro kann als universeller Film verstanden werden, da die Thematik Sterbehilfe in jedem Kulturkreis verständlich ist. Der Film beinhaltet eine juristische Anspielung auf die derzeitige rechtliche Lage bezüglich der Euthanasie in Spanien. Desweiteren soll, so Amenábar, auch Standpunkt der Kirche deutlich gemacht werden, die auch in Extremsituationen die Sterbehilfe ablehnt:

„Jede Form aktiver Sterbehilfe ist Tötung eines Menschen und deshalb aus christlicher Sicht unannehmbar. Das Leben ist uns nicht frei verfügbar, sondern ein Geschenk Gottes. Niemand hat das Recht, über den Wert oder Unwert eines menschlichen Lebens zu entscheiden. Jeder Mensch hat seine Würde und sein Lebensrecht von Gott her.“5

Der Film ist trotz seines Handlungsverlaufs kein Plädoyer für Selbstmord, auch kein so genannter „downer“ sondern ein Trost für die Hinterbliebenen, welcher auf Ramóns Humor basiert. Mar adentro wird vielmehr zu einem Plädoyer für Freiheit und Selbstbestimmung mit dem Ziel, den Menschen zu zeigen, dass sie für sich selbst denken, Sachen in Frage stellen und nicht alles annehmen sollen.

1.5 Wahre Begebenheit, auf der Mar adentro beruht

Mar adentro beruht auf der wahren Lebensgeschichte von Ramón Sampedro, der 1943 in Xuñio geboren wurde und schon mit 19 Jahren als Seemann um die Welt reiste. Seit seinem Unfall im Jahr 1968 kämpfte er vor den spanischen Gerichten für aktive Sterbehilfe. Nach jahrelangen vergeblichen Verhandlungen starb er durch die Hilfe seiner Freundin Ramona Maneiro, die ihm illegaler weise den Tod durch in Wasser gelöstes Zyankali ermöglichte. Erst Anfang 2005 konnte sie sich zu der Tat bekennen, ohne eine juristische Verfolgung befürchten zu müssen.

Kurz vor seinem Tod veröffentlichte Ramón sein Buch „ Cartas desde el inferno“, Briefe aus der Hölle, das die Briefwechsel Sampedros mit dem Gericht enthält. Posthum wurde zudem mit „ Cando eu Caia “ ein Band mit Sampedros Gedichten veröffentlicht.6 Alejandro Amenábar sah Ramóns Schicksal zuerst im Fernsehen. Gefangen von dieser schockierenden Dokumentation kaufte er sich darauf hin sein Buch und begann, weitere Recherchen zu machen. Nachdem Amenábar Ramóns Verwandte von seinem Filmvorhaben überzeugen konnte, begannen im Herbst 2002 die Arbeiten für das Drehbuch:

„Das Schicksal von Ramón Sampedro hat mich auf seltsame Weise gefesselt. In seinem Buch schreibt er über das Leben, die Liebe und den Tod, drei Dinge, die uns determinieren. Ganz langsam habe ich mich dann der Figur genähert, Fakten recherchiert und plötzlich war es klar: diesen Film muss ich einfach machen.“7

Im Film ist eine dokumentarische Dimension insofern gegeben, als dass wesentliche Fakten und Namen der Personen beibehalten wurden. Dennoch erfolgte eine künstlerische Bearbeitung. So sind zum Beispiel in Julia und Ramóns Neffen Javi mehrere Personen zusammengefasst: Julia verkörpert sämtliche Liebesbeziehungen von Ramón, der in Wirklichkeit drei Nichten und zwei Neffen hatte. Zudem wurde Ramóns Freundin, die ihm zum Tode verhalf, aus rechtlichen Gründen in Rosa umbenannt.8

2. Sterbehilfe in Spanien – ein Exkurs

Euthanasie ist ein Thema, welches derzeit weltweit große Aufmerksamkeit findet. Im Vergleich zu Diskussionen in Mittel- und Westeuropa9 aber hat die Frage der eutanasia in Spanien nur wenig Aufmerksamkeit gefunden. Aus der Rechtssprechung sind keine einschlägigen Entscheidungen ersichtlich. Mit einer Umgestaltung des geltenden Rechts ist daher in naher Zukunft nicht zu rechnen, obwohl sich in einer Umfrage fast 2/3 der Spanier und auch die Mehrheit der spanischen Ärzte für eine Legalisierung der Sterbehilfe ausgesprochen haben.

In der spanischen Literatur werden folgende Formen der Euthanasie unterschieden:

ortotanasia, eutanasia indirecta und eutanasia activa directa. Bei der ortotanasia, verzichtet der Arzt auf den Einsatz lebensverlängernder Maßnahmen, die eutanasia indirecta dagegen zielt auf eine Schmerzlinderung, wobei die Lebensverkürzung die ungewollte Folge der eingesetzten Schmerzmittel ist. Die dritte Form der Euthansie, die direkt auf die Herbeiführung des Todes zielt, wird als eutanasia activa directa bezeichnet.

Die gesetzlichen Bestimmungen zur Beteiligung an der Selbsttötung eines anderen (Art. 409 des Código Penal) lauten wie folgt: Der Versuch der Selbsttötung ist im spanischen Recht straflos, die Beteiligung an der Selbsttötung eines anderen dagegen ist strafbar. Seit 1928 umfasst Art. 409 folgende Fälle:

1- auxilio al suicidio (Beihilfe zur Selbsttötung),
2- inducción al suicidio (Anstiftung zur Selbsttötung) und
3- homicidio-suicidio ( Tötung mit Einwilligung des Getöteten)

Die Vorschrift der derzeit geltenden Verfassung beinhaltet folgendes:

« El que prestare auxilio o induzca a otro que se suicide será castigado con la pena de prisión mayor ; si se lo prestare hasta el punto de ejecutar él mismo la muerte será castigado con la pena de reclusión menor. «

“Wer einem anderen zur Selbsttötung Hilfe leistet oder ihn dazu anstiftet, wird mit prisión mayor bestraft ; geht die Hilfeleistung so weit, dass er selbst den Tod bewirkt, so wird er mit reclusión menor bestraft.“

(Prisión mayor ist eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und einem Tag bis 12 Jahre, reclusión menor 12 Jahre und ein Tag bis 20 Jahre. (Art. 30 CP))10 Das Strafmaß ist aber herabgesetzt, wenn die Tat auf die ausdrückliche, wohlüberlegte und unmissverständliche Bitte des Getöteten erfolgte und wenn dieser an einer ernsthaften, notwendigerweise zu seinem Tode führenden Erkrankung litt oder ein ernstes, schwer zu ertragendes und dauerhaftes Leiden hatte.

Damit Artikel 409 Anwendung finden kann, muss der Sterbewille „frei verantwortlich“ (consciente) sein. Bei Minderjährigen und geistig Abnormalen ist diese Frage besonders zu prüfen, kann aber nicht von vornherein verneint werden.11

[...]


1 Alejandro Fernando Amenábar Cantos (* 31. März 1972 in Santiago de Chile) ist ein chilenisch- spanischer Filmregisseur. Amenábar wurde als Sohn eines Chilenen und einer Spanierin in Chile geboren, die Familie floh 1973 vor der Militärdiktatur Augusto Pinochets nach Spanien, wo Amenábar in Madrid aufwuchs. Er begann ein Studium der Informationswissenschaften an der Madrider Universidad Complutense, wandte sich aber bald der Filmkunst zu. Er wurde für mehrere Kurzfilme mit Filmpreisen ausgezeichnet, beispielsweise für sein Erstlingswerk La cabeza. Sein erster Film Tesis wurde 1997 mit sieben Goyas bedacht. Der amerikanische Schauspieler Tom Cruise kaufte die Rechte an seinem zweiten Film, Abre los ojos, um nur vier Jahre später das Remake Vanilla Sky zu produzieren. (Vgl. http//de.wikipedia.org/wiki/Alejandro_Amen%C3%A1bar)

2 Tetraplegie: (griech.: tetra:vier, plege:Schlag) ist eine Form der Querschnittslähmung, bei der alle vier Gliedmaßen betroffen sind (Vgl. http//de.wikipedia.org/wiki/Tetraplegie)

3 Vgl. Institut für Kino und Filmkultur e.V., Das Meer in mir. S.1

4 Vgl. Institut für Kino und Filmkultur e.V., Das Meer in mir. S.2

5 Zitiert nach Katholischem Filmwerk, Das Meer in mir. S.8

6 Vgl. Institut für Kino und Filmkultur e.V., Das Meer in mir. S.4

7 Zitiert nach Alejandro Amenábar, Interview im Bayerischen Rundfunk. S.1

8 Vgl. Alejandro Amenábar, Bonusmaterial der DVD

9 Die Niederlande erlaubt im Januar 2002 als erstes Land Euthanasie per Gesetz, 8 Monate später folgt Belgien. (Vgl. www.3sat.de/nano/astuecke/77445/index.html)

10 Vgl. Dr. Kurt Madlener, Referent am Max-Planck-Institut für nationales und internationales Strafrecht, Euthanasie in Spanien. S.3-12

11 Ebd.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Filmanalyse: Mar adentro (Das Meer in mir) von Alejandro Amenábar
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Philosophische Fakultät (Romanistik))
Veranstaltung
Der spanische Film
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V124004
ISBN (eBook)
9783640296255
Dateigröße
617 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Filmanalyse, Meer, Alejandro, Amenábar, Film
Arbeit zitieren
Ulrike Weiher (Autor:in), 2006, Filmanalyse: Mar adentro (Das Meer in mir) von Alejandro Amenábar, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124004

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